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«Als Ärztin muss ich den Eltern sagen, dass ihr Kind auch sterben kann»

«Als Ärztin muss ich den Eltern sagen, dass ihr Kind auch sterben kann»

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Eva Bergsträsser: «Unsere Medizin ist darauf ausgerichtet, Kinder gesund zu machen und zu heilen. Wir können nicht akzeptieren, dass unsere Spitzenmedizin, die immer mehr leistet, halt nicht alles kann.» (Bild: Kinderspital Zürich/Barbora Prekopová).

Portrait

Zur Person

Eva Bergsträsser (56) leitet das Kompetenzzentrum Pädiatrische Palliative Care, leitet die Sprechstunde für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen zusammen mit Dr. phil. Alice Prchal und ist Leitende Ärztin Onkologie am Universitäts-Kinderspital Zürich. Ende Juni 2018 wurde ihr der Schweizer Palliative-Care-Preis vom Institut für Palliative Care und Organisationsethik verliehen.

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13. August 2018 / Region
Eva Bergsträsser ist in der Schweiz die Palliative-Care-Pionierin für Kinder. Damit nicht mehr so viele Kinder und Jugendliche im Spital sterben, sondern zu Hause, wo sie sich am wohlsten fühlen, müssten Kinderärzt_innen das Worst-Case-Szenario Tod auch ansprechen. Die leitende Onkologin am Universitäts-Kinderspital Zürich sagt, Familien bräuchten Zeit zum Überlegen, was sie im schlimmsten Fall wollen und wie sie mit dem Kind trotzdem noch erinnerungswürdige Momente erleben können.
Eva Bergsträsser, herzliche Gratulation zum Palliative-Care-Preis. Ist die pädiatrische Palliative Care damit endgültig aus ihrem Schattendasein getreten?
Ich glaube nicht, dafür bin ich zu sehr Realistin. Der Preis bedeutet Wertschätzung und auch Aufmerksamkeit fürs Thema, aber ich glaube nicht, dass sich dadurch etwas Entscheidendes ändert.

In welchem Schatten steht die pädiatrische Palliative Care (PPC) eigentlich, in jenem der «erwachsenen» Palliative Care oder in jenem der Kindermedizin?
In beiden. Ich bin seit fast zwanzig Jahre in Zürich und habe mich schon früh im Vorstand der nationalen Palliative-Care-Gesellschaft palliative ch engagiert. Ich warb dort für den pädiatrischen Bereich, und ich wurde auch schon andere Male ausgezeichnet. Es hat sich dennoch nichts Wesentliches geändert. Der Gesamtdruck im Schweizer Gesundheitssystem ist so hoch, dass die Palliativmediziner für Erwachsene schauen, dass sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Sie denken: Die Kinder? Das sind ja so viel weniger.
«Wenn man die Versorgung in der Schweiz anguckt, hat sich durch die Nationale Strategie in der pädiatrischen Palliative Care nichts verbessert.»

Welches Ansehen geniesst die Palliative Care in der Pädiatrie?
Dort ist eine gewisse Sensibilisierung da. Ich bin immerhin an den Jahrestagungen dabei, werde vom Vorstand wahrgenommen und immer wieder angefragt. Wenn man die Versorgung in der Schweiz anguckt, hat sich durch die Nationale Strategie Palliative Care nichts verbessert. Diese hat die Pädiatrie weitgehend ausgeklammert, anders als das Konzept des Kantons Zürich, wo ich noch intervenieren konnte. Ich war zwar bei den Gesprächen für die Nationale Strategie dabei, habe mich immer eingemischt, bin aber nicht durchgedrungen. Man sieht es auch im Netzwerk des Kantons Zürich: Die Pädiatrie wird bei den Jahresveranstaltungen punktuell berücksichtig, im Prinzip ist sie aber ein blinder Fleck, auch wenn jemand vom Kinderspital im Vorstand von palliative zh+sh ist.

Wie viele Palliativpatientinnen und -patienten im Kinder- und Jugendalter gibt es denn?
Diese Zahl ist nicht so klein. Die Todesfälle sind zwar wenige: Jährlich sterben in der Schweiz 500 Kinder und Jugendliche. Das entspricht weniger als einem Prozent aller Todesfälle. Ein Kind, das palliativ wird, stirbt aber nicht in dem Jahr, in dem es palliativ geworden ist. Viele der Kinder betreue ich über Jahre hinweg. Die werden inzwischen so gut betreut, dass sie auch transitioniert werden.

Was heisst das?
Transition ist die Überleitung der Behandlung kranker Kinder und Jugendlicher von der Kinderheilkunde in die Erwachsenenmedizin. Das ist in der Pädiatrie ein grosses Thema. Auch deshalb sollten sich Erwachsenen-Palliativmediziner für die Pädiatrie interessieren. Denn diese Patienten kommen irgendwann zu ihnen. Ich bin nicht so böse, wie es klingt. Aber es ist ein Ärgernis: Ich kann mir den Mund fusselig reden und werde nicht gehört.
«Kinder sind ein gutes Mittel, um Werbung zu machen. Geld und Interesse in die pädiatrische Palliative Care stecken, will man trotzdem nicht. »

Gleichzeitig verbreiten sich Geschichten von Palliativpatientinnen und -patienten im Kinder- und Jugendalter viel besser, auch in den Massenmedien. Diese Storys haben mehr Kraft.
Ja, das ist so. Das sehe ich auch in der Onkologie. Die Krebsliga macht Werbung mit Kindern, aber das meiste Geld fliesst in den Erwachsenenbereich, was auch Sinn macht. Aber es besteht ein Ungleichgewicht: Kinder sind ein gutes Mittel, um Werbung zu machen. Geld und Interesse in die PPC stecken, will man trotzdem nicht.

Weshalb sind sterbenskranke Kinder ein noch grösseres Tabu als sterbenskranke Erwachsene?
Das hat damit zu tun, dass unsere Medizin darauf ausgerichtet ist, Kinder gesund zu machen und zu heilen. Wir können nicht akzeptieren, dass unsere Spitzenmedizin, die immer mehr leistet, halt nicht alles kann.

Sie haben sich in einem Interview anlässlich des Preises drei Dinge gewünscht, allem voran, nicht über die Finanzierung Ihrer Arbeit nachdenken zu müssen. Mit welchen Problemen haben Sie diesbezüglich zu kämpfen?
Unser reguläres Personal-Budget ist zu mehr als der Hälfte fremdfinanziert, über Stiftungen. Wir brauchen jährlich mindestens eine halbe Million Franken zusätzlich, um diesen Laden am Laufen zu halten.

Ist die Betreuung der Kinder besonders personalintensiv?
Ja, wobei wir ressourcensparend arbeiten, wir betreiben zum Beispiel keine eigene Station. Wir brauchen trotzdem eine bestimmte Anzahl Personal, um dem Bedarf gerecht zu werden. Auf der Liste, die wir gestern im Rapport besprochen haben, waren dreissig Patienten, die wir von Ärzteseite zu zweit, mit 60 und 70 Stellenprozenten, betreuen, wo wir Hausbesuche machen und rund um die Uhr erreichbar sind. Das braucht einfach mehr, sonst höhlt sich das System aus. Das ist nicht gesund.
«Es fällt den anderen offenbar schwer, uns als Zentrum mit der grössten Erfahrung und höchsten Kompetenz zu respektieren.»

Sie sagten, Sie wünschten sich zweitens, dass in der Schweiz ein grosses Palliative-Care-Netzwerk für Kinder entsteht. Es gibt aber doch drei Netze, neben Ihrem in Zürich je eines in Lausanne und St. Gallen. Reicht das nicht?
Ja, es gibt drei Zentren, die sind aber nicht miteinander verbunden, sondern arbeiten unabhängig voneinander. Es fällt den anderen offenbar schwer, uns als Zentrum mit der grössten Erfahrung und höchsten Kompetenz zu respektieren. Vielleicht ist ein gewisser Anti-Zürich-Reflex schuld daran.

Wer zwischen diesen drei Netzen wohnt, fällt quasi durch die Maschen?
Es entstehen neue kleinere Zentren, zum Beispiel in Luzern und Basel, aber auch sie orientieren sich lieber an der Erwachsenen-Palliative-Care als an uns. Obwohl wir über eine zehnjährige Erfahrung verfügen.

Sie wünschen sich also, dass diese kleineren Netze zu einem grossen Netz wachsen?
Das würde Sinn machen, ja. Wir haben alle wenige Ressourcen, zu wenig ausgebildete Leute. Ich bin die einzige Pädiaterin in der Schweiz, die den Schwerpunkttitel Palliative Care trägt. Es ist im Übrigen auch extrem schwierig für Kinderärzt_innen, diesen Titel zu erwerben, weil man mindestens zu fünfzig Prozent in der Palliativmedizin arbeiten muss. Keine der anderen Zentren verfügt aber über eine solche Stelle mit mindestens fünfzig Prozent. Wenn wir etwas Flächendeckendes anbieten wollen, können wir nur mit Netzwerken arbeiten und grösseren Zentren, die die Randregionen mitversorgen. Ich fahre zum Beispiel nächsten Freitag nach Graubünden. Wir haben Patienten im Aargau, in der Innerschweiz, wir fahren weite Strecken, um Patienten zu betreuen.

Können Sie garantieren, dass Sie jedes Kind, das Sie als Palliativpatient annehmen, später auch zu Hause betreuen werden?
Garantieren können wir das aufgrund unserer knappen personellen Ressourcen nicht, und es hängt sehr stark an der ärztlichen Person. Klar könnte eine Pflegende auch Hausbesuche machen, aber diese kann die Fahrt zum Patienten nicht abrechnen. Wir suchen für die zum Teil schwer behinderten Kinder, die zu Hause nicht betreut werden können und fast eine Spitalbetreuung brauchen, schweizweit nach guten Institutionen. Es sind häufig heilpädagogische Institutionen, die das übernehmen, die haben aber das medizinische Equipment nicht. Deshalb fahre ich ab und an dorthin.

Machen denn die Pflegenden Ihres Teams gar nie Hausbesuche und delegieren dies an die Kinder-Spitex?
Die Pflegenden unseres Teams übernehmen zu Hause in der Regel keine pflegerischen Aufgaben, sondern beraten die Kinder-Spitexen im Hintergrund.
«Viele Kinder sterben im Spital, weil man nicht vorausgeplant hat, nicht überlegt hat, was sie brauchen, wenn es aufs Sterben zugeht.»

Sie sagten, Sie wünschten sich, dass unheilbar kranke Kinder bis zuletzt unbeschwert leben können. Weshalb können sie das heute nicht?
Weil die meisten im Spital sind. Zum Teil ist dieser Ort sicher sinnvoll. Viele sind aber hier, weil man nicht vorausgeplant hat, nicht überlegt hat, was sie brauchen, wenn es aufs Sterben zugeht. Unsere PELICAN-Studie [Paediatric End-of-Life Care Needs in Switzerland, Anm. der Red.] hat ergeben: Die meisten Kinder sterben auf der Intensivstation. Dort können Eltern aber nicht über Nacht bleiben. So stellt man sich die ideale Situation, wie ein Kind sterben soll, sicher nicht vor.

2016 erschien die erwähnte Studie. Eines der Schlüsselergebnisse war, dass weniger als 20 Prozent der unheilbar erkrankten Kinder zu Hause stirbt. Hat sich das in diesen zwei Jahren geändert?
Unsere Patientenzahlen steigen, das kann man schon sagen. Diese Studie hat uns effektiv mehr Aufmerksamkeit verschafft als es je eine Auszeichnung getan hat, um auf Ihre Ausgangsfrage zurückzukommen.

Sie haben zuvor gesagt, dass eine vorausschauende Planung helfen würde. Können Sie das erklären?
Als behandelnde Ärztin muss ich mit den Eltern besprechen, dass ihr Kind sterben kann. Dann überlegen Familien, was sie wollen und brauchen, wenn es so weit ist. Ich kann weder von einem Tag auf den anderen ein Netzwerk zu Hause noch eine Beziehung aufbauen. Dazu ist häufig Zeit und ein Annäherungsprozess nötig.
«Zum Teil wird einfach ausgeblendet, dass eine Krankheit nicht heilbar ist.»

Scheuen Kinderärzte diese Gespräche übers Sterben?
Ja, und das tun sie nicht böswillig. Zum Teil wird einfach ausgeblendet, dass eine Krankheit nicht heilbar ist. Immer mal wieder anzusprechen, dass eine Therapie auch scheitern kann, und was dann geschehen soll, hilft. Es ist nötig, einen Prozess in Gang zu setzen. Denn die meisten Eltern denken: Es kommt schon gut.

Die Hoffnung ist eine starke Kraft.
Ja, klar, die muss halt modelliert werden. Es heisst nicht, dass es in einer palliativen Situation keine Hoffnung mehr gibt, aber man kann zum Beispiel hoffen, dass noch ein Geburtstag gefeiert oder vorgefeiert werden kann. Es sollen Dinge passieren, die so tröstlich sind, dass sie auch den Familien helfen, den Tod eines Kindes verkraften zu können. Das ist schliesslich ein wahnsinnig traumatisches Erlebnis.

Eine weitere Erkenntnis der PELICAN-Studie war, dass Kinder auch noch wenige Wochen vor ihrem Tod sehr invasiv und mit vielen Medikamenten behandelt werden. Ist das schlecht? Schmerzmittel sind ja zum Beispiel nötig.
Hier geht es nicht um Schmerzmedikamente, sondern um solche, die abgegeben werden, obwohl sie nicht mehr helfen. Man muss einfach immer wieder überlegen, was es noch braucht.

Machen Sie mit den Familien zusammen eine Art Patientenverfügung?
Ja, wir machen für alle Kinder, die wir als Palliativteam betreuen, einen Betreuungsplan. Darauf stehen auch Fragen wie zum Beispiel jene nach lebensverlängernden Massnahmen. Neu setzen wir im Kinderspital zudem eine Behandlungsvereinbarung auf statt einer Patientenverfügung, die aus ethisch-rechtlichen Gründen gar nicht umsetzbar wäre. Wir halten zusammen mit den Eltern darin kurz-, mittel- und langfristige Behandlungsziele fest. Was wollen sie erreichen? Was brauchen sie dazu? Was darf nicht passieren? Was ist für das Kind wichtig?

Was brauchen Kinder, die unheilbar erkrankt sind, am dringendsten?
Sie brauchen ein hohes Mass an Sicherheit. Sie brauchen auch die Gewissheit, dass es ihren Eltern und Geschwistern gut geht, wenn es ihnen schlechter geht. Das heisst, in der pädiatrischen Palliative Care ist immer ein Familienkonzept nötig. Sie brauchen interprofessionelle und interdisziplinäre Betreuung.

Wie unterscheiden sich diese Begriffe?
Interprofessionell heisst, dass nicht nur ein Arzt, sondern Pflegende, eine Psychologin, Physiotherapeuten nötig sind. Interdisziplinär heisst, dass ich als Palliativmedizinerin zwar einen Krampfanfall behandeln kann, wenn die Krampfanfälle aber komplexer werden, dann brauche ich den Neurologen. Bei einer komplexeren Herzbehandlung ziehe ich den Kardiologen hinzu.
«Ich sage den Eltern immer: Sie dürfen liebevoll sein, sollten ihrem Kind aber auch Grenzen setzen.»

Brauchen die Kinder nicht auch einfach Normalität?
Ja, klar. So viel wie möglich. Sie brauchen auch Förderung. Wenn wir krank werden, lassen wir viele Dinge einfach ruhen, zum Beispiel den Job. Die Kinder aber, die brauchen den ersten Schultag, auch wenn es vielleicht der einzige bleibt. Kranke Kinder brauchen auch Erziehung. Ich sage den Eltern immer wieder: Sie dürfen liebevoll sein, sollten ihrem Kind aber auch Grenzen setzen. Diese auszuloten, ist wichtig. Die kranken Kinder wollen sein wie die anderen.

Was brauchen die Eltern?
Sie brauchen Ansprechpersonen, ehrliche und klare Informationen, in dem Mass, wie sie sie vertragen. Sie brauchen Kontinuität, sie brauchen auch jemanden, der Dinge koordiniert, dass sie nicht ständig mit Planungsfragen beschäftigt sind. Sie brauchen vielleicht Entlastung, finanzielle Fragen sind ebenfalls ein Thema. Eltern brauchen auch einfach ein Gegenüber, ein Gesicht, das sie kennen und eine Person, der sie vertrauen.

Sie gehen in dieser Betreuung ja sehr weit, und kontaktieren die Eltern auch nach dem Tod eines Kindes noch.
Ja, das ist enorm wichtig. Ich melde mich am ersten und am zweiten Todestag bei ihnen oder an wichtigen Geburtstagen.

Was brauchen die Geschwister?
Auch Normalität, Information, soweit sie sie wollen. Sie müssen ins Geschehen involviert sein können. Sie sollen aber auch nicht gezwungen werden, in einen Prozess einzusteigen, der sie vielleicht traumatisiert. Sie brauchen Begleitung, jemanden, der achtsam ist und vielleicht selbst nicht so eingespannt ist wie die Eltern.

Was braucht ein Betreuungsteam?
Ein gutes Mass an Motivation, an Sicherheit, dass sie die Arbeit langfristig machen können, dass sie keine Eintagsfliege ist. Am Kispi ist die PPC inzwischen etabliert, aber allgemein taucht immer wieder die Meinung auf, Palliative Care brauche es nicht. Das ist bei den Erwachsenen nicht anders.
«Ein Kinderhospiz würde immer am falschen Ort stehen, immer zu wenig abdecken.»

Es gibt immer wieder betroffene Eltern, die ein Kinderhospiz fordern. Vor drei Jahren sagten Sie, die PPC müsse noch wachsen, zum Beispiel indem sich mehr Kinderärztinnen und -ärzte für diese Richtung entscheiden, bevor ein Kinderhospiz Sinn mache. Wie sehen Sie das heute?
Ich habe das Gefühl, ein Kinderhospiz würde immer am falschen Ort stehen, immer zu wenig abdecken. In der Schweiz können wir uns das noch immer nicht leisten. Denn wir müssen erst einmal Geld in die Ausbildung von Spezialistinnen stecken und in Kompetenzzentren, die die gleiche Arbeit wie wir machen. Sie sind um Vieles günstiger, als es ein Kinderhospiz wäre.

Einer Gruppe von Initianten schwebte die Idee vor, eher ein temporäres Entlastungsangebot für Familien zu schaffen als ein Sterbehospiz.
Wenn ein Kind sehr komplexe Symptome hat, braucht ein Pflegeteam zuerst eine Weile, bis es die Bedürfnisse des Patienten erfasst hat. Ein Entlastungsaufenthalt, der in der Regel drei Wochen dauert, reicht dazu nicht. Von daher fand ich die Idee, unheilbar erkrankten Kindern und ihren Familien ein Ferienangebot zu machen, wie das eine Gruppe von Hospiz-Initianten tut, sinnvoller.

Was, wenn die Betreuung zu Hause nicht (immer) möglich ist?
Es gibt viele Langzeitinstitutionen wie zum Beispiel die Josef-Stiftung im Bremgarten AG, die Kinder betreuen. Ich könnte mir ein Modell vorstellen, in dem Kinder, die in einer Institution leben und eine palliativmedizinische Betreuung bekommen, dort auch intensivere Behandlungen erhalten und das Betreuungsteam von einem Zentrum wie uns unterstützt wird.

Wie spezialisiert ist denn die Kispex, die Kinder-Spitex des Kantons Zürich?
Sie hätten sicher auch noch mehr Ressourcen und Spielräume nötig. Aber ich kann heute die Kispex anrufen mit der Bitte, bei einem Kind die nächsten Nächte abzudecken, und sie schaffen das kurzfristig. Mit ihnen ist eine grosse Kontinuität da, so dass ich auch sagen kann, ich komme am Abend schnell vorbei und schaue das mit der Pflege an, und es «verhebet». Eltern spüren, dass wir miteinander im Gespräch sind und locker einmal zehn Telefonate hin- und hergehen.

Wie könnten angehende Kinderärzt_innen motiviert werden, sich in Palliative Care zu spezialisieren?
Im Kinderspital höre ich immer wieder: Mensch, das ist spannend, was du machst. Bei den Medizinstudierenden ist zudem ein Teil Pädiatrie und damit auch pädiatrische Palliative Care im Curriculum dabei. Langfristig könnte ich mir einen Pflicht-Basiskurs für Pädiater_innen vorstellen, der zwei Tage dauert und Grundlagen vermittelt. So käme jeder wenigstens mit den Gedanken und der Haltung der pädiatrischen Palliative Care in Kontakt. Das ist wahrscheinlich wirksamer als Kurzvorträge an Jahreskongressen.
palliative zh+sh, Sabine Arnold