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Das «Modell Rotacher»

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Das «Modell Rotacher» an der Netzlounge von palliative zh+sh: «Wir sind weggekommen vom Schema „alle machen alles“ und arbeiten viel stärker interprofessionell», sagte die Pflegedirektorin Judith Alder. (Bilder: palliative zh+sh, ei)

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Pflegezentrum Rotacher Dietlikon

Als Pflegezentrum bietet das «Rotacher» Langzeitversorgung für Bewohnende der Gemeinden Dietlikon, Wallisellen und Wangen-Brüttisellen. Mit der Stadt Dübendorf hat das Pflegezentrum eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Das Zentrum führt fünf verschiedene Schwerpunktabteilungen mit dem Ziel, die Bewohnenden bedürfnisgerecht zu betreuen und gleichzeitig kosteneffizient zu arbeiten. Die Abteilungen sind die Kurzzeit-Pflege, die Langzeit-Pflege, die Demenz-Pflege, die Übergangs-Pflege und die Psychiatrische Pflege.

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01. November 2017 / Region
An der «Netzlounge» vom 26. Oktober berichteten Fachpersonen des Pflegezentrums Rotacher in Dietlikon über ihr Pflegemodell und insbesondere über ihre neue psychiatrische Pflegeabteilung. Menschen mit psychischen Erkrankungen finden nicht leicht einen Platz in einem Pflegezentrum. Das «Rotacher» hat das erkannt und macht gute Erfahrungen mit spezialisierten Abteilungen.
Die Finanzierung der Langzeitpflege wird immer schwieriger. Das war unter anderem an unseren Netzlounge-Veranstaltungen vom vergangenen Jahr deutlich geworden. An der letzten Netzlounge von diesem Jahr erzählte auch Judith Alder, die Leiterin Pflege des Pflegezentrums Rotacher in Dietlikon, die Aufenthaltsdauer ihrer Bewohnenden sei innert kurzer Zeit immer kürzer geworden. «Wir mussten etwas tun!»

Die Pflege akzentuiert

Und was das Pflegezentrum Rotacher tat, half nicht nur dabei, direkt auf die immer kürzeren Aufenthaltsdauern zu reagieren, sondern bringt vor allem Vorteile für die Bewohnenden und die Mitarbeitenden. Dieses Jahr drehten sich die Netzlounge-Veranstaltungen um das Thema «Gerontopsychiatrie». Das «Rotacher» arbeitet seit rund zwei Jahren mit einem Modell der Akzentuierung. Es betreibt verschiedene Abteilungen: Die Langzeitpflege – wie bisher, aber mit weniger Plätzen, die Kurzzeitpflege, die Übergangspflege, die Demenzpflege und die psychiatrische Pflege. Diese Abteilungen erlauben es, auf die höchst individuellen Bedürfnisse der Bewohnenden einzugehen und die Mitarbeitenden gezielt einzusetzen, je nach Fähigkeiten und Ausbildung. Alder sagte, die Ziele dieser Akzentuierung seien die bedürfnisgerechte Betreuung von Bewohnenden, mehr Kosteneffizienz und stärkere Interprofessionalität.

«Wir sind damit weggekommen vom Schema „alle machen alles“ und arbeiten viel stärker interprofessionell. Wir wollen uns gegenseitig ergänzen!» Die Mitarbeitenden sind mit diesem neuen Modell quasi zu Spezialistinnen und Spezialisten geworden, die Abteilungen bleiben aber durchlässig und Pflegende helfen einander gegenseitig mit ihrer Expertise aus. Die Pflegenden können sich laut Alder heute viel stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Die Aktivierungs- und Physiotherapeutinnen arbeiten abteilungsübergreifend.

Mitarbeitende müssen umdenken

Die Vorteile liegen also auf der Hand. Und die Nachteile? Vor allem die Umstellung vor rund zwei Jahren vom bisherigen zum neuen Modell sei eine Herausforderung gewesen, so Alder, und sei es teilweise immer noch. Je nach Abteilung müssten die Mitarbeitenden, allen voran jene, die in der Pflege tätig seien, stark umdenken. Das gilt ganz besonders für die psychiatrische Pflegeabteilung. Die Pflegeexpertin für die psychiatrische Pflege Ingrid Wenger sagte, auf ihrer Abteilung gehe es darum, den Menschen mit psychischen Erkrankungen ein Milieu zu bieten. «Wir orientieren uns an ihren Fähigkeiten und Grenzen.» Genau das, so Wenger, sei nicht immer einfach, weil die Betroffenen ihre eigenen Fähigkeiten oft nicht kennen oder verleugnen. Ein wichtiges Element, das die psychiatrische Abteilung auch von den anderen unterscheidet, sind die individuellen Tagesstrukturen für die Bewohnenden. Sie werden in der Regel gemeinsam mit den Betroffenen definiert und anschliessend relativ strikt eingehalten. Das bedeutet nicht selten auch, dass die Betreuenden die Bewohnenden zum Einhalten dieser Tagesstrukturen animieren müssen, sie gewissermassen führen. Das Ziel dieser Strukturen sei es, den Bewohnenden positive Erfahrungen mit dem alltäglichen Handeln und ihrem sozialen Leben zu ermöglichen, so Wenger.
«Der Schwerpunkt verlagert sich bei uns weg von der Grundpflege, hin zur Aktivierung.»
Edgar Ernle, Abteilungsleiter psychiatrische Pflege

Das stellt auch Anforderungen an die Mitarbeitenden. «Eine grosse Herausforderung für uns war und ist die Frage: Wie können wir Mitarbeitenden aus dem Langzeitbereich vermitteln, dass ein „Nein“ gegenüber einem Bewohner in der psychiatrischen Abteilung genauso wertvoll sein kann wie das Erfüllen von Wünschen in der Langzeit-Abteilung?», berichtete Edgar Ernle, der Leiter der Abteilung. Für die meisten Bewohnenden auf der psychiatrischen Abteilung seien die Tagesstrukturen enorm wichtig. «Der Schwerpunkt verlagert sich bei uns weg von der Grundpflege, hin zur Aktivierung.» Es gehe darum, die Bewohnenden zu motivieren, die Strukturen einzuhalten und dabei möglichst selbständig zu handeln. Sie beispielsweise nicht aus lauter Gewohnheit mit dem Rollstuhl vom Zimmer in den Gemeinschaftsraum zu schieben, sondern mit ihnen abzumachen, wann man sich dort treffen wolle und sie den Weg selber fahren lassen, solange das möglich sei. «Das bedingt auch, dass die Mitarbeitenden für die Bewohnenden verlässlich sind. Sie müssen dann zur abgemachten Zeit natürlich dort sein.» Die Pflegenden auf der Abteilung absolvieren spezialisierte Weiterbildungen, eine 20-Prozent-Stelle wurde mit einer Psychiaterin besetzt.

Begehrte Psychiatrie-Plätze

Der Aufbau der Abteilung fand zwischen 2013 und 2015 in enger Zusammenarbeit mit der Integrierten Psychiatrie Winterthur - Zürcher Unterland (IPW) statt. Bis heute ist die Zusammenarbeit mit der IPW intensiv, von wo auch die meisten Zuweisungen in die psychiatrische Abteilung des PZ Rotachers kommen. «Die Plätze sind begehrt», sagte Alder. «Oft kommen Patienten zu uns, die von vielen anderen Pflegezentren abgelehnt wurden.» Die psychiatrische Abteilung des PZ Rotachers bietet 14 Plätze, die Bewohnenden können bis zu ihrem Lebensende dort bleiben und erhalten dank guter Zusammenarbeit mit anderen Stellen wenn nötig eine umfassende palliative Betreuung.
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