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Auch stationäre Strukturen stärken

Auch stationäre Strukturen stärken

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Rund 75 Prozent der Erwachsenen mit einer Behinderung leben in einer Einrichtung. Auch in diesem Bereich sieht Curaviva einen steigenden Bedarf für personenzentrierte Palliative Care. (Themenbild: Adobe Stock/M.Dörr & M.Frommherz)

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28. August 2020 / Politik
Palliative Care umfasst neben medizinischen Behandlungen und pflegerischen Interventionen auch psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung. In einem Positionspapier fordert Curaviva Schweiz, dass nicht nur die Finanzierung dieser Leistungen endlich geregelt wird, sondern, dass neben den ambulanten Strukturen auch jene im stationären Bereich ausgebaut werden.
Umfragen zeigen deutlich: Zu Hause zu sterben, wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung. In der Realität verstirbt knapp ein Drittel der Menschen in einem Alters- oder Pflegeheim ohne vorgängigen Spitalaufenthalt im letzten Lebensjahr. Bei den über 80-Jährigen sind es mehr als 80 Prozent, bei den über 90-Jährigen 95 Prozent. Ähnlich zeigt sich die Entwicklung bei Menschen mit Behinderung: Fast zwei Drittel sterben in einem Wohnheim. Allerdings ist es noch nicht in allen Wohnheimen vorgesehen, Bewohnerinnen bis zum Lebensende zu begleiten. Und: Vermehrt treten ältere Menschen mit einer Behinderung in Institutionen ein, da deren Eltern entweder sterben oder nicht mehr für sie sorgen können. Kinder und Jugendliche wiederum sterben meist im Spital, nur 17 Prozent sterben zu Hause.

Sterben in Institutionen als Tatsache
«Die Bedeutung von Palliative Care und deren Herausforderungen werden zunehmen», kommt Curaviva Schweiz in einem kürzlich publizierten Positionspapier zum Schluss. Alle Institutionen mit Palliative-Care-Leistungen erfüllten für die Gesellschaft quantitativ und qualitativ unverzichtbare Leistungen. «Da die Anzahl von Palliativpatientinnen in der Grundversorgung zunimmt, werden die Bedeutung, aber auch die Herausforderungen in der ambulanten und stationären Langzeitpflege zunehmen», schreibt der nationale Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Unterstützungsbedarf weiter. Gemäss Schätzungen von Bund und Kantonen wird inskünftig für zwei Drittel aller Todesfälle eine Palliative-Care-Versorgung benötigt. Auch wenn die ambulante Versorgung stetig ausgebaut und «allgemein favorisiert» wird, sind viele Menschen im hohen Alter und alternde Menschen mit einer Behinderung sowie schwerkranke Kinder und Jugendliche auf die stationäre Langzeitversorgung angewiesen. Curaviva kritisiert diese Favorisierung der ambulanten Versorgung: Der Grundsatz «ambulant vor stationär» sei im Palliative-Care-Bereich nicht zukunftsgerichtet und deshalb falsch. Wenn knapp ein Drittel der Todesfälle über 65 in Heimen geschehe, müsse Palliative Care auch dort stattfinden, zumal Betreuung und Begleitung von Menschen am Lebensende oftmals die Möglichkeiten der Angehörigen sowie der ambulanten Unterstützung überschreite. «Eine personenzentrierte Palliative Care verlangt nach komplementären ambulanten und stationären Strukturen und damit ein aufeinander abgestimmtes Angebot, damit jede Person am richtigen Ort umsorg und betreut werden kann.»

Finanzierung noch immer nicht geregelt
Insbesondere in drei Bereichen benötigen die Pflegeheime laut Curaviva Unterstützung: in der Finanzierung von Palliative-Care-Leistungen, in der besseren Abbildungen und Erfassung von Leistungen sowie bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Dabei beruft sich der Verband auf die 2019 im Auftrag des BAG durchgeführten Befragung zur Verankerung der allgemeinen Palliative Care in der Langzeitpflege sowie die im Rahmen des NFP 74 «Gesundheitsversorgung» erfolgte Befragung zur Perspektive der Leistungserbringer in der Palliative Care. Letztere zeigt, dass Bund und Kantone verstärkt Versorgungsstrukturen im Bereich der allgemeinen Palliative Care fördern und eine angemessene Finanzierung der Versorgungsleistungen sicherstellen müssen.
KVG soll auch gesundheitliche Vorausplanung (Advance Care Planning) decken

Die geltenden Regelungen zur Abgeltung von Pflegeleistungen im Krankenversicherungsgesetz (KVG) umfassen allerdings nur einen Teil der Aufgaben für eine ganzheitliche Palliative Care, wie sie bei der Erarbeitung der Nationalen Strategie definiert wurden. Nicht gedeckt sind bislang beispielsweise Pflegeleistungen, die nicht nur auf körperliche, sondern auch auf psychosoziale, spirituelle und funktionale Bedürfnisse eingehen. Auch Leistungen zur Begleitung und Entlastung von Angehörigen – insbesondere in End-of-Life-Situationen – sowie Leistungen der mobilen Palliative-Care-Dienste der spezialisierten Palliative Care, die bei instabilen und komplexen Pflegesituationen zur Unterstützung beigezogen werden, werden nicht finanziert. Zudem sollen inskünftig Leistungen der gesundheitlichen Vorausplanung (Advance Care Planning) durch das KVG gedeckt werden. Als «absolut ungenügend» kritisiert das Positionspapier die pädiatrischen Palliative Care-Angebote. So müsse sich beispielsweise das Kompetenzzentrum für pädiatrische Palliative Care des Universitäts-Kinderspital Zürich die Hälfte der Personalkosten über Drittmittel und Spenden finanzieren.

Weiter fordert Curaviva im Positionspapier, dass Sensibilisierungsmassnahmen auf nationaler und kantonaler Ebene getroffen werden. Tod und Sterben seien zu enttabuisieren, damit sie als Teil des Lebens akzeptiert werden. Die Leistungen der Institutionen um grösstmögliche Lebensqualität für Betroffene in ihrer letzten Lebensphase, seien als «wertvoller gesellschaftlicher Beitrag» zu würdigen. Ohne die Schliessung der finanziellen Lücken könnten die in der stationären Pflege und Betreuung tätigen Institutionen die von Bund, Kantonen und Fachorganisationen vorgegebenen Leitlinien, Rahmenkonzepte und Empfehlungen nur teilweise umsetzen und die Erwartungen nur bedingt erfüllen.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner