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Einstiges Pilotprojekt feiert Jubiläum

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9,7 von 10 möglichen Punkten erreichte das Mobile Palliative Care Team Region Winterthur bei einer Zufriedenheitsbefragung der Klientinnen und Klienten sowie deren Angehörigen. (Screenshot: gme)

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24. März 2021 / Region
Seit mehr als zehn Jahren ist das Mobile Palliative Care Team (MPCT) in der Region Winterthur tätig. Zwar fiel die Feier im letzten Jahr coronabedingt aus. Doch zum Jubiläum lancierte der Vorstand eine gross angelegte Zufriedenheitsbefragung unter Patientinnen und Patienten, Angehörigen, Zuweisenden und den Mitarbeitenden. Mit herausragendem Resultat.
Es war Mitte der Nuller-Jahre, als der Kanton Zürich ein Palliative-Care-Konzept erarbeiten liess, aus dem verschiedene Teilprojekte resultierten. Eines davon war die Lancierung eines Pilotprojekts für spezialisierte ambulante Versorgung. Christoph Schürch – damals noch für die SP im Kantonsrat – ergriff die Chance für Winterthur, sorgte mit einem bislang losen Zusammenschluss aus Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegefachleuten 2007 mit dem neu gegründeten Verein Palliative Care Winterthur-Andelfingen für die nötigen Strukturen und bewarb sich. Mit Erfolg. Die ersten beiden Jahre waren von der Gesundheitsdirektion finanziert, das Team arbeitete mit drei freiberuflichen Pflegenden auf Mandatsbasis. «Wir hatten zu Beginn kein Büro, wenige Aufträge und entsprechend wenige Arbeitsstunden», erinnert sich Schürch, der damals als Projektleiter fungierte. Ende 2009 lief die kantonale Finanzierung aus, doch der Verein Palliative Care Winterthur- Andelfingen entschied sich, mit «optimistischen Annahmen», wie Schürch sagt, weiterzumachen, denn die Arbeit und das grosse Engagement aller Beteiligten war auf fruchtbaren Boden gefallen.

Praktisch alles hat sich verändert
Aus diesen Anfangszeiten wurde schliesslich das Mobile Palliative Care Team Region Winterthur (MPCT), das Schürch als diplomierter Pflegefachmann mit HöFa 1 seither leitet. Waren es damals 50 Palliativpatientinnen und Patienten pro Jahr, betreut das MPCT mittlerweile 231 pro Jahr. 2020 fielen 2'561 Arbeitsstunden an. Aus dem damaligen Dreierteam sind sieben Mitarbeitende mit Teilzeitpensen geworden, davon eine Person in der Administration. Angesprochen auf das, was sich verändert habe in den zehn Jahren seit der Gründung – die Pilotphase nicht eingerechnet – antwortet Christoph Schürch: «Praktisch alles. Die Anforderungen sind immens gewachsen, die Arbeit und die Abläufe wurden laufend on the job professionalisiert.» Mittlerweile ist die Finanzierung so weit gesichert, dass mit der Stadt Winterthur und den umliegenden Gemeinden, in denen das MPCT tätig ist, Leistungsverträge abgeschlossen werden konnten.

Dank einer Stiftung, die 50'000 Franken Startkapital finanzierte, einem grösseren Legat und einem regelmässigen Spendenvolumen schrieb der Verein über die Jahre immer schwarze Zahlen. Doch mit Corona brachen viele Spenden weg. Brigitte Trechsel, Präsidentin des Trägervereins, erklärt diesen Einbruch insbesondere dadurch, dass viele Trauerfeiern nur noch in sehr kleinem Rahmen stattfinden. «Vor Corona wurde auf Wunsch der Verstorbenen oder Angehörigen oftmals die Kollekte an Trauerfeiern für MPCT aufgenommen. Auch seien weniger Traueranzeigen geschaltet worden, entsprechend seltener wurde das MPCT als Spendenzweck genannt. In einer grossen Spendenaktion im vergangenen November schrieb der Verein gut 2'000 Personen an – alles frühere Spenderinnen und Spender sowie Angehörige – und beantragte auch bei Stiftungen projektbezogene Unterstützungsgesuche. Das Unterfangen war so erfolgreich, dass nicht nur die entstandene Finanzlücke gestopft werden konnte. Man wolle solche Spendenaktionen auch in Zukunft wieder machen, wie die Pflegefachfrau, die vor ihrer Pensionierung im MPCT gearbeitet hat, versichert. Denn: «Auch wenn inzwischen die meisten Leistungen finanziert werden, die Vollkosten könnten wir ohne die Spendeneinnahmen nicht decken.»

Jubiläumsfeier zweimal verschoben
Und nun hätte man 2020 also das Zehn-Jahr-Jubiläum feiern können, wenn nicht die Pandemie dazwischengekommen wäre. «Wir hatten die Feier erst vom Frühling auf November verschoben, dann mussten wir sie ganz absagen», sagt die Präsidentin. Auch der jährlich stattfindende Anlass mit dem Team, dem Vorstand sowie den Konsiliarärztinnen und -ärzten fiel ins Wasser. Doch stattdessen gibt etwas ganz anderes Anlass zur Freude: eine Zufriedenheitsbefragung bei Patientinnen und Patienten, Angehörigen, Mitarbeitenden und Zuweisenden. Durchgeführt von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), erstreckte sich die Befragung über insgesamt 14 Monate und erreichte bei Angehörigen und Patienten sagenhafte 9,7 von insgesamt 10 möglichen Punkten. «Nicht nur die Rücklaufquote, auch die persönlichen Aussagen der Teilnehmenden waren sehr erfreulich», so Brigitte Trechsel. «Das gibt uns eine schöne Bestätigung, dass unsere Arbeit gut ankommt und sich die Betroffenen in einer sehr schwierigen Zeit gut unterstützt fühlen.» Dass die Befragung insgesamt so positiv ausfalle, hätte sie nicht erwartet.
Ein «wunderbares Ergebnis» nennt es Christoph Schürch, der sich im guten Ruf, den das MPCT-Team geniesst, bestätigt fühlt. Das beweist, dass sie mit ihrem starken Praxisbezug auf dem richtigen Weg seien. Das MPCT sei weniger technisch unterwegs als andere spezialisierte Teams im Kanton, die übrigens seit 2014 im Verband spezialisierter Palliative Care Leistungserbringer (SPaC) zusammengeschlossen sind. «Mich interessiert vor allem, wie wir bei den Patienten und Angehörigen ankommen. Deshalb hat Schürch, in Absprache mit dem Vorstand, bislang auf eine Zertifizierung mit dem Label «qualité palliative» verzichtet. Die Latte für ein kleines Team wie das MPCT sei zu hoch angesetzt.

Einfühlsam, menschlich, unkompliziert
Die Befragung ergab, dass das MPCT als sehr einfühlsam, menschlich und unkompliziert wahrgenommen wird. Die betroffenen Personen fühlen sich sowohl in die Entscheidungsfindung als auch in die Betreuung miteinbezogen. Zufrieden sind die Befragten auch mit der Kommunikation, den organisatorischen und administrativen Aspekten. Der schnelle Informationsaustausch und die Sicherheit der 24-Stunden-Betreuung im Notfall sei sehr wertvoll. Das Gespräch über das Sterben empfinden Angehörige und Betroffene als sehr wichtig. Zufrieden mit der Kommunikation sind auch die Hausärzte. Die wenigen negativen Rückmeldungen seien erklärbar, sagt Brigitte Trechsel, man werte diese nun sorgfältig aus und nehme Anpassungen vor, wo diese nötig seien.
Grund zur Freude also, aber kein Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Denn: «Fachlich wird es immer komplexer», sagt Christoph Schürch mit Blick auf die Zukunft. Es gebe immer mehr technische Möglichkeiten, neue Medikamente und Therapien. Auch die Strukturen machen ihm Sorgen, weil die regionalen Grenzen der verschiedenen SPaC-Teams allmählich aufgeweicht würden. Das sind Massgaben, denen sich auch der Vorstand annimmt. Man sei daran, die Strategie für die nächsten Jahre zu besprechen, nachdem sich das Gremium im letzten Jahr stark erneuert und verjüngt habe, erklärt Brigitte Trechsel. Auch Schürchs Nachfolge steht in drei Jahren an, wenn der langjährige Teamleiter pensioniert wird. «Es ist eine wichtige Zeit, und es gibt viel zu tun», sagt die Präsidentin. Das Topresultat bei der Umfrage dürfte den Rücken für die kommende Arbeit stärken.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner