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Medienschau Dezember 2016 und Januar 2017

Medienschau Dezember 2016 und Januar 2017

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen der vergangenen zwei Monate. (Bild: palliative zh+sh)

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Unter dem Titel «Medienschau» bietet palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen.

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden, werden die Links zu den Beiträgen deshalb in der rechten Spalte aufgelistet.

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

09. Februar 2017 / Medien
Die NZZ berichtete Anfang Jahr über die Abdeckung durch spezialisierte mobile Palliative-Care-Teams im Kanton Zürich. Nachdem die Zürcher Gesundheitsdirektion vor einem Jahr die Gemeinden aufgefordert hatte, mit spezialisierten Teams Leistungsvereinbarungen abzuschliessen, versuche der Verband SPaC die Entwicklung voranzutreiben, schreibt die NZZ. «Der Prozess ist harzig.» Erst 60 Prozent aller Zürcher Kommunen haben einen Vertrag mit einem SPaC-Team abgeschlossen. Es gebe noch viele weisse Flecken. Über dasselbe Thema, jedoch in unterschiedlichen Tönen, schrieben auch andere Zürcher Zeitungen im vergangenen Monat. Pallnetz.ch hat die Berichte kürzlich zusammengetragen.

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Auch in Schaffhausen gab es über Palliative Care etwas zu berichten: Der Regierungsrat hat das kantonale Palliative-Care-Konzept verabschiedet. Regierungsrat Walter Vogelsanger sagte gegenüber der Onlineausgabe des «Schaffhauser Bock»: «Das Departement des Innern arbeitet nun eine Vorlage zuhanden des Kantonsrats aus.» Der «Bock» führte dazu ein Interview mit der Palliativmedizinerin Katja Fischer, die am Konzept mitgearbeitet hat und Präsidentin von palliative-schaffhausen.ch ist. «Personen mit schweren, unheilbaren und chronischen Krankheiten, die zum Teil auch zum Tod führen, benötigen eine gute Versorgung, die auch ihrer Situation entspricht», sagt sie. Darum brauche es das kantonale Konzept. Dieses ermögliche «nicht nur eine bessere Behandlungsqualität für die einzelnen Patienten, sondern es spart auch Kosten, weil es eine sinnvolle Versorgung vor Ort ermöglicht», so Fischer.

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Darüber, was eine gute palliative Versorgung leisten kann, berichtete auch der deutsche Sender NDR in mehreren Beiträgen. Im Rahmen einer Spendenaktion für den deutschen Hospiz- und Palliativ Verband e.V. erschienen im Dezember verschiedene Fernsehbeiträge, die online weiterhin verfügbar sind. So beispielsweise ein Beitrag über einen Pflegefachmann in einem spezialisierten mobilen Palliative-Care-Team in Hamburg, der über sein Berufsleben berichtet. Als ehemaliger Intensivpflegefachmann schätzt er die Arbeit mit Schwerkranken zuhause. «Was man von den Menschen in diesen Situationen lernen kann, lernt man nirgendwo sonst», sagt er. Ein weiterer Bericht über die Palliativstation der Uniklinik Kiel zeigt, wie Gespräche zwischen Fachpersonen und Betroffenen über das weitere Vorgehen geführt werden und wie ein Betroffener über seine letzten Wünsche und Ziele und über seinen Abschied spricht. Ein anderer Beitrag thematisiert das Sterben im Hospiz.

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Ein besonders starker Fernsehbeitrag zeigte die Dokumentationssendung «37 Grad» von ZDF. Im Film «Ich sterbe wie ich will» werden drei schwerkranke Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen porträtiert. Der 75-jährige Klaus leidet an ALS. Er will sein Leben aktiv beenden und sucht dabei Hilfe. Die alleinerziehende 37-jährige Antje hingegen will ihren Tod so lange wie möglich hinauszögern. Sie leidet an Lungenkrebs und tut alles, um ihre beiden Kinder so lange wie möglich weiter begleiten zu können. Und die krebskranke Andrea mag nicht mehr kämpfen. Die 58-Jährige ist im Hopsiz und rechnet nicht damit, noch einmal nach Hause gehen zu können. Bei allen drei Porträtierten stehen immer wieder wichtige Entscheidungen an und alle gehen ihren je eigenen Weg. Ein Palliativmediziner sagt im Film: «Wenn man mehr Zeit hätte, Entscheidungen zu treffen, würden sich viele Menschen in gewissen Situationen vermutlich anders entscheiden.» Ein starker Film.

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Von der anderen Seite her gedacht titelte im Dezember ein Fenster zum Sonntag: «Leben um jeden Preis?», wobei es um ähnliche Entscheidungen ging wie beim Film «Ich sterbe wie ich will».
«Ich versuche, den Betroffenen Entscheidungshilfen zu geben.»
Andreas Weber

Unter anderem wurde ein Beitrag über das mobile Palliative-Care-Team des GZO Wetzikon gezeigt, in welchem deutlich wird, dass Palliative Care auch als Unterstützung begleitend zu einer Chemotherapie sehr hilfreich sein kann. Das Ziel von Andreas Weber und seinem Team: «Dass Menschen in schwierigen Situationen nicht immer wieder ins Spital gehen müssen.» Weber will sich auch für Gespräche mit den Betroffenen Zeit nehmen und mit ihnen einen jeweils individuellen Notfallplan erarbeiten. «Ich versuche, den Betroffenen Entscheidungshilfen zu geben und dafür zu sorgen, dass sie alles wissen, um einen fundierten Entscheid fällen zu können.» Weber sagt, die Betroffenen bräuchten grundsätzlich immer Hoffnung, die dürfe man niemandem nehmen. «Die Frage ist, worauf jemand hofft», so Weber. Gleich im Anschluss zeigte dieselbe Sendung einen Beitrag über den Seelsorger Marek Dolata, der Menschen im Palliativzentrum Hildegard in Basel begleitet. Er sagt, er erlebe oft, wie Menschen ruhiger werden, wenn sie reflektieren können, was nun im Leben Halt gebe und was nicht.

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In einem Interview mit dem Tagesanzeiger erklärte Cornelia Rüther von der Stabsstelle Betreuung und Pflege in den städtischen Alterszentren von Zürich: «Die Bewohnerinnen und Bewohner sind im Alterszentrum zu Hause. Sie leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Dazu gehören auch Entscheide zum Lebensende.» Wenn sich jemand dazu entschliesse, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, nehme sie oder er selbst Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation auf. Wichtig sind vor allem Gespräche, die mit den Bewohnenden geführt werden. «Innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Einzug wir das Thema Patientenverfügung angesprochen», so Rüther. «Wir sprechen auch über Palliative Care und handeln danach.»

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Nicht in allen Heimen geht man mit dem Thema begleiteter Suizid gleich um. Das Alters- und Pflegeheim der Tilia-Stiftung in Bern erlaubt im Heim keine Sterbehilfe. Der Entscheid dazu wurde von der Geschäfts- und der Betriebsleitung gemeinsam gefällt. Er sei gut durchdacht, sagte die Betriebsleiterin Ursula Hafed gegenüber Radio SRF. «Sterben ist für uns kein Tabuthema», sagt sie im Beitrag der Sendung «Echo der Zeit». Doch wie es zum Sterben komme und wie der Tod geschehe, damit wolle man sich in der Tilia-Stiftung sorgfältig auseinandersetzen. «Wenn der Tod dauernd ein Thema ist, stumpft man entweder ab, oder der Tod wird zum Selbstbedienungsladen.» Die Tilia-Pflegeheime wollten keine Sterbehospize werden, so Hafed.

