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Medienschau Juli 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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09. August 2022
Robert Widmer-Demuth hat Lungenkrebs. Nach der Diagnose hat er sich entschieden, auf mögliche medizinische Interventionen zu verzichten. Ein Schweizer Filmmacher begleitet ihn nun auf seinem letzten Weg. Dies und weitere Themen lesen Sie in unserer Juli-Medienschau.
«Ich bin mit meinem Krebs per Du». Dies sagt Robert Widmer-Demuth in einem Gespräch mit der NZZ. Sein Leben lang hat er sich für Schwache eingesetzt, hat über dreissig Jahre im «Suneboge» von Pfarrer Ernst Sieber gearbeitet. Nun nach einer Lungenentzündung und zwei Hirnschlägen die Diagnose Lungenkrebs. «Ich habe nach der Diagnose gemeinsam mit meiner Frau entschieden, auf mögliche medizinische Interventionen wie Bestrahlung, Chemotherapie oder Operation zu verzichten», sagt der 77-Jährige. Er zieht die palliative Behandlung vor. Er habe ein reiches Leben gehabt, ein privilegiertes Dasein. «Der Verlust an Lebensqualität mit Aussicht auf ein paar Monate mehr Lebenszeit wäre mir zu hoch gewesen.».

Genau dies hat Filmemacher Christian Labhart beeindruckt, als er dem Rentner begegnete. Labhart schlug ihm vor, einen Film zu drehen. Nach anfänglicher Skepsis stimmte Robert Widmer-Demuth zu. Wenige Monate später begann der sechzigtägige Dreh. Rund die Hälfte des Films mit dem Arbeitstitel «Röbi geht» sind Aufnahmen von «Sofagesprächen». Der Kranke traf dabei in seiner Wohnstube Besucherinnen und Besucher und sprach mit ihnen über den Tod – und vor allem über das Leben. «Manchmal waren die Besucher verunsichert», sagt der Filmemacher. «Einerseits von der Schwere des drohenden Todes und andererseits der Leichtigkeit, wie Röbi damit umging.» Humor, schräge Einfälle, Ehrlichkeit und zahlreiche Sequenzen seines Lebens blitzen auf.

Der Film «Röbi geht» ist als Kinofilm geplant und wir vom Schweizer Fernsehen SRF koproduziert. Ins Kino soll er im Frühjahr kommen. Ob Röbi selbst an der Premiere dabei sein wird?
«Denn Sterben kostet viel Geld – auch im Hospiz»
In der Schweiz sterben immer mehr Menschen – das ist nichts Negatives, sondern hat einfach mit dem demografischen Wandel der Gesellschaft zu tun. Während heute jedes Jahr rund 70 000 Menschen sterben, werden es gemäss Prognosen in zwanzig Jahren rund 90 000 Personen sein. Es stellt sich nun die Frage, wo und unter welchen Bedingungen wir den letzten Weg gehen sollen. Im Zusammenhang mit einer Reportage über das Kinderhospiz Allani, welches derzeit umgebaut wird, geht der Autor dieser existentiellen Frage nach. Denn das Hospizprojekt in Riedbach ist nicht das einzige, das derzeit im Kanton Bern entsteht. In drei weiteren Institutionen sollen künftig erwachsene Unheilbarkranke in den Tod begleitet werden. Vorgesehen sind Hospize in Biel, Bern und Merligen mit insgesamt 36 Betten. Doch alle diese Projekte haben ein gemeinsames Problem: Sie kämpfen bereits ums finanzielle Überleben, bevor überhaupt die erste Patientin eingezogen ist. Denn Sterben kostet viel Geld. Und wer dafür aufkommen soll, ist im Falle der Hospize nach wie vor unklar.

Damit sich diese Ausgangslage in näherer Zukunft ändert, haben sich die vier Trägerschaften der Berner Hospize kürzlich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Sie können so mit einer Stimme gegenüber dem Kanton auftreten und sich dafür einsetzen, dass dieser eine nachhaltige Finanzierung auf die Beine stellt. Dies hofft jedenfalls IG-Präsidentin Elsbeth Wandeler. In seinem Bericht «Bessere Betreuung und Behandlung am Lebensende» vor zwei Jahren kam der Bundesrat zu einem ernüchternden Fazit: Mit den aktuellen Angeboten im Gesundheitswesen werde es nicht möglich sein, «die zunehmende Anzahl sterbender Menschen und ihre Angehörigen angemessen zu behandeln und zu betreuen». Deshalb sei es dem Bundesrat klar, dass Palliative Care ausgebaut werden müsse. Diese Absicht hinkt der Finanzierung allerdings hinterher. So zählen heute die Hospize zu den Pflegeheimen und werden auch so finanziert. Nur 200 bis 300 Franken werden von der Krankenkasse pro Tag bezahlt, ein Tag in Palliativpflege ist jedoch viel aufwändiger und kostet rund 700 Franken. Da müssen Spenden her, und die Patienten müssen einen Teil der Tagespauschale selbst übernehmen. Es entsteht eine soziale Ungleichheit – nur gutbetuchte Leute können es sich leisten, in einem Hospiz zu sterben, so das Fazit des Zeitungsartikels. Immerhin: Das Problem der Finanzierung ist bei Bund und Kantonen erkannt. Elsbeth Wandeler hat klare Vorstellungen: Einerseits sollten sich die Krankenkassen an den höheren Pflegekosten beteiligen, anderseits die Kantone als sogenannte Restkostenfinanzierer auftreten. «Das Ziel muss sein, dass die Hospize kein strukturelles Defizit erwirtschaften und deren Angebote für alle Menschen, egal, wie viel Geld sie haben, offenstehen.»

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Die Umbauarbeiten für das erste Oberwalliser Hospiz haben Anfang Juli begonnen. Während die Arbeiten im ehemaligen Hotel Chavez in Ried-Brig in Gang kommen, fehlt noch immer Geld. Im Dezember 2023 soll das Hospiz eröffnet werden. Doch bis dahin ist noch viel zu tun. So braucht das Gebäude aus den 1969er-Jahren beispielsweise einen Lift, die Fassade soll erneuert und der Innenausbau neugestaltet werden. «Wir sind sehr froh um dieses Haus, es ist sehr hell, aber es hat halt schon ein paar Jahre auf dem Buckel», sagt Caroline Walker Miano, Präsidentin des Vereins Hospiz Oberwallis. Die Arbeiten würden deshalb sehr umfangreich sein, auch weil das Haus barrierefrei werden muss.
Seit mehr als fünf Jahren kämpft Caroline Walker Miano für ein Hospiz im Oberwallis. Geplant ist die Eröffnung zum Nikolaustag 2023. Ab dann werden Menschen in komplexen medizinischen Situationen hier wohnen können. Es werden Menschen sein, die zu jung für ein Altersheim sind, keine Angehörigen haben oder die nicht zu Hause sterben wollen. Die Kosten des Projektes beliefen sich bislang auf geschätzte 4,1 Millionen Franken – man rechnet aber mit Mehrkosten von bis zu 20 Prozent. Für Caroline Walker Miano heisst das, sie muss weiter nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Ohne Aufnahme eines Kredites wird es wohl nicht gehen.

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Für die spezialisierte palliative Pflege zu Hause war in Winterthur und Umgebung seit 2008 der Verein Palliative Care Winterthur-Andelfingen zuständig. Dieser hat Ende Juni seine Auflösung beschlossen, per Ende September wird das bestehende Pflegeteam seinen Betrieb einstellen. Doch für die Nachfolge ist gesorgt: Ab 1. Oktober wird die Stiftung Palliaviva in Winterthur ambulante spezialisierte Palliative Care anbieten. Die Stadt Winterthur wird dazu einen Vertrag mit der Stiftung aus Zürich-Oerlikon unterzeichnen. Palliaviva wird in Winterthur einen eigenen Stützpunkt betreiben, wie der Landbote berichtet. Drei Pflegende werden voraussichtlich vom bestehenden Winterthurer Team übernommen, zwei gehen in Pension. Die Präsidentin des Vereins Palliative Care Winterthur-Andelfingen ist dankbar, dass für die palliative Versorgung in Stadt und Region Winterthur eine gute Lösung gefunden wurde.
«Teils fehlt es an Information und Interesse»
Wie steht es im Kanton Graubünden in Sachen Palliative Care? Eine Redaktorin der Südostschweiz ist dieser Frage in einer spannenden Reportage nachgegangen und hat die Erkenntnisse einer Studie, welche palliative gr in Auftrag gegeben hatte, einfliessen lassen. Die Studie kommt zum Schluss, dass der Kanton Graubünden auf gutem Wege ist.
Auf einem Besuch auf der Palliativstation des Churer Fontanaspitals spricht die Reporterin mit Medizinern und Pflegenden. Diese meinen, dass Palliative Care im Kanton Graubünden in den letzten 15 Jahren grosse Fortschritte gemacht habe. Dennoch: Es ist noch einiges zu tun, bis Palliative Care bei der breiten Bevölkerung eine Selbstverständlichkeit darstellt. Noch stellen die Mediziner fest, dass es an Informationen und teils auch an Interesse fehlt. Es gehe auf einer Palliativstation nicht nur um die körperliche Krankheitsbehandlung, sondern um viele andere Faktoren, die im normalen Spitalalltag zu kurz kämen. «Bei uns hat auch das Familiäre, das Psychische und Spirituelle Platz», hält ein Arzt fest. Dabei sollte Palliativmedizin nicht erst als letzter Schritt verstanden werden. Vielmehr sei sie eine begleitete Behandlung.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner