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Medienschau Dezember 2019

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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10. Januar 2020 / Medien
Es mag an den dunklen Wintermonaten, dass im letzten Monat des Jahres 2019 in den Medien das Thema Sterben überwog. Ob sterbende Kinder, assistierter Suizid im Gefängnis oder wie aus toten Körpern Pflanzenerde wird, wir haben die wichtigsten Beiträge gehört, gelesen oder geschaut und in unserer Medienschau zusammengefasst.
Wieviel erträgt ein schwer krankes Kind? Was kann man ihm an Behandlungen zumuten? Und wo sterben Kinder? Diesen Fragen geht SRF-Reporterin Vanessa Nikisch in ihrem Dokfilm über Palliativpflege bei Kindern nach. Der Beitrag ist Teil der Reihe «Der Tod – das letzte Tabu», die von Fernsehen SRF produziert wurde. Jedes Jahr sterben in der Schweiz 500 Kinder, 3200 Kinder und Jugendliche leben mit einer lebenslimitierenden Erkrankung. Nur in drei Schweizer Kinderspitälern gibt es Palliative-Care-Teams, die die Kinder zu Hause und auf den Stationen betreuen. Entsprechend sterben viele Kinder auf der Notfallstation. Das Sterben werde häufig nicht frühzeitig vorausgeplant, sagt Eva Bergsträsser, Palliative-Care-Pionierin für Kinder und leitende Onkologin am Zürcher Kinderspital. Eltern von schwerkranken Kindern stehen vor extrem schweren Entscheidungen: Etwa, welche Ziele Eltern für ihre Kinder noch haben, welche Behandlungsversuche oder auch experimentelle Therapien denkbar sind oder ob Wiederbelebungsmassnahmen durchgeführt werden sollen. Hinter diesen Entscheidungsfindungen, in die meist mehrere Personen – nebst den Eltern auch Spezialisten oder Pflegefachpersonen – involviert sind, stünde ein längerer Prozess so Bergsträsser. Zudem seien sie immer veränderbar. Es könne sein, dass der Entscheid für eine Operation aufgrund des Krankheitsverlaufs nicht mehr richtig sei. Den betroffenen Familien rät Bergsträsser, für Lebensqualität zu sorgen und gute Erinnerungen zu schaffen. Und Reisen und Ausflüge nicht wegen der Krankheit auf später zu verschieben. «Kinder sollen leben, und das Leben trotz Einschränkungen geniessen dürfen.»


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Auch erwachsene Patientinnen und Patienten stellen sich meist ein anderes Sterben vor, als sie letztendlich tatsächlich erleben. Kaum jemand wünscht sich, im Spital zu sterben, trotzdem passiert es in Deutschland fast jedem zweiten. Übertherapie und schlechte Kommunikation zwischen Arzt und Patient, macht die deutsche Zeitung «Welt» unter anderen als Gründe aus. Wenn es Patienten schlechter gehe, einfach aus dem Grund, dass sie sterben, bleibe dies häufig unbesprochen, was zu unnötigen Eingriffen oder kostspieligen Leidenszeiten auf der Intensivstation während der letzten Lebenstage führe. Menschen mit unheilbaren Krebserkrankungen erhielten noch in den letzten Wochen ihres Lebens eine Therapie, anstatt nach Hause entlassen zu werden. Das wäre an sich nicht nötig, denn auch in Deutschland ist die ambulante Versorgung mit Palliative Care gut geregelt und hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Krankheit und Wahrheitsmitteilung am Krankenbett, das sei immer in Prozess, wird im Artikel der Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbands, Benno Bolze, zitiert. Es sei für Patienten nicht immer einfach zu entscheiden, ob eine Therapie noch sinnvoll sei. Medizinerin Jana Jünger, Leiterin des für Staatsprüfungen von Ärzten zuständigen Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen, plädiert dafür, Ärzte zu schulen und regelrecht mit ihnen zu üben, wie man mit Patienten am besten ihre Wünsche und Vorstellungen angesichts des herannahenden Todes besprechen kann. Das müsse auch an den Staatsprüfungen thematisiert werden.


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Wie aber findet man heraus, was ein todkranker Mensch möchte, wenn dieser sich nicht mehr verbal äussern kann? Im Interview mit der Online-Plattform «Trailer Ruhr» verweist die Palliativärztin Birgitta Behringer auf die natürlichen Willensäusserungen, etwa, dann wenn der Patient oder die Patientin die Tabletten nicht schluckt oder den Mund beim Essen zukneift. Möglich sei auch, dass eine Patientenverfügung vorliege, man den Willen also im Voraus bekundet habe. «Wenn man das alles nicht hat, kann man noch versuchen, den mutmasslichen Willen zu ergründen», sagt die Bochumer Medizinerin. Oder man entscheide im Rahmen eines Best Interest. Das Schöne an der Palliativmedizin und den Palliativnetzwerken sei deren Multiprofessionalität. Man begegne vielen Leuten und Sichtweisen auf den Menschen und könne sich dadurch weiterentwickeln.
«Die Bedeutung des Lebens ist, den Menschen glücklich zu machen, den du liebst.» Donald, Palliativpatient

«Ich habe keine Angst, zu sterben – Ich habe Angst vor dem, was ich tun muss, um dorthin zu gelangen», sagt Palliativpatientin Kim. Sie ist eine der Porträtierten des amerikanischen Fotografen Andrew George. Für sein Projekt «Right Before I Die» besuchte er Patientinnen und Patienten auf einer kalifornischen Palliativstation, um etwas über ihr Leben zu erfahren, ihre Ängste, Versäumnisse, glückliche oder traurige Zeiten. Wie die Zeitschrift «Focus» berichtet, war die Ausstellung bereits in Belgien Kalifornien, Korea und Japan zu sehen. Was den Fotografen am meisten berührte, war die Tatsache, dass sie alle den Tod nicht fürchteten. Er habe nicht immer gedacht, dass das Leben gut sei, sagt etwa Ralph. Er habe zwei grosse Lieben in seinem Leben gehabt. «Was könnte sich ein Mann noch wünschen? Es war wundervoll.» Die Sterbenden geben auch Ratschläge. «Die Bedeutung des Lebens ist, den Menschen glücklich zu machen, den du liebst», sagt beispielsweise Donald. Und Chuck, der seine Hochzeit als einen der glücklichsten Tage bezeichnet, kommt zum Schluss: «Die Welt ist das, was Menschen daraus machen. Sie können daraus ein gutes Leben machen, oder ein elendiges Leben - scheinbar gibt es so viele, die lieber elendiges Leben führen.»


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Die Schweizer Schriftstellerin Milena Moser hatte lange Zeit keinen Bezug zum Tod. Das änderte sich, als sie sich in den schwerkranken Victor-Mario Zaballa verliebte. In dessen mexikanischer Kultur nehme ein Sterbender Freundschaften, Lieder und den Duft der Blumen mit in den Tod, erzählt Moser im Interview mit dem Radiosender «Deutschlandfunk Kultur». Von ihm habe sie gelernt, dass die Beziehung zu einem Menschen nicht mit dem Tod, sondern mit dem Vergessen ende. In ihrem neuen Buch «Das schöne Leben der Toten» beschreibt sie den «unbeschwerten Umgang mit dem Ende». In Mexiko sei der Tod kein Tabu, man freue sich auf den «Dia de los Muertes», der als rauschendes Fest gefeiert werde. «Ich lebe jetzt auch so, wie ich immer hätte leben sollen», sagt die Schweizerin, die in Santa Fé und San Francisco lebt. «Ohne diese ständige Angst, was kommt als nächstes, was denken die Leute über mich, bin ich gut genug. Ich lebe jetzt.»


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2017 sind in der Schweiz 66'971 Menschen gestorben. Gemäss der Todesursachenstatistik des Bundesamts für Statistik zählten Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 31,4 Prozent zu den häufigsten Todesursachen, am zweithäufigsten waren Krebserkrankungen mit 25,8 Prozent. In den ersten sechs Wochen des untersuchten Jahres kam es wegen der ausgeprägten Grippewelle bei den über 65-Jährigen zu beinahe 1'500 zusätzlichen Todesfällen, wie die Newsplattform von «SRF» berichtet. 61 Prozent der 2017 Verstorbenen waren über 80 Jahre alt, weitere 26 Prozent starben im Alter zwischen 65 und 79 Jahren. Die Lebenserwartung hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert und lag bei 81,4 Jahren für Männer, die Frauen leben durchschnittlich 85,4 Jahre. Verglichen mit der Lebenserwartung von 2007 leben Männer 2 Jahre, die Frauen um 1,2 Jahre länger als noch vor zehn Jahren.
«Woher weiss man, dass Individuen mit nahestehenden Personen nicht über den Tod sprechen?» Joachim Wittkowski, Psychologe