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Mit ganz anderen Problemen im Zusammenhang mit begleitetem Suizid haben Palliativärztinnen und -ärzte in Deutschland zu kämpfen. Laut der «TAZ» hätten die Gegner des kürzlich verabschiedeten Sterbehilfe-Verbotes in Deutschland schon früher davor gewarnt, dass die Palliativmedizin vom Verbot mitbetroffen sein könnte. Denn der Gesetzestext sei uneindeutig formuliert. «Ist Sterbehilfe ‘geschäftsmässig’, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist?» Bereits werde gegen Ärzte ermittelt, die möglicherweise gegen den entsprechenden Paragrafen verstossen haben sollen. Palliativmediziner Matthias Thöns ist einer davon. Er sagt: «Wenn wir das Gesetz ernst nehmen, können wir nur noch Medikamente für einen Tag verordnen.» Thöns zeigt sich überzeugt, dass es zu keiner Verurteilung kommen wird. Mittlerweile haben acht Parteien gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde eingelegt, wie die TAZ berichtet.

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Die Stuttgarter Zeitung berichtet von einer dieser Parteien. Der Palliativmediziner Dietmar Beck hat zusammen mit drei weiteren Ärzten Beschwerde eingelegt.
«Wenn wir das Gesetz ernst nehmen, können wir nur noch Medikamente für einen Tag verordnen.»
Matthias Thöns

In der Beschwerdeschrift steht, Palliativmediziner würden in «ihrer Berufsausübung nach ihrem ärztlichen Gewissen im Kern betroffen und behindert». Die betroffenen Mediziner_innen, so schreibt die Zeitung, handelten in einer rechtlichen Grauzone, wenn sie als Ärzte das tun, was Teil ihres Auftrages und ihres Selbstverständnisses sei. Laut einer Fachanwältin für Medizinrecht ist es mit der neuen Rechtslage so, dass Ärzte Gespräche, in denen der Wunsch nach Suizidhilfe aufscheine, am besten unter Zeugen abbrechen müssten. Und das sei für Arzt und Patientinnen unzumutbar.

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Über ein anderes Problem in der medizinischen Betreuung von Menschen am Lebensende sprach Matthias Thöns in einem Interview mit dem Sender Deutschlandradio Kultur. Es sei leider traurige Realität, dass an Sterbenskranken oft noch sinnlose Therapien und Eingriffe vorgenommen würden, die den Betroffenen nichts brächten als Leid. Thöns spricht schon länger über dieses Thema in der Öffentlichkeit und bekräftigte seine Position im kürzlich ausgestrahlten Interview erneut. Er ist überzeugt, dass die «Übertherapie am Lebensende» vor allem darum vorkomme, weil im herrschenden System finanzielle Fehlanreize gesetzt würden. Bei schweren Diagnosen gebe es für grosse Eingriffe jeweils besonders viel Geld. «Niemand fragt danach, ob das dem Patienten genutzt hat – oder schlimmer noch: ob man nicht vorher schon wusste, dass ihm das gar nichts mehr nutzen kann.»

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Die Newsplattform «Medinside» zitiert in diesem Zusammenhang eine in «The Lancet» publizierte Analyse, die auf eine «bedenkliche Übernutzung von medizinischen Leistungen» hinweise (inkl. Direktlink zu den Lancet-Artikeln). Sie zeige aber auch eine Unternutzung, «zum Beispiel in der Palliativmedizin». 27 Wissenschaftlerinnen und Autoren haben zu diesem Thema auf der ganzen Welt Studien ausgewertet. Ihr Fazit laut «Medinside»: «Medizinische Leistungen werden auf der ganzen Welt routinemässig sowohl zu viel als auch zu wenig genutzt. Dies führt nicht nur zu einer Ressourcen- und Geldverschwendung, sondern auch zu menschlichem Leid.» In allen Ländern tritt laut dieser Analyse folgendes Problem auf: Kostengünstige Therapien werden zu wenig genutzt, während teure Leistungen mit wenig oder keinem Nutzen zum Standard gehören. Am Lebensende, so das Ergebnis der Analyse, wird viel zu häufig Intensivpflege angeordnet. Aggressive Krebsbehandlungen bei todkranken Patienten seien ebenfalls üblich.

