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Ein Tag für die Unsichtbaren

Ein Tag für die Unsichtbaren

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Beat Sottas, Präsident des Vereins Pflegende Angehörige Freiburg (Bild: zVg)

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Journée des proches aidants
Die Westschweizer Kantone widmen den heutigen Tag den «Proches-aidants», wie sie auf Französisch heissen, den betreuenden Angehörigen. Die Initiative ging von den Kantonen Waadt und Genf aus, die bereits im letzten Jahr einen solchen Tag durchgeführt haben. Betroffene, Experten und Politiker_innen halten Vorträge zum Thema, Tagesheime, die pflegende Angehörige entlasten, öffnen ihre Türen, es finden Angehörigen-Cafés und Filmvorführungen statt. Pünktlich zum Aktionstag hat der Verein für Pflegende Angehörige Freiburg (PA-F) eine Broschüre veröffentlicht, die von konkreten Fällen ausgeht, Tipps gibt und nützliche Adressen auflistet.

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30. Oktober 2015 / Politik
Der heutige Tag, der 30. Oktober, ist in der Romandie den betreuenden Angehörigen gewidmet. Im Interview sagt Beat Sottas, Experte für Gesundheitspolitik und Präsident des Vereins Pflegende Angehörige Freiburg (PA-F), weshalb die Deutsch- der Westschweiz hinterherhinkt.

Sie haben ein Forschungsprojekt zum Thema «pflegende Angehörige» in Freiburg geleitet. Daraus ist ein Verein hervorgegangen, dessen Präsident Sie jetzt sind. Ist das sinnvoll?
Wir haben als Forschungsgruppe den Verein Pflegende Angehörige Freiburg (PA-F) gegründet, weil viele Betroffene, die uns in unserer Studie über die Rolle der Angehörigen am Lebensende Auskunft über ihre Situation gegeben haben, dies angeregt haben. Wie das Präsidium längerfristig aussehen soll ist noch offen: Gesucht ist eine Person, die in den wissenschaftlichen Kontext eingebettet ist, die Deutsch und Französisch kann, und die sowohl das System in Freiburg sowie den nationalen Kontext kennt. Durch meine verschiedenen Engagements passe ich gut ins Profil und so können die Anliegen aus der Forschung berücksichtigt werden.

Sollte nicht ein Betroffener oder eine Betroffene – also jemand, der zuhause Angehörige pflegt oder betreut – den Vorsitz haben?
Eines der Ergebnisse der Forschung ist ja gerade, dass die Betroffenen selbst schlicht keine Zeit haben, solche Aufgaben zu übernehmen. Wer die Erfahrung aber schon gemacht hat, kann sich als Ressource für die anderen sehr gut einbringen.

Weshalb braucht es den Verein?
Aus verschiedenen Gründen. Die Politik betont immer wieder, wie wichtig die pflegenden Angehörigen sind. Aber sie werden kaum besonders berücksichtigt bei den Massnahmen. Sie sollen mit dem Verein in der Öffentlichkeit eine Stimme erhalten. Er kann auch den Blick für das Ganze wahren und einen Überblick über die verschiedenen Situationen geben, in denen sich die Betroffenen befinden. Er will Antworten geben, sich für ihre Anliegen einsetzen und sowohl die pflegenden Angehörigen untereinander als auch die verschiedenen Organisationen, die in diesem Bereich Bedürfnisse abdecken, miteinander vernetzen.

Gibt es andere ähnliche Vereine?
In der Westschweiz existiert in jedem Kanton ein solcher Verein. Der Kanton Waadt, der besonders mustergültig ist, hat sogar eine kantonale Fachstelle für pflegende Angehörige.

Und in der Deutschschweiz?
In der Deutschschweiz ist das nicht der Fall. Dort beschäftigen sich viele ganz unterschiedliche Interessengruppen mit pflegenden Angehörigen. Das Leitthema ist oft eine Krankheit wie Krebs und Alzheimer oder eine Behinderung. Aber ein Verein, der alle pflegenden oder betreuenden Angehörigen anspricht, gibt es nicht.

Bräuchte es einen?
Unbedingt. Ich bin im Stiftungsrat und im leitenden Ausschuss der Careum Stiftung in Zürich, und habe so Einblick in laufende Studien: Es gibt neben Pflegenden im Erwachsenenalter auch viele Kinder, die ihre Verwandten pflegen. Eine übergeordnete Organisation sollte die Anliegen aller pflegenden Angehörigen bündeln, die über die individuellen Situationen hinausgehen.

Auf Bundesebene geschieht doch bereits etwas. Der Bundesrat hat Ende letzten Jahres im Bericht «Unterstützung für betreuende und pflegende Angehörige» deren Situation analysiert und den Handlungsbedarf erforscht.
Es ist wichtig und richtig, dass das Thema in Bundesbern angekommen ist und der Bund eine Strategie entwickelt hat. Diese ist aber zu einseitig auf die Personen im Erwerbsleben gerichtet, weil er daran interessiert ist, dass die Wirtschaft weiterhin funktioniert. Den schönen Worten sollen nun auch für die anderen Kategorien von Pflegenden Angehörigen Taten folgen. Der Bund sollte eine aktivere Förderpolitik betreiben.

Um nur drei von unzähligen Beispielen zu nennen: Es gibt den Welthundetag, den Coming Out Day oder den Weltstatistiktag. Heute findet in der Romandie zum ersten Mal übergreifend der «Tag der pflegenden Angehörigen» statt. Weshalb braucht es diesen Aktionstag auch noch?
Entstanden ist die Idee im Kanton Waadt. Der symbolische Tag soll die Bedürfnisse von pflegenden Angehörigen ins Licht der Öffentlichkeit rücken, damit auch die Politik auf sie aufmerksam wird. Er ist auch ein Zeichen der Wertschätzung.

Wie beteiligen sich die Kantone an den Anstrengungen für die pflegenden Angehörigen?
Der Kanton Waadt ist dafür ein Musterbeispiel. Er unterhält, wie gesagt, sogar eine eigene Fachstelle für pflegende Angehörige. Die Massnahmen der verschiedenen Kantone sind sehr uneinheitlich. Der Kanton Freiburg zum Beispiel entschädigt pflegende Angehörige mit 25 Franken pro Tag. Das Thema ist in unserem Kanton auch gut in die kantonale Palliative-Care-Strategie integriert.
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