Über den Tod als Tabu geht es auch im Interview des Online-Portals «infranken.de» mit dem Würzburger Psychologen Joachim Wittkowski. Über den Tod zu sprechen, sei zwar gesellschaftlich ein Tabu, nicht aber im Nahbereich. In der Gesellschaft sei das Sterben und auch der Umgang mit dem Tod aus der Öffentlichkeit verschwunden. «Aber woher weiss man, dass Individuen mit nahestehenden Personen nicht über den Tod sprechen?» Menschen hätten unbewusst eine Bindung an ihr Leben, die sich in dem Masse verändere, in dem man sich auf einer Zeitachse bewege. Die Vergangenheit nehme ständig zu, die Zukunft ständig ab. «Einer der springenden Punkte beim Sterben ist es, sich genötigt zu sehen, die Bindung an sein Leben aufgeben zu müssen», sagt der Psychologe. Er sei allergisch auf das Schlagwort Trauerarbeit, denn dies suggeriere, Arbeit sei irgendwann erledigt. «Trauer vergeht aber nie, nur ihre Qualität ändert sich.»


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Kompostieren statt Kremieren: In Seattle (Washington) will man ab nächstem Jahr «menschliche Überreste sanft in Erde umwandeln. Wie die Zeitschrift «Fokus» meldet, hat das Unternehmen Recompose ein entsprechendes Verfahren entwickelt, das 30 Tage dauere. Vom Körper soll dann etwa 0,7 Kubikmeter Erde übrig sein. Die menschliche Kompostierung minimiere Abfälle und verhindere die Emission von CO2, die bei der Verbrennung und der Herstellung von Särgen und Grabsteinen entsteht. Rund eine Tonne CO2 könne so gegenüber einer herkömmlichen Bestattungsart eingespart werden.


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Trauergruppen gibt es viele, aber nicht alle decken auch die Bedürfnisse junger Familien ab, die ein Familienmitglied verloren haben. sich für junge Familien. Im Hospiz Mittelhessen werden solche Familien unterstützt. Es sei etwas völlig anderes, wenn Kinder sich von einem Elternteil verabschieden müssten, als einen geliebten Menschen im hohen Alter zu verlieren, zitiert das Portal «Mittelhessen» die Verantwortlichen. Die Trauergruppe findet gleichzeitig für Erwachsene und Kinder statt, bietet aber unterschiedliche Formen an. Während die Kinder beispielsweise basteln, essen oder herumtoben, während die Erwachsenen die Frage diskutieren, wie sie stark sein können vor dem Kind. Das Wichtigste für die Eltern sei, authentisch zu bleiben, sagt Manuela Schmidt, Heilpraktikerin für Psychotherapie. «Es bringt nichts, wenn ich meinem Kind den ganzen Tag erzähle, dass ich Zwiebeln schälen muss, weil ich nicht aufhören kann zu weinen.» Zwar ist das Rahmenthema der beiden Gruppen jeweils ähnlich, der Fokus liegt aber darauf, was von den Teilnehmenden kommt. Denn das Wichtigste sei, den Betroffenen gerecht zu werden und ihnen Zeit zu schenken, ihre Ängste und Sorgen loszuwerden.
Es fehlt an entsprechenden Regelungen und den nötigen Einrichtungen für assistierten Suizid in Schweizer Vollzugsanstalten.

In der Schweiz wirft das Thema Sterbehilfe weit weniger hohe Wellen als in unseren Nachbarländern. Ein Artikel, der Anfang Dezember im «Blick» erschien, sorgte jedoch für viel Diskussionsstoff. Darf ein lebenslang verwahrter Sexualstraftäter vom Recht auf einen selbst bestimmten Tod Gebrauch machen und mit einer Sterbehilfeorganisation sterben? Das Schweizerische Kompetenzzentrum für den Justizvollzug hat vor kurzem entschieden, dass das Recht eines Menschen, über Zeitpunkt und Art seines Todes selbst zu entscheiden, auch im Strafvollzug gilt. Der Sterbewunsch urteilsfähiger Insassen müsse berücksichtigt werden, heisst es im Grundlagenpapier. Häftling P. V., der seit über 25 Jahren einsitzt, leidet seit längerem an einer Herz- und Niereninsuffizient, gilt aber nicht als todkrank. Der Verwahrte selbst, der nach wie vor als hochgefährlich gilt, macht seine untherapierbare psychische Erkrankung geltend. Der Gefängnisalltag sei «psychische Folter» und «unerträglich». Er will am 13. August 2020 um 17.15 Uhr sterben – just an seinem 70. Geburtstag. Das Grundlagenpapier der SKJV ist zwar eindeutig, doch es fehlt an entsprechenden Regelungen und den nötigen Einrichtungen in den Vollzugsanstalten. Bis Ende Jahr hatten die Kantone Zeit, sich zum Papier zu äussern. Danach entscheidet das SKJV über das weitere Vorgehen.
Auch andere Medien nahmen das Thema auf. Der «Tages Anzeiger» (Artikel kostenpflichtig) schrieb über den ethischen Konflikt, den der Sterbewunsch des Häftlings beinhalte. Es gehe Angehörigen auch um die Sühne für ein Verbrechen, ein Täter solle hinter Gittern schmoren, wird im Artikel Christine Bussat, Gründerin der Bewegung Marche Blanche (Weisser Marsch) zitiert. Gemäss Martino Mona, Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität in Bern, habe die Verwahrung nur einen Zweck: Den Straftäter weit über die Dauer der verdienten Strafe hinaus zu sichern und von der Gesellschaft fernzuhalten. Wenn Menschen zu Sicherungszwecken verwahrt würden, sollte man nicht auch noch das Recht nehmen, selbst einen würdevollen Tod zu wählen.


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Nach Victoria hat nun auch Westaustralien als zweiter Bundesstaat in «Down Under» die Beihilfe zum Suizid für todkranke Menschen legalisiert. In beiden Bundesstaaten hatten sich Kirchen und Anhänger der Lebensschutzbewegung bis zuletzt gegen die Legalisierung der Suizidbeihilfe gewehrt. Das neue Recht gilt für Menschen mit einer Lebenserwartung von höchstens sechs Monaten, wie das deutsche «Ärzteblatt» schreibt. Bei neurodegenerativen Erkrankungen können Patienten die Beihilfe zum Suizid schon bei einer maximalen Lebenserwartung von zwölf Monaten in Anspruch nehmen. Die mündlich und schriftlich bekundete Willensäusserung muss von zwei unabhängigen Ärzten begutachtet und genehmigt werden. Im Unterschied zu Victoria müssen die Patienten das Medikament nicht selbst einnehmen, sondern können die Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen.


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Und à propos Kirche und Sterbehilfe: Ein katholischer Priester darf einem Menschen, der durch aktive Sterbehilfe oder einen assistierten Suizid seinem Leben ein Ende setzen will, keine Sakramente spenden, etwa die Krankensalbung oder die Kommunion. So verkündete es der niederländische Kardinal Willem Eijk auf der deutschen Online-Plattform «katholisch.de». Ein Priester, der dies tue, mache sich «eines öffentlichen Skandals schuldig, da seine Handlungen darauf hindeuteten, dass unter bestimmten Umständen Selbstmord oder Sterbehilfe erlaubt» seien. Zudem könne ein Mensch die Sakramente nur empfangen, «wenn er in rechter Verfassung sei». Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn «er sich der Ordnung der Schöpfung widersetzen will, indem er den inneren Wert seines Lebens verletze, so der Erzbischof. Eijk geht noch weiter, indem er von «moralisch illegitimen Handlungen» spricht, die «den Wert des menschlichen Lebens verletzten». Dies sei eine schwere Sünde, und darauf müsse der Priester die sterbewillige Person hinweisen. Auch die Schweizer Bischofskonferenz hat eine entsprechende Orientierungshilfe veröffentlicht. Dass ein Mensch freiwillig den Tod suche, stehe im Widerspruch zu Gott. Mit dem Hinweis auf diesen Widerspruch könne der Priester «das Spenden der Sakramente aufschieben oder verweigern». Zudem müsse der Seelsorger im Moment des Suizidalaktes den Raum verlassen. Man könne niemandem die Absolution erteilen, der absichtlich eine Sünde begehen wolle, stützt auch Charles Morerod, Bischof der Schweizer Diözese Lausanne, Genf und Freiburg, diese Anordnung. Man wolle aber auf Menschen zugehen, die sich dazu entschlossen hätten, denn es gebe Hoffnung, dass sie es sich im letzten Moment anders überlegen würden. Immerhin Kurienerzbischof Vincenzo Paglia würde die Hand eines Menschen halten, der durch assistierten Suizid sterben möchte. Jemanden zu begleiten, der im Sterben liege, sei etwas, das jeder Gläubige unterstützen müsse. Gleichwohl hält er Selbstmord, egal in welcher Form, für eine Niederlage für die Gesellschaft.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner