palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Medienschau Februar 2020

Medienschau Februar 2020

Weitere Infos

Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

Portrait

Weitere Infos zum Thema

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

09. März 2020 / Medien
Laut rauschte es im Medienblätterwald hinsichtlich der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, die «geschäftsmässige Sterbehilfe» zu legalisieren. Aber auch leisere Töne wie die zum Thema «Sterbebegleitung» fanden Anklang, als sie über den Äther zu den Zuhörerinnen und Zuhörer gelangten.
Redaktor Gabriel Crucitti – der bereits als Kind mit dem Tod konfrontiert war – nahm sich im «Nachtclub» von Radio SRF dem Thema «Sterbebegleitung» an. Ihm gegenüber als Gesprächspartner sass während einer Nacht Edi Bonorand, der sich seit seiner Pensionierung als Sterbebegleiter engagiert. «Ja, ich bin Sterbegleiter und nein, ich mache keine Sterbehilfe», stellt Bonorand gleich zu Beginn klar. Ihm sei diese Unterscheidung sehr wichtig und er freue sich ungemein, über seine Tätigkeit zu berichten. «Eine traurige Arbeit? Nein, das ist mein Engagement höchstens vordergründig. Viel mehr kommen ganz tief in einem selbst Saiten zum Schwingen, die mich enorme Dankbarkeit empfinden lassen», so Edi Bonorand. Man müsse Stille ertragen, gut zuhören können und nichts tun, sondern einfach da sein, beschreibt er die Voraussetzungen, die für eine solche Arbeit nötig seien. Und was motiviert ihn? «Ich bin schon oft als Fremder gekommen und als Freund gegangen – das macht dieses Engagement so einzigartig.» Die Koordination seiner Einsätze läuft über Tecum Graubünden, dem Verein, dessen Begleiterinnen und Begleiter sich seit 20 Jahren für Schwerkranke und Sterbende einsetzen.

***

Auch eher auf leisen Sohlen kam die Nachricht in der Südostschweiz daher, dass der Glarner Landrat einhellig beschlossen habe, einen Kredit von maximal 800'000 Franken für den Pilotbetrieb von drei Hospizbetten im Alters- und Pflegeheim Salem in Ennenda über vier Jahre zu gewähren. In der zuständigen Kommission sei ausgiebig über diverse Fragen diskutiert worden. So etwa, ob es richtig sei, dass eine private Institution die Hospizbetten anbiete. Oder auch, ob solche Betten nicht ins Kantonsspital gehörten. Laut Kommissionspräsidentin Yvonne Carrara sei zuletzt vor allem die Frage offengeblieben, ob für das Angebot genügend Bedarf im Kanton vorhanden sei. In der Debatte des Landrates wurde der Pilotbetrieb jedoch nicht mehr hinterfragt, sondern allseits begrüsst. «Beim Thema Hospiz stehen ethische und menschliche Überlegungen im Vordergrund» , sagte Gesundheitsdirektor Rolf Widmer. Es gehe um ein würdevolles Sterben und um einen Ort der passiven Sterbehilfe und weniger um wirtschaftliche Leistungserfüllung. Der vom Kanton zu vergebene Leistungsauftrag sei aus politischer Sicht nicht öffentlich auszuschreiben. Der Pilotbetrieb werde zeigen, wie gross das Bedürfnis für Hospizbetten im Kanton sei.

***

Swissinfo hat die Palliativstation im Berner Inselspitals – genannt «Swan Haus» – und eine ihrer Gedenkfeiern besucht. «Vier Mal pro Jahr, im Rhythmus der Jahreszeiten, erinnern wir uns an das Leben und Sterben von Menschen, die wir ein Wegstück lang begleiten durften», erklärt Pfarrerin Simone Bühler. Wie in allen Palliativstationen, arbeitet auch im Swan Haus ein interdisziplinäres Team. Bei ihrer Arbeit würden nicht nur medizinische Bedürfnisse gestillt, sagt Oberärztin Annette Wochner, es gehe auch um Lebensqualität und Würde. Auch sprachliche Hindernisse gäbe es zu bewältigen. Doch nicht nur die sprachliche, sondern auch kulturelle Barrieren können zu Schwierigkeiten oder Konflikten führen. So wusste zum Beispiel ein chinesischer Patient nichts von seiner unheilbaren Krankheit; und seine Angehörigen sagten ihm auch nicht die Wahrheit, um ihn vor Leid zu schützen. Zu diesem Fall sagte Wochner: «In der Schweiz werden Sterben und Tod nicht ausgeklammert. Nach unserer Auffassung haben alle das Recht, informiert zu sterben.» Die Verweigerung der medizinischen Diagnose durch Ärzte sei mit Betrug gleichzusetzen, «denn das kann falsche Erwartung wecken.» Die Betroffenen hätten das Recht zu wissen, wie es um sie steht, um ihre Endzeit vorausplanen und Wünsche erfüllen zu können. Während im «Swan Haus» der Wunsch nach Sterbehilfe zwar respektiert werde, so dürfe aufgrund der Gesetzeslage dennoch keine Sterbehilfe durchgeführt werden.

***

«Sterbehilfe soll in Schweizer Gefängnissen möglich sein», berichtet Der Bund. Dieses Vorhaben habe nun eine weitere Hürde genommen, da die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sich darauf einigen konnte. Es würden noch unterschiedliche Haltungen in der Frage bestehen, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Das Schweizerische Kompetenzzentrum für den Justizvollzug (SKJV) sei nun damit beauftragt worden, eine Synthese aus den Vernehmlassungsergebnissen zu erstellen. Daraus soll eine Empfehlung an die Kantone erarbeitet werden. Im Herbst werde die Plenarversammlung der KKJPD die überarbeitete Empfehlung verabschieden. Bisher war in der Schweiz nicht geregelt, ob auch eine inhaftierte Person Sterbehilfe beantragen dürfe. In dem Grundlagenpapier, das im vergangenen Herbst bei den drei Schweizer Strafvollzugskonkordaten in die Vernehmlassung geschickt worden war, heisst es, dass Menschen in Haft laut Gesetz dieselben Rechte und Pflichten hätten wie Menschen in Freiheit. Der Sterbewunsch eines urteilsfähigen Inhaftierten sei deshalb zu beachten. Entsprechend müsse den Gefängnisinsassen das Recht auf Inanspruchnahme einer Suizidhilfeorganisation zugestanden werden.
«Die Medikamenten-Lotterie ist nicht fair.» PD Dr. med. Tanja Krones, Medizinethikerin

Nicht über Sterbehilfe, sondern über die Medikamenten-Abgabe an schwerstkranke Kinder mittels Losentscheides, gab Medizinethikerin Tanja Krones ein Interview. Die NZZ am Sonntag fragte: «Der Pharmakonzern Novartis verlost 100 Dosen eines teuren Medikaments für Kinder, die an spinaler Muskelatrophie leiden. Ist das ethisch vertretbar?» Für Krones ist klar: «Eine Verlosung kann zur Verteilung von knappen Gütern ein faires Verfahren sein. Aber diese Lotterie ist nicht fair. Es beginnt schon damit, dass das Medikament bisher in keinem anderen Land zugelassen ist ausser in den USA.» Sollte der Pharmakonzern deshalb darauf verzichten, 100 Babys zu retten? Das sei genau jene Argumentation, die immer wieder ins Feld geführt werde, seit es die sogenannten «Orphan-Drugs» gebe, also Arzneimittel zur Behandlung von seltenen Krankheiten. «Sie werden unter anderem durch ein vereinfachtes Zulassungsverfahren gefördert, und enorm hohe Preise werden akzeptiert.» Menschen mit seltenen Erkrankungen besser zu helfen, sei ein sehr wichtiger Gedanke. Viele Orphan-Drugs kämen jedoch zu früh auf den Markt. Es gab unzureichende oder fragliche Wirkungen, Komplikationen und sogar Todesfälle. Einige Medikamente mussten zurückgezogen werden. Dieses Risiko bestünde auch bei «Zolgensma». Hier würden Heilsversprechen abgegeben, ohne dass ausreichend Beweise für die Wirksamkeit vorliegen.

***

Sterbehelferin Erika Preisig möchte vom Baselbiet in den Kanton Solothurn umziehen, in die Gemeinde Hofstetten-Flüh, berichtet die Newssendung von Radio SRF. Dort habe Preisigs Stiftung «Eternal Spirit» eine Villa gefunden, wo sie künftig Freitod-Begleitungen durchführen möchte. Das Haus liege am Rand des Dorfes Flüh, es gebe keine direkten Nachbarn und rundherum nur Industrie- und Landwirtschaftsland. «Es gibt kaum einen besseren Standort für das, was wir machen möchten», sagte Erika Preisig an einer Informationsveranstaltung. Die Dorfbevölkerung würde kaum mitbekommen, wenn sie Menschen in den Tod begleitet. Ein bis zwei Personen würden pro Woche diesen Dienst in Anspruch nehmen. Trotzdem seien Einsprachen gegen das geplante Sterbehaus eingegangen. Erika Preisig hat deshalb in Hofstetten-Flüh zu der öffentlichen Aussprache eingeladen. Rund 150 Leute seien gekommen. Kalt lasse das Thema in der Gemeinde kaum jemanden, die Aussprache verlief emotional. «Ich möchte nicht jeden Tag beim Anblick des Hauses an den Tod erinnert werden», sagte eine Frau. Viele sagten aber auch, Sterbehilfe sei richtig und wichtig.

***

Verlief der Informationsabend der Sterbehelferin in der Schweiz, wo assistierter Suizid erlaubt ist, emotional, so gab es rund um die angekündete Entscheidung, ob in Deutschland die «geschäftsmässige Sterbehilfe» rechtlich vertretbar und somit legal sei, lautere Töne in den Medien. Bereits vor dem Entscheid des deutschen Bundesverfassungsgerichts meldete sich Gian Domenico Borasio, Inhaber des Lehrstuhls für Palliativmedizin der Universität Lausanne, mit einem Gastbeitrag in «Die Welt» zu Wort: «Ärztlich assistierter Suizid darf keine Straftat mehr sein». Es werde Zeit, den Paragrafen 217 des Strafgesetzbuchs zu kippen. Die Bundesverfassungsrichter könnten genau dies tun, um ein Gesetz zu entkräften, das Patientinnen und Patienten am Lebensende mit ihrem Leiden allein lasse, und sie noch dazu von ärztlicher Hilfe abschneide. Das «Verbot der geschäftsmässigen Suizidhilfe» erhöhe das Risiko einsamer und gewaltsamer Suizide, so Borasio. Dieses Gesetz sei eines, das Ärzte einschüchtere und verzweifelte Angehörige vor ein unlösbares Dilemma stelle. Es sei nicht nur verfehlt – es sei unmenschlich. Er nimmt sehr ausführlich Stellung und beschreibt auch: «Es gibt einen Ausweg in der Suizidhilfe, der nachweislich funktioniert.»
«Ein Grundrecht auf Suizid – vergleichbar mit der Meinungs- und Religionsfreiheit.» Roger Kuch, Jurist und Sterbehelfer

Nachdem das deutsche Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben postuliert und die organisierte Beihilfe zum Suizid anerkannt hatte, äusserte sich der deutsche Jurist Roger Kusch im Tagesanzeiger dazu. Der Hamburger hatte bereits 2012 an der Zürcher Kuttelgasse einen Schweizer Ableger seines Vereins «Sterbehilfe Deutschland» gegründet: «Der Zürcher Verein ist unser Schutzschild», sagte er damals in Erwartung des Verbotsgesetzes, das der Bundestag dann 2015 beschloss. Es war eine «Lex Kusch»: Denn als einziger Sterbehilfeverein in Deutschland begleitete er jährlich gegen hundert Personen in den Tod. Das Verbotsgesetz unterlief er, indem er sterbewilligen Deutschen in Zürich zum Sterbemittel verhalf. Auf die Frage, da man neuerdings in Deutschland selbstbestimmt sterben dürfe, ob er nun zufrieden sei, antworte Kuch: «Jetzt darf man auch mal glücklich sein. Es ist einfach toll. Besser hätte es gar nicht ausgehen können. Mit dem neuen Urteil hat Deutschland eine noch liberalere Handhabung als die Schweiz. Bei uns gibt es ab sofort nicht nur ein Recht, sondern ein Grundrecht auf Suizid – vergleichbar mit der Meinungs- und Religionsfreiheit. Das ist ganz aussergewöhnlich.» Und: Die Zürcher Zelte würden sie eher verstärken als abbrechen. Sie fühlten sich in Zürich seit 2012 sehr gut, weil es hier weder Probleme noch staatliche Barrieren gebe. Jetzt seien auch die deutschen Restriktionen weg, und sie könnten in Zürich wieder Suizidhilfe leisten, «wie wir es vor 2015 taten.»

***

Die Luzerner Zeitung widmet sich der Frage, welche Auswirkungen es auf den Sterbetourismus in der Schweiz habe, dass Deutschland nun das seit 2015 geltende Sterbehilfe-Verbot gestrichen hat. «Das Urteil ist nicht zu übertreffen. Es ist ganz hervorragend», kommt der Gründer der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas, Ludwig A. Minelli, zu Wort. «In der Schweiz herrscht gelegentlich noch die irrige Auffassung, dass man nur schwer- oder todkranke Menschen in den Tod begleiten darf.» Dabei hätten – wie das deutsche Urteil klarmache – auch körperlich gesunde Menschen Anspruch auf Sterbehilfe. Weiter ist Minelli überzeugt, dass das Urteil aus Karlsruhe auch die Schweizer Rechtsprechung beeinflussen werde. Auch der Anwalt von Dignitas, Johannes Rauwald, lobte das Urteil: «Es war in dieser Klarheit von uns nicht erwartet worden. Die Entscheidung für Sterbehilfe, egal aus welchen Motiven, ist von den staatlichen Stellen anzuerkennen.»

***

Während in Deutschland die Sterbehilfe legalisiert wurde, haben sich die Niederlande vertieft mit deren Umsetzung auseinandergesetzt, zeigt ein Bericht in der «Süddeutschen Zeitung». Jeder Mensch soll möglichst autonom über seine Lebensumstände entscheiden können, das ist ein Glaubenssatz der niederländischen Gesellschaft. Auf dieser Basis sei die Praxis der Sterbehilfe oder Tötung auf Verlangen auf immer grössere Gruppen ausgedehnt worden, von den tödlich Kranken über chronisch Kranke zu psychisch Kranken und Dementen. Selbst Kindern dürfe, in wenigen Ausnahmefällen, straffrei Sterbehilfe gewährt werden. Gleichzeitig sei der Wunsch lauter geworden, auch jene älteren Menschen einzubeziehen, die nicht todkrank seien, aber ihr Leben für «abgeschlossen» oder «vollendet» hielten. Bisher hatte die Politik auch für diese Gruppe eine Legalisierung der Sterbehilfe geplant – es wäre eine bedeutende, weltweit einzigartige Grenzverschiebung. Doch daraus werde vorerst wohl nichts, nachdem eine Untersuchung im Auftrag des Gesundheitsministeriums die Schwierigkeiten aufgezeigt hat. Die moralischen und gesellschaftspolitischen Probleme sind demnach höher und das Bild ist diffuser, als es der bisweilen forsche Stil der Diskussion vermuten liesse. Das Ergebnis der Studie gelte als Rückschlag für Sterbehilfe-Befürworter.

***

«Eine Ausstellung über Tod, Verlust und Leiden gilt als maximal «unsexy», schreibt Der Spiegel. Dabei werde wohl jeder von uns mal trauern. In Hamburg ist jetzt Kunst zu sehen, die ermuntere, über Schmerz nachzudenken: Es sei eine minimalistische Installation – und doch so stark: «Untitled (Loverboy)» sei vergänglich und werde dadurch erst lebendig, so wie Veränderung und Tod zum Leben des Menschen gehörten. Doch mit gerade diesen Themen tue sich die westliche Kultur sehr schwer. Über Tod und Trauer nachzudenken, werde als deplatziert und unzeitgemäss wahrgenommen. Warum das so sei, verrate die Ausstellung «Trauern. Von Verlust und Veränderung» in der Hamburger Kunsthalle zwar nicht. Sie zeige aber all jene Phänomene rund um Tod und Verlust, die jeden von uns irgendwann erwarten und die wir dennoch so scheuen. Die Installation ist 1991 von Félix González-Torres entwickelt worden. Er starb 1996 im Alter von 38. Sein Wunsch sei es gewesen, die Vergänglichkeit zu zeigen.
palliative zh+sh, Christina Buchser