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Medienschau November 2016

Medienschau November 2016

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen im vergangenen Monat. (Bild: palliative zh+sh)

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Weitere Infos zum Thema

Unter dem Titel «Medienschau» bietet palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen. Für den Ferienmonat Juli liefern wir hier eine etwas kürzere Fassung als üblich.

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden, werden die Links zu den Beiträgen deshalb in der rechten Spalte aufgelistet.

Dokumente zum Thema

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08. Dezember 2016 / Medien
Im Schweizer Elternmagazin «Fritz+Fränzi» sprachen Eva Bergsträsser und Eva Cignacco im Interview über Palliative Care bei Kindern, die Gestaltung ihres letzten Lebensabschnittes und über die Nöte der Eltern. In ihrer umfassenden Studie über die Betreuung von Kindern an ihrem Lebensende («Pelican-Studie») hatten sie festgestellt, dass der überwiegende Teil der 149 Kinder, deren Krankengeschichten sie untersucht hatten, im Spital, auf der Intensivstation verstorben sind. «Ausserdem bekamen alle Kinder in den letzten ein bis vier Lebenswochen eine sehr intensive Behandlung mit einer hohen Anzahl von Medikamenten», so Bergsträsser. Die Anzahl, nämlich bis zu 45 Medikamente am Tag, habe sie überrascht. Gesprochen wurde im Interview auch darüber, wie mit Eltern über die Unheilbarkeit einer Krankheit gesprochen werden kann. Cignacco: «Eltern wollen eine ehrliche, authentische Kommunikation.»

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Dass das Leben für Eltern mit unheilbar kranken Kindern nicht leicht ist, weiss auch die deutsche Bloggerin Mareice Kaiser. Ihre erste Tochter kam mit einer schweren Behinderung zur Welt und starb im Alter von vier Jahren. Auf ihrem Blog «Kaiserinnenreich» schrieb und schreibt sie über ihren Alltag als Mutter von zwei Töchtern mit und ohne Behinderung. Vor kurzem erschien ihr Buch «Alles inklusive». Im Porträt, das in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist, erfährt man nicht nur, wie die Journalistin und ihre Familie ihren Alltag meisterten und meistern, sondern auch, wie Kaiser um Leistungen der Krankenkasse kämpfen musste für Dinge, ohne die ihre Tochter nicht hätte leben können. Heute fragt sie sich, was mit jenen Familien passiert, die nicht kämpfen können. «Wer dem deutschen Gesundheitssystem Leistungen abtrotzen will, muss die deutsche Sprache beherrschen, über eine Menge Information verfügen und gute Nerven haben.»

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Zahlreiche Berichte im November widmeten sich der Ausstellung «Noch mal leben vor dem Tod» mit Bildern von Walter Schels in Zürich, die grossformatige Fotoporträts von Menschen vor und nach ihrem Tod zeigte. Unter anderem schrieb Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Uni Zürich, im «Bündner Tagblatt» in einem Gastkommentar über die Ausstellung: «Vor Augen geführt wird, dass auch ein von schwerer Krankheit und schmerzlichen Verlusten geprägter Lebensabend leuchtend sein kann.»

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Auf dem Internetportal «Letzte Reise» erschien ein Video-Interview mit dem Fotografen Walter Schels. Der Fotojournalist Fabian Biasio hatte ihn an der Vernissage in Zürich getroffen und ein aufschlussreiches Gespräch mit ihm geführt. Schels war bei Kriegsende neun Jahre alt. Als Kind hat er viele Bombenangriffe erlebt. «Unser Haus wurde bombardiert. Vor dem Haus lagen danach sechs Leichen von Bekannten, und ich habe sie identifiziert. Ich hatte eine grosse Angst davor, die ich ein ganzes Leben bewahrt habe.» Die Arbeit an dem Projekt habe ihm auch geholfen, die Nähe einer Leiche wieder erträglich zu machen.

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Ein sehr eindrücklicher Bericht über eine junge Betroffene einer Demenzerkrankung erschien im «Beobachter». Regula Streiff ist 56 und leidet an Alzheimer. Die Beobachter-Autorin Jessica King und der Fotograf Marco Zanoni haben sie eineinhalb Jahre lang begleitet. Entstanden ist ein einfühlsames Porträt, das schonungslos zeigt, welche Belastung eine Demenzerkrankung für eine Familie bedeuten kann – gerade wenn sie so früh im Leben vorkommt. Dennoch ist es ein hoffnungsvoller Bericht: Regula Streiff sagt, es gehe ihr gut. Sie empfindet keine Leere, keine übermässige Traurigkeit, kein Neid gegenüber «gesunden» Menschen. Die betreuende Spezialistin ist überrascht, wie zufrieden ihre Patientin ist. «Sie führt das auf den enormen Rückhalt in der Familie zurück», heisst es im Artikel. Dennoch: «Regula Streiff will die Krankheit nicht bis zum bitteren Ende durchmachen. Ihr Mann soll sie nie pflegen müssen, sie will nie seinen Namen vergessen.» Sie will die Dienste von Exit in Anspruch nehmen. Ihr Mann versteht das, aber er sagt: «Du darfst das ja nicht machen, weil du das Gefühl hast, dass du uns zur Last fällst.»

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Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF brachte mehrere Berichte zum Thema Demenz. In der Radiosendung «Treffpunkt» waren ein betroffenes Ehepaar sowie die Expertin Irene Bopp-Kistler zu Gast. Sie sprachen darüber, wie eine Demenzerkrankung sich bemerkbar macht, wie es zur Diagnose kommt und über verschiedene Stadien der Demenz. Sehr verständlich erklärt Bopp-Kistler, welche Anzeichen hellhörig machen sollten und wann Vergesslichkeit einfach nur normal ist. Die Betroffenen sprechen über ihren Umgang mit der Erkrankung des Mannes im noch frühen Stadium, wie die beiden weiterhin Dinge unternehmen und auf Reisen gehen. Bopp-Kistler sagt denn auch, das Ziel müsse ein «sinnerfülltes Leben trotz Demenz» sein.

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Wie man über die Demenz sprechen kann, darüber sprach Irene Bopp-Kistler in der Radiosendung «Ratgeber». Sie sagt: «Meine Erfahrung ist: Sobald offen über Demenz geredet wird, bekommt das Schreckgespenst einen Namen und das nimmt den Schrecken. Weil man mit dem Schrecken nicht mehr allein ist, sondern ihn teilen kann.» Sie rät dementsprechend dazu, so früh wie möglich über das Thema zu sprechen – auch wenn ein Verdacht besteht. Die Klarheit einer Diagnose könne Konflikte verhindern. «Je früher die ganze Familie weiss, was los ist, desto besser kann man Stress vermeiden.» Wichtig sei, den Patienten oder die Patientin miteinzubeziehen und nicht über die betroffene Person zu sprechen, sondern mit ihr.

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Die Fernsehsendung «Schweiz Aktuell» berichtete über Angebote in der Tagesbetreuung von Demenzkranken. Die Leiterin einer Organisation in Luzern sagt, oft würden Betroffene zu spät in externe Betreuung gegeben. Nämlich erst dann, wenn pflegende Angehörige bereits komplett überlastet seien. Ein interessantes Konzept aus derselben Region kam ebenfalls zur Sprache: Freiwillige empfangen Demenzkranke tageweise bei sich zuhause. Betroffene mit einer frühen Demenz nehmen das Angebot in Anspruch. Die Freiwilligen werden nicht entlöhnt, aber für die Unkosten entschädigt. Die Sendung zeigt ein wunderbares Beispiel eines älteren Ehepaars, das die Betroffenen gerne bei sich betreut und ihr eigenes Haus so belebt. Noch bräuchte es aber mehr Freiwillige und grössere Bekanntheit für das Angebot.

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Die unentgeltlich geleistete Betreuungsarbeit war auch ein Thema in der «Schweiz am Sonntag». Sie schreibt: «Ohne ihren Einsatz würde das Schweizer Gesundheitswesen kollabieren: Die Ehefrau, welche ihren Partner pflegt, die Tochter, die für den Vater einkauft, oder die Mutter, die sich um ihr Kind mit Downsyndrom kümmert.» Eine Untersuchung im Auftrag der Spitex Schweiz zeigte, dass die von pflegenden Angehörigen erbrachten Leistungen einem Aufwand von 3,5 Milliarden Franken pro Jahr entsprechen. Die Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello fordert mehr Unterstützung für die pflegenden Angehörigen. In der Gemeinde Bassersdorf überlegt sich der Gemeinderat nun, die Angehörigen finanziell zu unterstützen, wie das in anderen Gemeinden teilweise bereits der Fall ist, mit 15 bis 30 Franken pro Tag. Es geht dabei um «finanzielle Anreize». Auch der Bundesrat bearbeitet das Thema: Anfang 2017 will er einen Bericht präsentieren zu Themen wie Entlöhnung oder Vereinbarkeit von Beruf und «informeller Hilfe».

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Von einem Phänomen einer ganz anderen Art, das aber ebenfalls mit Geld zu tun hat, handelt ein Beitrag von Peter Wise in der NZZ am Sonntag. Wise arbeitete in London als Spitalarzt und Ausbilder und war daneben im Vorstand des Clinical Research Ethics Committee der Royal College of General Practitioners. Er schreibt, die hohen Kosten für Krebsmedikamente seien nicht vertretbar und stünden in keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen.
«Wir fordern zu viel – sowohl vom Leben als auch von der Medizin – und mit Sicherheit mehr, als wir rechtfertigen und uns leisten können.»
Peter Wise (NZZaS)

Wise kritisiert die potenziellen Interessenkonflikte von Onkologen, die mit Pharmafirmen verbandelt seien – auch wenn nicht in jedem Fall Geld fliesse. Viele wenig wirksame Medikamente würden verschrieben, trotz der Unvorhersehbarkeit einer Krebserkrankung. Wise spricht von einem «teuren, ineffizienten und unethischen Evaluationssystem» für die Zulassung von Medikamenten und sieht keine Besserung der Situation, da Krebs auch für die Staaten «ein gutes Geschäft» sei. Viele Onkologen, so Wise, würden darauf geschult, Patientinnen und Patienten mit unrealistischen Hoffnungen medikamentös zu behandeln. «Wir fordern zu viel – sowohl vom Leben als auch von der Medizin – und mit Sicherheit mehr, als wir rechtfertigen und uns leisten können.» Ethik und Gesetz verdienten mehr Respekt durch alle Akteure im sogenannten medizinindustriellen Komplex. «Doch dieser Komplex ist gegenwärtig so reich, so mächtig und so unbeugsam, dass ein solcher Respekt nichts als ein Traum ist.»

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In der Schweiz blies Annina Hess-Cabalzar sozusagen ins selbe Horn. In der Fernsehsendung «Club» mit dem Titel «Ich, der ohnmächtige Patient?» kritisierte die Psychotherapeutin und Mitbegründerin der «Akademie Menschenmedizin» das Medizinsystem. Im Online-Interview mit SRF sagt sie: «Das dem heutigen politischen Vorgehen zugrunde liegende Menschenbild muss hinterfragt werden, damit Solidarität, Vernetzung und Kooperation nicht zu leeren Worthülsen verkommen.» Sie findet, der Markt mit Wettbewerb im Gesundheitswesen führe dazu, dass alle das Meiste rausholen wollen – Ärzte, Patientinnen oder Spital. Auch Patientinnen und Patienten könnten dazu beitragen, die Gesundheitskosten nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Nämlich, indem sie «das Gesundheitswesen mit seinen Angeboten nicht mit einem Selbstbedienungsladen verwechseln». Wichtig sei bei jedem Entscheid eine «transparente, unabhängige Information über Nutzen und Risiken einer Behandlung sowie über Alternativen». Fortschrittlich und teuer sei nicht immer auch das Beste.

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In der Region Zürich sorgte ein Artikel der Zürcher Regionalzeitungen ZRZ für Aufregung, in dem über das «Gemeindeforum» berichtet wurde. Am Forum gingen Vertreter_innen von Gemeinden und Kanton der Frage nach, was gegen die steigenden Pflegekosten unternommen werden und wie der Pflegebedarf im Kanton gedeckt werden kann. Die Zürcher Gemeinden erwarten vom Kanton finanzielle Unterstützung. «Konkret sind es die Restkosten der Pflegefinanzierung, die an ihnen hängen bleiben», heisst es im Artikel des «Landboten». Die Restkosten steigen stetig, während der Anteil der Krankenkassen fix ist und die Beiträge der Heimbewohnenden plafoniert sind. Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger findet, die Gemeinden sollten mit Heimen oder Spitex-Organisationen über die Höhe der Beiträge verhandeln. Das vom Kanton berechnete «Normdefizit» sei nämlich nur eine Obergrenze. Wo die Leistungserbringer real tiefere Kosten hätten, müssten die Gemeinden auch nur diese bezahlen. Die Vertreter der Gemeinden sehen hier jedoch wenig Spielraum. Der Präsident des Gemeindepräsidentenverbandes Jörg Kündig sagte: «Da gibt es nichts zu verhandeln.» Erst wenn ein echter Markt bestehe, könnten die Gemeinden verhandeln.

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Über die Möglichkeiten der Palliative Care erschien online auf «Spektrum Wissen» ein ausführlicher Beitrag. Christoph Ostgathe, Leiter der palliativmedizinischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen sagt im Beitrag, Schmerzen könne die Palliativmedizin inzwischen sehr gut in den Griff bekommen. «Der Schmerz ist auch nicht unser Hauptproblem – die psychische Dimension, etwa Todesangst, Depression, aber auch geistige Verwirrtheit, stellt uns vor viel grössere Herausforderungen.» Auch darauf könne die Linderung von Schmerzen positive Auswirkungen haben. Dennoch müsse unbedingt noch weiter erforscht werden, «wer wann was braucht – und wie die Patienten das bekommen».

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Gian Domenico Borasio erläuterte im Interview mit der «Frankfurter Rundschau» den Ansatz der Palliative Care und brachte dazu konkrete, verständliche Beispiele. Er erklärte, dass viele wohlgemeinte Massnahmen, die die Patientinnen und Patienten stark belasten, «flächendeckend» angewandt werden. In den meisten Fällen, so Borasio, sei es am besten, wenn die natürlichen Prozesse, die am Ende eines Lebens ablaufen, «nicht durch ärztliche Eingriffe unnötig gestört werden». Entsprechend wünscht er sich von Ärztinnen und Ärzten im Hinblick auf die letzte Lebensphase vor allem drei Dinge: «Mut, Demut und Achtsamkeit».

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«Der Tod lässt sich nicht relativieren, auch nicht durch Antizipation, das liegt in seiner Natur.»
Christina Rietz (Zeit Online)

Ein Plädoyer gegen das «in Mode gekommene Memento mori» führte Christina Rietz in der Online-Ausgabe der «Zeit». Die frühzeitige Beschäftigung mit dem Prozess des Sterbens, so Rietz, solle angeblich den Schrecken vor selbigem nehmen können. «Es gibt allerdings einen Grund für diesen Schrecken: Sterben ist schrecklich. Es ist die radikalste Infragestellung des selbstbestimmten Subjekts, die Entlarvung der eigenen Freiheit als Illusion.» Rietz findet, die Auseinandersetzung mit dem Tod mache ihn weder erträglicher noch schöner oder schmerzloser. «Er lässt sich nicht relativieren, auch nicht durch Antizipation, das liegt in seiner Natur.» Deshalb sei Verdrängung eine «logische und gesunde Reaktion». Rietz versteigt sich gar zur Behauptung, die Verdrängung müsse «evolutionsbiologisch sogar sinnvoll sein, sonst hätte sie sich nicht flächendeckend durchgesetzt.» Sie relativiert zum Ende: «Das hiesst keinesfalls, dass man Kranken und Sterbenden nicht zu Hilfe eilen sollte, wo man muss.» Trost spenden sei das zivilisatorische Minimum, ohne das es nicht gehe. «Man darf nur nicht erwarten, dass das Verharren vor Krankenbetten oder offenen Gräbern irgendeinen Schrecken nähme oder man sich jemals daran gewöhnte.»
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