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Medienschau Juni 2019

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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08. Juli 2019 / Medien
Immer öfter wird über Sterbefasten diskutiert. Auch in der Schweiz. Sterbefasten ermögliche, Abschied zu nehmen, zu begleiten und letzte Wünsche zu erfüllen. Dieses Fazit schliesst eine angehende Pflegefachfrau in ihrer Diplomarbeit. Vor wenigen Wochen entschied sich eine minderjährige Niederländerin mit starken Depressionen und nach langer Leidenszeit dazu, durch Sterbefasten aus dem Leben zu scheiden. Ist das auch in diesem Fall ein gangbarer, ein richtiger Weg? Vieles hat uns im Juni zum Thema Palliative Care, Sterben und Tod bewegt. Hier unsere Auswahl dazu.
Ist Sterbefasten ein natürlicher Tod oder ein Suizid? Es sei ein Tod durch Unterlassen, definiert die angehende Pflegefachfrau Léanne Klein den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit im Interview mit der «Südostschweiz». In ihrer Diplomarbeit untersucht die 21-Jährige das Sterbefasten und kommt zum Schluss, dass viel mehr Menschen in der Schweiz über das Sterbefasten Bescheid wissen müssten. Die Suizidrate bei alten Menschen sei viel zu hoch. Aber sie findet auch, dass in unserem Land mit Palliative Care sehr gute Unterstützungsmassnahmen vorhanden sind. Sterbefasten sei nicht deshalb nicht einfach in jedem Fall die Lösung, die Möglichkeit, autonom handeln zu können, vermittle Hoffnung und ermögliche, Abschied zu nehmen, den Menschen zu begleiten und Wünsche zu erfüllen.
«Ich habe gemerkt, dass man Tote auch berühren kann und es sogar guttut, um Abschied zu nehmen.» Fabian Biasio, Filmemacher

Der Film «Sub Jayega» tourt mit viel Erfolg durch das Land. Der Dokumentarfilm, in dem Filmemacher Fabian Biasio in verschiedenen Ländern das Palliativ-Care-Paradies sucht, entstand zum 30-Jahr-Jubiläum von palliative ch. Im Juni lief «Sub Jayega» im Wetziker Kino Palace und war so erfolgreich, dass der Film in die Verlängerung ging und statt bis zum 23. Juni noch bis im Juli gezeigt wurde. Der «Zürcher Oberländer» interviewte Filmemacher Biasio (Artikel kostenpflichtig), der die Chance nutzte und, um deutlich zu machen, dass Palliative Care nicht einfach Sterbemedizin ist, sondern deutlich früher beginnen kann. Dass er das Palliative-Care-Paradies nicht in der Schweiz fand, habe damit zu tun, dass Palliative Care hierzulande unter dem Gesichtspunkt des Defizits wahrgenommen werde. Eine Chemotherapie zu verkaufen, mache finanziell mehr Sinn. Durch das Drehen des Films konnte Biasio seine Berührungsängste gegenüber dem Tod ablegen. «Ich habe gemerkt, dass man Tote auch berühren kann und es sogar guttut, um Abschied zu nehmen.»
«Das Sterben ist die wohl intimste und persönlichste Phase im Leben.» Claudia Bausewein, Palliativmedizinerin

«Was passiert im Augenblick des Todes?», fragte die «Basler Zeitung» die Palliativmedizinerin Claudia Bausewein. Im Interview erklärt die Direktorin für Palliativmedizin an einer deutschen Klinik sachlich aber mit viel Empathie, welche Zeichen darauf hindeuten, dass jemand im Sterben liegt. Sterben an sich sei kein schmerzhafter Prozess. Meist hingen die Schmerzen mit der zugrundeliegenden Erkrankung zusammen. Schwieriger zu beurteilen sei, ob dabei seelischer Schmerz empfunden werde. «Eine Rolle spielt vermutlich, ob sich die Person mit ihrem Leben und ihrem Sterben auseinandergesetzt hat.» Weiter beschreibt Bausewein, in welcher Reihenfolge die Sinnesorgane ihre Funktion einstellten. Es sei, als würden die Sterbenden durch die Menschen um sie hindurch schauen in eine andere Welt und immer wieder sagten Sterbende «Da ist jemand im Raum.» Oft sähen sie bereits verstorbene Freunde oder Verwandte. Das Sterben sei schwer zu erforschen, man wisse nicht, was an inneren Bewegungen oder Kämpfen passiere. Die Palliativmedizinerin bezeichnet das Sterben als «die wohl intimste und persönlichste Phase im Leben.» Der Artikel ist zwar kostenpflichtig, aber ausserordentlich wertvoll zu lesen. Etwa wie Bausewein beschreibt, weshalb die Mutter genau in der halben Stunde stirbt, in der die Tochter sich einen Kaffee holt. Oder umgekehrt, Sterbende die Ankunft eines geliebten Menschen abwarten. Konflikte am Sterbebett zu lösen, das sei schwierig, Zerwürfnisse klärten sich nicht automatisch zum Abschied. Das sei für Pflegende und Ärzte manchmal schwierig auszuhalten. Doch: «Wie wir gelebt haben, beeinflusst unser Sterben.»

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Der Bundesrat will die Zahl der Organspenden in der Schweiz massiv erhöhen. Er unterstützt deshalb das Anliegen der Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» im Grundsatz. «Ihm sei es ein Anliegen, die Wartezeiten für eine Organtransplantation zu verringern und so Leben zu retten, zitiert «Medinside» eine Medienmitteilung der Landesregierung. Das vorhandene Potenzial könne mit einem Systemwechsel auch in der Schweiz besser ausgeschöpft werden, wie dies Erfahrungen in anderen europäischen Ländern zeigten. Der Bundesrat will jedoch keine enge Widerspruchslösung, wie sie die Initiative fordert. Demzufolge dürften einer verstorbenen Person Organe entnommen werden, sofern sie sich zu Lebzeiten nicht dagegen ausgesprochen hat. Im Unterschied dazu befürwortet der Bundesrat, dass die Angehörigen weiterhin zwingend einbezogen werden. Sie könnten eine Organspende ablehnen, wenn das dem Willen einer verstorbenen Person entspricht. Der Bundesrat wünscht sich eine breite Debatte über das mit schwierigen ethischen Fragen verbundene Thema. Bis im Herbst soll das Eidgenössische Departement des Innern einen indirekten Gegenvorschlag für eine erweiterte Widerspruchslösung ausarbeiten.

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«Eigentlich liebe ich das Leben und will es wiederhaben», sagt Mathilda. Doch die Überfliegerin, die nebst sportlichen Höchstleistungen und einem randvollen Leben auch noch Medizin und Jura studierte, verunglückte 2017 lebensgefährlich beim Kitesurfen. Das Glück im Unglück – in unmittelbarer Nähe befindet sich eine Rettungsstation und eine Ärztin, die sie ins Leben zurückholen, erweist sich als fatal. Denn eigentlich hat Kinderärztin Mathilda eine Patientenverfügung, die besagt, dass keine lebensrettenden Massnahmen eingeleitet werden sollen.
Bis heute weiss Mathilda nicht, ob sie mit der Behinderung, die sie nun hat, überhaupt weiterleben möchte.

Sie bleibt halbseitig gelähmt. «Die Vorstellung, einfach ein erfülltes Leben gehabt zu haben und dann einen blöden Unfall und dann zu sterben, ist irgendwie okay. Aber dann nicht so behindert raus zu gehen, wie ich das gerade tue. Das ist halt nicht okay», ist nur einer der unter die Haut gehenden Sätze, die Mathilda im einfühlsamen Porträt auf Deutschlandfunk Nova zu Protokoll gibt. Auch ihre Schwester und ihr Freund erzählen ihre Version der Geschichte, wie sie darum kämpfen, dass Mathilda nicht aufgibt. Denn bis heute weiss Mathilda nicht, ob sie mit der Behinderung, die sie nun hat, überhaupt weiterleben möchte.

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Wie Schmerzlinderung am Lebensende gelingen kann, das untersuchten britische Palliativmediziner in einer Studie. Dazu werteten sie mehr 111’000 Fragebögen ausgewertet, wie die deutsche «Ärztezeitung» berichtet. Gemäss den Auswertungen wurden bei fast 48 Prozent der Patienten die Schmerzlinderung als «gut» bewertet. Bei Krebspatienten lag dieser Anteil bei 56 Prozent, bei Patienten mit anderen Erkrankungen bei 40 Prozent. Zudem wurde eine gute Schmerzlinderung eher bei Patientinnen und Patienten erzielt, die palliativmedizinisch versorgt worden waren (66 Prozent gegenüber 38 Prozent) und die zu Hause statt in einer Einrichtung sterben konnten.
«Palliativmedizin ist eine wirklich menschliche Medizin.» Andreas Rost, Palliativmediziner

Der Mediziner Andreas Rost hat die Palliativmedizin am Klinikum Darmstadt aufgebaut. Nun tritt er in den Ruhestand. Im Porträt mit der Darmstädter Lokalzeitung «Echo» beschreibt der 65-Jährige die Palliativmedizin als «wirklich menschliche Medizin». Zuhören und heraushören, was der Schwerkranke möchte, dann mit ihm Plan A, Plan B, Plan C besprechen - das gehöre zur Palliativmedizin dazu. Das war nicht immer so. als er 1983 in Darmstadt begann, war dieser Bereich absolutes Neuland. Mittlerweile werden 500 Patienten ambulant, weitere 500 stationär behandelt. Seiner Erfahrung nach könne und solle die palliativmedizinische Schmerzbehandlung schon während einer Chemotherapie beginnen, damit das Gehirn den Schmerz nicht speichert. Wenn eine Heilung nicht mehr möglich sei, so könnten doch die Symptome der Krankheit und medikamentöse Nebenwirkungen bekämpft werden.

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Der Tod einer 17-Jährigen bewegte nicht nur die Menschen in ihrer Heimat, den Niederlanden. Auch den europäischen Medien wurde darüber berichtet. Ihre seelischen Schmerzen seien unerträglich, versuchte Noa Pothoven immer wieder zu erklären. Seit Jahren litt sie nach mehreren sexuellen Übergriffen und einer Vergewaltigung unter schweren Depressionen und Anorexie, hatte mehrere Suizidversuche und eine Zwangseinweisung in einer psychiatrischen Klinik hinter sich.
Im vergangenen Jahr soll sich Noa Pothoven in einer Klinik in Den Haag um aktive Sterbehilfe beworben haben, wurde jedoch abgewiesen.

Lange Zeit wussten selbst ihre Eltern nicht, weshalb ihre Tochter sich den Tod so wünschte, wie der «Stern» berichtete. Im vergangenen Jahr soll sich die junge Frau in einer Klinik in Den Haag um aktive Sterbehilfe beworben haben, wurde jedoch abgewiesen. Daraufhin sei sie am Boden zerstört gewesen. Auch ein letzter verzweifelter Versuch der Eltern, die schweren Depressionen ihrer Tochter in einem Krankenhaus mit Elektroschocktherapie zu behandeln, scheiterte. Noa Pothoven entschied sich zum Sterbefasten. Sie beendete die Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeiten und starb schliesslich im Kreis ihrer Familie. Auch die «NZZ am Sonntag» nahm das Thema auf und beleuchtete ethische und rechtliche Fragen (Artikel kostenpflichtig). Beispielsweise jene, warum der Staat oder auch die Eltern keine Zwangsernährung anordneten und ob eine Minderjährige selbst entscheiden kann zu sterben.

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Noch immer diskutiert ganz Deutschland über die Liberalisierung der Sterbehilfe, über die das deutsche Bundesverfassungsgericht derzeit berät. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz hat sich für eine liberale Regelung der Sterbehilfe in Deutschland ausgesprochen. «Ich bin für eine deutliche Liberalisierung. Sterbehilfe grundsätzlich aus religiösen oder historischen Gründen auszuschließen halte ich für eine Einschränkung meiner Grundrechte», sagte Schulz im Interview mit dem «Spiegel» (Artikel kostenpflichtig). Schulz leidet an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Überlebenschance liege bei zwei Prozent. Dazu gehöre er nicht. Für ihn sei es eine Option, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu setzen, wenn er unter starken Schmerzen leiden und ihm sein Leben entgleiten würde. Zwar verstehe er aufgrund der nationalsozialistischen «Euthanasie»-Verbrechen bestehenden Bedenken. Aber dass man dafür in die Schweiz fahren müsse, finde er unerträglich.

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Auch Australien lockert sein Sterbehilfegesetz. Unter dem Protest von katholischen Bischöfen und Lebensschützern ist in Victoria als erstem australischen Bundesstaat das Gesetz über Suizidbeihilfe in Kraft getreten, wie «kath.ch» berichtet. Das Gesetz ermöglicht jedem volljährigen Patienten, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, sich von seinem Arzt ein tödliches Medikament verschreiben zu lassen. Wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, das Medikament einzunehmen, haben Ärzte das Recht, die tödliche Dosis zu verabreichen. Insgesamt müssen todkranke Menschen 68 Kriterien erfüllen, bevor sie um das Medikament bitten können, unter anderem eine Voraussetzung ist eine Lebenserwartung von weniger als zwölf Monaten.

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Noch vor Monatsfrist wurde der Behandlungsstopp des französischen Wachkoma-Patienten Vincent Lambert nach wenigen Stunden seinerseits gestoppt. Nun hat das höchste Gericht Frankreichs den Weg für eine erneute Beendigung der Pflege freigemacht, wie der «Tages Anzeiger» schreibt. Es gebe kein rechtliches Hindernis mehr für ein Ende der Behandlung, wird der Anwalt von Lamberts Ehefrau zitiert. Der Anwalt der Eltern hingegen droht mit rechtlichen Schritten gegen den Arzt, falls die Behandlung gestoppt würde. Der 42-Jährige befindet sich nach einem schweren Verkehrsunfall seit über zehn Jahren in einem vegetativen Zustand. Während die Ehefrau überzeugt ist, dass sich der frühere Krankenpfleger nie eine künstliche Verlängerung seines Lebens gewünscht hätte, wollen die Eltern und einige der Geschwister seinen Tod mit aller Macht verhindern.
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