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Medienschau Mai 2019

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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06. Juni 2019 / Medien
Die 53-jährige Amerikanerin Kathy Brandt arbeitete während Jahrzehnten in der Palliativpflege. Nun ist sie selbst betroffen und weiss genau, was auf sie zukommt. Doch sie vertraut zu hundert Prozent in die Palliative Care. Und stösst auf harschen Widerstand. Ihre Geschichte, aber auch jene von Stephanie Burger, die ihren Mann zu Hause pflegen wollte und vor Bundesgericht Recht erhielt, berührte uns im vergangenen Monat besonders.
Stephanie Burger (83) pflegte ihren todkranken Mann zu Hause. Drei Jahre lang hatte die Krankenkasse alle Spitexbesuche zur Pflege des an Demenz erkrankten Ehemannes bezahlt. Dann plötzlich kürzte die Kasse die Leistungen, wie der «Beobachter» berichtet. Die Pflege zu Hause sei unwirtschaftlich, lautete die Begründung. Der Mann solle doch besser in ein Heim gehen. Für die Ehefrau bedeutete das Kosten von monatlich über 5'000 Franken. Sie zog vor Gericht – und bekam Recht. Das Bundesgericht befand, dass die Kosten für eine Pflege zu Hause mehr kosten dürfe als in einem Heim, weil der Patient dadurch einen gewissen Mehrwert habe. Der vertraute Kontakt zu seiner Frau und die Möglichkeit, ein gewisses soziales Netz pflegen zu können, gewichteten die Richter mehr als die höheren Kosten gegenüber einem Pflegeheimplatz.

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Mehr als ein Drittel aller Schweizerinnen und Schweizer würden Arztbesuche online buchen. Wenn sie denn könnten. In der Realität haben dies erst vier Prozent getan. In Sachen E-Gesundheit sei die Schweiz mächtig im Rückstand, wie die «NZZ» berichtet und zieht Dänemark als leuchtendes Beispiel herbei. Alle dänischen Hausärzte und Spitäler arbeiten mit dem elektronischen Patientendossier (EPD), die Patienten können online auf ihre gesamte Krankenakte oder den Impfausweis zugreifen und auch gleich das Rezept für Medikamente verlängern. In der Schweiz jedoch sei die lückenlose Verbreitung des EPD bislang gescheitert, obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung überzeugt sei, dass der digitale Informationsaustausch ihre Behandlungsmöglichkeiten verbessern würde. Eine der grössten Hürden ist laut dem Artikel die fehlende Lösung für eine elektronische Identität. Sie wäre für die sichere Identifikation rund um das EPD nötig. Und das könne noch Jahre dauern.

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Der Verein für Palliative Care in Solothurn, palliative so, hat eine App entwickelt, mit der Betreuungs- oder Medikamentenpläne laufend aktualisiert werden können. Wie die «Solothurner Zeitung» berichtet, stellte das Netzwerk die App anlässlich eines Fachpodiums in Olten vor. Die App funktioniert als datengeschützte elektronische Krankengeschichte mit einem integrierten Kommunikationstool. Eine gute palliative Versorgung klappe nur, wenn der Informationsfluss zwischen Hausärzten, Spital, Pflegeheim oder Spitex sichergestellt werden könne, lautete die Grundbotschaft am Anlass.
«Die Begleitung Kranker und Sterbender zählt zu den wichtigen Grundvollzügen der Kirche.» Aus der Motion des katholischen Parlaments

Die katholische Kirche will drei Hospize in der Ostschweiz mit Betriebsbeiträgen unterstützen. Dies über einen Zeitraum von vier Jahren, wie die «Basler Zeitung» berichtet. Am 18. Juni entscheidet das Katholische Kollegium – das Parlament des katholischen Konfessionsteils im Kanton St. Gallen – über eine im vergangenen November eingereichte Motion «Würdevolles Sterben im Hospiz namhaft unterstützen». Trotz der Beiträge von Gemeinden und Kanton an die Pflege und Betreuung bleiben nicht finanzierte Kosten von bis zu 246 Franken pro Bewohner und Tag. Entsprechend müssen die drei Institutionen, das Hospiz St. Gallen, das Hospiz im Werdenberg in Grabs und das Hospiz St. Antonius in Hurden SZ, rund eine Million Franken an Spendengeldern generieren. Die Begleitung Kranker und Sterbender zähle zu den wichtigen Grundvollzügen der Kirche, heisst es in der Begründung. Der Dienst, den die Hospize leisten, decke sich mit den christlichen Werten.

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Palliativmediziner Boris Zernikow kümmert sich um Kinder, die sterbenskrank sind. Zernikow leitet die erste Klinik-Station Deutschlands für Kinder-Palliativmedizin. Im Interview mit dem «Deutschlandfunk Kultur» betont Zernikow, dass der Alltag auf seiner Station nicht nur Trauer und Verzweiflung bedeute. Die heiteren Momente würden vielmehr überwiegen. «Denn auch die Kinder, die an einer Krankheit leiden, an der sie sterben werden, haben die meiste Zeit, die sie noch haben, sehr viel Freude am Leben.» Gleichzeitig ist Zernikow Chefarzt an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln, die Kinder betreut, die an chronischen Schmerzen leiden. Ziel der Schmerztherapie sei, die Selbstwirksamkeit der Kinder zu stärken. Schmerzen würden nicht durch Schonung, sondern durch Aktivität und die Auseinandersetzung damit verschwinden.
«Wenn es mein Leben nicht rettet, warum soll ich all das durchmachen?» Kathy Brandt, Palliativpatientin

Während Jahrzehnten waren Kathy Brandt und Kim Acquaviva in der Palliativpflege tätig. Der Tod war ein ständiger Begleiter der beiden Frauen, die 2010 geheiratet haben. Dann wurde das Professionelle mit einem Mal persönlich: Brandt wurde mit der Diagnose Eierstockkrebs konfrontiert. Da der Krebs bereits metastasiert hat, entschied sich die 53-Jährige, auf Behandlungen wie Chemotherapie oder Bestrahlung zu verzichten. Sie hätten 30 Jahre lang daran gearbeitet aufzuzeigen, dass man über diese Themen reden, sie aus dem Schrank holen und sich damit auseinandersetzen müsse, zeigt sich das Paar im Porträt mit «NBC News» überzeugt. Es wolle die Zeit beschränken, die es in Arztpraxen und Kliniken zubringen müsse. «Wenn es mein Leben nicht rettet, warum soll ich all das durchmachen, um einen Monat länger zu leben, aber dieser Monat dann ganz schrecklich ist?», fragte sich Kathy Brandt. Bei den behandelnden Ärzten stiess sie damit auf grossen Widerstand.

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Sterbehilfe war auch im Monat Mai ein wichtiges Thema sowohl in Schweizer als auch in ausländischen Medien. Die «NZZ» beleuchtete, wie Altern und Tod hinter Gefängnismauern stattfinden. Die demografische Alterung sei in Gefängnissen deutlich weiter fortgeschritten als in der Durchschnittsbevölkerung, insbesondere unter den Verwahrten. Doch auf den Tod sind die Justizvollzugsanstalten schlecht vorbereitet. Die Zahl der Personen, die im Verlaufe des Strafvollzuges sterben, steigt – doch die Gefängnisse sind schlecht auf den Umgang mit dem Tod vorbereitet. Zu diesem Schluss kommt auch das Nationale Forschungsprogramm «Lebensende» (NFP 67). Viele Gefangene hätten Angst, nachts einsam und unbemerkt in der Zelle zu sterben. Auch Mitgefangene würden sich fürchten, mit ansehen zu müssen, wie ein anderer Insasse stirbt. Und das Gefängnispersonal leide darunter, dass jeder Sterbefall hinter Gittern zu einem Notfall werde. Nun lässt die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren abklären, unter welchen Voraussetzungen Sterbehilfe im Justizvollzug möglich sein soll.

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Nach langer und kontroverser Debatte hat sich das Walliser Kantonsparlament dazu durchgerungen, dass Patientinnen und Patienten in Walliser Pflegeheimen Sterbehilfe beanspruchen können. Der Kanton sei in dieser Frage gespalten, politisch und auch regional, wie der «Tages Anzeiger» schreibt. Dabei mache das Walliser Gesetz enge Vorgaben. Wer assistierten Suizid im Pflegeheim in Anspruch nehmen wolle, müsse an einer schweren und unheilbaren Krankheit respektive Unfallfolgeschäden leiden und dürfe nicht in der Lage sein, nach Hause zurückzukehren. Der Entscheid für die Sterbehilfe müsse zudem vom Patienten klar geäussert werden. Der Bischof von Sitten hatte sich mehrfach gegen Sterbehilfe geäussert. Es sei wichtig, dass die bereits existierenden Strukturen, insbesondere die Palliativpflege, besser bekannt würden.

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Immer mehr Menschen in der Schweiz treten einer Sterbehilfeorganisation bei. Auch Exit verzeichnet stark steigende Mitgliederzahlen und damit wächst auch das Vermögen. Gemäss «NZZ» verfügt der Verein mittlerweile über ein Bruttovermögen von 29 Millionen Franken. 2013 lag es bei etwas mehr als 9,4 Millionen. Inzwischen bezahlt Exit seinen Sterbehelfern eine Entschädigung. Man habe sich gut gegen Missbräuche abgesichert, erklärt ein Exit-Sprecher auf entsprechende besorgte Anfragen, die auch unter Mitgliedern laut geäussert werden. Das grosse Vermögen diene in erster Linie den Rückstellungen für die inzwischen über 22'000 lebenslangen Mitglieder. Insgesamt zählt Exit 120'000 Mitglieder.
«Warum ist es so verpönt, Hilfe anzunehmen? Haben wir das Sterben verlernt?» Ilona Schmidt, Co-Präsidentin von palliative zh+sh und Geschäftsleitern von Palliaviva

Die «NZZ» bot noch im April dem Luzerner Psychotherapeuten Josef Giger eine grosse Plattform für seine Idee, allen mündigen Erwachsenen Zugang zur Sterbehilfe zu verschaffen. Daraufhin schrieb Ilona Schmidt, Co-Präsidentin von palliative zh+sh und Geschäftsleitern von Palliaviva, einen Leserbrief, der im Mai veröffentlicht wurde. «Warum ist es so verpönt, Hilfe anzunehmen? Haben wir das Sterben verlernt?» fragte sie. «Sterbehilfeorganisationen scheinen die Werte Selbstbestimmung und Würde für sich gepachtet zu haben.» Palliaviva sei nicht grundsätzlich gegen die Option Sterbehilfe, vertrete aber die Meinung, dass das Sterben zum abgerundeten Lebensprozess als Phase dazugehöre. Mit einer guten Palliative-Care-Behandlung sei selbstbestimmtes Sterben in Würde jedoch auch auf natürlichem Weg möglich.

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«Eigentlich legal» sei die Sterbehilfe in unserem kleinsten Nachbarland, dem Fürstentum Liechtenstein. 110 Mitglieder habe die Sterbehilfeorganisation Exit in Liechtenstein, berichtet das «Liechtensteiner Vaterland». Seit 2005 habe der Verein vier Schweizer beim Sterben begleitet, die ihren Wohnsitz in Liechtenstein haben und zum Sterben in die Schweiz gereist waren. Das liechtensteinische Recht verlange beim Straftatbestand «Mitwirkung am Selbstmord» ein Mitwirken «aus verwerflichen Beweggründen». Wer also aus uneigennützigen Motiven wie Mitleid jemanden von seinen unerträglichen Schmerzen «erlösen» wolle und diese Person mit seinem Auto in die Schweiz fahre, mache sich nicht strafbar. Allgemeine Aussagen zur Sterbehilfe seien jedoch heikel, zitiert die Zeitung das Amt für Justiz, da die Umstände im Einzelfall immer genau geprüft werden müssten, um diese rechtlich einzuordnen.

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Der Fall des französischen Wachkomapatienten Vincent Lambert befeuerte im Mai die Debatte zur Sterbehilfe in den ausländischen Medien. Die Ärzte in Reims hatten die Maschinen bereits abgestellt, dann ordnete ein Gericht an, dass der Wachkomapatient weiter ernährt werden müsse. Auch Schweizer Medien, wie zum Beispiel die «Basler Zeitung», berichteten über den Fall des 42-Jährigen, der seit einem Motoradunfall im Jahr 2008 querschnittgelähmt und in einem vegetativen Zustand ist. Die Angehörigen sind seit Jahren zerstritten und liefern sich einen öffentlichen und medienwirksamen Streit. Der Fall offenbare Schwächen im Gesetz, heisst es im Artikel. Denn Sterbehilfe ohne Willensbekundung des Betroffenen bei gleichzeitigem Streit der Angehörigen sei nicht geregelt. Eine kleine Bemerkung am Rande sei erlaubt: Dass jeder zu wissen glaubt, was für den schwerstkranken Lambert das Beste sei, ist das eine. Dass sich niemand dafür einsetzt, dass seine Persönlichkeit geschützt wird und keine Bilder und Videos aus seinem Krankenzimmer publiziert werden, ist zum anderen ausserordentlich stossend.

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Wann ist Sterbehilfe in Deutschland erlaubt? Und was ist schon wieder passive Sterbehilfe? Um etwas Licht in die kontroverse Sterbehilfediskussion insbesondere in Deutschland zu bringen, hat der «Bayerische Rundfunk» mit einem kurzen Erklärvideo für Transparenz gesorgt. Im dazugehörigen Artikel werden die verschiedenen Begrifflichkeiten definiert und auch die Regelungen in anderen Ländern, etwa den Beneluxstaaten und der Schweiz aufgezeigt.

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Ein weiterer Fall rund um das Thema Sterbehilfe beschäftigte die deutschen Medien. Ein älteres Ehepaar beantragte beim Bundesinstitut für Arzneimittel eine tödliche Dosis Natriumpentobarbital, um beide Leben beenden zu können. In der Begründung führten sie aus, dass sie im Freundes- und Bekanntenkreis schlimme Schicksale miterlebt hätten. Ihr Bestreben sei es, dass ihnen nach schönen und erfüllten Zeiten solche Schicksale erspart bleiben, berichtet der Fernsehsender «ZDF heute». Sie wollten keinen beschwerlichen Lebensabend und wollten diesen auch nicht ohne den anderen verbringen. Zwei Vorinstanzen hatten die Anträge abgelehnt mit der Begründung, dass eine Nutzung von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung nicht dazu diene, die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Nun muss sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit dem Fall beschäftigen.
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