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Medienschau Mai 2016

Medienschau Mai 2016

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen im vergangenen Monat. (Bild: palliative zh+sh)

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Unter dem Titel «Medienschau» bietet palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen. Für den Ferienmonat Juli liefern wir hier eine etwas kürzere Fassung als üblich.

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden, werden die Links zu den Beiträgen deshalb in der rechten Spalte aufgelistet.

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06. Juni 2016 / Medien
Ein ausführliches und persönliches Interview mit der Ethikerin Tanja Krones macht in unserer Mai-Medienschau den Auftakt. Das «Migros Magazin» befragte die leitende Ärztin Klinische Ethik am UniversitätsSpital Zürich vor allem zu Themen rund ums Sterben. Mit ihren Antworten gibt Krones Einblick in die existenziellen Fragen, die Betroffene und Fachpersonen in schwierigen Situationen beschäftigen. Dabei betont sie, wie wichtig es ist, mit behandelnden Fachpersonen, aber auch im privaten Umfeld ausführliche Gespräche über die letzte Lebenszeit und das Sterben zu führen. Dabei, so Krones, gehe es nicht primär um den Tod, sondern um das Leben. «Was ist für mich Lebensqualität? Worauf zähle ich? Was ist mein Plan B? Wo ist meine persönliche Grenze?» Solche Fragen gelte es wenn möglich zu klären. «Das wichtigste Argument, um sich diese Gedanken zu machen, sind die Angehörigen», sagt Krones. Diese seien oft traumatisiert und litten darunter, wenn nie darüber geredet werde. Sie seien es auch, die allenfalls für den Betroffenen Entscheidungen treffen und Verantwortung tragen müssten.

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Gerade wenn Menschen von einer schweren Krankheit betroffen sind und die Aussicht auf Heilung schwindet, ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte ausführliche Gespräche führen. Zu diesem Schluss kommt auch Holly Prigerson, die zusammen mit anderen Forschenden in New York eine Studie durchführte, die der Frage nachging, wie terminal an Krebs erkrankte Menschen ihre Situation einschätzten. Es zeigte sich, dass nur gerade fünf Prozent der 178 Befragten voll und ganz verstanden hatten, dass ihre Erkrankung relativ bald zum Tod führen würde. Prigerson sagte gegenüber «ABC News», vermutlich würden viele Betroffene nicht genau wissen wollen, wie ihre Situation tatsächlich aussehe und darum auch die Prognose nicht ganz verstehen. Jedoch sei bestimmt ein grosser Anteil dieser Problematik auf der Seite der ärztlichen Fachpersonen zu suchen. So falle es immer noch sehr vielen Ärztinnen und Ärtzen schwer, ehrliche und offene Gespräche mit ihren Patientinnen und Patienten zu führen. weiteres, wenig erstaunliches Ergebnis der Stuide: Jene Betroffenen, die kürzlich «end-of-life conversations» mit den behandelnden Fachpersonen geführt hatten, verstanden ihre Krankheitssituation besser als andere. Prigerson betont, es gehe letztlich darum zu erfahren, was die Betroffenen sich für ihre letzte Lebensphase wünschten. Das zu erfragen sei unerlässlich, um eine adäquate Betreuung zu gewährleisten.


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Die NZZ nahm sich im vergangenen Monat unter anderem dem Thema Palliative Care für Kinder an. «Ein unheilbar krankes Kind beansprucht die Energie einer ganzen Familie. Zur Entlastung gäbe es viele Angebote von Freiwilligen für Palliative Care. Doch den Zugang zu finden, ist schwierig», schreibt sie. So gelte in der Palliative Care für Kinder derzeit «das Prinzip der Mundpropaganda». Nur über persönliche Kontakte erhielten Betroffene die nötigen Informationen. «Es ist dem Glück und eigenem Einsatz überlassen, ob man die passende Unterstützung erhält – und diese ist von medizinischen Betreuungspersonen abhängig.» Eine betroffene Mutter und Kinderärztin meint, in der Schweiz fehle es an einer Anlaufstelle, die gute Angebote kommuniziere. Eva Bergsträsser, Leiterin der Pädiatrischen Palliative Care am Kinderspital Zürich, hingegen glaubt, die fehlende Übersicht im Angebot komme daher, dass die Gesellschaft den Tod eines Kindes immer noch tabuisiert.

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In den USA schien genau das auch ein Bedürfnis zu sein: Informationen zur Palliative Care für Kinder zu bündeln und Betroffenen leichter zugänglich zu machen. So berichtet das Magazin «Forbes» in seiner Online-Ausgabe, das «National Institute of Nursing Research NINR» habe soeben neues Informationsmaterial herausgegeben, das betroffenen Familien dabei helfen soll, sich in den Angeboten der Pädiatrischen Palliative Care zurecht zu finden. Die Direktorin des Instituts sagte gegenüber dem Magazin: «Das eigentliche Ziel der Kampagne ist es, dass betroffene Familien die Pädiatrische Palliative Care stärker nutzen.» Die Informationsmaterialien wurden aufgrund von Rückmeldungen betroffener Eltern entwickelt und beinhalten unter anderem Antworten zu den wichtigsten Fragen für betroffene Familien und einen Überblick über bestehende Angebote und Anlaufstellen.

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Die Geschäftsführerin des britischen Kinderhospizes «Helen & Douglas House» Clare Periton zeigte sich in einem Gastbeitrag im «Guardian» ebenfalls besorgt um den Zugang von Kindern zu qualifizierter Palliative Care. Während der Zugang für Erwachsene in Grossbritannien inzwischen sehr gut sei, gelte das für Kinder und Jugendliche mit unheilbarer Krankheit nicht. So hapere es in einigen Regionen einerseits an mangelnden Angeboten durch entsprechende Fachpersonen. Jedoch sei das Hauptproblem vielerorts die Triage und Vermittlung. Betroffene würden selten an geeignete Angebote überwiesen. Um die Situation für Kinder und Jugendliche in einer palliativen Situation zu verbessern, schreibt Periton, brauche es nicht riesige Mengen an Kapital, sondern vermehrte und intensivere Zusammenarbeit über Fachgebiete und Grenzen hinweg.

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Beim Zugang zu Palliative Care gibt es oftmals nicht nur Unterschiede je nach Alter der Betroffenen, sondern offensichtlich auch je nach Hautfarbe. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine Studie aus den USA, die «Reuters» in ihrer Berichterstattung aufnahm. Forschende untersuchten für diese Studie Daten von 752 weissen und 131 schwarzen Frauen mit Brustkrebs im Endstadium zwischen 2007 und 2012. Laut den Ergebnissen, so schreibt Reuters, gab es grosse Unterschiede in der Symptomkontrolle sowie dem Zugang zu Hospizpflege in den letzten Lebenstagen. Bei beiden Angeboten war es für schwarze Frauen signifikant weniger wahrscheinlich, Zugang zu erhalten als für weisse. Entsprechend waren erstere auch eher auf Notfallhospitalisierungen angewiesen. Die Wahrscheinlichkeit, im Spital zu versterben, war gemäss der Studie für Frauen schwarzer Hautfarbe 59 Prozent höher als für weisse.

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Ebenfalls von den Ergebnissen einer Studie zu Palliative Care handelte ein Artikel in den «Medscape Medical News». «Wenn Palliative Care kurz nach der Diagnose Teil der Standard-Krebsbetreuung war, wurde die Lebensqualität für pflegende Angehörige besser», heisst es im Artikel mit dem Titel «Palliative care bonus: families feel better too». Pflegende Angehörige von Krebskranken, die früh im Krankheitsverlauf Palliative Care in Anspruch nehmen konnten, zeigten weniger Symptome von Depression als andere pflegende Angehörige. Demnach hilft der frühe Einbezug von Palliative Care nicht nur den Erkrankten selber, sondern auch ihrem Umfeld. «Diese Studie zeigt, dass frühe Palliative Care eine starke positive Rückwirkung auf Familien entwickelt, die mit Krebs konfrontiert sind», sagte die Studienleiterin Areej E-Jawahri vom Massachusetts General Hospital Cancer Center in Boston gemäss einer Medienmitteilung.

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Die Angehörigen im Fokus hatte auch ein Artikel der NZZ am Sonntag über verschiedene Studien, jedoch zu einem anderen Thema. Unter dem Titel «Das Leiden der Angehörigen» zeigte die Journalistin Regula Freuler den Stand des Wissens auf bezüglich der Belastung für Familien von Menschen, die Sterbehilfe in Anspruch nahmen. Im grossen Nationalfondsprojekt 67 zum Thema «Lebensende», sei die Auswirkung der Suizidhilfe auf Angehörige kein Thema, schreibt Freuler. Jedoch seien zwei Studien in der Schweiz zum Thema durchgeführt worden. Die Belastungen für Angehörige seien «höher, als allgemein vermutet wird», wie eine Studie der Uni Zürich aus dem Jahr 2011 zeige. Die damalige Studienleiterin Birgit Wagner sagt: «Überrascht hat uns, dass ein relativ hoher Anteil von rund 40 Prozent der Angehörigen noch lange nach dem Suizid psychisch litt.» Wagner wies darauf hin, dass noch viel «Unkenntnis» über Palliativmedizin herrsche. «Es braucht Kampagnen auf Volksgesundheitsebene, um das zu ändern», findet sie. Denn dass die Angst vor Schmerzen weiterhin so verbreitet sei, sei Zeichen eines Informationsdefizits. Das Recht auf assistierten Suizid sieht sie dennoch als wichtige gesellschaftliche Errungenschaft. Der Palliativmediziner und Co-Präsident von palliative zh+sh Andreas Weber sieht das ähnlich. Er will seinen Patientinnen und Patienten aufzeigen, welche Möglichkeiten die Palliative Care bietet. Nur wenige seiner Patienten erwägen ernsthaft einen assistierten Suizid. Und von ihnen fürchten knapp die Hälfte Schmerzen und Atemnot. «Fast immer können wir ein gutes Angebot machen», sagt Weber und macht damit deutlich, dass die Palliative Care zahlreiche Mittel kennt, Symptome zu lindern.

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Auch in den USA gibt es nach wie vor Informationsdefizite und mangelndes Wissen darüber, was Palliative Care ist und was die Betreuung bieten kann. Eine Studie dazu erschien kürzlich im «Journal of Palliative Medicine». Medscape Medical News griff die Ergebnisse in einem Artikel auf und zitiert Studienleiterin Risha Gidwani: «Es gibt viele Leute – sowohl Patient_innen als auch Leistungserbringer, inklusive Onkolog_innen – die fälschlicherweise glauben, Palliative Care sei End-of-life Care.» Palliative Care sei zwar für Menschen am Lebensende sehr hilfreich, doch sei Palliative Care empfohlen und angebracht für alle Menschen mit einer schweren Krankheit, unabhängig davon, ob der Status «terminal» gelte oder nicht. So könne Palliative Care gleichzeitig mit kurativer Therapie angewandt werden. «Es ist wahrscheinlich, dass das mangelnde Bewusstsein für Palliative Care von Betroffenen und die falschen Vorstellungen von Leistungserbringern dazu führen, dass Palliative Care zu wenig in Anspruch genommen wird», so Gidwani. Ihre Ergebnisse zog sie aus einer retrospektiven Analyse von Patientendaten von von 11'896 Menschen im Alter von über 65 Jahren, die 2012 an Krebs gestorben waren.

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Das vom Verband Curaviva neu entwickelte Pflegemodell, das die Bedürfnisse zukünftiger alter Generationen besser aufnehmen und gleichzeitig Kosten senken will, war Thema in einem Fokus-Beitrag der Fernsehsendung «10 vor 10». Am Beispiel des «Sonnenhof» im St. Gallischen Will wurde das Modell, das dort bereits umgesetzt wird, veranschaulicht. Der Sonnenhof ist ein Wohn- und Pflegecampus für die unterschiedlichsten Bedürfnisse der Senioren und Seniorinnen sowie ihren Partnern. Je nach Bedarf mit mehr oder weniger Pflege, ambulant und stationär. Im Pflegemodell von Curaviva werden die Angebote vom «Gesundheitszentrum» aus gesteuert. Die Seniorinnen und Senioren wohnen je nach Bedürfnissen in Wohnungen, Appartements, oder speziellen Pflegeeinrichtungen. Zum Modell gehören zudem Quartierzentren mit Freizeitangeboten. Der Erfinder des Modells, Markus Leser, sagt gegenüber 10 vor 10: «Das Umfeld passt sich dem alten Menschen an, nicht umgekehrt.» Im Modell abgebildet sind derweil ausschliesslich Angebote, die bereits existieren – sie sind einfach besser aufeinander abgestimmt. Der Geschäftsführer des Sonnenhofs, der seit 2015 mit dem Modell experimentiert, sagt in der Sendung, man spare mit dem neuen Modell fast einen Drittel der Pflegekosten. Gesundheitsökonom Urs Brügger zweifelt an der Höhe der Ersparnis, findet aber: «Schon die Tendenz zum Sparen ist ja gut.»

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Über ein wichtiges Element der Palliative Care, die Kunsttherapie, wird eher wenig gesprochen. Forscher aus Heidelberg haben sich nun der Musiktherapie angenommen und konnten ihre Wirksamkeit bei Palliativpatientinnen und -patienten belegen. Die Rhein-Neckar-Zeitung schreibt: «Berührungen und Musik können gelingen, wenn die Sprache versagt.» Musik könne das subjektive Wohlbefinden der Patienten deutlich verbessern, wie die Studie der SRH Hochschule Heidelberg und dem Zentrum für Schmerztherapie und Palliativmedizin des Universitätsklinikums zeigte. Es sei dies die erste randomisiert-kontrollierte Studie in Europa zum Thema Musiktherapie in der Palliativmedizin.

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Ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung nahm sich dem Thema Glauben bei schwerer Krankheit an. Am Beispiel eines schwer an Krebs erkrankten Mannes aus Kanada zeigte der Artikel auf, was der Glaube möglicherweise bewirken kann. «Alain Beauregards Geschichte verblüfft seine Ärzte, seine Familie und am meisten ihn selbst.» So beginnt die Geschichte des Mannes, der von sich sagt, er sei «Opfer eines Wunders» geworden. Trotz fast aussichtsloser Erkrankung ist er heute gesund. Beauregard sagt, in seiner schweren Krankheit habe sich plötzlich herausgestellt, dass er einen sehr starken Glauben habe. Die «Süddeutsche» zitiert eine neue Studie der amerikanischen Baylor Universität: «80 bis 90 Prozent von uns beten, wenn wir oder ein geliebter Mensch in einer existenziellen Krise stecken.» Und: «Wir glauben nicht nur, dass der Glaube hilf, er hilft zum Beispiel bei Krankheit tatsächlich.» Der Einfluss unseres Glaubens auf unsere Gesundheit könne sehr gross sein – im Positiven wie im Negativen.
palliative zh+sh, Elena Ibello