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Medienschau Juni 2017

Medienschau Juni 2017

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen der vergangenen zwei Monate. (Bild: palliative zh+sh)

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Unter dem Titel «Medienschau» bietet palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen.

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden, werden die Links zu den Beiträgen deshalb in der rechten Spalte aufgelistet.

Dokumente zum Thema

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06. Juli 2017 / Medien
Eine Reportage von Deutschlandfunk Kultur zeigt, wie die palliativmedizinische Versorgung Schwerkranker zuhause aussehen kann. Der Palliativmediziner Thomas Schindler gehört zu den Pionieren der ambulanten Palliativversorgung in Berlin und hat seine ganz eigene Arbeitsweise entwickelt. Kollegen aus seiner Gemeinschaftspraxis sagen: «Es lohnt sich zu sterben, wenn man von Doktor Schindler betreut wird.» Er selber sagt, Menschen wollten nicht nur zuhause sterben. «Sie wollen auch leben so lange es geht.» Er spricht wenn möglich mit seinen Patientinnen und Patienten über das Sterben und über Wünsche für die letzte Lebensphase. Dass Menschen ihr Leben aktiv beenden wollen, erlebt er sehr selten. Das neue Sterbehilfe-Gesetz in Deutschland macht ihm – anders als einigen anderen Palliativmedizinern, die Beschwerde eingereicht haben – nicht zu schaffen. Ein Gespräch beispielsweise über mögliche Folgen einer überdosierten Medikamenteneinnahme zu verweigern, käme ihm nicht in den Sinn, sagt er. «Weil ich ja mit diesen Menschen sehr gleichberechtigt sprechen möchte und auch mein Wissen und meine Kompetenz gerne teile.»

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Die mobile palliative Versorgung war auch Diskussionsthema in der Sendung «Praxis Gesundheit» von Santémedia mit Dr. med. Jean-Marc Lüthi, Onkologe am Spital Thun, und Stefan Fritz, der seine krebskranke Frau bis zu ihrem Tod begleitet hat und von einem mobilen Palliative-Care-Team unterstützt wurde. Lüthi erklärte, was Palliative Care ist, wonach sie sich richtet und wie sie geleistet werden kann. In der Region Thun sei auch die mobile palliative Versorgung gut ausgebaut, so Lüthi. Aber: «Palliative Care setzt heute oft viel zu spät ein.» Darum werde die palliative Betreuung oft erst im stationären Bereich aufgegleist. Der Betroffene Fritz berichtete über psychische und körperliche Probleme in der anspruchsvollen Zeit der Pflege seiner Frau und nach ihrem Tod. «Für uns war es während der gesamten Zeit sehr wichtig, dass wir sehr offen diskutieren konnten», so Fritz. Die offenen Gespräche haben Fritz und seine Frau nicht nur untereinander geführt, sondern konnten solche auch mit dem Team von Dr. Lüthi führen. «Diese Gespräche waren für uns eine wichtige Grundlage, um diese Zeit überstehen zu können. Ich konnte damit auch nach dem Tod meiner Frau auf einer Grundlage für mein weiteres Leben aufbauen.» Der Onkologe Lüthi betonte, dass es für eine optimale Versorgung nötig sei, dass alle involvierten Fachstellen und -personen miteinander vernetzt und die palliative Betreuung koordiniert sei.

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«Hier ist alles so unkompliziert und mit Herz, ich hätte nicht geglaubt, dass es in der heutigen Zeit so etwas noch gibt.»

Ein Bericht über die stationäre palliative Versorgung erschien im St. Galler Tagblatt. Nach einem halben Jahr Betrieb berichtete die Zeitung über den Alltag im «Hospiz im Werdenberg». Seit dem Betriebsstart im Januar sei die Nachfrage nach Betreuungsplätzen ungebrochen, schreibt das Tagblatt. Der Ehemann einer jungen Palliativpatientin, die für die letzte Lebenszeit ins Hospiz gezogen ist, sagt: «Hier ist alles so unkompliziert und mit Herz, ich hätte nicht geglaubt, dass es in der heutigen Zeit so etwas noch gibt.» Die Mitarbeitenden wollen mit ihrem Hospiz ein «Hort sein der Ruhe und Zuversicht» sein. Das Hospiz im Werdenberg ist das erste stationäre Hospiz im Kanton St. Gallen, im Januar 2018 soll ein zweites in der Stadt St. Gallen dazukommen.

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Auch im Kanton Wallis sollen Hospizplätze eingerichtet werden, wobei noch keine konkreten Massnahmen geplant sind. Der Oberwalliser Verein für Sterbe- und Trauerbegleitung hat eine Studie in Auftrag gegeben, die zeigt, dass Bedarf für Hospizplätze im Wallis besteht. Es gebe immer wieder Menschen, die zum Sterben nicht nach Hause könnten, weil Angerhörige mit der Situation überfordert seien, die aber auch nicht mehr im Spital bleiben können, sagte Caroline Walker-Miano vom Verein gegenüber dem SRF Regionaljournal Bern Freiburg Wallis. Diese Menschen kämen meist in ein Alters- und Pflegeheim, was gerade für jüngere Patienten der falsche Ort sei. Die Autoren der Studie der Hochschule Luzern kommen zum Schluss, dass es im gesamten Wallis rund zehn Hospizplätze, im Oberwallis zwei bräuchte. Diese Plätze sollen in einer bestehenden Institution geschaffen werden. Dazu wurde ein neuer Verein gegründet, der später in eine Stiftung umgewandelt werden soll.

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Das Projekt ACP-NOPA von palliative zh+sh und dem UniversitätsSpital Zürich USZ gewann im Juni den Förderpreis des Forums Managed Care fmc. Darüber berichtete auch die Plattform «Medinside». Das Siegerprojekt zeige auf, wie dank einer strukturierten Betreuungs- und Notfallplanung ungewollte Hospitalisationen in den letzten Lebenstagen um mehr als 50 Prozent reduziert werden könnten.

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Von vielen Medien aufgenommen wurde die Mitgliederdebatte bei «Exit» um die Frage, ob die Suizidbeihilfe weiter liberalisiert werden solle, wie es eine Gruppe an der Mitgliederversammlung im Juni verlangte. Die Gruppe fordert, Sterbebegleitungen sollen für alte Menschen ohne ärztliche Diagnose zulässig sein. Die Öffnung wird von Exit nun geprüft. Die Sonntagszeitung zitierte in diesem Zusammenhang die NFP-Studie zum Thema Sterbewunsch und berichtete über das «erstaunliche Resultat», wonach nur gerade einer von rund 250 Befragten (Durchschnittsalter 87) sich aktiv den Tod herbeisehnte. Dabei wurde auch festgestellt, dass es nicht die körperlichen Leiden sind, die einen Sterbewunsch aufkommen lassen, sondern psychische und spirituelle Nöte. Die Geriaterin Eve Rubli sagte gegenüber der Sonntagszeitung denn auch, existenzielle Fragen würden in Alters- und Pflegeheimen vernachlässigt. An Sterbehilfe zu denken, wenn jemand einen Sterbewunsch äussere, sei nicht immer der richtige Reflex.
Existenzielle Fragen werden in Alters- und Pflegeheimen vernachlässigt.

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In einem Kommentar zu einem weiteren Artikel dazu im Tagesanzeiger schrieb der Religionsexperte Michael Meier mit Blick auf den Antrag der Exit-Mitglieder: «Hier wird die Sterbehilfedebatte zur Zwängerei und schadet ihrem Grundanliegen.» Dem Antragsteller schwebe als Fernziel vor, dass das tödliche Medikament ohne ärztliches Rezept bezogen werden könne, schrieb Meier. Auch wenn diese Forderung so nicht im aktuellen Antrag stand. Meier: «Eine gewisse Regulierung ist nötig. Die Abgabe des Medikaments muss an Kriterien gebunden bleiben. Sonst droht Missbrauch.» Der Suizid müsse die Ausnahme bleiben. «Den selbstbestimmten Menschen ist so viel Lebensfülle zu wünschen, dass sie nicht den Freitod wählen müssen.»
Ähnliche aber auch ganz andere Meinungen zum Thema waren auf dem Online-Portal der NZZ zu lesen. Die «Leserdebatte» zur Frage, ob auch gesunde, aber lebensmüde Senioren Suizidbeihilfe in Anspruch nehmen können sollten, wurde rege geführt. Diskutiert wurden hauptsächlich Definitionsfragen, aber auch mögliche Motive oder die Perspektive von Angehörigen.

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Ein anderer Blick auf die Thematik zeigt sich in einem Interview mit Patrick Frey über seine neue Komödie mit dem Titel «Exit Retour», die er zusammen mit Katja Früh geschrieben hat und die aktuell am Casinotheater Winterthur läuft. Frey, der in der Komödie als Sterbehelfer auf der Bühne steht, sagte gegenüber der Sonntagszeitung: «Ein privater Verein ist nicht die Lösung des Problems, wie wir mit dem Altersfreitod umgehen sollen. Es ist ein gesellschaftliches Problem.» Er sei nicht gegen Sterbehilfe an sich und finde gut, was Exit mache. Aber beim Gedanken, dass es keine ärztliche Diagnose mehr brauchen solle, werde ihm unwohl. Im neuen Stück gehe es um die Wirkung der Sterbehilfe auf die Angehörigen; die sterbewillige Grossmutter komme darin gar nicht vor. Katja Früh und er gingen bei dieser Arbeit von ihren persönlichen Erfahrungen aus und versuchten, sich mit dem Thema ernsthaft auseinanderzusetzen, den Ernst aber immer wieder zu brechen. «Aus der Trauer ins Lachen zu geraten. Das wirkt hoffentlich befreiend.» Der Tod müsse einen Platz in der Gesellschaft bekommen, das leiste Exit nicht. «Exit erledigt das Thema ganz privat: Der Einzelne soll auf diskrete Weise die Gesellschaft verlassen können, möglichst geräuschlos.»

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«In unserer Gesellschaft überschätzen wir die intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen.»
Monika Stocker

Dass die Gesellschaft sich den Themen Alter und Tod annehmen müsste, sieht die Soziologin und Ex-Politikerin Monika Stocker ähnlich. Sie sprach in einem Video-Interview auf alzheimer.ch über den Umgang der Gesellschaft mit Menschen mit Demenz, deren Voraussetzungen für ein gutes Leben und natürlich auch über die politischen Aspekte rund um die Situation von Alten, Hochaltrigen und Pflegebedürftigen in der Schweiz. «In unserer Gesellschaft überschätzen wir die intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen», sagt Stocker. «Ich glaube, Lebensfreude und Lebenslust passieren nicht über den Kopf. Das hat mit dem Herz zu tun und das wird ja nicht dement. Ein Mensch bleibt ein Mensch.» Ein anregendes, lebendiges Gespräch.

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Im Kanton Schaffhausen soll ein neues Angebot für Demenzkranke entstehen. Das berichteten die «Schaffhauser Nachrichten». Aus einem ehemaligen Bauernhaus in Herblingen soll eine betreute Hausgemeinschaft mit zwölf Plätzen für Demenzkranke werden, wo der Alltag der Betroffenen möglichst «normal» gestaltet werden kann. Betrieben wird die Gemeinschaft vom Altersheim Schönbühl. Das Projekt ist möglich dank dem grosszügigen Engagement eines örtlichen Bauunternehmers: Pius Zehnder will die Liegenschaft dem Altersheim Schönbühl zu einem tiefen Mietpreis zur Verfügung stellen. «Mir ging es als Unternehmer immer gut. Ich will etwas von meinem Glück zurückgeben», sagt Zehnder. Ab 2019 soll das Haus bezogen werden können.

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Ein Symptom, das – gerade bei Demenzkranken – in der Palliative Care häufig zur Herausforderung wird, wurde in der Zeitschrift «Ars medici» im Rahmen der Serie «Palliativmedizin in der Praxis» besprochen: das Delir. «Ars medici» lud zum Roundtable-Gespräch mit der Frage: Welchen Platz haben Neuroleptika? Anlass war eine aktuelle Studie, die auf möglicherweise negative Auswirkungen von Neuroleptika zur Behandlung von Delir hinweisen. Unter den Expertinnen und Experten in der Runde waren Heike Gudat und Klaus Bally. Sie schätzten die Studie als zu wenig gewichtig und stichhaltig ein, um die aktuelle Praxis komplett zu überdenken, sagten aber auch, es sei kein standardisiertes Vorgehen definiert. «Wir können in diesem Bereich eigentlich nur auf klinische Erfahrung zurückgreifen», sagte Gudat. Alle Gesprächsteilnehmenden waren ausserdem der Meinung, dass das Management ganz unterschiedlich sein müsse, je nachdem zu welchem Zeitpunkt im Leben ein Delir auftrete. Insgesamt herrschte im Expertengespräch viel Einigkeit: Medikamente spielen im Delir-Management nicht die wichtigste Rolle, wichtiger sind nicht medikamentöse und präventive Massnahmen, wobei diese je nach Setting oft an Grenzen stossen, weil es zur Umsetzung an Personal fehlt. Wichtig – und nicht ganz einfach – sei es, ein Delir beizeiten zu erkennen. Betreuende Angehörige, aber auch Fachpersonen müssten gut informiert und geschult sein, um rechtzeitig zu reagieren. Bally forderte, dass auch auf gesundheitspolitischer Ebene etwas geschehen müsse, damit aufsuchende Pflegende oder Psychiatriepflegende bei Betroffenen zuhause rechtzeitig intervenieren könnten. Und: «So wie wir heute Fachleute schulen für Wund- oder Palliativpflege, sollte es auch Delirexpertinnen und -experten geben, die danach schauen, dass diese Menschen nicht unnötig hospitalisiert werden.»

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Um den sehr umstrittenen Einsatz einer anderen Substanz ging es in zahlreichen deutschen Medien: Methadon in der Krebstherapie. Gegenüber dem Deutschlandfunk Kultur äusserte sich der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin Lukas Radbruch kritisch zum Thema. Er sagte, es gebe grundsätzlich keinen Anlass zu Hoffnung, da es zurzeit keine Untersuchung am Menschen gebe, die zeige, dass der Einsatz von Methadon bei Krebs Vorteile bringe. Radbruch kritisiert, dass mit der Hoffnung von krebskranken Menschen immer wieder Geschäfte gemacht würden. Zur Palliativversorgung in Deutschland insgesamt sagte Radbruch, es seien in den letzten 20 Jahren unglaubliche Fortschritte gemacht worden. «Aber es gibt eben immer noch weisse Flecken auf der Landkarte.» Bestimmte Gruppen wie beispielsweise Menschen in Pflegeeinrichtungen fänden oft keinen Zugang zu Schmerztherapie und Palliativversorgung.

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«Ich erinnere mich an die Lachanfälle.»

Mit der Unausweichlichkeit des Sterbens befasste sich die junge New Yorker Fotojournalistin Nancy Borowick während einem Jahr. Sie begleitet ihre beiden unheilbar an Krebs erkrankten Eltern in deren letztem Lebensjahr. Nach der niederschmetternden Nachricht habe sie das getan, was sie kannte: «Ich nahm meine Kamera und dokumentierte die doppelte Krebsbehandlung meiner Eltern für die folgenden 24 Monate und unser Leben, während die Zeit verstrich.» Entstanden ist eine wunderschöne, berührende Bildserie über die letzte Lebenszeit des Ehepaars und das Familienleben im Angesicht seiner zeitlichen Begrenztheit. «Wenn ich heute zurückschaue auf diese Zeit, die ich damit verbrachte, diese komplizierten Monate zu dokumentieren, dann erinnere ich mich nicht gleich daran, Angst gehabt zu haben. Ich erinnere mich an die Lachanfälle, die üppigen Abendessen, die Mitternachtstanzpartys in der Küche meiner Eltern und die endlosen Gespräche...», schreibt Nancy Borowick.
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