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Gutes Alter für alle – eine öffentliche Aufgabe?

Gutes Alter für alle – eine öffentliche Aufgabe?

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Kräftezehrend für betreuende Angehörige: Das ständige Präsentsein. (Bild: Archiv)

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26. Oktober 2021 / Vermischtes
Wie können Menschen in der Schweiz gut betreut zuhause alt werden? Diese Frage stellt sich seit Jahren und sie wird immer drängender. Beantwortet ist sie aber noch nicht. Zum «Tag für pflegende und betreuende Angehörige» stellt eine Veranstaltung des Entlastungsdienstes Schweiz und dem Netzwerk Gutes Alter die Frage in den Mittelpunkt.
Rosmarie und Ernst Zankl leben seit 35 Jahren zusammen. Das soll noch möglichst lange so bleiben. Heute sind beide 77 Jahre alt. Immer noch mögen die beiden Bewegung und gutes Essen. «Wir geniessen es zusammen, solange es geht», sagt Rosmarie Zankl. Auch wenn sie sich nicht unterkriegen lässt: Ihre Alzheimer-Erkrankung erschwert den Alltag für sie und ihren Mann. Dieser sagt: «Am kräftezehrendsten finde ich, dass ich ständig präsent sein muss. Ich bin immer bei meiner Frau – und ich denke immer für zwei.» Ernst Zankl lässt seine Frau nur sehr selten und höchstens kurz allein. Damit er Besorgungen ausser Haus ohne Sorge machen kann, kommt eine Betreuerin des Entlastungsdienstes Schweiz zwei Stunden pro Woche vorbei. «Das finde ich immer schön, wenn ich mit Manuela spazieren gehen kann. Wir reden über alles», sagt Rosmarie Zankl. Ihr Mann nutzt die Gelegenheit, in aller Ruhe Dinge zu erledigen. Für mehr reicht die Zeit nicht. «Ich würde schon gerne zwischendurch etwas für mich machen. Aber dafür ist zurzeit kein Raum», sagt der betreuende Angehörige. «Wir dürfen zum Glück von Tarifreduktionen beim Entlastungsdienst Schweiz profitieren. Da sind wir sehr froh.» Aber auch so, sagt Zankl, wird das Budget nicht sehr lange reichen für die zwei Stunden Entlastung pro Woche. «In ein bis zwei Jahren wird es knapp. Wir müssen schauen, wie es weitergeht.»

Weiterdenken für ein würdiges Alter
Um im Alter, mit Krankheit oder Beeinträchtigung zuhause leben zu können, braucht es meist Unterstützung. Vieles wird von pflegenden und betreuenden Angehörigen übernommen, doch alles können Angehörige unmöglich abdecken. Wo sie entlastet und Betreuungsaufgaben übernommen werden müssen, die nicht kassenpflichtig sind, kommen Kosten auf die Betroffenen zu. Nicht alle können sich das leisten. Wieviel gute Betreuung vor allem im Alter kostet und wie diese finanziert werden könnte, hat die Paul Schiller Stiftung Anfang September 2021 aufgezeigt. Auch das Bundesamt für Gesundheit hat bereits zahlreiche Erkenntnisse zum Bedarf an Betreuung und zu möglichen Lösungsansätzen gesammelt.

Es fragt sich nun, was mit den Erkenntnissen anzufangen ist – und ob es vielleicht sogar einen grundlegenden Wandel des Systems von Unterstützung, Betreuung und Pflege braucht. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen muss im Zentrum stehen. Darüber reden Interessierte wie Fachpersonen an der nationalen Tagung «Gutes Alter für alle – eine öffentliche Aufgabe?». Veranstaltet wird die Tagung vom Entlastungsdienst Schweiz und dem Netzwerk Gutes Alter. Zu den Referent:innen gehören der Sozialwissenschaftler Carlo Knöpfel, die Ökonomin Mascha Madörin, die Gemeinderätin der Stadt Bern Franziska Teuscher und andere. Die Tagung richtet sich an Betroffene, Interessierte, Politiker:innen und Fachpersonen und findet am Vortag des Tages für pflegende und betreuende Angehörige statt: Am Freitag, 29. Oktober 2021 in Bern.

Vorschlag Volksinitiative
Zum Abschluss der Tagung stellen wir die Frage: «Braucht es eine Volksinitiative für ein gutes Alter für alle?». Das Netzwerk Gutes Alter arbeitet bereits an einer entsprechenden Initiative und stellt sein Projekt vor. Mit der Lancierung einer eidgenössischen Volksinitiative will das Netzwerk erreichen, dass gute Alltagsunterstützung, Betreuung und Pflege für alle Personen im Alter in der Verfassung festgeschrieben werden.

Dank an pflegende und betreuende Angehörige
Neben den zu erörternden Fragen und Szenarien für die Zukunft von uns allen in der Schweiz wird am Tag für pflegende und betreuende Angehörige vom 30. Oktober 2021 die Wertschätzung für den unermesslichen Beitrag von Angehörigen im Mittelpunkt stehen.
Die Anzahl betreuender Angehöriger beträgt in der Schweiz wohl mehr als eine Million . Sie sind es, die sich täglich im privaten Umfeld um Nahestehende kümmern, die Unterstützung brauchen. Für viele ist diese Aufgabe alltagsbestimmend. Sie stehen ihrem erkrankten Partner, ihren Eltern, ihren Kindern mit Beeinträchtigung rund um die Uhr zur Seite und leisten Pflege und Betreuung. Diese Aufgabe wird von sehr vielen betreuenden Angehörigen als schön, bereichernd und sinnstiftend beschrieben. Gleichzeitig aber ist sie auch sehr belastend. Zeitlich, psychisch, physisch und finanziell.

Für die enorme Leistung dieser Angehörigen gilt es, einen grossen Dank auszusprechen. Und gleichzeitig den Zugang zu Entlastung für alle zu fordern. Denn wer Angehörige betreut, braucht regelmässige Verschnaufpausen. Das ist für die Betreuenden selbst wichtig, um gesund zu bleiben. Es ist für die Menschen, die auf Betreuung angewiesen sind, wichtig, damit ihre Angehörigen gut für sie da sein können. Es ist wichtig für das Gesundheitssystem, das ohne den Beitrag der Angehörigen vor dem Kollaps stünde. Es ist wichtig für uns alle.
Zum Tag für pflegende und betreuende Angehörige sind verschiedene regionale Aktivitäten geplant. (Details in den Links)
Entlastungsdienst Schweiz