palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Medienschau November 2015

Medienschau November 2015

Weitere Infos

Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen im vergangenen Monat. (Bild: palliative zh+sh)

Portrait

Weitere Infos zum Thema

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

11. Dezember 2015 / Medien
Die Abschlussdebatte im deutschen Bundestag über das Lebensende, das Sterben und den Tod ging Anfang November über die Bühne. Sie hatte zuvor die Diskussionen nicht nur in deutschen, sondern auch in Schweizer Medien befeuert. Das Schweizer Fernsehen widmet der Palliativmedizin eine ganze Gesundheitssendung. «Puls vor Ort» begleitet zwei Menschen, die palliativ behandelt werden: Eine 73-Jährige, die an Darmkrebs leidet, und einen 74-Jährigen, der die Lungenkrankheit COPD hat. Die Frau lebt zu Beginn noch zuhause, betreut von der Onko-Spitex, und meistert den täglichen Gang zum Briefkasten. Sie sorgt sich zwar, wie es sein wird, wenn sie nicht mehr aufstehen kann, findet sich nach dem Eintritt in die Palliativstation aber damit ab. Sie fühle sich umsorgt. Drei Wochen darauf stirbt sie. Der Mann tut sich schwerer mit dem Übertritt vom Spital in ein Sterbehospiz. Als es ihm dort merklich besser geht, will er wieder nach Hause. Er habe nicht im Sinn, zu sterben. Er organisiert die Heimfahrt selbst. Das Hospizbett wird ihm zwei Tage freigehalten. Bereits am nächsten Tag tritt er in schlechtem Zustand wieder ein. Kurze Zeit später stirbt er. Das Fernsehteam begleitet unter anderem auch das mobile Palliative Care Team aus dem Zürcher Oberland bei Hausbesuchen. Man sieht wie Palliativmediziner Andreas Weber und eine Pflegefachfrau Angehörige instruieren, wie sie ein Schmerzmittel spritzen müssen. Die Krebspatientin sagt, das Gespräch mit den Fachleuten habe ihr geholfen. «Das Wissen, was auf einen zukommen kann, tut gut. Es hilft, die Szenarien zu besprechen. Sonst fällt man in ein schwarzes Loch.» Die Behandlung und Beratung von Palliativpatienten zuhause sei längerfristig nur möglich, wenn kostendeckende Tarife bezahlt werden, sagt Weber im Interview. Er ist Co-Präsident von palliative zh+sh.

***

Bevor die Abgeordneten im Bundestag über die Sterbehilfe entschieden, genehmigten sie ein Gesetz, das die Hospiz- und Palliativversorgung verbessern will. Die zeitliche Nähe der beiden Traktanden war kein Zufall, auch wenn die beiden Diskussionen getrennt erfolgten: Das Palliativgesetz «steht in der öffentlichen Diskussion im Windschatten der Sterbehilfe», kommentiert der «Deutschlandfunk». Auf den ersten Blick liege die Verbindung beider Themen auf der Hand: Wer im Sterben keine Linderung der Schmerzen durch Palliativmedizin erwarten dürfe, der werde den Arzt oder den privaten Verein um andere Hilfe bitten. «Tatsächlich ist das wohl medizinisches Küchenlatein. Onkologen zumindest sagen, dass sich in letzter Konsequenz diese Alternative kaum je stellt, dass kaum ein Sterbender in der Krebsstation diesen einfachen Ausweg wählen will.» (Leider ist der Kommentar nicht mehr online verfügbar.) Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagt im Bundestag: «Wir wollen Menschen überall dort gut begleiten, wo sie sterben – zu Hause, in Pflegeheimen, in Krankenhäusern, in Hospizen.» Künftig sollten Patientinnen und Patienten besser über das Angebot der Palliative Care aufgeklärt werden. Die Hospize erhalten mehr Geld. Verbessert werden soll auch die mobile Palliativpflege durch spezialisierte Teams, vor allem auf dem Land, sowie die Situation in den Pflegeheimen. Kritiker wie etwa die Deutsche Stiftung Patientenschutz sagen, die Massnahmen gingen zu wenig weit. Der grösste Teil der Sterbenden – jene in Pflegeheimen – würden weiterhin keine professionelle Begleitung erhalten. Somit öffne sich die Kluft zwischen stationären Palliativeinrichtungen wie Hospizen und Pflegeheimen noch mehr.

***

Überraschend deutlich fiel das Ergebnis der Abstimmung zur Suizidbeihilfe aus. Derjenige von vier Entwürfen, der im Vorfeld die grösste Zustimmung erfahren hatte, erhielt bereits im ersten Wahlgang mehr Stimmen als alle andern zusammen. Der Vorschlag von Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) wurde schliesslich mit 360 zu 233 Stimmen angenommen. Künftig sind in Deutschland also Sterbehilfeorganisationen wie Exit oder Dignitas verboten. Das Strafgesetzbuch enthält neu folgende Präzisierung: Wer jemand anderem «geschäftsmässig» bei der Selbsttötung hilft, kann mit einer Geld- oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren belegt werden. Der Begriff «geschäftsmässig» hatte im Vorfeld schon die Bundestagsjuristen auf den Plan gerufen. Juristisch bedeutet es nämlich: auf Wiederholung angelegt. Auch nach Annahme der Verschärfung gibt dieser Punkt weiter zu reden. Nicht klar sei, ob damit auch Ärzte, die sterbewillige Todkranke beraten und begleiten, ins Visier der Justiz gerieten. Es bleibe eine Grauzone, heisst es etwa auf «Spiegel online». «Ab wann ist das Handeln eines Arztes auf Wiederholung angelegt? Bei zwei Fällen von Sterbehilfe? Oder bei zehn?» Ärzteorganisationen zeigen sich jedoch zufrieden mit dem neuen Gesetz. Rudolf Henke, Chef des Ärzte-Verbands Marburger Bund, sagt zum Beispiel im «Deutschlandfunk», es gehöre nicht zur Palliativmedizin, «dass man vielen Patienten einen Giftbecher hinstellt, sondern zur Palliativmedizin gehört dazu, dass man Schmerzen stillt, dass man Luftnot nimmt, dass man Übelkeit und Ängste bekämpft».

***

Die Schweiz ist liberaler, was den assistierten Suizid betrifft. Deshalb reisen immer wieder Sterbewillige aus dem Ausland, zum Beispiel aus England oder Deutschland, in die Schweiz. Der sogenannte Sterbetourismus dürfte mit dem Verbot in Deutschland noch zunehmen, schreiben mehrere Schweizer Tageszeitungen. Nach dem Entscheid des Bundestages habe die Zahl der Neuanmeldungen bei Exit und Dignitas zugenommen, meldet «20 Minuten». Exit begleitet aber nur Mitglieder in den Tod, die ihren Wohnsitz in der Schweiz haben. Geschäftsführer Bernhard Sutter sagt gegenüber dem «Bund», für die Patienten in Deutschland sei dieser Entscheid dennoch sehr bedauerlich. Für Schweizer Sterbehilfeorganisationen könnten die restriktiven Bestimmungen zudem bedeuten, dass sie sich rasch strafbar machten. «Schweizer Vereine werden prüfen müssen, inwiefern sie Patienten in Deutschland überhaupt noch schriftliche Informationen zusenden […] dürfen.» Dignitas-Chef Ludwig A. Minelli kritisiert in einer schriftlichen Stellungnahme das Verbot in Deutschland. Es verstosse gegen die deutsche Verfassung wie auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Dignitas kündigte an, dagegen beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einzureichen. Nun fordern auch Schweizer Politiker von links bis rechts, dass der Suizidbeihilfe hierzulande engere Schranken gesetzt werden.

***

Im Kanton Bern gab die Sterbehilfe letzten Monat ebenfalls zu reden. Angehörige von Menschen, die mit einer Sterbehilfeorganisation aus dem Leben geschieden sind, berichten von Missständen: Die Erledigung der Formalitäten sei sehr mühsam und pietätlos gewesen. Wer sich selbst das Leben nimmt, gilt für die Behörden als aussergewöhnlicher Todesfall, der von Amtes wegen untersucht werden muss. Während es in anderen Kantonen reicht, wenn ein Bezirksarzt oder Gerichtsmediziner feststellt, dass kein Verbrechen vorliegt, besteht man im Kanton Bern darauf, dass ein Haus- oder Notfallarzt den Tod feststellen und entsprechend bescheinigen muss. Eine Angehörige erzählt, der Notfallarzt habe sich am Totenbett mit der Polizei gestritten, wie das Formular richtig auszufüllen sei. Eine andere berichtet der «Berner Zeitung», sie hätten drei Stunden auf den Arzt gewartet. Nun will die Ärztegesellschaft des Kantons Bern zusammen mit Exit eine Liste von Ärzten zusammenstellen, die bereit sind nach Sterbebegleitungen den Totenschein auszustellen.

***

Die Berner Regierung sprach sich im November dagegen aus, gesetzlich zu regeln, ob Sterbehilfe in Pflegeheimen zugelassen sein soll. Das berichtet zum Beispiel der «Bund». Der Kanton führte bei allen Alters- und Pflegeheimen sowie Spitälern eine Umfrage durch. 78 von 250 Institutionen lassen den begleiteten Freitod zu, 60 davon aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. «In Heimen, die sich auf Menschen mit Demenz-Erkrankungen spezialisiert haben, verbietet sich das Zulassen von Sterbehilfe aufgrund der Urteilsunfähigkeit der Betroffenen», schreibt die Regierung in einer Mitteilung. Im Wallis sorgte dasselbe Thema für Diskussionen. Ursula Abgottsponn setzt sich dafür ein, dass Sterbehilfeorganisationen Zugang zu Spitälern erhalten. Sie war die Lebenspartnerin von This Jenny. Der Glarner SVP-Ständerat hatte sich vor einem Jahr mit Exit das Leben genommen, weil er unheilbar an Krebs erkrankt war. Er starb im Kantonsspital Glarus. Abgottsponn sagt gegenüber dem «Walliser Boten»: «Ich weiss nicht, ob dies mit seinem Namen oder der Offenheit des Oberarztes zusammenhing.» Für Jenny wäre es beschwerlich gewesen, vom Spital zum Sterben nach Hause zu gehen. Gerade im Wallis sei die Distanz zwischen Wohnort und Krankenhaus zudem meist sehr gross, der Weg beschwerlich.

***

Wie bereitet man sich auf den Abschied vor? Indem man auf sein Leben zurückblickt. Das ZDF zeigte in seiner Reihe «37 Grad» den Dokumentarfilm «Was am Ende wirklich zählt». Er handelt von zwei Frauen, die wissen, dass sie bald sterben. Jutta (66) hat Knochenkrebs in fortgeschrittenem Stadium. Die Künstlerin und ihre Zwillingsschwester Gisela lebten in den 60er-Jahren ein wildes Party- und Künstlerleben und gingen schliesslich mit dem Hippie und Milliardärssohn Paul Getty in die USA. Jetzt, kurz vor dem Lebensende, analysiert Jutta ihr Leben und kommt zum Schluss: «Ein volles Leben muss kein erfülltes Leben sein.» Offen spricht sie zum Beispiel darüber, ihren Kindern nicht genug Zuwendung gegeben zu haben. Schwerkrank erkennt sie, was jetzt noch Bestand hat: nur die Liebe. In ihrer letzten Lebensphase zieht sie zur ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter. Kontrastiert wird dieses Schicksal mit jenem von Moni. Die 53-jährige Krebskranke erwartet den Tod innerhalb von drei Monaten. Sie hat von der Kremation bis zur Beerdigung alles bis ins letzte Detail geregelt. Sie hat sich schon früh von ihrer Familie distanziert und lebt sehr einsam. Plötzlich erhält ihre Geschichte eine überraschende Wendung. Eine Therapie schlägt unverhofft an und verschafft ihr noch etwas Zeit. Sie beschliesst, Kontakt mit ihrer Schwester aufzunehmen.

***

Zu Allerseelen bracht das Migros-Magazin eine spannende Reportage über Bestatterinnen und Bestatter aus drei verschiedenen Religionen. Der gebürtige Kosovo-Albaner Enver Fazliji ist einer von zwei muslimischen Bestattern in der Schweiz. Er hilft muslimischen Familien dabei, ihre verstorbenen Angehörigen ins Heimatland zurückzuschaffen. Da es in der Schweiz praktisch keine Friedhöfe gibt, die den muslimischen Ansprüchen genügen – Ausrichtung nach Mekka, ewige Totenruhe – wünschen die meisten die Repatriierung. Das bedeutet Stress, denn die muslimischen Toten sollten innerhalb von 48 Stunden unter der Erde sein. Fazliji wäscht die Toten zusammen mit den Angehörigen in einer Lagerhalle nahe des Flughafens, das gehört zum Abschiedsritual. Ähnliche Rituale kennt auch das Judentum. Laut Pierre Gottheil, Bestattungsbeamter der israelitischen Cultusgemeinde Zürich berichtet von Waschungen, der ewigen Totenruhe und der Ausrichtung des Grabes nach Jerusalem, nicht nach Mekka, «was aber hierzulande keinen Unterschied macht, beide Städte liegen Richtung Südost», heisst es im Migros-Magazin. Zuletzt folgt ein Porträt der Schwestern Karin Koch und Doris Hochstrasser. Sie haben das Bestattungs- und Transportfirma ihres Grossvaters geerbt und daraus ein Dienstleistungsunternehmen spezialisiert auf den Tod gemacht. «Früher waren wir vor allem für die Überführung der Verstorbenen und den Sarg zuständig, heute begleiten wir die Angehörigen bei der Trauerarbeit», sagt Hochstrasser. Das liege am gesellschaftlichen Wandel.
palliative zh+sh, Sabine Arnold