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Medienschau Januar 2023

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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06. Februar 2023 / Medien
Im Wallis wird die Palliative Care gestärkt. Der Bund will den Pflegenotstand beheben. Und Sterbende können beim Abschied helfen. Diese und weitere Themen in unserer Medienschau des Monats Januar.
Elisabeth Jordi hat erfahren, dass Sterbende in Pflegeheimen nachts mit ihren Ängsten und mit ihrer Unruhe oft allein sind. Dies hat die reformierte Seelsorgerin dazu bewogen, 2017 den Verein PACE (Palliative Care ergänzender Begleitdienst) zu gründen, wie sie in einem Interview mit Seniorenweb erklärt. Die Nachtwache hätte in den Gesundheitszentren für das Alter schon nach den Pflegebedürftigen geschaut, aber sie hätten weder die Zeit noch die Kapazität gehabt, sich um Einzelne intensiv zu kümmern. PACE wolle Bewohnerinnen, aber auch Angehörige und das Pflegepersonal entlasten. Heute bieten neun von zehn Gesundheitszentren in Zürich das kostenlose Angebot des Betreuungsdienstes an. «Aus Sicherheitsgründen werden keinerlei pflegerische Tätigkeiten ausgeübt. Zwischen 22.30 und 6 Uhr morgens wacht eine Begleitperson am Bett eines Schwerkranken oder einer Sterbenden und ist ganz für ihn da, hält die Hand, spricht und beruhigt mit Worten je nach Situation.» Der Verlauf der Nacht und die Vorkommnisse werden protokolliert. Und schätzen die Menschen in einer palliativen Situation diese Begleitung? „Nach einem meiner Einsätze bedankte sich ein Bewohner bei mir am Morgen, weil er endlich wieder einmal die ganze Nacht durchschlafen konnte. Jede Begleitung sei anders, jeder Mensch gehe in seinem Sterbeprozess seinen eigenen Weg. «Meist sind die Menschen entspannt und ruhig. Und wir sind einfach für ihn da.»
«Er meinte, das Leben müsse weitergehen»
Auf den Tod eines Menschen folgen Trauer, manchmal Wut und Chaos. Die Bewältigung fällt leichter, wenn der Trauerprozess schon beginnt, solange die Sterbenden noch leben und man sie um Hilfe bitten kann. Trauernde erzählen im Januar in der SRF-Sendung «Puls» von ihren Erfahrungen. So auch Oliver Wiser. Er verlor im Dezember 2020 seine Frau Wanda im Alter von 42 Jahren an Magenkrebs. Zurück blieb er mit den Kindern Zoe und Jendrik. «Wanda hat uns sehr beim Abschied geholfen, das war wichtig für sie. Sie war traurig und hatte Angst vor dem Tod, aber die Zeit, die ihr noch blieb, wollte sie nutzen. Für sich, aber vor allem für die Familie», sagt Oliver. Vom Moment an, als sie wussten, dass Wanda todkrank war, sprachen sie darüber auch mit den Kindern. Obwohl niemand die Hoffnung auf eine Genesung aufgeben wollte, stellte Wanda nach und nach die Weichen der Familie für eine Zukunft ohne sie. In dieser Zeit nahm sie auch einen «Hörschatz» auf, damit sich ihre Familie später noch an ihre Stimmer erinnern wird. Zehn Stunden Audiobiografie hat sie hinterlassen, 86 Kapitel.

Auch Christina Grossenbacher verlor ihren Mann Ueli – im Alter von 61 Jahren. Er habe sich fast mehr Sorgen um sie gemacht als um sich, sagt seine Ehefrau. Als sich Uelis Zustand verschlimmerte, begann er, seine Dinge zu ordnen und aufzuräumen. Er installierte den Computer so, dass seine Frau allein damit zurechtkommen sollte. Auch habe Ueli die letzten Lebenstage in einem Hospiz verbringen wollen, erzählt Christina. «Er wollte nicht in dem Haus sterben, in dem ich zurückbleibe. Er meinte, das Leben müsse weitergehen …»

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«Nach der Abstimmung vom 27. November, bei welcher der assistierte Suizid im Kanton Wallis erlaubt worden ist, erinnert Palliative-Care-Fachfrau Nicole Chanton daran, dass es bei der Vorlage auch um die Stärkung der Palliative Care ging. «Das ist ein sehr wichtiger Aspekt im neuen Gesetz», sagt sie in einem Interview mit «kath.ch». «Wir stellen die Lebensqualität der Menschen ins Zentrum. Was brauchen sie für ein gutes Leben – und was für ein gutes Sterben.» Die meisten Menschen werden am Lebensende durch Palliative Care versorgt, für den assistierten Suizid entscheiden sich viel weniger Leute. In den Medien sei die Aufwertung der Palliative Care nur nebenbei erwähnt worden. «Das hat mich ein wenig gestört. Ich hoffe aber trotzdem, dass die Abstimmung die Palliative Care bei der Bevölkerung mehr ins Bewusstsein gerückt hat.»

Gerade die Hospizförderung war bisher nicht Teil des Gesetzes zur Palliative Care. Durch das neue Oberwalliser Gesetz wird auch die Finanzierung des Hospizes in Ried-Brig festgelegt, das sich im Aufbau befindet. «Das ist sehr wichtig, weil die Hospizfinanzierungen noch nicht schweizweit geregelt sind», sagt die Fachfrau. Das entstehende Hospiz schliesse eine Lücke im Netzwerk und sei somit eine weitere Stütze der palliativen Versorgung. Und wie geht es mit der Palliative Care im Oberwallis in den nächsten Jahren weiter? «Die Palliative Care ist im Oberwallis schon sehr früh gut entwickelt worden», sagt Nicole Chanton. «Wir wollen in den nächsten Jahren die Versorgung weiterhin stärken und hoffen, in einem Jahr auch das Hospiz eröffnen zu können.»
«Die Umsetzung der Pflegeinitiative dauert zu lange»
Ende Januar stellte der Bundesrat weitere Massnahmen gegen den Fachkräftemangel in der Pflege vor. So verlangt es die Pflegeinitiative, der Volk und Stände im November 2021 zugestimmt haben. Das Geld für eine Ausbildungsoffensive hat das Parlament bereits in einem ersten Schritt bewilligt. In einem zweiten Schritt sollen nun die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Die Schwerpunkte, welche die Regierung setzt, betreffen verlässliche Dienstpläne für das Personal, einen festzulegenden Personalschlüssel (Skill-Grade-Mix) sowie die Pflicht zu Gesamtarbeitsverträgen. Aber: der Bundesrat will die konkreten Gesetzesänderungen erst 2024 in die Vernehmlassung geben. Bis das Gesetz vom Parlament beraten ist und die notwendigen Verordnungen geschrieben sind, dauert es voraussichtlich weitere zwei Jahre. So wird das Gesetz erst 2027 in Kraft treten. Etwas rascher geht es in der Ausbildungsoffensive. Das Parlament hat im Dezember eine halbe Milliarde Franken bewilligt. Ab Mitte 2024 können die Kantone während acht Jahren Bundesbeiträge beantragen, sofern sie selbst entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen haben.

Der Bundesrat habe den Ernst der Lage erkannt, hält der Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen (SBK) fest. Allerdings dauere die Umsetzung der Pflegeinitiative zu lange. SBK-Geschäftsführerin Yvonne Ribi fordert deshalb einen «Rettungsschirm Pflege» von den Kantonen, die in erster Linie für die Gesundheitsversorgung zuständig sind. Diese müssten die Arbeitsbedingungen des Personals rasch verbessern, um den Ausstieg der Pflegenden aus dem Beruf zu stoppen. Bereits heute seien 7000 Stellen für Pflegefachleute offen, insgesamt seien im Pflegebereich rund 14 000 Stellen nicht besetzt.
«Die heute 95-Jährige war vielen ein Vorbild»
Vom Lebenswerk einer willensstarken Frau berichtet der «Lenzburger Bezirksanzeiger». Anlass ist die Ausstellung «LEBENSwerk lebensENDE», welche vom 25. Februar bis 4. März im Müllerhaus in Lenzburg zu sehen ist. Sie stellt die Pionierin Luise Thut ins Zentrum. «Ohne Luise Thut gäbe es kein Hospiz Aargau», sagt Beatrice Koller, Stiftungspräsidentin der Luise-Thut-Stiftung Hospiz Aargau. «Sie hat sich mit sehr viel Energie, Beharrlichkeit und einer grossen Portion Charme dafür eingesetzt, dass schwer Erkrankte ohne medizinische Hoffnung ihr Leben in Würde bis zuletzt erleben dürfen und dass ihre Angehörigen entlastet werden.» Die heute 95-Jährige war vielen ein Vorbild – mit ihren Visionen und ihrem Traum eines Hospizes. Das Ziel der Ausstellung ist es, dass die Besucher einen Eindruck vom Leben und Wirken von Luise Thut gewinnen, vom Angebot des Hospiz Aargau erfahren und sich mit dem eigenen Ende und demjenigen von Angehörigen befassen. Luise Thut wurde 1928 geboren und hätte eigentlich Ärztin werden wollen. Sie konnte aber aus finanziellen Gründen nicht studieren und ihr Weg führte sie nach Amerika, wo sie für eine Fluggesellschaft Prominente betreute. Als eine amerikanische Freundin an Krebs erkrankte, lernte sie in den USA die Palliativmedizin und Hospize kennen. Sie brachte diese Idee in die Schweiz und kämpfte für deren Umsetzung. Dabei entstand ein enger Austausch mit Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung und mit Elisabeth Kübler-Ross, die zum Thema Lebensende forschte.

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In einem Interview mit dem Migros-Magazin erzählt Steffen Eychmüller von seiner Arbeit. Schon Hunderte von Menschen hat er in den Tod begleitet. Was beschäftigt die Sterbenden am Lebensende? «Oft blicken Sterbende zurück auf ihr Leben: Was war schön, was war belastend?», sagt der Palliativmediziner. Einige würden darüber offen mit ihren Angehörigen sprechen, andere halten die Antworten gar schriftlich fest. Meist geht es um die Intensität des Lebens, um Beziehungen, Freundschaften und Familie. «Wer in diesen Bereichen eine positive Bilanz ziehen kann, ist tendenziell zufrieden.» Bei denjenigen, die früh sterben müssen, sei grosse Trauer da, vieles nun nicht mehr zu erleben. Bereut wird häufig, wenn man seine Leidenschaften und Interessen zu wenig ausgelebt hat, sich zu wenig gegönnt hat. «Einige haben dies aufgeschoben – und nun ist plötzlich keine Zeit mehr da», sagt Steffen Eychmüller. Auf die Frage des Interviewers, ob viele Angst verspüren in den letzten Stunden, meint er: «In einem sicheren, vertrauten Umfeld sind die Ängste tendenziell geringer. Am Ende muss jeder diesen Weg allein gehen, und vielen hilft in diesem Moment der Glaube – egal welcher. Weil man sich dabei auf etwas abstützen kann, das ein wenig Sicherheit verspricht.»

Im Interview geht es auch darum, weshalb die meisten es vermeiden, sich mit ihrem Tod frühzeitig auseinanderzusetzen. Gäbe es nicht weniger Ängste? «Davon bin ich überzeugt», sagt der Palliativarzt. «Es würde schon helfen, wenn der Tod im Alltag präsenter wäre. Das Sterben findet meist verborgen statt, ist nicht Teil der Normalität in unserer Gesellschaft.» Viele würden gar kein Sterben erleben bis zu ihrem eigenen. In einigen Ländern werde das Sterben im Schulunterricht thematisiert, in Kulturen wie der philippinischen sei es ganz selbstverständlich, dass der Mensch Teil eines zyklischen Naturgeschehens darstelle.
«Ein Heim wäre ein zu grosser Wechsel gewesen»
Wie wichtig ein Betreuungs- und Pflegenetz sein kann, zeigt der Blogbeitrag von palliaviva.ch. Albert Weber lebt mit einer fortgeschrittenen Demenz und kann dank seiner Ehefrau, Spitex und dem mobilen Palliative-Care-Team dennoch in den eigenen vier Wänden wohnen. «Im Frühling dachten meine Söhne und ich, jetzt sei die Zeit gekommen fürs Pflegeheim», sagt Klara Weber. Doch sie entschieden sich dagegen, wäre doch ein Heim ein zu grosser Wechsel gewesen. Zu Hause fühlt sich der Senior nämlich am wohlsten.

Als der Verlauf der Demenzerkrankung sich beschleunigte und immer mehr Notfälle eintraten, riet die Hausärztin, Palliaviva beizuziehen. Zuvor war bereits die lokale Spitex ein Teil des Betreuungsteams geworden. «Die Betreuung und Pflege von Albert Weber in seinem Zuhause läuft momentan gut», sagte die Hausärztin. Das Gleichgewicht sei aber fragil. Jederzeit könne es wieder zu einer Verschlechterung kommen. Deshalb sei es sinnvoll, den mobilen Palliative Dienst zur Seite zu haben. Denn dieser habe den Vorteil, dass diese Pflegefachpersonen rund um die Uhr für die Angehörigen erreichbar sind. Ausserdem ist das Angebot niederschwelliger als das einer Hausarztpraxis.

palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner