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Medienschau April 2018

Medienschau April 2018

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

Video zum Thema

09. Mai 2018 / Medien
«Schweizer sprechen kaum mit Ärzten übers Sterben». So titelte das Portal Medinside im April, nachdem das Bundesamt für Gesundheit BAG die Ergebnisse einer Studie zum Thema Palliative Care veröffentlicht hatte. Laut der Befragung (pallnetz.ch berichtete) denken die meisten Schweizer über die Behandlung am Lebensende nach. Doch «Ärzte und Pflegepersonen werden als Gesprächspartner nur am Rand berücksichtigt: Lediglich acht Prozent der Befragten sprechen mit Ärzten oder anderen Gesundheitsfachpersonen über ihre Behandlungswünsche», schreibt Medinside.

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Dabei wäre genau das laut Matthias Bopp vom Institut für Epidemiologie, Biostatik und Prävention der Universität Zürich enorm wichtig. Eine entsprechende Studie der Universitäten Zürich und Genf wurde in der Luzerner Zeitung zusammengefasst: Drei Viertel aller in der Studie untersuchten und vorhersehbaren Todesfällen gingen sogenannte «End-of-Life-Entscheidungen» voraus. Dabei ging es meist darum, lebenserhaltende Behandlungen nicht anzuwenden oder abzusetzen. Bopp sagte gegenüber der Zeitung, es sei wichtig, darüber nachzudenken, welche Prioritäten man am Ende des Lebens setzen wolle. «Solche Entscheidungen für das Lebensende sollten frühzeitig mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, damit die medizinischen und technischen Aspekte sowie ihre Konsequenzen richtig verstanden werden.»

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Radio SRF thematisierte an einem Tag in den beiden Sendungen «Heute Morgen» und «Espresso» die Problematik, dass Leistungen in der Palliative Care oft nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Sie würden regelmässig die «Spitalbedürftigkeit der Palliativpatienten anzweifeln und darum nur den Tarif für Langzeitpflege vergüten». So müssen oft die Spitäler oder die Patientinnen und Patienten selber für die Zusatzkosten aufkommen. Palliativmediziner Roland Kunz sagte gegenüber Radio SRF, die Krankenkassen «haben oft das Gefühl, Palliative Care ist dann, wenn man nichts mehr macht. Daher müsse sie möglichst billig sein.» Kunz kritisiert auch bereits seit längerem, dass viele Zusatzversicherungen Palliative Care grundsätzlich ausschliessen. Von seinem Kollegen Steffen Eychmüller kommt ebenfalls Kritik an der Praxis der Krankenkassen, die dazu führt, dass Menschen am Lebensende oft noch einmal verlegt werden müssen oder die Spitalabteilungen hohe Defizite einfahren. Sandra Kobelt, Sprecherin von Santésuisse sagt: «Die Krankenkassen haben den gesetzlichen Auftrag, die Rechnungen zu prüfen.» Dass die Palliativstationen in den Spitälern grundsätzlich Probleme mit der Finanzierung haben, ist auch beim BAG angekommen. Man suche darum in einer Arbeitsgruppe nach einer einheitlichen Finanzierung dieser Leistungen für die ganze Schweiz, heisst es.

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«Sterbende Menschen können schwerlich nach Fall abgerechnet werden, da Sterben individuell und von unterschiedlicher Dauer ist.»
Basler Zeitung

Die fehlende Finanzierung in der Palliative Care war auch bei der Basler Zeitung BaZ Thema. In einem Artikel legte sie dar, dass das geltende Tarifsystem mit den Fallpauschalen für Leistungen in der Palliative Care ungeeignet ist. «Sterbende Menschen können schwerlich nach Fall abgerechnet werden, da Sterben individuell und von unterschiedlicher Dauer ist.» In Basel ist unter anderen der ärztliche Leiter des Palliativzentrums Hildegard Jan Gärtner mit dem Kanton im Gespräch, um das Finanzierungsproblem zu lösen. Gärtner ist zuversichtlich. «Wir müssen nur tun dürfen, was die Basler Bürger von uns erwarte: den Schmerz lindern, damit sie in Würde sterben dürfen.» Auch andere Palliative-Care-Angebote im Kanton müssen sich derzeit über Spenden oder Quersubventionen finanzieren. Christophe Kaempf von Santésuisse sagt derweil gegenüber der BaZ, die heutigen Tarifstrukturen würden reichen, um Palliative Care abzudecken. Aktuell gebe es keine Belege, dass es in der Kostenübernahme der Krankenversicherer Lücken gibt. Ansonsten könnten die Leistungserbringer Anträge stellen.

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Über das Problem mit den Fallpauschalen sprach auch Palliativmediziner Gian Domenico Borasio im Interview mit der Online-Ausgabe der «Zeit», in der die Serie «Der Tod ist gross» im April weiterging. Borasio sagt, in manchen Bereichen funktionierten die Fallpauschalen prächtig, wie beispielsweise in der Orthopädie bei Knieprothesen. «Aber auf Palliativstationen ergeben sie einfach keinen Sinn. Das Ziel der Verkürzung der Liegedauer führt hier, wo mindestens die Hälfte der Patienten stirbt, zu einem fürchterlichen Fehlanreiz hin zum fallpauschalenverträglichen Frühableben.» Dabei will die Palliativmedizin, wie Borasio sagt, «ermöglichen, dass jeder Mensch den ihm angemessenen Tod stirbt». Borasio sprach ausserdem über die Problematik der Übertherapie und sagte, diese sei in den industrialisierten Ländern fast flächendeckend verbreitet. Borasio versteht die Palliativmedizin als «politisches Fach». «Denn sie legt den Finger in die Wunden der modernen Medizin. Wir sind die Umsatzkiller schlechthin, weil wir am Lebensende, also dort, wo die Gesundheitsindustrie am meisten verdient, die unbequeme Frage stellen, ob immer alles sinnvoll ist, nur weil es machbar ist.»
«Wir sind die Umsatzkiller schlechthin, weil wir am Lebensende, also dort, wo die Gesundheitsindustrie am meisten verdient, die unbequeme Frage stellen, ob immer alles sinnvoll ist, nur weil es machbar ist.»
Gian Domenico Borasio

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Die Qualität der Pflege für Betagte und Menschen am Lebensende in der Schweiz gab im April viel zu reden. Die «Sonntagszeitung» veröffentlichte einen Report zum Thema und titelte: «Altersheime am Anschlag». Die Zeitung analysierte zahlen des BAG und kam zum Schluss, dass Pflegende in den Heimen nicht selten überfordert und Bewohnende schlecht versorgt sind. «In Hunderten von Heimen nimmt die Qualität in der Pflege und Betreuung alter Leute messbar ab, die Überforderung des Personals wegen Stress und unhaltbaren Arbeitsbedingungen ist allgegenwärtig. Ein signifikanter Teil der Heime steckt in einer Krise.» Damit steuere die Schweiz auf ein ernsthaftes Problem zu, so die Sonntagszeitung. Denn bis 2045 werden zehn Prozent der Bevölkerung über 80 Jahre alt sein – doppelt so viele wie heute. Laut den analysierten Daten gebe es bei etwa jedem fünften Heim in der Schweiz einen Rückgang beim «qualifizierten Personal». Die Heime hätten entweder den gesamten Personaletat reduziert oder gut ausgebildete Angestellte durch Hilfskräfte ersetzt. «Wohin man geht – im Gespräch mit Pflegerinnen und Betreuern fällt immer wieder dasselbe Wort: Irrsinn.» Sie kommen scheinbar kaum dazu, die Bewohnenden adäquat zu betreuen. Es gebe aber auch Heime, die eine hohe Qualität in Pflege und Betreuung bieten, wie ein Beispiel aus dem Kanton Bern zeigt. Dem Artikel folgten unter dem Tittel «Collection Altersheim-Report» weitere Beiträge im Tagesanzeiger.

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«Es braucht politischen Willen, mutige und menschliche Politikerinnen und Politiker, eine gut vernetzte Versorgung sowie kompetente und innovative Führungskräfte auf allen Stufen.»
Monika Obrist

In einem Leserbrief forderte die Präsidentin von palliative ch Monika Obrist nach der Veröffentlichung des «Altersheim-Reports» eine breite Debatte darüber, «was uns die Qualität der Pflege und Betreuung in der Lebensphase von Abhängigkeit und Sterben wert ist». Wenn wir die Situation in der Alterspflege verbessern wollten, so müssten wir die Geldflüsse im Gesundheitswesen konsequent nach ethischen und nicht nur nach ökonomischen Kriterien steuern. «Dazu braucht es politischen Willen, mutige und menschliche Politikerinnen und Politiker, eine gut vernetzte Versorgung sowie kompetente und innovative Führungskräfte auf allen Stufen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.»

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Helena Zaugg und Elsbeth Luginbühl diskutierten die Ergebnisse und Diskussionen des Altersheim-Reports in der Sendung «Konkret» von Tele Z. Die Präsidentin des Schweizerischen Verbandes der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK Zaugg und die Spezialistin für Pflegequalität Luginbühl waren beide nicht überrascht über die Ergebnisse des Reports und auch nicht über die heftigen Reaktionen, die dieser auslöste. «Wenn eine gute Pflegequalität in Zukunft gesichert sein soll, muss jetzt die Politik handeln», sagte Zaugg. Man müsse sich nun fragen, was eine gute Pflege wert sein soll und kosten darf. Luginbühl betonte, dass sich ein Mangel an qualifiziertem Personal direkt auf die Qualität der Pflege auswirke. Die Fachfrauen sprachen auch über die Frage, wie qualifiziertes Personal im Beruf gehalten werden kann. Für die Qualität in einem Heim sei die Rolle der Leitung absolut zentral, so Luginbühl. Die wichtigste Frage, die sie sich stellen müsse, sei, welche Kultur man im Haus pflegen wolle. Die Qualitätsexpertin führte auch aus, dass die Kriterien für Qualität von Ort zu Ort und von Heim zu Heim ganz unterschiedlich seien. So auch die Anforderungen der Behörden an die Heime. Im Vergleich beispielsweise zur Landwirtschaft würden die Pflegeheime in den Gemeinden überdies nur minim überprüft, auch wenn Qualitätsvorgaben gemacht werden.
«Wenn eine gute Pflegequalität in Zukunft gesichert sein soll, muss jetzt die Politik handeln.»
Helena Zaugg

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Das Schweizer Onlineportal nau.ch setzte einen anderen Aspekt des Themas in den Mittelpunkt: Der Einzug in ein Heim wäre gar nicht in jedem Fall nötig, wenn die Pflege zu Hause für alle erschwinglich wäre. «Es kommt vor, dass ältere Menschen aus finanziellen Gründen zu früh ins Heim gehen», erklärt Lukas Loher, Leiter Fachbereiche bei Pro Senectute Schweiz. «Unterstützung daheim müssen sie in der Regel selber zahlen, die Kosten im Heim übernimmt je nach Einkommen zu einem grossen Teil die Ergänzungsleistung.» Das Augenmerk liegt im Artikel weniger auf der Pflege als auf der Betreuung. Nau.ch bezieht sich auch auf die kürzlich veröffentlichte Studie zur Betreuung im Alter von Carlo Knöpfel, Professor für Sozialpolitik an der Fachhochschule Nordwestschweiz. «Betreutes Wohnen wäre oft die beste und günstigste Lösung. Aber da fühlt sich keiner verantwortlich», so der Soziologe. «Die Kantone schieben es auf den Bund und umgekehrt. Da muss eine politische Lösung her», fordert Knöpfel.

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Einzelne Gemeinden warten derweil nicht auf die Bundes- oder Kantonalpolitik, sondern versuchen dem Problem bereits mit innovativen Lösungen zu begegnen. Die NZZ berichtete beispielsweise: «Horgen geht neue Wege, um Betagte und deren Angehörige zu Hause zu unterstützen.» Am Beispiel von Esther Meier, die ihren demenzkranken Ehemann zuhause begleitet und pflegt, zeigt der Bericht, wie die «Anlaufstelle Alter und Gesundheit» der Gemeinde Horgen Betroffene darin unterstützen kann, pflegebedürftige Familienmitglieder oder Quartierbewohner_innen so lange wie möglich zuhause zu begleiten. Das fünfköpfige Sozialarbeiter-Team der Anlaufstelle bietet vielfältige Unterstützung. Es vermittelt Kontakte und Angebote, hilft, Entlastung zu organisieren oder Hilflosenentschädigung zu beantragen. Die Gemeinde setzt überdies auf kostengünstige Alterswohnungen und sogenannte Siedlungs- und Wohnassistenten. Die verschiedenen Anbieter, die Freiwilligen und die Anlaufstelle in der Gemeinde arbeiten alle sehr eng zusammen.

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«Demenzkranke haben schon mit einer inneren Isolation zu kämpfen. Es ist fatal, wenn auch noch eine äussere dazukommt.»
Christoph Held

Um das Leben mit Demenz geht es auch in einem ausführlichen Beitrag im «Beobachter». Und zwar nicht nur um das Leben von Direktbetroffenen, sondern grundsätzlich darum, wie wir als Gesellschaft leben mit vielen Demenzkranken in ihrer Bevölkerung. Und auch dieser Bericht zeigt das Beispiel einer innovativen Gemeinde. Das zürcherische Wädenswil realisiert das Projekt «Demenzfreundliche Gesellschaft Wädenswil», das durch zahlreiche Organisationen «von der Spitex über Pro Senectute bis zur Kantonspolizei» breit abgestützt ist. Sandra Schäppi, die in der Kleinstadt die Infostelle Betreuung und Pflege leitet, sagt: «Wissen über die Krankheit vermitteln und die Gesellschaft dafür sensibilisieren – das ist unser Ziel.» Ein offener Umgang mit Demenz vermindere die Isolation und ermögliche Unterstützung auch von Freunden oder Nachbarn. Der Gerontopsychiater Christoph Held pflichtet ihr bei: «Demenzkranke haben schon mit einer inneren Isolation zu kämpfen. Es ist fatal, wenn auch noch eine äussere dazukommt.» Der Bericht zeigt auf, wie wichtig es ist, dass Menschen im öffentlichen Raum wissen, wie sie Demenzbetroffenen begegnen können, damit weniger Unfälle, weniger Missverständnisse und Probleme und weniger Schikanen entstehen.

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Für die Betreuung sowohl zuhause als auch in Heimen bleibt die Arbeit der Freiwilligen wichtig, die auch im April in verschiedenen Medienberichten Thema war. Einer dieser Berichte erschien in der französischen Ausgabe des «Migros Magazin». Im Palliativspital der Stiftung «Rive-Neuve» in Blonay (VD) leben um die 20 Patientinnen und Patienten. Etwa 30 Freiwillige besuchen regelmässig die Bewohnenden und entlasten die Fachpersonen. So zum Beispiel die Musikerin und Lehrerin Bettina, die sagt: «Ich bin hier, um Zeit mit den Menschen zu verbringen, weil die Gesundheit nicht nur mit dem Körper zu tun hat.» Hier würden die Betroffenen als Ganzes wahrgenommen, mit ihrem sozialen, künstlerischen und spirituellen Wesen. Das Mittagessen nehmen, soweit möglich, Patienten, Fachfrauen, weitere Angestellte inklusive Direktor und Freiwillige gemeinsam im grossen Esszimmer ein. Pauline Gaugler ist zuständig für die Einsätze der Freiwilligen und sagt: «Rive-Neuve ist in erster Linie ein Haus. Die Aufgabe der Freiwilligen ist es, diesem Haus eine Seele zu geben, es zu bewohnen.» Diese absolvieren einen achttägigen Kurs des «Bénévolat Vaud» und einen viertägigen Folgekurs im Haus. Die Stiftung betont, dass der Einsatz der Freiwilligen nicht die Arbeit von Fachpersonen ersetzen soll, sondern eine qualitativ hochstehende soziale Begleitung der Betroffenen ermöglicht.

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Ein anderes Haus öffnete im April seine Tore im Kanton Graubünden. Genauer, zwei Hospizwohnungen in Maienfeld im Senesca Alterszentrum. Es ist das erste Hospiz im Kanton, wie die «Südostschweiz» schreibt, und das Projekt wird vom Kanton auch finanziell unterstützt – ein Einzelfall in der Schweiz. Zwischen 2019 und 2021 erhält das Hospiz jährlich 400'000 Franken. Dieser Beitrag lohne sich für den Kanton, heisst es im Artikel. «Aktuell sterben in Graubünden rund die Hälfte aller todkranken Patienten in einem Spital.» Laut Urs Hardegger, dem Leiter des Senesca Alterszentrums, kostet das den Kanton letztlich mehr als das Hospizangebot.

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Im Kanton Glarus entsteht derzeit ein neues Netzwerk für Palliative Care. Denn wie die «Südostschweiz» berichtet, hapert es noch mit der palliativen Versorgung der Glarnerinnen und Glarner. Das neue Netzwerk will beispielsweise die Freiwilligenarbeit intensivieren und die palliative Betreuung in Heimen verbessern. Am Kantonsspital gibt es bereits eine spezialisierte Abteilung. Das neue Netzwerk will den Zugang zur Palliative Care für alle ermöglichen und empfiehlt dem Kanton unter anderem, eine Stelle für Beratung und Vermittlung aufzubauen, die Anbieter zu vernetzen und ihre Zusammenarbeit zu fördern oder die Leistungsaufträge so anzupassen, dass keine Finanzierungslücken entstehen. Künftig sei auch die Frage nach dem Bedarf für Hospizplätze zu klären, so Regula Bertold, die das Projekt für das Konzept Palliative Care leitet und Departementsleiterin Pflege am Kantonsspital ist.

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«Dass sich alles reduziert muss nicht nur schlimm sein. Wichtig ist für Gertrud, so scheint mir, die Herrschaft zu haben, das Gefühl, zu tun, was sie will…»
ZEIT Online

Das Leben vor dem Sterben kommt in einem Beitrag von «Zeit Online» auf wunderschöne Weise zur Sprache. Es geht dabei um ein ganz bestimmtes, individuelles Leben. Jenes von Gertrud, die von der Autorin des Beitrags seit zehn Jahren regelmässig besucht wird und die trotz Demenz und hohem Alter noch zuhause lebt und ihre Autonomie innerhalb ihrer Möglichkeiten auskostet. «Das Leben, denke ich», schreibt die Autorin, «ist wie eine Röhre, die am Anfang eng ist und in der Mitte geweitet, sodass wir hüpfen und springen können. Dann verengt sie sich stetig zum Ende hin, und vielleicht ist der allerletzte Teil eher ein Übergang als ein Leben.» Dass sich alles reduziere, das müsse nicht nur schlimm sein. «Wichtig ist für Gertrud, so scheint mir, die Herrschaft zu haben, das Gefühl, zu tun, was sie will, auch wenn das, was sie will, nur das ist, was sie kann.»

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In der Schweizer Ärztezeitung äusserte sich Gian Domenico Borasio kritisch zur ausgeschriebenen Assistenzprofessur für Palliativmedizin am Universitätsspital Zürich USZ. Konkret kritisiert Borasio die Angliederung der Assistenzprofessur an einen Lehrstuhl für Radio-Onkologie. Diese mache aus fachlicher Sicht keinen Sinn, schrieb er. In der Schweiz sterben heute die meisten Menschen nicht an einer Krebserkrankung und auch die Palliativpatienten der Zukunft werden andere sein als bisher, so Borasio. «Die Sterbenden der Zukunft werden zum allergrössten Teil sehr alt, sehr fragil, multimorbid und häufig dement sein.» Darum sei es nötig, «die Palliative Care für die Zukunft so aufzustellen, dass sie der grösstmöglichen Anzahl der Patienten zugutekommen kann.» Borasio befürchtet ausserdem, bei den Medizinstudierenden könnte sich der Eindruck verfestigen, Palliative Care sei nur für Krebspatienten da. Die Disziplin brauche dringend eine akademische und klinische Selbständigkeit. «Eine klinisch wie akademisch unabhängige Professur für Palliativmedizin an der Universität Zürich wäre ein wichtiges Zeichen für die Zukunft des Fachgebietes und damit für eine gute Versorgung aller schwerstkranken Patienten und ihrer Familien in der letzten Lebensphase.»

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Die Replik auf diese Kritik erschien noch in derselben Ausgabe der Ärztezeitung und wurde verfasst vom Klinikdirektor für Radioonkologie am USZ Matthias Guckenberger sowie dem Ärztlichen Direktor Jürg Hodler und dem Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich UZH Rainer Weber. Das Ziel von USZ und UZH sei, die Palliativmedizin zu stärken: «in der Betreuung unserer Patientinnen und Patienten, in Forschung und Lehre wie auch modellhaft in der interprofessionellen und interdisziplinären Zusammenarbeit.» Die Ansiedlung der ausgeschriebenen Assistenzprofessur sei tatsächlich historisch gewachsen. «Es handelt sich um eine strukturelle Anbindung, und nicht um eine inhaltliche Fixierung», schreiben die Autoren. Da in Zürich, anders als in anderen Kantonen, die universitäre Medizin nicht subventioniert werde, habe man am USZ «aktiv die Entscheidung getroffen, zum direkten Wohle unserer Patienten in klinische Strukturen sowie ärztliches und Pflegepersonal zu investieren, anstatt in administrativen Overhead». Die Lehre sei ausserdem unabhängig von Kliniken und Instituten in Form von interdisziplinären Themenblöcken organisiert. «Wir wollen zudem betonen, dass alle Professuren, auch Assistenzprofessuren, der UZH unabhängige Forschung und Lehre betreiben.»
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