palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Glück und Hoffnung als Stützen in Krisen

Weitere Infos

Präventiv kommunizieren, gut zuhören, Beziehungen aufbauen und pflegen: Am Zürcher Fachsymposium Palliative Care gab es viele Impulse, wie Herausforderungen angegangen werden können. (Bilder: gme)

Portrait

Save-the-date

Das 7. Zürcher Fachsymposium Palliative Care findet am Donnerstag, 6. Oktober 2022 statt.

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

08. Oktober 2021 / Wissen
Nach einem Jahr covid-bedingter Pause fand am 7. Oktober das sechste Zürcher Fachsymposium Palliative Care als Hybridveranstaltung statt. Beim Thema «Herausforderungen meistern» zeigten die vier Referentinnen ganz unterschiedliche Herangehensweisen von Krisen.
Die Pandemie hatte nicht nur die letztjährige Ausgabe des Zürcher Fachsymposiums Palliative Care verunmöglicht, sie hatte auch Auswirkungen auf die Veranstaltung 2021, indem die Teilnehmendenzahl im Zürcher Pflegezentrum Mattenhof auf 50 beschränkt war und entsprechend zusätzlich eine Online-Übertragung stattfand. Und die Pandemie prägte auch das gesetzte Thema «Herausforderungen meistern». Der Stadtzürcher Gesundheitsdirektor Andreas Hauri sah in der Pandemie eine grosse Herausforderung, die «wir bislang gut gemeistert haben». Hauri zeigte sich in seiner kurzen Begrüssung beeindruckt über die Mehrarbeit, die insbesondere im Gesundheitssektor geleistet wurde. Auch Reto Steimen, Betriebsleiter des Mattenhofs, begrüsste die gut 50 Anwesenden und die etwas mehr als 30 Online-Teilnehmenden und übergab dann das Wort an Lucia Zimmermann, Programmleiterin Bildung am SGZ Campus, die den Nachmittag des 7. Oktobers moderierte.

Faustregeln zum Glücklichsein
Eine kleine Schnecke auf einem Blatt war es, die Gina Schöler den Weg ins Gesundheitszentrum für das Alter Mattenhof, so der neue Auftritt der Zürcher Pflegezentren, versüsst hatte. «Letztlich sind es doch nicht der schicke Schlitten oder die grosse Villa, die uns glücklich machen, sagte die Erfinderin des «Ministeriums für Glück und Wohl- befinden» aus Deutschland und räumte gleich zu Beginn auf mit Missverständnissen rund um den Begriff «Glück». Etwa dem Blick durch die rosa Brille. «Glück ist alles andere als Perfektion», sagte Schöler und erklärte, dass es dabei nicht darum gehe, alles unter den Teppich zu kehren, was unglücklich mache. «Ganz im Gegenteil: Wir müssen genau hinschauen und uns immer wieder fragen, was uns guttut, um Krisen gemeinsam zu meistern.» Dabei trage der Arbeitsplatz enorm viel zum Glücklichsein bei. Psychische Probleme führten nicht nur zu Fehltagen und Arbeitsausfällen. «Wieviel Lebenszeit und Lebensqualität geht so verloren?» Glück habe durchaus globale Auswirkungen, wenn man etwa den «Better Life Index» oder den «World Happiness Report» betrachte.
Die «Glücksministerin» füllte dann einen Erste-Hilfe-Kasten mit ihren Bausteinen zum Glück und nahm dabei ihre fünf Finger zu Hilfe: Der Daumen steht für Dankbarkeit, der Zeigefinger für Zeit, im Sinne von Prioritäten setzen, der Mittelfinger symbolisiert das Miteinander, der Ringfinger für Reflexion, während der kleine Finger für Komik, den Humor, steht. Zwei dieser Glückssets wurden unter allen Teilnehmenden verlost.

Krankheit – wie ein unberührtes Schneefeld
«Plötzlich ernsthaft krank – kann man das meistern?», fragte Psychoonkologin Magdalena Berkhoff als nächste Referentin und stellte ihren Titel sogleich in Frage. Denn wer ist «man»?, fragte Berkhoff, die die ärztliche Leitung Psychoonkologie bei der Krebsliga Zürich verantwortet. Eine schwere Erkrankung sei wie ein weisses Schneefeld, das jedes Mal neu beschritten werde. «Mit unserer Geburt kaufen wir uns die Sterblichkeit mit ein. Wir wissen das zwar alle, aber wir glauben es nicht.» Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie schöpfte aus ihrem reichen Fundus an Praxisbeispielen, zeigte Bilder, die eine Patientin im Verlauf ihrer Krankheit gemalt hatte und sprach auch über Würde. Selbstverständlich frage man auch auf einer Palliativstation an der Zimmertür, ob ein Besuch jetzt gerade passe, man melde sich, wenn man sich verspäte, wahre die Privatsphäre von Patientinnen und Patienten. Zur Illustration, wie Vertrauen aufgebaut werden kann, zeichnete sie das Bild einer Würfelansicht. Der Boden stehe für den realen Raum, die reale Zeit, während die vier Seiten die vier psychologischen Grundbedürfnisse zeigten: Orientierung und Kontrolle, Selbstwertschutz, Lustgewinn und Unlustvermeidung sowie Bindung. Die Würfeloberseite stehe für liebevolle Gedanken.

Kürzere Konzentrationsspanne als ein Goldfisch
Nach der Pause referierte die Germanistin Angelika Rachor Saxe über die Sprache als wichtigstes Arbeitsmittel und machte auf die Wirkungen und Nebenwirkungen von Kommunikation aufmerksam. Präventive Kommunikation wirke sich im Pflegealltag entlastend aus, indem man schwierige Kommunikationssituationen vorher im Team bespreche. Denn: «Medizinische Fachsprache und Alltagssprache sind nicht dasselbe; das führt oft zu Missverständnissen.» In Schockdiagnosen blende ein Betroffener vieles aus, was ihn überfordere. Sie selbst erinnert sich lediglich an ein «schwarzes Loch», als sie auf der Intensivstation über den Zustand ihres Vaters informiert wurde. Auch die Aufmerksamkeitsspanne hat gemäss einer Studie von Microsoft dramatisch abgenommen und beträgt gerade noch acht Sekunden. Ein Goldfisch kann sich immerhin neun Sekunden lang konzentrieren. Die Expertin für Change und Communication Management gab verschiedene Gedankenanstösse zur Einführung von präventiver Kommunikation. Etwa, dass man sich bewusst machen soll, welche Situationen stabil und welche instabil sind und entsprechend eine andere Rolle nötig machen. Auch sie warb dafür, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, gut hinzuhören und gut zu erklären.

Peer-Counsellor: Betroffene helfen Betroffenen
Nach ihrem kurzen Inputreferat sprach Tina Plötz, Leiterin Pflegemanagement Rehabilitation am Schweizer Paraplegiker-Zentrum mit Tim Shelton, der nach einem Unfall vor 33 Jahren von Tetraplegie betroffen ist. Shelton ist am Paraplegikerzentrum als einer von elf Peer-Counsellors tätig, das heisst, er spricht mit anderen Neubetroffenen über seine Erfahrungen. «Wenn ein Arzt in mein Zimmer kommt und mir sagt, dass das Leben auch als Rollstuhlfahrer gut ist und dann auf zwei Beinen rausläuft, dann denke ich als Betroffener: ‘Was versteht der denn davon?!’ Wenn mir das aber einer erzählt, der selbst Rollifahrer ist, dann glaube ich ihm, dass er weiss, wovon er spricht.» Die Hauptarbeit der Peer-Gruppe sei es, Vorbild zu sein, zu zeigen, dass ein gutes Leben möglich ist und wie der Alltag gemeistert werden kann. Auch Workshops gehören dazu. Jene zu Sexualität und Querschnittlähmung oder zu Wahrnehmung in der Öffentlichkeit seien immer voll, so Shelton.
Das Fachsymposium Palliative Care bot nicht nur einen breiten Ansatz zum Thema «Herausforderungen meistern». Auch das Netzwerken war wieder einmal möglich und wurde rege genutzt. Und wie sagte Glücksministerin Gina Schöler doch beim Packen des Glückskoffers doch «Das soziale Netzwerk ist der wichtigste Faktor für unser persönliches Wohlgefühl.»
palliative zh+sh