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Medienschau November 2014

Medienschau November 2014

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«Medienschau» von palliative zh+sh: Ein Überblick über die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen. (Bild: palliative zh+sh)

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Unter dem Titel «Medienschau» liefert palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen. Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden, werden die Links zu den Beiträgen deshalb hier aufgelistet.

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05. Dezember 2014 / Medien
Die Frage nach dem «Wie» des Sterbens beschäftigt die Medien zurzeit aus zahlreichen Anlässen intensiv. Die politische Debatte in Deutschland zur gesetzlichen Regelung der Suizidbeihilfe spielt ebenso eine Rolle wie der Suizid von Udo Reiter in Deutschland oder der begleitete Suizid von This Jenny in der Schweiz. Aber auch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen wie die zahlenmässig grosse Generation der «Baby Boomer», die in wenigen Jahren zur älteren Generation unserer Gesellschaft zählen und damit die medizinische Versorgung herausfordern wird oder die Frage nach der Haltung einer Gesellschaft gegenüber ihren alten und schwerkranken Mitgliedern.


Ein brisantes Thema, dem sich die 3Sat-Sendung «scobel» im vergangenen Monat angenommen hat, ist «Suizid im Alter». Die gleichnamige Sendung von und mit Gert Scobel beleuchtete das Thema aus verschiedenen Perspektiven. Rund 40 Prozent aller Selbstmorde in Deutschland würden von Menschen über 60 begangen, erklärt Scobel und stellt fest, dass Alterssuizid dennoch ein grosses Tabuthema sei. Er fragt: «Warum aber haben so viele Menschen dieser Altersklasse den Wunsch, ihr Leben vorzeitig zu beenden?» Und: «Haben wir ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, ein Sterben in Würde?» Zum Thema sprechen in der Sendung Martin Teising, Facharzt für Psychiatrie und Psychoanalytiker, Urban Wiesing, Facharzt für Anästhesie, Philosoph, Direktor Institut für Ethik und Geschichte der Medizin Uni Tübingen und andere Experten. Auch ein Interview mit Harvey Max Chochinov über die «Dignity Therapy» ist Teil dieser umfangreichen Sendung.

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Derselbe Sender ging am selben Tag in einer Wissenschaftsdoku auf die Frage ein, wie wir eigentlich sterben. Was passiert am Ende des Lebens und wie geht Sterben vor sich? Die Dokumentation über den Vorgang des Sterbens und den Umgang von Hinterbliebenen mit einem erlittenen Verlust vereint die dokumentarische Begleitung einer erkrankten Person mit Experteninterviews aber auch mit gestellten Szenen. Letztere sollen beispielsweise illustrieren, wie jemand stirbt – sei es am Ende einer langen Krankheit oder auch durch einen plötzlichen Tod. Die Wissenschaftsdoku beantwortet damit einige Fragen, die sehr viele Menschen beschäftigen – spätestens dann, wenn sie durch eigene Betroffenheit oder die Betroffenheit von ihnen nahestehenden Menschen mit dem Sterben konfrontiert sind.

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Ein Interview mit dem deutschen Bundestagsvizepräsidenten Peter Hintze wurde im Deutschlandfunk ausgestrahlt. Kurz vor der Debatte über die Liberalisierung der Sterbehilfe im Bundestag sagte er, er wolle eine «zivilrechtliche Grundlage» schaffen, die Ärzten und Patienten Rechtssicherheit gebe. Er fände es aber sehr wichtig, Palliativmedizin und Sterbehilfe nicht gegeneinander auszuspielen. «Wir müssen alles tun, Menschen so liebevoll zu begleiten, dass sie auch zu einem Lebensrest noch ganz positiv Ja sagen können und dass das Ja zum Leben gestärkt wird.» Aber man müsse eben auch anerkennen, dass es Situationen gebe, in denen einigen Menschen dies nicht mehr möglich sei. «Und da dürfen wir ihnen nicht irgendeine Moral Dritter vorschreiben, sondern da müssen wir sie selbst entscheiden lassen.»

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Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Politiker Alois Glück sieht die Sache anders. Er befürchtet, dass, wenn Sterbehilfe-Angebote einmal etabliert seien, von schwerstkranken und sterbenden Menschen erwartet würde, dass sie ihrem Leben ein Ende setzten, wie er in einem Beitrag in der «Süddeutschen» schreibt. Er plädiert darum für ein Verbot der Suizidbeihilfe. Glück ist überzeugt, dass Menschen heute nur darum in Situationen kommen, in denen sie unverhältnismässig leiden und darum Sterbehilfe in Anspruch nehmen möchten, weil die palliative Versorgung noch nicht ausreichend ausgebaut sei. «Deshalb muss ein Verbot der organisierten Beihilfe zur Selbsttötung mit einer gesundheitspolitischen Initiative zum Auf- und Ausbau der Palliativmedizin und der Hospize einhergehen.» Die beiden Forderungen, so Glück, gehörten zusammen. Ein Verbot der organisierten Suizidbeihilfe dürfe es nicht ohne Gesetz zum Ausbau der Palliativmedizin geben.

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Gian Domenico Borasio, der in Deutschland mit anderen Experten einen Vorschlag für einen Gesetzesentwurf in dieser Sache vorlegte, sagt gegenüber der NZZ: «Autonomie geht weit über Suizidhilfe hinaus». Er findet, Suizidhilfe solle nicht verboten werden. «Aber statt sie zu propagieren, sollten wir vielmehr Bedingungen schaffen, um den Menschen die Angst vor Pflegebedürftigkeit zu nehmen.» Letztlich müsse sich die Gesellschaft fragen, was ihr diese schwerkranken, alten und pflegebedürftigen Menschen wert seien, die wir alle einmal sein werden. Man müsse vielmehr über Konzepte sprechen, wie mit den anstehenden Herausforderungen umgegangen werden könne, statt ständig über Suizidhilfe zu sprechen. «Nur gerade 7 von 1000 Schweizern starben 2012 durch Suizidhilfe. Da ist es doch ein Gebot der Stunde, sich auch um die anderen 993 Sterbenden zu kümmern», so Borasio.

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Auch Steffen Eychmüller, Palliativmediziner am Inselspital Bern, sagt in einem Interview gegenüber dem «Blick» im Rahmen der Berichterstattung über den Tod von This Jenny: «Ich bin kein ‚Exit’-Gegner.» Wenn die Gesellschaft dies so wolle und das Recht auf Sterbehilfe eine Mehrheit finde, sei das richtig. «Die Frage ist einfach, welche Werte vertreten wir, wie wollen wir miteinander umgehen und wie gehen wir mit Schwachen um», so Eychmüller. Wenn Sterbehilfe zum Ideal werde, dann heisse das, dass man als hilfsbedürftige Person nicht mehr wertvoll sei.

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Auch Österreich debattiert über das «Sterben in Würde». Der Gesundheitssprecher der ÖVP, Erwin Rasinger, liess sich vom «Kurier» zitieren: «Todkranke wollen zu Hause sterben». Er möchte das geltende Verbot aktiver Sterbehilfe in der österreichischen Verfassung verankern, um Österreich vor «dem internationalen Trend» zu bewahren, wie Rasinger im Beitrag sagt. Ein Arzt dürfe nicht Herr über Leben und Tod sein. «Menschen sollen nicht durch die Hand des Arztes sterben, sondern an seiner Hand. Rasinger plädiert dafür, die Leistungen im Hospiz- und Palliativbereich auszubauen – insbesondere zu Hause. Denn Hospize könnten zurzeit nur bis zu 20 Prozent des Bedarfs abdecken.

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Auch der österreichische «Standard» stellt fest: «Sterbende Patienten sind unterversorgt». Die öffentliche Hand lasse Hospizträger im Regen stehen, weshalb viele sterbende Patienten in Spitälern seien, heisst es im Beitrag. Weil die Hospizbetreuung fehle, blieben diese Patienten zudem oft länger als notwendig im Spital. «Vielen ist das Abschiednehmen zu Hause ein Herzenswunsch, der ihnen mangels ambulanter Versorgung jedoch oft versagt bleibt», so der Standard. Auch stationäre Hospize gebe es zurzeit viel zu wenige in Österreich. Im Zuge einer laufenden Debatte einer parlamentarischen Enquetekommission zum Thema Sterben wurde die Öffentlichkeit aufgerufen, Ideen, Wünsche und Anregungen zu liefern. Viele Hundert sind schon eingegangen und bis Ende Januar können weitere eingereicht werden.

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Hospize sind auch in der Schweiz nicht eben weit gestreut. In St. Gallen aber soll bis 2016 ein Sterbehospiz realisiert werden, wie unter anderen die «Basler Zeitung» schreibt. Im vergangenen Jahr wurde in St. Gallen ein Verein gegründet, der vor allem die Lücke im Angebot für jüngere, schwerkranke und sterbende Menschen füllen will. Für sie gebe es oft keine adäquate Institution, so der Verein «Freunde stationäres Hospiz St. Gallen». Der Verein hofft auf eine finanzielle Beteiligung des Kantons. Eine Bedarfsanalyse des Instituts für Angewandte Pflegewissenschaft an der Fachhochschule St. Gallen ergab einen Bedarf von sieben bis zehn Betten für die Region St. Gallen, Appenzell und die nahegelegenen Gemeinden des Thurgaus.

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Auch in Nordamerika steht es um die palliative Versorgung nicht nur rosig. «Many Americans may get hospice care too late», titelt «Medicalexpress» und zitiert einen aktuellen Studienbericht. Demnach erhielt von den über eineinhalb Millionen Patientinnen und Patienten, die Hospiz- und Palliative Care in Anspruch nahmen, ein Drittel die palliative Betreuung erst in ihrer letzten Lebenswoche. Somit wurden sie während bloss sieben Tagen oder weniger von Palliative Care Leistungserbringern betreut. Die Hälfte der Patientinnen und Patienten erhielten Palliative Care während weniger als 18 Tagen. Die «National Hospice and Palliative Care Organization» hatte mit der – bisher nicht publizierten – Studie das Wachstum, die Leistungserbringung und die Qualität von Hospiz- und Palliative Care in den USA untersucht.

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Dies sind erstaunliche Ergebnisse, setzt man sie in den Kontext, den Margaret McCartney im «The Guardian» beleuchtet. Die Ärztin schreibt, wenn es beispielsweise für Menschen mit metastasierendem Lungenkrebs eine Behandlung gäbe, die schwache Nebenwirkungen hätte und die das Leben nicht nur zu verlängern verspräche, sondern auch die Lebensqualität erhöhen könnte, dann würden wir erwarten, dass diese Behandlung zum «Blockbuster» würde. Entgegen unserer Erwartungen gebe es diese Behandlung tatsächlich. «It’s palliative care», schreibt McCartney. Sie bezieht sich auf eine entsprechende Studie, die im New England Journal of Medicine bereits vor vier Jahren publiziert wurde. Weil aber das Wort «palliativ» oft mit dem Ende, mit Hoffnungslosigkeit in Verbindung gebracht werde, sei es für viele Ärztinnen und Ärzte nicht einfach, diese Behandlung zu erwähnen oder gar vorzuschlagen. Aber in Wirklichkeit sei doch die tatsächliche Gefahr, keine Gespräche über solche Themen zu führen. Denn Palliative Care könne ziemlich viel bieten.

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Auch die Post-Gazette von Pittsburgh titelt: «Palliative care doctors help patients cope with their illnesses». Im Beitrag wird die Entwicklung beschrieben, dass immer mehr Spitäler auch spezialisierte Palliative Care anbieten, um schwerkranke Menschen adäquat behandeln zu können. Zitiert wird ein Onkologe und Professor der Universität von Washington, Tony Back. Er sagt, der Weg nach vorne in der Medizin sei nicht die blosse Anwendung von moderner Technologie, um eine Krankheit zu behandeln. «Fear drives people to think there’s got to be a way to fix this.» Aber es gebe viel bessere Wege, um mit schwerer Krankheit umzugehen. Palliative Care Teams können eine umfassende Betreuung leisten.

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Auch deutsche Regionalblätter berichten über verschiedene Angebote und Engagements, die Menschen mit schwerer Krankheit und am Lebensende zugute kommen sollen. In-online.de porträtiert als Beispiel für eine spezialisierte Palliativ-Versorgung SAPV das Palliativnetz Travebogen. Das Darmstädter Tagblatt stellt verschiedene Hospizvereine vor und n-tv.de stellt fest, dass die Zahl der Freiwilligen in der Sterbebegleitung steige. «Sie leisten vor allem psychische Unterstützung für die Patienten», heisst es im Beitrag. Derweil steigt offenbar nicht nur die Zahl der Freiwilligen, sondern auch die Nachfrage nach ihren Hilfsangeboten.

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Ein ganz privates, intensives Engagement beschreibt das Essay von Meghan Daum im «Guardian». Die Buchautorin beschreibt in einer intimen Erzählung, wie sie die letzten Monate mit ihrer an Gallenkrebs erkrankten Mutter erlebte, und wie sie in dieser Zeit auch mit der Geschichte der Beziehung zwischen ihr und ihrer Mutter konfrontiert war. Daum erzählt ungeschminkt davon, wie sie mit ihrer Mutter und dem nahenden Verlust umging – ungeschminkt auch dann, wenn sie von Begebenheiten berichtet, die nicht den gängigen Erwartungen entsprechen. Und die Autorin räumt auf mit Klischees, die sie bis dato selber gepflegt hatte und meint: «It’s amazing what the living expect of the dying. We expect wisdom, insight, bursts of clarity...»

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Eine ebenso berührende, aber ganz anders geartete Geschichte erzählt ein Radio-Feature von Paula Schneider, das in der Sendung «Passage» von SRF2 Kultur ausgestrahlt wurde. Unter dem Titel «Bleib bei mir, denn es will Abend werden – Lieben im Altenheim» begegnen die Hörer_innen dieses preisgekrönten Features fünf verschiedenen Paaren in einem deutschen Altersheim. Zweien, die ihre jahrzehntelang gewohnte Ehe nicht nur mit Krankheiten, sondern auch mit Heimregeln teilen müssen. Ein anderes Paar geht die letzten Lebensschritte plötzlich ganz getrennt. Und wenige Zimmer weiter trifft man auf Herzen, die sich hier neu gefunden haben. Ein wirklich stimmungsvoll und vertraulich-persönlicher Einblick, der dennoch nicht voyeuristisch wird.

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Über das Abschiednehmen am anderen Ende eines Lebens berichtete die «Berner Zeitung». Berichtet wird dort über den ambulanten Kinderhospizdienst «Pro Pallium», der schwerkranke Kinder und ihre Angehörigen unterstützt. Auch Eva Bergsträsser, Leiterin der Pädiatrischen Palliative Care am Universitätskinderspital Zürich, kommt zu Wort. Sie sagt: «Das Wichtigste ist, dass das Kind bis zuletzt so gut wie möglich gelebt hat. Dass es dafür Raum bekommt – und die Sicherheit, nicht allein zu sein und immer geliebt zu werden.» Aber auch, dass Eltern und Geschwister auch nach dem Tod des Kindes, trotz aller Traurigkeit, weiterleben könnten.

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Für die Hinterbliebenen will Daniel Izquierdo den Abschied erleichtern. – Aber auch den Verstorbenen letzte Wünsche erfüllen. Wie die «Basler Zeitung» berichtet, führt der in Spanien lebende Basler Naturbestattungen durch. Mit seiner Firma «ad mediterraneum» organisiert er Bestattungen in spanischen Orangenhainen, auf dem Meer oder auf dem Jakobsweg. Damit, so schreibt die «BaZ» komme Izquierdo einem Trend nach. «Mehr und mehr Menschen wünschen sich eine Rückkehr in die freie Natur, weit ausserhalb der Friedhofsmauern.»
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