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Um die Finanzierung von komplexer Pflege und Betreuung und die eigentlichen Bedürfnisse der Betroffenen ging es in einem ganz anderen Beitrag. Die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens SRF zeigte einen Bericht über die Betreuung von Demenzkranken in einem Pflegeheim in Horgen. «Pflegen im Akkord: Das geht auch ohne Beruhigungspillen. Zum Beispiel mit Singen statt Sedieren.» So lautete die Anmoderation des Beitrags durch Sandro Brotz. Im erwähnten Pflegezentrum wird Wert darauf gelegt, dass die Betreuenden mit den Demenzkranken Zeit für Aktivitäten wie singen oder spielen aufwenden, und möglichst wenig Psychopharmaka einsetzen. Albert Wettstein von der Unabhängigen Beschwerdestelle für das Alter UBA und früherer Zürcher Stadtarzt sagt, es würden allgemein zu viele Neuroleptika eingesetzt – auch dort, wo sie nicht unbedingt nötig wären. Denn so würde ganz leicht aus einem «schwierigen Patienten ein einfacher Patient».

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Die NZZ brachte einen aufschlussreichen Artikel über die Spitalseelsorge. Der Autor Stefan Müller besuchte die Palliativstation im Kantonsspital Graubünden und begleitete dort die Seelsorgerin Susanna Meyer Kunz. Die 50-jährige ehemalige Pflegefachfrau und heutige Theologin habe ihre Berufung gefunden, schreibt Müller. Er beschreibt verschiedene Situationen, in denen die Seelsorgerin Patientinnen und Patienten, aber auch den Mitarbeitenden des Spitals helfen kann. «Die moderne, von den Landeskirchen getragene Seelsorge ist aus dem Alltag vieler Schweizer Spitäler nicht mehr wegzudenken.» Die Dienste der Spitalseelsorgenden werden geschätzt. Als niederschwellige Anlaufstelle für Ängste und Krisen ausserhalb des Medizinischen und als Mitglieder der spitalinternen Care-Teams, wie der CEO des Kantonsspitals Graubünden Arnold Bachmann zitiert wird.

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Die Zürichsee-Zeitung porträtierte eine Freiwillige des Palliativnetzwerks Linth. Stellvertretend für viele andere freiwillig Begleitende spricht Ursula Beugger im Artikel über ihr Engagement und zeigt damit, wie wertvoll die Arbeit von ihr und vielen anderen Freiwilligen ist. «Natürlich ist es manchmal anstrengend und traurig», sagt sie. «Trotzdem macht es mir Freude für die Menschen da zu sein.» Beugger schätzt die regelmässigen Treffen mit den anderen Freiwilligen ihres Netzwerks.

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«Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten dieser Menschen in sozialer Isolation sterben.»
Naheed Dosani

Ein unkonventionelles Engagement eines Palliativmediziners im kanadischen Toronto kommt auf der Newsplattform von «CBC News» zur Sprache. Naheed Dosani sucht seine Patientinnen und Patienten wie viele andere Palliativmediziner zuhause auf. Doch seine Patienten sind meist auf der Strasse zuhause. Manchmal auch in Obdachlosen-Unterkünften. Er sagt: «Unsere Erfahrung zeigt, dass die meisten dieser Menschen in sozialer Isolation sterben. Sie sterben mit nur ganz wenigen Menschen in ihrem Umfeld, mit sehr wenig Unterstützung. Und das ist eine Tragödie.» Dosani ist ständig in Toronto unterwegs, er schafft es kaum, den Bedarf auf der Strasse zu decken. Er fragt: «Wie bewerten wir Würde am Lebensende? Gleich für alle?» Und antwortet gleich selber: «Meiner Erfahrung nach nicht.»
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