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Pionierinnen und Pioniere der Palliative Care zeigen im Buch «In Beziehung sein» die Entwicklung von Palliative Care in der Schweiz auf. (Symbolbild: Shutterstock)

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2021, 200 Seiten, 12.5 x 20.0 cm, Paperback
ISBN 978-3-290-18428-5
CHF 24.80


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11. Januar 2022 / Medien
«In Beziehung sein» heisst das Buch von Martina Holder-Franz und Maria Zingsstag, welches im Theologischen Verlag Zürich erschienen ist. Dabei gehen die beiden Theologinnen der Frage nach, was Palliative Care mit der christlichen Verantwortung zu tun hat. In zwanzig Gesprächen geben engagierte Frauen und Männer Auskunft darüber, wie sie die Entwicklung von Palliative Care erlebt haben und welche Rolle diese in unserer Zeit übernehmen soll.
Seit Ende der 70er-Jahre haben sich weltweit Personen in Spitälern und Gesundheitsdiensten dafür eingesetzt, dass Palliativstationen und ambulante Palliativdienste entstehen konnten. Auch in der Schweiz entstanden verschiedene Freiwilligengruppen und Initiativen für Palliative Care. Es ging darum, den Tod nicht aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein zu verdrängen, sondern zu erkennen, wie wichtig eine gute Begleitung am Lebensende ist und welches Manko in den Krankenhäusern herrschte. Dem Sterben sollte wieder Raum gegeben werden.

Pionierinnen und Pioniere der ersten Stunde
Es brauchte die Initiative Einzelner, um Palliative Care in der Schweiz zu etablieren. So erzählen im ersten Teil des Buches sechs Personen von der Zeit, in welcher sie mit anderen Engagierten innovative Projekte in der Deutschschweiz und der Romandie lanciert haben. Es beeindruckt, mit welchem Einsatz, mit welcher Risikobereitschaft die Pionierinnen und Pioniere, Palliative Care in der Gesellschaft zu verankern suchten. Unter ihnen Rosette Poletti, Theologin, ausgebildete Krankenschwester und Gründerin des Vereins «Vivre son Deuil-Swiss». Als erste Pflegewissenschaftlerin baute sie ab 1976 Kurse für Palliative Care auf, welche sich zuerst an Pflegende richteten – ganz nach dem Vorbild des neuen amerikanischen Pflegeverständnisses.
Nebst anderen Pionierinnen und Pionieren wie Paul und Danielle Beck, Christel Mohler, Luise Thut und Schwester Liliane Juchli äussert sich in diesem informativen Buch auch die ausgebildete Pflegefachfrau und Ordensschwester Elisabeth Müggler. Die Mitbegründerin des Vereins Wabe im Limmattal erhielt 2012 den «Schweizer Palliative Care Preis». In diversen Publikationen hat sie die Grundlagen für eine Haltung und Praxis ganzheitlicher Pflege gelegt und weiterentwickelt. «Es ist sehr wichtig, die sterbende Person und ihr Umfeld zusammen wahrzunehmen», sagt die 81-Jährige. Es sei wesentlich zu verstehen, was die Angehörigen durchmachen. «Der Trauerprozess fängt ja nicht erst beim Sterben oder dem Tod an.» Elisabeth Müggler erkannte bald, dass genau diese Arbeit auch Freiwillige übernehmen konnten. Sie setzte sich dafür ein, dass diese gut ausgebildet wurden, kontinuierlich Weiterbildung bekamen und regelmässige Treffen abhielten. So entwickelte sich die Freiwilligenarbeit zu einem der wichtigsten Pfeiler der Palliative Care. Fünf Freiwillige erzählen in einer weiteren Passage des Buches über ihre Erfahrungen im Alltag. Dabei zeigt es sich, dass die Spiritualität eine zentrale Rolle spielt.

Spiritual Care als Teil des christlichen Auftrags
Immer wieder begegnet einem bei der Lektüre die Frage, was Palliative Care mit dem christlichen Glauben zu tun hat. In unserer Leistungsgesellschaft stört die Einsicht, dass der Mensch zutiefst verletzlich ist, dass er sein Schicksal nicht jederzeit steuern kann. «Christinnen und Christen orientieren sich an Jesus Christus. In ihm hat sich Gott mit der menschlichen Verletzlichkeit solidarisiert», schreibt Markus Büchel, Bischof des Bistum St. Gallen, in seinem Geleitwort. «Daher gehört es zum roten Faden in der Geschichte des Christentums, die Leidenden, Kranken und Sterbenden nicht auszuschliessen, sondern für sie zu Sorgen.»

Der katholische Theologe und Dozent Simon Peng-Keller versteht in Spiritual Care einen christlichen Heilauftrag. Er stellt fest, dass zu Beginn der Bewegung Palliative Care mit christlich-spirituellen Vorstellungen und Praktiken eng verknüpft war. Das scheint sich in den letzten Jahren geändert zu haben. «Die christlichen Bezüge sind in den Hintergrund getreten. Manchmal scheint mit, sie werden sogar tabuisiert.» Peng-Kellers Tätigkeit als Seelsorger am Kompetenzzentrum Palliative Care ist durch und durch bestimmt von seinem christlichen Hintergrund. So erinnert er an Jesus, der seine Jünger nicht nur mit der Verkündigung des Evangeliums mittels Worte beauftragt hat, sondern auch mit einem Engagement für das leibliche und seelische Heil von Menschen. «Ein christliches Engagement für Palliative Care gründet in diesem Heilauftrag.»

Der palliative Weg braucht noch viel Aufklärung
Der Heilauftrag findet in unserer Gegenwart kaum mehr Beachtung. Und während das Miteinander früher in einem Dorf, in einer ländlichen Umgebung selbstverständlich war, muss es heute bewusst gestaltet werden: Nachbarschaftshilfe, das Wissen umeinander und um die Gemeinschaft. In den Interviews unter dem Titel «Caring communities» kommen verschiedene Modelle zur Sprache, wie sich heute und in Zukunft eine sorgende Gemeinschaft aufbauen lässt. Denn die Arbeit ist längst nicht vollendet. Noch immer gibt es Menschen, die zwar wissen, dass es Sterbehilfeorganisationen gibt, über den palliativen Weg jedoch kaum informiert sind. «Es ist einfach zu wenig bekannt, dass ein palliativer Weg ein guter und sinnvoller Weg für ein Loslassen und Sterben sein kann», meint Schwester Beatrice Schweizer, Begleiterin im Palliativzentrum Hildegard in Basel. Und Lisa Palm, kantonale katholische Palliative-Care-Beauftragte in Zürich und Vorstandsmitglied von palliative zh+sh, sagt: «Die Pionierphase ist ein Stück weit vorbei.» Nun komme eine Zeit, in der es um die Etablierung und Professionalisierung gehe. «Ich bin überzeugt, dass wir, wenn diese ganzheitliche Begleitung und Behandlung am Lebensende stärker gewichtet würde, auch einen besseren Umgang mit der eigenen Endlichkeit fänden.»
palliative zh+sh, Bettina Weissenbrunner