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Medienschau Februar 2019

Medienschau Februar 2019

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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07. März 2019 / Medien
Es ist nur eine kurze, aber nicht minder wichtige Meldung, die die «Schaffhauser Nachrichten» publiziert: Der Kantonsrat hat dem neuen Palliative-Care-Konzept mit nur zwei Gegenstimmen zugestimmt. Das Resultat ist deutlicher, als es die vorangegangene Diskussion vermuten liess. Eine aus zwei Parteien bestehende Fraktion wollte die Vorlage zurückweisen. Sie forderte eine überkantonale Lösung für die Einrichtung eines Hospizes. Der Rückweisungsantrag wurde abgelehnt. Damit kann, wie ursprünglich vorgesehen, das Hospiz im Altersheim Schönbühl mit zwei Betten eingerichtet werden. Das Hospiz wie auch die übrigen im Konzept vorgesehen Massnahmen für die palliative Pflege werden während einer dreijährigen Pilotphase getestet. Die Gesamtkosten belaufen sich auf knapp zwei Millionen Franken. Auch die «Nau-Medien» berichten über diesen Entscheid. Unstrittig seien die weiteren Bestandteile des Palliative-Care-Konzepts. So steht ein mobiler Palliative-Care-Dienst (MPCD) den Fachleuten der dezentralen Grundversorgung beratend zur Seite. Der MPCD könne in Einzelfällen auch direkte Behandlungs- und Pflegeleistungen übernehmen. Diesen Dienst soll die Spitalexterne Onkologiepflege (SEOP) übernehmen, die von der Krebsliga Schaffhausen betrieben wird. Zudem werde im Kantonsspital der Palliative Konsiliardienst (PKD) eingerichtet. Ausserdem gebe es eine Weiterbildungsoffensive in der Grundversorgung, so die Nau-Medien weiter. Schliesslich soll eine Koordinationsstelle alle Angebote miteinander vernetzen. Diese Aufgabe übernimmt der Verein palliative-schaffhausen.ch.

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Ebenfalls über Erfreuliches berichten «kath.ch» und die SRF-Sendung «Perspektiven»: Zum einen feiert die Palliative-Care-Hotline ihren ersten Geburtstag. Zum anderen erfahren die «Letzte Hilfe»-Kurse richtiggehend einen Boom. Wenn pflegebedürftige Angehörige nicht nur medizinische, sondern auch spirituelle Bedürfnisse haben, bietet ein Team von fünf katholischen und reformierten Theologinnen und Theologen mittels der Palliative-Care-Hotline Beratung und Begleitung an. Lisa Palm, Seelsorgerin und Vorstandsmitglied von palliative zh+sh, berichtet auf kath.ch: «Erfolgreich sind wir, wenn es uns gelingt, durch unsere Begleitung betroffene Schwerkranke und deren Angehörigen zu unterstützen und zu stärken. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies wöchentlich eine Anfrage. Im ersten Jahr haben wir viel Zeit investiert, um die Palliative-Care Hotline als neues Angebot vorzustellen.» Um was es in den «Letzte Hilfe»-Kurse geht, erzählt Mathias Fischer, Vorstandsmitglied palliative zh+sh und Spitalseelsorger, im Interview in der Sendung «Perspektiven»: Bei einem Unfall «Erste Hilfe» zu leisten, sei für die Meisten selbstverständlich. Sie wollen Verletzten zum Leben verhelfen. Doch steht ein Mensch kurz vor dem Lebensende, seien sie oft hilflos. Die Herausforderung, Menschen am Ende ihres Lebens zu begleiten, bleibt aber. Kirchgemeinden bieten nun Kurse an, in denen man «Letzte Hilfe» lernen kann. Grundlegendes Wissen über das Sterben soll damit im Bewusstsein verankert werden.

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Wenig Freude hingegen hat eine Meldung in «Medinside» ausgelöst. Das Magazin schreibt, dass der Stadtrat das Spital Affoltern schliessen will. Dieser sehe keine Perspektiven mehr für das Spital, Doch die Betroffenen sind zuversichtlich, dass sich die Bevölkerung im Mai gegen die Stilllegung entscheidet. Das Spital Affoltern sei sanierungsbedürftig, sowohl baulich wie finanziell. Es gehöre bei den Behandlungskosten zu den teuersten im Kanton, es habe Überkapazitäten, eine veraltete Infrastruktur, ein kleines Einzugsgebiet, und es sei defizitär, so «Medinside» weiter. Im Spital sind die Betroffenen konsterniert vom Entscheid. Das Spital mit seinen 700 Mitarbeitern ist der grösste Arbeitgeber der Stadt. Verschwinden würden unter anderem die Akutgeriatrie und die Palliativmedizin.

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«Wir erleben schöne und schwierige Situationen, gehen als Team durch dick und dünn.» Simone Keller, Intensivpflegefachfrau Kinderkliniken Inselspital Bern

Seit 22 Jahren arbeitet die Simone Keller im Inselspital Bern, seit 18 Jahren auf der pädiatrischen Intensivstation. Der «Bärnerbär» besuchte Simone Keller bei der Arbeit: Hier gibt es zwölf Betten für Kinder, deren Leben an einem seidenen Faden hängt. Weil sie an einer schweren Krankheit leiden, eine aufwändige Operation hinter sich haben oder nach einem Unfall in kritischem Zustand eingeliefert wurden. Das Ziel und auch die Hoffnung der behandelnden Ärzte sowie des gesamten Intensivbehandlungsteams – rund 75 Pflegefachpersonen und 15 Ärzte sowie Therapeuten, Seelsorgern, Psychologen und Sozialberatern – besteht darin, dass die jungen Patientinnen und Patienten wieder gesund werden. Doch nicht alle schaffen es: Zwischen 25 und 30 Kinder und Jugendliche sterben pro Jahr auf der Abteilung. Simone Keller liebt ihren Beruf, aller emotionaler Belastung zum Trotz. Er sei eine gute Mischung aus Herz- und Kopfarbeit. «Wir erleben schöne und schwierige Situationen, gehen als Team durch dick und dünn. Jeder Tag bedeutet eine neue Herausforderung.» Und: «Es wird einem bewusst, wie schnell sich das Leben ändern kann. Man wird dankbarer und demütiger.» Die Gefahr, mit der Zeit abzuhärten und tragischen Vorfällen weniger Bedeutung zu schenken, besteht laut der 48-Jährigen nicht. Im Gegenteil. «Ich behaupte, man wird sogar je länger, je empathischer. So nehme ich auch meine Kolleginnen und Kollegen wahr. Der Erfahrungsrucksack wird zwar immer grösser, die Schultern breiter. Auf diesen Schultern hat dann aber auch mehr Platz.»

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«Komm zur Welt, auch wenn du stirbst.» Julia und Mario, Eltern von Lili

Der «Westdeutsche Rundfunk WDR» strahlt einen Dokumentarfilm über zwei junge Elternpaare aus, die sich allen Widrigkeiten zum Trotz dem Leben stellen, auch wenn es bereits den Tod in sich trägt: Alles läuft zunächst so, wie es Leslie und Tobias sich vorgestellt haben: Nach der Hochzeit wird Leslie schwanger. Sechs Monate lang sind sie überglücklich. Doch dann erfahren die Eltern bei einer Ultraschalluntersuchung, dass mit ihrer Tochter etwas nicht stimmt. Nach der Fruchtwasseruntersuchung steht fest: Ihr Kind, das sie Lou nennen, hat Trisomie 13, eine schwere Chromosomenstörung, die unheilbar ist. Ihre Lebenserwartung ist gering, vielleicht wird sie sogar schon im Mutterleib sterben. Die Ärzte raten zu einer Abtreibung. Bei einer solchen Diagnose entscheiden sich die meisten Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch. Leslie und Tobias machen es anders. Sie wollen Lou kennen lernen. Lou soll geboren werden, aber keine lebensverlängernden Massnahmen erhalten, nur Medikamente gegen die Schmerzen. Eine sogenannte palliative Geburt. Wie lange Lou leben wird, ist ungewiss. Ein paar Stunden oder vielleicht auch ein paar Wochen nach der Geburt, sagen die Ärzte. Wie halten Leslie und Tobias diese extreme Ungewissheit aus? Werden ihre Kräfte reichen, um diesen Weg bis zum Ende zu gehen? Julia und Mario sind den palliativen Weg bereits gegangen. Ihre Tochter Lilli hatte ebenfalls eine tödliche Chromosomenstörung: «Komm zur Welt, auch wenn du stirbst.» Nach der Geburt durften Julia und Mario sie noch 30 Minuten lebend in den Armen halten. Dann ist sie gestorben. Im Kinderhospiz konnte sich das Paar von ihrer Tochter verabschieden– eine Zeit, für die sie heute unendlich dankbar sind. Julia wird danach schnell wieder schwanger. Ihr kleiner Merlin ist gesund und entwickelt sich gut. Doch bei aller Freude darüber wollen Julia und Mario ihr erstes Kind nicht vergessen. Durch die kostbaren Momente, die sie mit Lilli erleben durften, bleiben sie mit ihr verbunden.

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Von Kindersterblichkeit aus einem anderen Blickwinkel berichtet die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Sie schreibt, warum Belgien als einziges Land Sterbehilfe bei Kindern erlaubt. Die belgische Regelung ist in der EU einmalig. In den Niederlanden ist aktive Sterbehilfe ab zwölf Jahren erlaubt, in Luxemburg nur bei Volljährigen. In Belgien dürfen Erwachsene seit 2002 um ihren Tod bitten, in Deutschland ist aktive Sterbehilfe dagegen verboten. Passive Sterbehilfe – das Abschalten von Apparaten – und indirekte Sterbehilfe, bei der starke Medikamente Schmerzen lindern und als Nebenwirkung das Sterben beschleunigen, sind zulässig. Die Ausweitung des belgischen Gesetzes vor fünf Jahren löste heftige Diskussionen aus. Kann ein Siebenjähriger die Dimension dieser Entscheidung begreifen? Kann eine Neunjährige etwas Abstraktes wie Schmerz bewerten? Noch während der Abstimmung im belgischen Parlament am 13. Februar 2014 rief ein Zuschauer «Mörder» in den Saal. Als 2016 der erste Fall bekannt wurde, schaltete sich der Vatikan ein. Das Gesetz nehme Kindern das Recht auf Leben, hiess es. Die staatliche Sterbehilfe-Kommission sieht das anders. Obwohl die Regel nur wenige Kinder betreffe, sei sie sinnvoll, heisst in einem Bericht aus dem vergangenen Jahr. So hätten Minderjährige die freie Wahl und ein Mitspracherecht beim Ende ihres Lebens. «Das Wichtigste ist, dass das Kind die Entscheidung trifft», sagt die Anwältin Jacqueline Herremans, die der Kommission angehört, der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Vor fünf Jahren hat Belgien die aktive Sterbehilfe auf Minderjährige ausgeweitet, ohne Altersgrenze. Mindestens drei Mal wurde sie seither angewendet.

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«Während es Konsens gibt, über Suizid möglichst nicht zu berichten, um Nachahmungstaten zu verhindern, kann ich das beim assistierten Suizid nicht feststellen, ganz im Gegenteil.» Gabriela Stoppe

Über Suizidfälle berichten Medien generell vorsichtig. Geht es aber um Sterbehilfe, legen sie jede Zurückhaltung ab. Tatsache ist: Begleitete Suizide nehmen in der Schweiz zu, das Thema ist öffentlich präsent. Die Rolle der Medien wird dabei noch wenig reflektiert. Das schreibt die «Medienwoche» und nimmt sich dem bisher wenig beachteten Thema ausführlich an. Suizidbeihilfe ist in der Schweiz also eine Realität, und die Medien informieren darüber. Doch wie sollen sie das tun? Die «Medienwoche» beleuchtet die regionalen Unterschiede und lässt Fachpersonen zu Wort kommen, so zum Beispiel die Basler Alterspsychiaterin und Wissenschaftlerin Gabriela Stoppe. Sie betrachtet die Berichterstattung ebenfalls mit Sorge: «Während es Konsens gibt, über Suizid möglichst nicht zu berichten, um Nachahmungstaten zu verhindern, kann ich das beim assistierten Suizid nicht feststellen, ganz im Gegenteil.» Eine Häufung von Berichten kann laut Stoppe im Einzelfall die Schwelle senken, Suizidbeihilfe zu beanspruchen. Besonders, weil diese medial oft in ein beinahe positives Deutungsraster gestellt werde: die saubere Suizidvariante, friedlich, zu Musik. Beim 104-jährigen Australier war es Beethovens 9. Symphonie, wie die Medien rapportierten. Über die Wirkung von Medien lasse sich ewig streiten, sagt der emeritierte Medienwissenschaftler Roger Blum. Er plädiert dafür, sich bei der Berichterstattung über Suizidbeihilfe auf eine medienethische Perspektive zu konzentrieren. Dazu gehöre, den Persönlichkeitsschutz für Betroffene und Angehörige bei diesem sehr privaten Thema zu wahren und die Suizidbeihilfe vor allem als gesellschaftliches Phänomen darzustellen: die Debatte abzubilden, Pro und Kontra sowie mögliche Folgen aufzuzeigen. Einzelne Suizide «mitzuzelebrieren», hält Blum «medienethisch nicht für opportun».

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Zwei Wochen bevor die «Medienwoche» die Berichterstattung über begleiteten Suizid unter die Lupe nahm, hat die Sterbehilfeorganisation «Exit» ihre neuesten Zahlen veröffentlicht. Zahlreiche Schweizer Medien berichten darüber. So auch der «Tagesanzeiger». Er zitiert aus der Medienmitteilung von «Exit»: Die häufigsten Grunddiagnosen der Sterbenden waren mit 344 Begleitungen terminale Krebsleiden. 905 Menschen sind im vergangenen Jahr mit Hilfe von Exit in der Deutschschweiz und im Tessin aus dem Leben geschieden. Damit nahmen 172 Mitglieder mehr die Hilfe einer Freitodbegleiterin in Anspruch als im Vorjahr. 57 Prozent der Verstorbenen waren Frauen und 43 Prozent Männer. Die Gründe für das anhaltend starke Bedürfnis nach Freitodbegleitungen seien nebst dem stetigen Mitgliederwachstum unter anderem die deutliche Alterung der Gesellschaft.

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«Macheds guet.» Martin Beglinger, Journalist

Wie fühlt es sich als Sohn an, wenn die Eltern gemeinsam mit Hilfe einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben scheiden? Die «NZZ» veröffentlicht dazu den Erfahrungsbericht ihres Journalisten Martin Beglinger. Schlicht, beobachtend, nicht voyeuristisch schildert er seine Sicht, versucht nicht anklagend oder urteilend zu sein, sondern vielmehr zu verstehen, was die Eltern dazu bewegt nach fast siebzig Jahren gemeinsamen Lebens sich nun gemeinsam daraus zu verabschieden. Den vorangegangenen Jahren der Eltern lässt er Raum, während er die Zeit vom Entschluss des gemeinsamen assistierten Suizids bis zur tatsächlichen Umsetzung sehr verdichtet, ja fast minutiös erzählt. «Wie oft habe ich mir in diesen letzten vier Wochen den endgültigen Abschied vorzustellen versucht, die Umarmung, die letzten Worte. Nun ist er da und will ich ihnen alles Gesagte noch einmal sagen, doch ich bringe nicht mehr heraus als zwei Wörter: „Macheds guet.“»

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Ebenfalls aus Sicht des Kindes beleuchtet die «NZZ» in ihrem Artikel «Achtung, Vollmacht! Für seine betagten Eltern zu entscheiden, kann ganz schön hart sein» die Übernahme einer Vollmacht für die Eltern. Die Unterschrift sei schnell unters Dokument gesetzt. Doch was es bedeute, Bevollmächtigte zu sein, hat die Autorin erst im Alltagsleben mit ihrem dementen Vater realisiert. Immer öfter werde Patienten und Senioren geraten, eine Patientenverfügung und eine Vollmacht für Verwandte ihres Vertrauens auszustellen. Damit im Falle eines Falles auch alles so laufe, wie man sich das auf dem Sofa oder vor dem Schreibtisch ausdenke. «Klingt gut. Planen ist auch mein Ding. Ich habe gerne die Kontrolle über mein Leben. Aber ehrlich gesagt: Als ich vor Jahren von meinen Eltern eine umfassende Vollmacht ausgestellt bekam, ahnte ich nicht, welche schweren Entscheidungen mir damit abverlangt wurden», schreibt die Journalistin. Als Bevollmächtigte habe sie an jenem herrlichen Sommertag vor vielen Jahren eine enorme Verantwortung übernommen. Das war ihr damals beim Leisten der Unterschrift nicht bewusst. Die Aufgabe habe ihr manches belastende Erlebnis beschert, das sie teilweise monatelang gedanklich verfolgte. «Dennoch würde ich die Verantwortung wieder übernehmen.» Rückblickend sagt sie, dass Bevollmächtigte sein Mut brauche und Zeit. «Weil wir keine Mediziner sind, müssen wir uns in vielen Bereichen einlesen, um eine Entscheidung zu treffen, die wir vertreten können. Nur mit etwas Fachwissen kann man Ärzten gegenübertreten, mit ihnen zusammen Entscheidungen abwägen.»

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Kürzlich hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) Richtlinien zur Urteilsfähigkeit in der medizinischen Praxis verabschiedet. Darüber berichtet die «NZZ» in ihrer Rubrik «Wissenschaft». Die Hauptbotschaft der SAMW lautet: Die Urteilsfähigkeit lasse sich immer bloss vermuten. Denn das Gesetz definiere die Urteilsfähigkeit nicht, sondern nenne nur Ausnahmen. Jede Person sei urteilsfähig, der nicht «wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln», heisst es im Zivilgesetzbuch. Von einer bestimmten Diagnose auf Urteilsunfähigkeit zu schliessen, sei also nicht gestattet. Auch bei Menschen mit psychischen Störungen gelte deshalb die Faustregel: Im Zweifelsfall für die Urteilsfähigkeit. Trotz allen Orientierungshilfen sei der Arzt letztlich einsam in seinem Entscheid, ob er auf dem Formular «urteilsfähig» oder «nicht urteilsfähig» ankreuzt. Auch die Leitplanken zum Umgang mit der Unschlüssigkeit des zwar gut informierten, aber schwerkranken Patienten, muss er sich selber geben. Einem guten Arzt ist aber sehr wohl bewusst, dass die Ambivalenz zum Menschen gehört und nichts mit der Urteilsfähigkeit zu tun hat Ein guter Arzt wird deshalb trotz allem Zeitdruck versuchen, die Unsicherheit des Patienten mitzutragen, die letztlich auch jeder medizinischen Prognose zugrunde liegt. Er wird versuchen herauszufinden, zu welcher Weichenstellung der Patient tendiert. Die Basis ist die vertrauensvolle Beziehung. Die Bedingung ist, dass der Arzt persönliche Werte und Interessenkonflikte reflektiert.

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«Was ist gutes Sterben?» titeln die «Freiburger Nachrichten» und gehen damit auf das kürzlich erschiene Buch «Lebensende in der Schweiz» des Freiburger Theologieprofessors Markus Zimmermann ein, das er in Zusammenarbeit mit dem Basler Ökonomen Stefan Felder, der Berner Soziologin Ursula Streckeisen und der Zürcher Juristin Brigitte Tag geschrieben hat. Anlass zum Buch war die Beendigung eines siebenjährigen nationalen Forschungsprogramms mit insgesamt 33 Projekten. Die Arbeit an dem 200-seitigen Buch hat sich laut Zimmermann über anderthalb Jahre hingezogen, wobei bewusst ein interdisziplinärer Ansatz gewählt wurde. «Es geht weder um Sterbehilfe noch um Palliativmedizin», stellt der Freiburger Theologe klar, «sondern vielmehr um die Frage, wie Menschen in der Schweiz und ihre Angehörigen das Sterben heute erleben.» Damit verbunden seien die Fragen nach den institutionellen, rechtlichen und ökonomischen Bedingungen des Sterbens sowie danach, welche Ideale heute mit einem «guten Sterben» verbunden würden.
palliative zh+sh, cbu