palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Krimiliebhaberin, Brückenbauerin und Master in Palliative Care

Krimiliebhaberin, Brückenbauerin und Master in Palliative Care

Weitere Infos

In der Natur sein, tanken und immer wieder ein Lachen im Gesicht: Claudia Schröter hat ihren Erfahrungsrucksack in Sachen Palliative Care gut gefüllt und gibt mit Freude dieses Wissen an andere weiter. (Bild: palliative zh+sh, cbu)

Portrait

Claudia Schröter

Ihre Arbeitswoche teilt Claudia Schröter in zwei sich ergänzende Bereiche ein: Seit Februar 2017 arbeitet sie als Atem- und Körpertherapeutin mit eigener Praxis «Atem-Mobil» in Illnau/ZH und in einer Arztpraxis in Basel. Als freiberufliche Dozentin im Bereich der Palliative Care ist Claudia Schröter seit 2005 für unterschiedliche Institutionen tätig.

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

31. Oktober 2018 / Vermischtes
Von sich sagt Claudia Schröter, dass sie in den vergangen zwei Jahre gelernt hat, in die Ruhe zu kommen. Bevor man aber ihre Ruhe wahrnimmt, erlebt man zuerst ihre enorme Lebensfreude – sprudelnd und dem Vis-à-Vis zugewandt. Doch mit zunehmendem Austausch kommt die genannte Ruhe zum Vorschein: Sie bildet den Anker, sie ist die Wurzel und das Reservoir der grossen Schaffenskraft von Claudia Schröter.
«Wer ich bin? Ich bin eine neugierige, wissensdurstige, naturliebende Frau und begeisterungsfähig für Vieles. Krimiliebhaberin bin ich auch», Claudia Schröter sitzt am Pult, lacht und lehnt sich zurück. «Spirituell bin ich ebenfalls. Freunde sagen gar, ich sei eine Kräuterhexe. Aber vor allem bin ich eine Brückenbauerin.» Claudia Schröter ist diplomierte Onkologie-Pflegefachfrau HöFa 1 und hat einen Master in Palliative Care. Zudem ist sie ausgebildete Berufsschullehrerin im Gesundheitswesen, freiberufliche Dozentin im Bereich Palliative Care und unter anderem auch für die Fachgesellschaft palliative ch im Bildungsbereich tätig. Ausserdem betreibt sie eine Praxis für psychodynamische Atem- und Körpertherapie. Natürlich verfügt sie auch hierfür über ein Diplom. Aber genauso gut hätte sie Musikerin werden können.

The Show Must Go On
Wiederum lacht sie: «Musik ist in der Tat eine Gabe, die ich in die Wiege gelegt bekommen habe. Mit sieben spielte ich Klarinette, mit elf Saxophon – auf der Bühne zu stehen, gefiel mir, und das tut es auch heute noch. Denn Hand aufs Herz: Unterrichten ist ja wie auf der Bühne stehen.» Claudia Schröters Schullaufbahn lief, wen wundert‘s, nicht linear, aber dennoch zielgerichtet. Das Gymnasium musste sie abbrechen, weil «ich zu viel Musik und Sport gemacht hatte, und dadurch zu wenig Zeit zum Lernen hatte, auch wenn ich gerne lernte.», schloss aber erfolgreiche die Diplommittelschule mit Musik und Italienisch ab. «Dann stand ich vor der Wahl: Wohin zieht es mich? Zur Musik? Zum Lehrer-Semi? Zur Pflege? Es zog mich sehr zur Musik und auf die Bühne, den Ort also, an dem ich zeigen konnte, wie sehr Musik berührt.» Gerade beim Musikmachen habe sie gelernt, dass «The Show Must Go On», egal, wie das Leben läuft. «Einfach weiterspielen, auch wenn ich soeben falschgespielt hatte – das habe ich beim Musizieren gelernt. Und siehe da: Nach dem Falschspielen habe ich den richtigen Ton wiedergefunden. Und genauso ist es doch im richtigen Leben – hat man einen Fehler gemacht, oder sind die Lebensumstände schwierig – einfach weitermachen.» Ausserdem transportiere Musik eine ihr wichtige Haltung: Im jeweiligen Moment ganz da sein. Ebenfalls wie im richtigen Leben. Doch bevor Claudia Schröter einen Entschluss fasste, welchen Beruf sie ergreifen wollte, ging sie auf Reisen.
«Unfassbar arm und gleichzeitig unfassbar reich an Lebensfreude!»
Claudia Schröter

Gut 21-jährig war Claudia Schröter für das HEKS auf den Philippinen unterwegs. Der mehrmonatige Aufenthalt ermöglichte ihr einen nahen Kontakt zur dortigen Bevölkerung. Nach dem Fall von Diktator Markos wurde die umfassende Zerstörung im Land sichtbar. Ein grosses und vor allem auch prägendes Lernfeld für die junge Frau, wie sie rückblickend sagt, denn Freud und Leid lagen sichtbar nah beieinander: «Unfassbar arm und gleichzeitig unfassbar reich an Lebensfreude!» Zurück in der Schweiz entschied sie sich, am Lindenhof in Bern die Ausbildung zur Pflegefachfrau HF zu machen. «Am Lindenhof habe ich gelernt, worauf heute vermehrt gesetzt wird: Reflexionskompetenz! Diese war am Lindenhof bestens verankert. Kurz: aus meiner Sicht eine zentrale Haltung und dafür bin ich heute noch dankbar. Denn diese radikale Betroffenenorientiertheit widerspiegelt auch meine Haltung.» Damit war ein wichtiger Grundstein für den weiteren beruflichen Weg gelegt. Aber Claudia Schröter wäre nicht Claudia Schröter, beliesse sie es auf einer Ausbildung. Es folgte die höhere Fachausbildung in Onkologie und weitere vier Jahre später die Ausbildung zur Berufsschullehrerin im Gesundheitswesen. Doch wieso letztere? Als Alternative zur Berufsschullehrerin stand auch die HöFa 2 im Raum, doch Claudia Schröter wollte nicht zu sehr in die Wissenschaft. Viel lieber wollte sie mit der Praxis verbunden bleiben. «Ich wollte wissen, wie man Wissen besser transportiert.» Der erste Schritt zur Brückenbauerin war damit getan.
«Weil mir die Nähe zu den Menschen immer sehr wichtig ist.»
Claudia Schröter

«Unterrichten hat mir immer leidenschaftlich gut gefallen und der Transfer von der Theorie zur Praxis und umgekehrt ist mir auch heute noch ein grosses Anliegen.» Hier übernimmt Claudia Schröter die Funktion der Brückenbauerin: Selber hat sie an der IFF in Wien den Master in Palliative Care absolviert und erkannte die Wichtigkeit, diese Master-Ausbildung auch in der Schweiz zu etablieren. Auf die Anfrage 2007 von der Fachhochschule St. Gallen, die Master-Ausbildung in Palliative Care aufzubauen sagte sie mit Begeisterung zu und übernahm die Studienleitung. Parallel dazu unterrichtete sie an der HöFa 1 Onkologie und arbeitete als Pflegeexpertin in einer Klinik mit Schwerpunkte Onkologie und Palliative Care und später in einem Alters- und Pflegezentrum, «weil mir die Nähe zu den Menschen immer sehr wichtig ist.» Und heute? «Mir haben alle meine Arbeitsstationen – sei es Bildungsverantwortliche in Institutionen, als Dozentin oder als Pflegende – stets gefallen. Dieses Brückenbauen von der Theorie zur Praxis widerspiegelt auch mein eigenes Wesen: Wissen wollen und Wissen aneignen, aber auch immer wieder dieses Wissen umsetzen und es an andere weitergeben.» Inhouse-Schulungen in Institutionen seien dafür eine der unmittelbarsten Möglichkeiten.
«Ich habe ihr 2 Milligramm Morphium gespritzt!»
Eine Pflegefachperson

Wie wichtig die Schulung des jeweilig ganzen Personals ist, hat Claudia Schröter erfahren, als ihre Mutter vor zwei Jahren verstarb: «Ich habe Ihre Mutter umgebracht», rief ihr eine Pflegefachfrau just in dem Moment entgegen, als sie in das Zimmer ihrer verstorbenen Mutter trat. In diesem Moment war Claudia Schröter vor allem eines: erschütterte, trauernde Tochter. Doch mit ihrer Fähigkeit zur Abstraktion konnte sie die Situation insofern auffangen, dass sie die Pflegefachfrau fragte, wie sie denn auf diese Idee käme. Diese antwortete: «Ich habe ihr 2 Milligramm Morphium gespritzt!». Für Claudia Schröter war diese von Unkenntnis geprägte Aussage – nebst der eigentlichen Erschütterung, die sie auslöste – ein weiterer, schmerzhafter und vor allem sehr klarer Hinweis für die Wichtigkeit von gut geschultem Personal.
«Und immer wieder wird es Frühling.»
Claudia Schröter

Woher nimmt Claudia Schröter die Energie, um so engagiert zu arbeiten? Zum einen habe sie Bauernwurzeln und dadurch eine grosse Verbundenheit zur Natur. «Es ist ein Geschenk, Kreisläufe zu beobachten – alles entsteht, ist und vergeht wieder. Und immer wieder wird es Frühling.» Diese Ressourcenorientiertheit stärkt und nährt ihre Wurzeln. Aber natürlich habe sie auch Sehnsüchte wie zum Beispiel solche nach weniger Strukturen und mehr Freiheit. Für letztere hat sie sich nun mehr Raum geschaffen: Während sie weiterhin ihrer Tätigkeit als freischaffende Dozentin für Palliative Care nachgeht, arbeitet Claudia Schröter als Atem- und Körpertherapeutin mit eigener Praxis. Der Atemtherapie in der Palliative Care komme eine immer grössere Bedeutung zu, sagt sie. Da man mit sanften Griffen bereits eine deutliche Veränderung des Atemmusters bewirken könne, genössen auch schwerkranke Menschen eine Atemtherapie meistens sehr. Hat Claudia Schröter durch die Atemtherapie gelernt, in die Ruhe zu kommen? Sie lacht und lässt die Frage unbeantwortet. Es gibt Wichtigeres. Das Leben im Hier und Jetzt zum Beispiel.
palliative zh+sh, cbu