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Medienschau Mai 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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08. Juni 2022
«Jetzt kehrt auch bei uns der Tod wieder ins Leben zurück», titelt die «Luzerner Zeitung». Ist das Thema Corona dafür verantwortlich? Oder die Diskussion um das Transplantationsgesetz? Und wie ergeht es ukrainischen Flüchtlingskindern in der Schweiz, die unheilbar krank sind? Dies und mehr lesen Sie in unserer Medienschau vom Mai.
«Jetzt kehrt auch bei uns der Tod wieder ins Leben zurück», stellt die «Luzerner Zeitung» fest. Es gebe eine neue Einsicht in alte Gewissheiten. Seit Corona und der Volksabstimmung über das Transplantationsgesetz sei das Sterben wieder ein Teil unseres Lebens geworden.

Es ist der Hinweis auf die Ausstellung «Der Tod, radikal normal!», welcher den Redaktor zu solchen Aussagen bringt. Im Vögele Kulturzentrum in Pfäffikon SZ informieren sich die Besucherinnen und Besucher bis zum 18. September «Über das, was am Ende wichtig ist», wie der Untertitel sagt. Dabei werden Fragen aufgeworfen und unser Verhältnis zum Tod betrachtet. Darf man einen Sarg als Möbel verwenden? Wie sieht das digitale Jenseits aus? Und müssen Gespräche über das Sterben immer so todernst sein? Unser Verhältnis zum Tod ist ausgesprochen ambivalent. Noch nie konnten wir dem Tod so selbstbestimmt begegnen wie heute. In der Populärkultur, den Medien und folglich im Alltag ist er omnipräsent. Noch nie wurde in der Schweiz beispielsweise die Debatte über die Organspende so offen und öffentlich geführt wie vor der vergangenen Abstimmung. Und ob angenehm oder nicht, in der Zeit von Corona haben wir alle uns mit dem Thema Tod und Sterben auseinandergesetzt – sei es auch nur beim Schauen der Tagesschau am Abend oder beim Lesen der Zeitung. Über Nacht wurde aus dem theoretischen «Was wäre wenn?» die aktuelle Frage «Was jetzt?».

Die Ausstellung, welche bis 18. September im Vögele Kulturzentrum zu sehen ist, fordert uns heraus, sich der eigenen Beziehung zum Tod bewusst zu werden, gewohnte Verhaltens- und Sichtweisen zu hinterfragen und einem Gespräch über das Unvermeidliche nicht auszuweichen. Neben Werken der Gegenwartskunst und wissenschaftlichen Beiträgen sind auch Exponate der Alltags- und Populärkunst zu sehen.
«Ein Hospiz wäre eine gute Alternative»
Anfang Mai widmet das «Bieler Tagblatt» dem Thema Palliative Care ein ganzes Dossier. «Wo und wie kann man in Biel seinen letzten Lebensabschnitt verbringen, wenn man unheilbar krank ist?», fragt die Redaktion. Denn das Angebot an Palliative-Betten ist begrenzt. Doch das soll sich ändern. Im Verein Hospiz Biel-Bienne engagieren sich Menschen aus dem ärztlichen und pflegerischen Umfeld, aber auch aus anderen Berufsfeldern. Allen gemeinsam ist ihr Wille, sich für ein würdevolles Lebensende stark zu machen. Einer von ihnen ist Gianclaudio De Luigi, Wirt und Präsident des Vereins. Als er mit seiner Schwester im Oberen Ried in Biel spazierte, gefiel ihm der ruhige Ort. Kurz dachte er daran, dass dies ein wunderschönes Plätzchen für ein Restaurant wäre – dann aber kam ihm die Idee eines Hospizes. «Mir wurde mit einer enormen Deutlichkeit klar, dass dies ein Ort zum Sterben sein könnte oder für die Geburt in ein neues Leben, wie ich es eher sehe», sagt De Luigi. Und so suchte er Gleichgesinnte mit verschiedensten Hintergründen und denselben Ambitionen. Im vergangenen August wurde der Verein Hospiz Biel-Bienne gegründet und De Luigi zu dessen Präsidenten ernannt. Mit seinen geplanten zwölf Betten soll das Hospiz das bisher bestehende Angebot von Spitex, Spital und Pflegeheimen ergänzen. Doch die Finanzierung von Leistungen am Lebensende ist schwierig. Dies wissen auch die Initianten. Traurig finden sie, dass von der Gesellschaft – und teilweise von den Ärzten – das Thema Tod ignoriert wird. «Doch nur wer auch über das eigene Sterben nachdenkt, sich bewusst ist, dass auch er eines Tages sterben wird, kann in der Begleitung Sterbender eine gute Arbeit machen», ist sich Marcello Caballero, Leitender Arzt Palliativmedizin am Spitalzentrum Biel, sicher.

