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ALS-Betroffene sollen besser betreut werden – dank Vernetzung

ALS-Betroffene sollen besser betreut werden – dank Vernetzung

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G.E.R.A.L.D.S – ALS-Netzwerk für Fachpersonen.
Ab Januar 2015 sollen weitere Treffen stattfinden. Die Termine werden auf www.als-schweiz.chAchtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster publiziert.
Kontakt für interessierte Fachpersonen:

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27. November 2014 / Region
Ein Netz von Fachpersonen soll die Betreuung von ALS-Betroffenen verbessern. Die Patientenorganisation «ALS Schweiz» baut derzeit ein Netzwerk auf, in welchem alle involvierten Fachpersonen ihren Informationsstand bezüglich der Krankheit ALS abgleichen und untereinander Kontakte knüpfen können. Nach dem ersten Treffen zieht der Projektleiter eine positive Bilanz. Zu tun gibt es derweil noch viel.

Gerade einmal jeder dritte Hausarzt oder jede dritte Hausärztin kommt durchschnittlich im Verlaufe seiner oder ihrer Berufstätigkeit mit ALS in Kontakt. Die meisten geraten also gar nicht erst an diese spezifische Herausforderung. Die anderen wissen oft nicht, wie sie zu meistern ist. Denn das ist diese Krankheit mit Bestimmtheit: Eine grosse Herausforderung. Und dies für alle, die damit konfrontiert werden: Die erkrankte Person, ihr persönliches Umfeld und die Betreuenden – ob professionell oder nicht. Die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) zwingt die betroffenen Menschen, also Erkrankte und Angehörige, oft bald nach der Diagnose dazu, ihr Leben komplett umzukrempeln. Die Muskelsubstanz an Armen und Beinen, am Sprech-, Kau- und Schluckapparat geht kontinuierlich zurück. Die meisten Erkrankten leben nach der Diagnose noch drei bis fünf Jahre. Drei bis fünf Jahre, in denen die Lähmung fortschreitet. Diese Zeit zu gestalten und für die Betroffenen so angenehm wie möglich zu machen, das erfordert nicht nur viel Energie und Willenskraft vonseiten der Betroffenen, sondern auch Wissen und Engagement vonseiten der Fachpersonen.

Fehlende Information, mangelnde Zusammenarbeit

Dass nur wenige Hausärztinnen und Hausärzte in ihrer Karriere überhaupt mit ALS konfrontiert sind, erklärt wohl, weshalb einerseits die Diagnose oft erst sehr spät gestellt wird und andererseits die Betreuung der Patientinnen und Patienten oftmals ungenügend ist. Die Betroffenen jedoch leiden meist sehr unter diesen Voraussetzungen. An diesem Punkt will «ALS Schweiz» mit dem neuen Netzwerk «G.E.R.A.L.D.S.» ansetzen. «Gerade Hausärzte und Hausärztinnen, aber auch andere Fachpersonen haben im G.E.R.A.L.D.S. die Möglichkeit, nötiges Wissen abzuholen und sich mit Fachpersonen anderer Fachrichtungen zu vernetzen. So können ALS-Betroffene vom Hausarzt in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum in ihrer Nähe viel besser betreut werden», sagt Esther Jenny, Präsidentin von ALS Schweiz. Mit «Kompetenzzentrum» meint sie eine der neun spezialisierten Kliniken in der Schweiz. Jenny findet: «Die Zusammenarbeit zwischen Spezialistinnen und Hausärzten und anderen involvierten Fachleuten müsste einfach besser sein.» Nicht selten erfahren ALS-Betroffene erst sehr spät davon, dass es überhaupt spezialisierte Kliniken gibt, in denen sie die nötige Betreuung erhalten können. Der G.E.R.A.L.D.S.-Projektleiter Martin Burger erklärt, im Netzwerk könne ALS Schweiz die involvierten Fachpersonen unter anderem darüber informieren, wo die ALS-Betroffenen eine spezifische Betreuung erfahren. «Die spezialisierten Leistungen für Patientinnen und Patienten sollten unbedingt über die Kompetenzzentren erfolgen», so Burger.

Zugang zu Wissen und Kontakten

Ein Netzwerk wie das G.E.R.A.L.D.S., wo die Zusammenarbeit zwischen Spezialisten, Hausärztinnen, mobilen Pflegediensten und zahlreichen anderen Fachpersonen unterstützt wird, fehlte bisher. «Wir möchten die Fachpersonen, die mit einem ALS-Fall konfrontiert sind und dazu noch nicht viel Hintergrund mitbringen, informieren und ihnen eine Plattform bieten, wo sie sich spezifisches Wissen holen und Kontakte knüpfen können. Auch Berufsleute involvierter Disziplinen, die aktuell keine ALS-betroffene Person betreuen, sich aber für ALS interessieren, sind natürlich sehr willkommen», sagt Burger.

Im Rahmen von G.E.R.A.L.D.S. sollen in verschiedenen Regionen der Schweiz regelmässige Treffen stattfinden. Über Mittag kommen die interessierten Fachleute für zwei bis drei Stunden zusammen, hören thematische Inputs und tauschen sich aus. «Inspiriert wurden wir bei der Wahl der Form unserer Treffen vom Netzlunch von palliative zh+sh», verrät Jenny. Vorläufig geht es bei solchen Treffen hauptsächlich darum, eine gemeinsame Sprache zu finden. «Wir möchten miteinander definieren, wie ‚gute Betreuung’ bei ALS aus Sicht der Betroffenen aussehen soll», sagt Burger. Man orientiere sich dabei an den bereits bestehenden internationalen Best-Practice-Richtlinien. Solche wurden von der internationalen ALS Patientenvereinigung (ALSMND Alliance) herausgegeben. ALS Schweiz hat sie für die hiesigen Verhältnisse adaptiert, um eine Grundlage für die Erarbeitung einer gemeinsamen Definition und gemeinsamer Vorstellungen zu schaffen. Diese Definition steht zurzeit bei den Treffen im G.E.R.A.L.D.S. im Vordergrund. Auf einem solchen gemeinsamen Verständnis, so hoffen Jenny und Burger, können die Fachpersonen dann aufbauen und zusammen an der Umsetzung arbeiten.

Grosse Nachfrage überrascht nicht

Das erste Netzwerktreffen fand im Sommer statt und stiess bereits auf reges Interesse. Rund 25 Fachpersonen verschiedener Disziplinen trafen sich in Basel zum Austausch. «Wir haben nach dem ersten Treffen unser Netzwerk-Konzept ein wenig angepasst. Nach dieser Feinjustierung sind wir nun dabei, die nächsten Treffen zu organisieren», erzählt Burger. Sie sollen ab Januar 2015 stattfinden. ALS Schweiz will die Termine zu Beginn des kommenden Jahres auf ihrer Webseite publizieren. Dass die Nachfrage gross sein würde, hatte man bei ALS Schweiz schon lange vermutet. Ein Informationsabend zum Thema hatte vor rund einem Jahr mehr als hundert Leute angelockt. «Der Wunsch, Fachleute besser mit spezifischen Informationen über ALS zu versorgen, war auch von unserer Seite her schon lange da», erzählt Esther Jenny, die bei ALS Schweiz regelmässig mit Anfragen von schlecht informierten und halbherzig begleiteten Betroffenen konfrontiert ist. Doch bisher fehlten Kapazität und Finanzen zur Förderung von Informationsfluss und Vernetzung. Bis sich eine Stiftung bei ALS Schweiz meldete, die das Problem der fehlenden Vernetzung und mangelnden Information in Sachen ALS auch erkannt hatte. Es ist die Stiftung einer Familie, die selber von der Krankheit betroffen war. Bei einem Treffen kamen die «Marianne und René Lang Stiftung» und ALS Schweiz sehr bald auf die Idee, ein Netzwerk zu schaffen. Für die nächsten drei bis vier Jahre ist dank dem Engagement der Stiftung die Finanzierung des Netzwerks – und vor allem seines aufwändigen Aufbaus – gesichert. So lange soll das Netzwerk als Pilot laufen. Danach sollen die Teilnehmenden von G.E.R.A.L.D.S. einen kleinen Beitrag entrichten, um die Kosten zu decken.

Netzwerk etablieren, Wissensstand anheben

Sobald der Prozess der gemeinsamen Definition einer «guten Betreuung» bei ALS im Netzwerk G.E.R.A.L.D.S. abgeschlossen ist, will man sich nicht nur der Vernetzung, sondern auch der Verbreitung dieses gemeinsamen Verständnisses widmen. Dazu soll das Netzwerk stetig wachsen. Ein «koordinierter Auftritt» soll sicherstellen, dass die Betroffenen überall ähnlichen Zugang zu den aktuellen, für sie wichtigen Informationen haben. Geplant sind auch Beiträge in Fachzeitschriften. Mit der Etablierung eines fachlichen Netzwerks, so hoffen die Initianten, sollen Lücken und Doppelspurigkeiten in der ALS-Behandlung reduziert werden. Martin Burger arbeitet als Projektleiter intensiv daran, den Aufbau des Netzwerks voranzutreiben. Als persönlich Betroffener engagiert sich Burger seit dem Tod seiner Frau als Vorstandsmitglied bei ALS Schweiz. Nun hat er sein Arbeitspensum reduziert, um sich um das Projekt G.E.R.A.L.D.S. zu kümmern. Das nächste Treffen steht ja bereits vor der Tür.
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