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Fünf Fragen an Dominik Schneider

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Dominik Schneider

Dominik Schneidern ist seit 2015 ärztlicher Leiter der zertifizierten Palliativstation des Spitals Männedorf. Er hat einen Lehrauftrag an der Universität Zürich und Dozent an der Kaleidos Fachhochschule in Zürich. Der Facharzt Innere Medizin hat ebenfalls einen Fachausweis Klinische Notfallmedizin SGNOR, ist Schmerzexperte SGSS und ist im Besitz eines Master of Science in Palliativmedizin. Seine aktuellste Weiterbildung machte er in «Interdisziplinärer Schwerpunkt Palliativmedizin».

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29. August 2018 / Region
Damit Betroffene (Patientinnen, Patienten und ihre Angehörigen) palliativ betreut und begleitet werden können, braucht es den Einsatz von Fachpersonen und Freiwilligen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Pallnetz.ch interviewt regelmässig Menschen aus der Region, die in Palliative Care tätig sind und stellt allen dieselben fünf Fragen. Dominik Schneider ist ärztlicher Leiter der zertifizierten Palliativstation des Spitals Männedorf.
1) Wie begleiten Sie Schwerkranke und Sterbende?

Ich lege Wert auf eine offene und ehrliche Kommunikation mit Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen. Patienten können nur dann kompetente Entscheidungen fällen und ihre Autonomie wahren, wenn sie die dazu notwendigen Informationen erhalten haben. Auch wenn solche offenen Gespräche mit teilweise niederschmetternden Neuigkeiten und Einschätzungen schwierig und unangenehm zu führen sind, so erlebe ich viel Dankbarkeit für die entgegengebrachte Offenheit. Die Patienten fühlen sich respektiert und als Gesprächspartner wahrgenommen, deren Autonomie gewahrt wird. Die Sinnhaftigkeit sowohl der diagnostischen als auch der therapeutischen Massnahmen, aber auch die Planung des Weiteren sozialen Prozedere, hängt entscheidend davon ab, ob der Patient seine Situation realistisch einschätzt. Natürlich darf es dabei nicht zu einem Aufdrängen der Information kommen, sondern die Information wird angeboten. Patienten, die damit (noch) nicht umgehen können, werden selbstverständlich respektiert.
Ich arbeite als ärztlicher Leiter der zertifizierten Palliativstation des Spitals Männedorf, welches zusätzlich über einen hausinternen Konsiliardienst verfügt. Dadurch ergibt sich automatisch die intensive interprofessionelle Zusammenarbeit, insbesondere natürlich mit dem Pflegeteam, aber auch mit anderen Professionen und anderen medizinischen Disziplinen. Als Unterstützung ist ein Assistenzarzt auf der Station präsent, was mir die Gelegenheit gibt, eine zusätzliche ambulante Palliativmedizinische Sprechstunde zu führen, in der ich insbesondere früh integrierte Palliativpatienten über einen längeren Zeitraum ambulant begleiten kann.
«Ausserdem ist es mir wichtig in einem funktionierenden Team zu arbeiten, in welchem eine entspannte Stimmung herrscht.»

2) Was ist Ihr Ziel bei der täglichen Arbeit?

Dass Palliativpatientinnen und -patienten mit ihren Bedürfnissen sowohl in ihrem persönlichen Umfeld, aber auch durch das Gesundheitspersonal als genauso dringlich wahrgenommen werden, wie Patienten mit heilbaren Erkrankungen.
Ausserdem ist es mir wichtig in einem funktionierenden Team zu arbeiten, in welchem eine entspannte Stimmung herrscht. So kann seriös, aber auch mit viel Motivation gearbeitet werden, was nicht nur den Mitarbeitern, sondern besonders auch den Patienten zugutekommt.

3) Was braucht es, damit Sie Ihr Ziel erreichen können?

Engagement und persönliche Einstellung müssen vorgelebt werden, damit ein Kulturwandel bezüglich der Wahrnehmung der Palliativmedizin im Klinikalltag erreicht werden kann. Darin gelangen sicherlich in den letzten Jahren bereits Fortschritte, aber es bleiben noch viele notwendige Entwicklungsschritte. Regelmässige Vorträge und Fortbildungen sensibilisieren Laien und Berufskollegen für die Menschen in solch schwierigen Lebens- und Krankheitsphasen. Immerhin hat die Palliativmedizin inzwischen auch Einzug ins Medizinstudium an der Universität gehalten, was auch bei den jungen Kollegen ein zunehmendes Bewusstsein entwickeln wird.


4) Welche Begegnung hat Sie zuletzt persönlich berührt?

Mich beschäftigen immer Krankheitsverläufe von Patienten, die in vergleichbaren Lebenssituationen stecken, wie ich selber. Denn es demonstriert eindrücklich, wie dankbar man selber für seine Gesundheit und sein Leben sein muss und wie rasch sich dies ändern kann. So beschäftigt mich derzeit eine junge 40-jährige Patientin, welche aufgrund ihrer Tumorerkrankung innert zwei Monaten aus vermeintlicher Gesundheit heraus ihre Selbstständigkeit verloren hat und nun auf intensive Unterstützung angewiesen ist.
«Teilweise muss man sich gegen abstruse Beanstandungen wehren, bei deren Argumentation das Patientenwohl keine Rolle mehr zu spielen scheint.»

5) Wo sehen Sie Handlungsbedarf in der Palliative Care?

Durch Konstrukte wie der «Palliativmedizinischen Komplexbehandlung» wurden zwar Schritte in Richtung gerechterer Entschädigung unternommen, aber gleichzeitig wurde aufgrund der komplizierten Regeln ein enormer administrativer Aufwand aufgebaut, der lieber in die Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen fliessen sollte. Dies fängt bei der Erfassung der Betreuungszeiten durch das interprofessionelle Team an und setzt sich in der Abrechnung am Ende einer Hospitalisation fort. Durch die damit verbundenen höheren Entschädigungsbeträge zweifeln die Krankenkassen die Abrechnung unverhältnismässig oft an und verlangen Unterlagen und Rechtfertigungen, welche inzwischen ein enormes Ausmass angenommen haben. Teilweise muss man sich gegen abstruse Beanstandungen wehren, bei deren Argumentation das Patientenwohl keine Rolle mehr zu spielen scheint, sondern administrative Spitzfindigkeiten ausgenützt werden um eine Rechnung nicht begleichen zu müssen oder bei denen man offensichtlich darauf spekuliert, dass der Leistungserbringer sich nicht wehrt. Dies führt zu einem Gefühl des Generalverdachtes, dass es uns Leistungserbringern am meisten um eine Ertragsmaximierung ginge. Dabei geht es um eine faire Entschädigung des betriebenen hohen Aufwandes, damit das Gebiet der Palliativmedizin auch weiterhin überlebensfähig bleiben kann.
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