«Ein Hospiz wäre eine gute Alternative», sagt in einem zweiten Bericht dieses Dossiers Kristian Schneider, Direktor des Spitalszentrums Biel. In einem längeren Interview spricht die Journalistin mit ihm und Marcelo Caballero über die spezialisierte Palliative Care und die Gesundheitsversorgung in der Region. Dabei wird der Leserin klar, dass es noch ein weiter Weg zum Bieler Hospiz sein wird.

Wer sich in das Thema vertiefen will und auch allgemein mehr zu Palliative Care erfahren möchte, dem seien die Berichte des «Bieler Tagblatt» ans Herz gelegt.
Ganzes Dossier als PDF unter www.hospiz-biel-bienne.ch

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In Altstätten im Kanton St. Gallen hat eine neue Palliativstation mit fünf Betten ihren Betrieb aufgenommen. Menschen, die von einer chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheit betroffen sind, finden hier körperliche, soziale und spirituelle Betreuung. Palliative Care ist aber kein neues Angebot in der Spitalregion Rheintal-Werdenberg-Sarganserland. So werden zum Beispiel seit dem vergangenen Jahr Palliativsprechstunden in Altstätten angeboten. Doch mit der Schliessung der Palliativstation in Flawil und aufgrund der demographischen Entwicklung werden immer mehr spezialisierte Palliative-Care-Betten benötigt. Die einfühlsame und ganzheitliche Pflege und Betreuung braucht Spezialwissen, weshalb im Spital Altstätten seit Monaten die Mitarbeitenden der Pflege ausgebildet werden. Die im Regionalspital bereits etablierten ambulanten Angebote, beispielsweise die genannte Palliativsprechstunde, die Memory Klinik oder auch die Orthopädische Sprechstunde, finden weiterhin statt und werden noch ausgebaut.
«Bevor ich sterbe, möchte ich …?»
Wie würden Sie den folgenden Satz beenden: «Bevor ich sterbe, möchte ich …?» In der Stadt St. Gallen stand im Mai ein grosser schwarzer Kubus, auf dem diese Frage beantwortet werden konnte – mit Hilfe einer Kreide. Im «Top-Talk» auf «Radio Top» gaben Andrea Kobleder, Co-Leiterin und Professorin im Fachbereich Palliative Care, und Yvonne Würth, Geschäftsleiterin des Forum Palliative Care der Stadt St. Gallen, Auskunft. Das internationale Projekt «Bevor ich sterbe…» soll Menschen rund um den Globus dazu einladen, innezuhalten, zu reflektieren und die eigenen Gedanken zu teilen. Ja, was möchte ich? Was möchtest du? Was möchten deine Freundin, dein Bruder, deine Eltern und Grosseltern? Diesen Fragen wollten die sechs engagierten Initiantinnen nachgehen und stellten dazu an verschiedenen Standorten in der Stadt St. Gallen, beispielsweise in der Marktgasse, im Areal Bach oder an der Migros Lachen, Wände auf, die dazu einladen, den Satz zu vervollständigen. So kommt das Thema Lebensende dahin, .

Ursprünglich wurde das Projekt «Before I die» von der amerikanischen Künstlerin Candy Chang nach dem Verlust einer nahestehenden Person ins Leben gerufen. Um ihre Gedanken mit Personen in ihrer Umgebung zu teilen, installierte sie an einem verlassenen Haus in ihrem Wohnquartier in New Orleans eine grosse Wand mit der Aufschrift «Before I die, I want to …». Innert kürzester Zeit wurde die Wand von den unterschiedlichsten Personen mit ihren Gedanken, Hoffnungen und Träumen befüllt. Dies war der Ausgangspunkt für ein Projekt, das rund um den Globus Menschen dazu einlädt innezuhalten, zu reflektieren und die eigenen Gedanken mit den Mitmenschen zu teilen.

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Gleich in mehreren Schweizer Tageszeitungen erschien Mitte Mai die berührende Reportage über die sechs Monate alte Milena aus der Ukraine. Ihre Eltern Gev und Sona sind vor dem Krieg geflohen, als ihr Baby mitten in einer Krebsbehandlung war. Die Familie ist voller Hoffnung gewesen, dass die Schweizer Mediziner dem Kleinkind würden helfen können. Doch die Zürcher Ärzte können nichts mehr für Milena tun.

Die Journalistin besucht Milena im Bündner Dorf Buchen im Prättigau, wo Andrea und Luzi Stadler die ukrainische Familie aufgenommen haben. Seit zweieinhalb Monaten wohnen Gev und Sona mit den beiden Töchtern Milena und Mane sowie deren Grossmutter im idyllisch gelegenen Bauernhaus. Milena leidet an einer seltenen Form eines Hirntumors – zu Hause in Kiew war sie in der Krebsbehandlung, als der Krieg ausbrach. Nur mit viel Glück schaffte es die Familie über die Grenze, bevor Putins Panzer anrollten. In der Schweiz suchte die Familie Hilfe bei den Spezialisten im Zürcher Kinderspital. Es konnte dem Kleinkind aber nicht mehr geholfen werden, der Tumor ist äusserst aggressiv und Milena schwach. Seither versorgen die Eltern ihr Töchterchen bei der Gastfamilie palliativ. Nachts liegt Milena mit Mama und Papa im Bett, tagsüber nimmt die Familie sie mit dem Morphiumgerät im Kinderwagen nach draussen zum Spazieren oder auf die Veranda. Anfangs konnte Milena noch nach Plüschtieren greifen, lächeln, der Mutter direkt in die Augen blinzeln. Mittlerweile ist ihr Körper noch mehr geschwächt, und sie hat abgenommen - die Familie geht davon aus, dass sie auch erblindet ist. Trotz ihres riesigen Schmerzes sind Gev und Sona dankbar, dass sie in der Schweiz sein können. Gev hat sogar einen Job als Koch gefunden. Wie es weitergeht? Alle wissen, dass der Tod ganz nah ist. Die Gastmutter leidet mit und fühlt sich ohnmächtig. Und ohnmächtig fühlt sich auch die Leserin dieser eindrücklichen Reportage.
Einige können Englisch und sonst helfen Hände und Füsse
Ebenfalls dem Thema Flüchtlinge und schwerstkranke Kinder widmet sich ein Artikel der «Thurgauer Zeitung» unter dem Titel «Krebskranke Kinder auf der Flucht». Das Ostschweizer Kinderspital behandelt derzeit sieben schwerkranke Kinder aus der Ukraine. In der Reportage beschreibt die Autorin ihren Besuch auf der Station der Kinderonkologie. Da ist beispielsweise die kleine Kira, die ein Puzzleteil hin- und herschiebt, währen eine Bluttransfusion läuft. Das dreijährige Mädchen hat einen bösartigen Hirntumor und wird mit Chemotherapie behandelt. Oder der zehnjährige Roman. Der Bub hat einen gutartigen, aber sehr ausgedehnten Tumor, der lebenswichtige Organe bedrängt. Er muss operiert werden, das war schon im Spital in der Ukraine klar.

Die Krankheitsgeschichte der sieben ukrainischen Kinder ist gleichzeitig auch die Geschichte einer Flucht aus dem Kriegsgebiet. «Wir Kinderonkologen sind sehr gut vernetzt und arbeiten international zusammen, sagt Ärztin Jeanette Greiner. Das ist auch wichtig, denn im Zusammenhang mit dem Krieg sind inzwischen über 60 krebskranke Kinder in die Schweiz gekommen. Die sieben Mädchen und Buben am Ostschweizer Kinderspital sind zwischen zweieinhalb und neunzehn Jahre alt.

Um krebskranke Kinder so schnell wie möglich aus dem Krisengebiet zu holen, haben sich Krebs- und Kinderorganisationen verschiedener Länder zusammengeschlossen. Die meisten Kinder werden mit Hilfskonvois aus der Ukraine gebracht, andere flüchten gemeinsam mit ihren Familien – meist nach Polen. Von dort aus werden sie auf Kinderkrebskliniken in ganz Europa verteilt. Der Gesundheitszustand der Kinder sei sehr unterschiedlich, sagt Jeanette Greiner. Einige könnten ambulant betreut werden, andere müssten stationär aufgenommen werden. Auf die Frage, wie sie sich mit den Kindern und Müttern verständige, antwortet die Ärztin: «Einige können Englisch und sonst helfen Hände und Füsse.»

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Ein informatives Gespräch mit Eva Bergsträsser, Leiterin des Palliative-Care-Teams am Universitäts-Kinderspital Zürich, veröffentlichte die NZZ. Im Gespräch geht es unter anderem um die Frage, wie Kinder mit dem Thema Tod und der eigenen Sterblichkeit umgehen. «Kinder können das nahe Ende spüren», sagt Eva Bergsträsser. Aber ihre kleinen Patientinnen und Patienten seien teils nicht in der Lage, verbal zu kommunizieren. Und sie wollen ihre Eltern schützen. Ab und zu äussert sich doch eines. «Ein Kind sagte, es müsse zwei Koffer packen. Den einen nehme es auf seine Reise mit, den anderen lasse es zu Hause, damit es nicht vergessen werde», erinnert sich die Ärztin.

Sind Kinder unheilbar krank, ist die ganze Familie betroffen. Hier hilft das Palliative-Care-Team am Universitäts-Kinderspital Zürich. Auf allen Spitalabteilungen ist das Team unterwegs, macht Hausbesuche und unterstützt die Familien auch nach dem Tod ihrer Tochter oder ihres Sohnes. Die Beratung der Familien ist wichtig. Die Lebensqualität des Kindes soll so hoch wie möglich sein. Dazu gehöre es auch, letzte Wünsche zu erfüllen. So sagten Eltern, deren Kind das Spital monatelang nicht verlassen konnte, dass ihre Tochter sich immer einen Besuch im Europapark gewünscht habe. «Wir fanden: warum eigentlich nicht?», sagt Eva Bergsträsser. Das Team fragte sich, was es für den Ausflug brauchte und schickte eine Fachperson mit. Für die ganze Familie war es ein grossartiges Erlebnis. «Ein erfüllender Moment ist unbezahlbar und unersetzbar», sagt die Ärztin rückblickend.

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Nach diversen Diskussionen rund um die Sterbebegleitung hat der Zürcher Kantonsrat entschieden, dass Begleiteter Suizid in Pflegeheimen im Kanton Zürich erlaubt sein soll. Rund ein Viertel aller Heime gewähren derzeit Sterbehilfeorganisationen keinen Einlass.

Die Diskussion im Kantonsrat wurde sehr emotional geführt – es gab rund 40 Wortmeldungen. Viele berichteten von eigenen Erfahrungen mit Angehörigen oder mit Menschen im beruflichen Umfeld. Von Menschen, die sterben wollten, aber nicht mit Sterbehilfe gehen konnten - oder sich in ein anderes Heim überweisen lassen mussten. Denn bisher waren Pflegeheime nicht verpflichtet, Organisationen wie Exit Zugang zu ihrer Institution zu gewähren. Das wollten SP, GLP und Grüne ändern. Mit 92 zu 76 Stimmen wurde die Änderung schliesslich beschlossen.

Als Geschäftsführer eines Pflegeheimes lehne er diese Änderung ab», sagte ein Votant. Der assistierte Suizid sei zwar immer wieder ein Thema. Hintergrund sei in erster Linie die Angst vor Schmerzen. Wenn man den Betroffenen von den vorhandenen Angeboten, etwa der Palliative Care berichte, dann sei der begleitete Suizid schnell kein Thema mehr.

Trotz solcher Voten entschied der Kantonsrat, Sterbehilfeorganisationen in allen Pflegeheimen im Kanton Zürich Zugang zu gewähren – so wie es in der Stadt Zürich bereits der Fall ist. Knapp war das Resultat – und wahrscheinlich noch nicht in Stein gemeisselt. Ein Parlamentarier kündete an, die neuen Bestimmungen per Referendum vors Volk zu bringen.




palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner