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Einen Moment des Durchatmens schenken

Einen Moment des Durchatmens schenken

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pro pallium ermöglicht den schwer belasteten Familien auch leichte Momente und geht dort an die Hand, wo es gerade nötig und sinnvoll ist. (Bild: zvg)

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29. Juli 2022
Die Stiftung pro pallium schafft mit ihrem ambulanten Kinderhospizdienst Raum und Lebensqualität für schwerkranke Kinder und deren Familien. Rund 100 Freiwillige sind in der Deutschschweiz unterwegs und helfen dort, wo die Betroffenen es gerade brauchen.
Die meisten Kinder und Jugendlichen mit einer lebenslimitierenden Krankheit bevorzugen es, in ihrer vertrauten Umgebung zu bleiben und mit den Eltern und Geschwistern zu Hause zu leben. Doch die Belastung einer Familie, in der ein Kind an einer unheilbaren Krankheit leidet, ist meist riesig. Inzwischen ist die Betreuung eines Palliativpatienten zu Hause mit Unterstützung möglich, dank medizinischen und pflegerischen Diensten wie Spitex oder ambulanten palliativen Diensten. Doch wer ist da, wenn Papi und Mami mal eine kleine Auszeit von ein paar Stunden brauchen? Wer hat Zeit, mit dem kleinen Geschwister ein Memory zu spielen, es in die Spielgruppe zu begleiten oder den grösseren Bruder in sein heiss geliebtes Hockeytraining zu fahren?

«Unser Ziel ist es, das abzudecken, was der Familie im momentanen Alltag am meisten bringt», sagt Beatrice Schlumberger, Koordinatorin der Freiwilligenbetreuung bei pro pallium. Diese Hilfe könne ganz unterschiedlich aussehen – je nach Familie und Umständen der Erkrankung. «Wir packen einfach mit an – dort, wo es jemanden braucht.» pro pallium ist eine gemeinnützige Stiftung, welche Familienbetreuung anbietet, Basisschulungen durchführt, sich Zeit für Beratungen und Trauerarbeit nimmt. Der Fokus des Entlastungsdienstes liegt klar im psychosozialen Bereich: Es ist jemand da, der mitdenkt und im Alltag handbietet. Jemand, der mit der Mutter einen Spaziergang macht und zuhört, wenn sie von ihren Sorgen erzählt. Jemand, der dem kranken Kind, aber eben auch seinen Geschwistern eine Geschichte vorliest. In der Regel ist es immer die gleiche Betreuungsperson, die zu einer Familie kommt. So baut sich ein Vertrauensverhältnis auf, welches oft über Jahre hält. Manchmal bis über den Tod des Kindes hinaus. «Die Freiwilligen kennen ihre Familie häufig sehr gut. Und das ist es, was die Eltern so schätzen.» Bis zu 6 Stunden pro Woche steht ein pro-pallium-Freiwilliger seiner Familie zur Verfügung. Diese Begleitung ist für die Familien kostenlos und wird ausschliesslich durch Spenden finanziert.

Entlastung im Alltag

Die Stiftung wurde 2005 von Christiane von May gegründet. Sie lebte in den 1990er-Jahren in Berlin und begleitete dort ihre krebskranke Pflegetochter Andrea in den Tod. Dabei fiel ihr auf, dass es weder in Deutschland noch in der Schweiz Betreuungsangebote für todkranke Kinder gab. Therapie- und Pflegeangebote waren vorhanden. Was fehlte, war eine Betreuung in diesem (über-)fordernden Familienalltag. Zurück in der Schweiz gründete die Bernerin die Stiftung pro pallium, die Familien von schwerkranken Kindern auf ihrem Weg begleiten sollte.

Rund 100 Freiwillige sind inzwischen für die gemeinnützige Stiftung in der Deutschschweiz im Einsatz. Die Betreuenden sind aus allen Altersklassen – vom Rentner über die Familienfrau bis zur Studentin. Alle Engagierten erhalten eine Basisschulung, die sie für ihren Einsatz vorbereitet. In 6 Modulen, welche je einen Tag dauern, lernen die Freiwilligen einiges zu Familiensystemen, zur Entwicklung des Kindes und sie beschäftigen sich mit Fragen der Kommunikation. Und dann üben sie an konkreten Fallbeispielen, was möglicherweise von ihnen erwartet wird und in welcher Form sie helfen können. Auch Trauer und Tod sind ein Thema. «Wir geben von unserer Seite her Impulse und regen die Reflektion an. Und dann können sich die Freiwilligen selbständig in Themen vertiefen und auch herausfinden, wo sie vielleicht noch Berührungsängste haben», sagt Beatrice Schlumberger. Zwei Tage dürfen die Freiwilligen zum Schluss der Ausbildung hospitieren, zum Beispiel die Spitex begleiten oder in einem Heim den Alltag in der Palliativpflege erleben.

Im vergangenen Jahr sind 87 Familien von pro pallium begleitet worden. «Wir haben aber von einigen Familien Anfragen bekommen, welche wir derzeit nicht abdecken können», bedauert die Koordinatorin. Deshalb ist die Stiftung nach wie vor auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitenden.

Kinderärzte bekommen Informationen

Die Stiftung pro pallium engagiert sich aber nicht nur in der Familienbetreuung, sie bietet auch Trauerbegleitung an, beteiligt sich an Forschungsprojekten und setzt sich dafür ein, dass Palliative Care bei Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft vermehrt ein Thema wird. Denn noch immer assoziieren wir mit dem Begriff Palliative Care in erster Linie alte sterbende Menschen. Selbst Pädiaterinnen und Pädiater kommen in ihrer Ausbildung nur selten mit dem Thema in Berührung. Viele fühlen sich in der Thematik allein gelassen. «Deshalb erstellen wir derzeit Informationen für die Kinderärztinnen und -ärzte, die ihnen eine Wissensbasis bieten sollen. Eine Art Vademecum», sagt Marc Delaquis, Co-Geschäftsleiter von pro pallium. Die Kinderärztinnen und -ärzte hätten viele Fragen zur Palliative Care bei jungen Patienten. Für sie will die Stiftung eine Anlaufstelle sein. «Der einzelne Pädiater soll sich nicht erst dann informieren, wenn einer seiner jungen Patienten schwerstkrank ist.» Die Thematik Palliative Care bei Kindern müsse gerade beim Kinderarzt ein Thema sein, auch wenn das für alle Beteiligten schwierig sei. «Verständlicherweise, wenn man ein Leben sieht, das erst am Anfang steht», sagt der Co-Geschäftsleiter. «Aber manchmal sind Anfang und Ende nahe beieinander.»


Wollen Sie als Freiwillige/Freiwilliger bei pro pallium aktiv werden? Informationen zur Stiftung und zum Betreuungsdienst finden Sie in unserem Servicekasten (oben).
palliativ zh+sh / Bettina Weissenbrunner