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Medienschau November 2017

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Unter dem Titel «Medienschau» bietet palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen.

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zum Thema» aufgelistet.

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16. Dezember 2017 / Medien
Viel zu reden und zu schreiben gab im November die Publikation der Forschungsergebnisse des NFP67, dem fünfjährigen Nationalen Forschungsprogramm mit dem Titel «Lebensende». Die NZZ titelte dazu: «Die Bedürfnisse von Sterbenden sollen besser berücksichtigt werden». Die zentrale Erkenntnis aus dem Forschungsprogramm mit 33 Einzelprojekten sei nämlich, dass dies bisher zu wenig gemacht werde. «Das gilt vor allem für Spitäler und Pflegeheime, wo in der Schweiz die meisten Menschen sterben.» Das offene Gespräch mit den Sterbenden und deren Angehörigen sei zwar gewünscht, finde jedoch nur unregelmässig statt, heisst es im Schlussbericht. Der Forschungsleiter Markus Zimmermann von der Universität Freiburg wird zitiert: «Das Gespräch ist unabdingbar.» Ausserdem müsse Palliative Care in der Schweiz stärker etabliert werden.

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Diese wichtige Erkenntnis aus dem NFP67 stellte auch die «Tagesschau am Mittag» von Schweizer Fernsehen SRF in den Mittelpunkt ihres Berichtes. Der Forschungsleiter Markus Zimmermann sagte in der Sendung vom 21.11.: «Ein ganz grosses Problem besteht in der mangelnden Koordination», beispielsweise bei Verlegungen innerhalb eines Spitals. «Das heisst, es braucht eine stärkere Koordination und es braucht vor allem mehr Raum und Zeit, um zu sprechen.» Der Beitrag zeigte auch Einblicke in das Hospiz im Park in Arlesheim. Die dortige Palliativmedizinerin Heike Gudat sprach unter anderem über die Finanzierung von Palliative Care im stationären Bereich. «Alle sind nervös, alle sind unter Druck. Und ich glaube nicht, dass wir fünf Jahre noch so weitermachen können. Die Stiftungen erschöpfen sich.»
«Es braucht eine stärkere Koordination und es braucht vor allem mehr Raum und Zeit, um zu sprechen.»
Markus Zimmermann

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Auch die Luzerner Zeitung schrieb in ihrem Bericht über die veröffentlichten Studienergebnisse des NFP67, Palliative Care habe ein grosses Potenzial, um die Situation zu verbessern, und bezog sich damit insbesondere auf die aktuell unzureichende Vernetzung von Fachpersonen, die Sterbende betreuen. Zimmermann wurde hier mit der Aussage zitiert: «Die Bevölkerung sollte entsprechend sensibilisiert, Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte in diesem Bereich besser ausgebildet werden.»

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Der Tagesanzeiger nahm die Studienergebnisse im Zusammenhang mit Patientenverfügungen in den Fokus und titelte: «Die Illusion vom selbstbestimmten Sterben». Rechtsprofessorin Regina Aebi-Müller, die mit ihrem Forschungsteam untersucht hatte, wie Entscheide über einen Behandlungsabbruch oder -verzicht zustande kommen, sagte, die Selbstbestimmung sei am Lebensende oft nur eingeschränkt möglich und Patientenverfügungen spielten dabei praktisch keine Rolle. Denn diese seien häufig nicht rechtzeitig verfügbar und müssten interpretiert werden.

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Denselben Aspekt beleuchtete die Sendung «Puls» rund eine Woche später. Aebi-Müller führte im Beitrag aus, weshalb Patientenverfügungen in der Praxis sehr oft nicht zur Anwendung kommen. Steffen Eychmüller zeigte anhand von Beispielen wie schwierig es ist, mit einer Patientenverfügung vorzusorgen, weil sehr oft Situationen eintreten, die beim Ausfüllen einer Verfügung so schlicht nicht vorhersehbar sind. Dass Verfügungen oft nicht befolgt werden habe nicht zu bedeuten, dass Ärzte sich dem Patientenwillen widersetzen wollten, betonte Aebi-Müller. Sondern es zeige, dass Mediziner_innen in der Praxis situativ auf die Betroffenen einzugehen versuchen. Im Studio sagte Thomas Kissling, Hausarzt bei «Puls», er sei trotzdem nach wie vor ein Befürworter von Patientenverfügungen, weil sie dabei helfen, dass Nahestehende wissen, was dem oder der Betroffenen letztlich wichtig ist.

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«Das Engagement pflegender Angehöriger ist hoch, findet aber oft unter prekären Bedingungen statt.»
Markus Zimmermann

Das Portal Swissinfo.ch (SWI) betonte noch einmal einen anderen Aspekt bei der Berichterstattung über die NFP67-Ergebnisse: Die Herausforderungen für pflegende Angehörige. «Das Engagement pflegender Angehöriger ist hoch, findet aber oft unter prekären Bedingungen statt», sagte Forschungsleiter Zimmermann und sprach auch von der Rolle der Arbeitgebenden. «Pflegende Angehörige lassen sich häufig selbst krankschreiben, um zu Hause bleiben zu können.» Man müsse daher überlegen, ob es nicht etwas Ähnliches wie einen Mutterschaftsurlaub für Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, geben sollte.

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Zu reden gaben schon vor dem Ende des NFP67 Studienergebnisse, wonach die tiefe Sedierung immer öfter zur Anwendung kommt. Der «Blick» nahm dieses Thema nun noch einmal auf und schrieb, im «Klartext» heisse dieses Studienergebnis: «Wenn der Arzt stark beruhigende Medikamente verabreicht, kommt es vor, dass die Behandlung und nicht die Krankheit zum Tod des Patienten führt. Das ist aktive Sterbehilfe – und illegal.» Gerade im Zusammenhang mit der Zunahme dieser Massnahme berge dieses Ergebnis «besondere Sprengkraft». Obwohl die Ergebnisse, die aus einer Umfrage gewonnen wurden, teilweise infrage gestellt werden, gebe es Klärungsbedarf, wie auch Roland Kunz, Chefarzt am Zürcher Stadtspital Waid betone. «Die Tatsache, dass auf Palliativstationen die Sedierungsrate deutlich tiefer liegt als in der Erhebung, weckt den Verdacht, dass die Sedierung teilweise angewandt wird anstelle einer kompetenten palliativmedizinischen Betreuung.» Auch Steffen Eychmüller, Palliativmediziner am Berner Inselspital, sieht einen Zusammenhang zwischen wenig Personal und einer hohen Sedierungsrate.

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Über die Praxis der «aktiven Sterbehilfe» durch Ärztinnen und Ärzte berichtete auch das Wissenschaftsmagazin von Radio SRF2 Kultur. Der Bericht zeichnet ein etwas differenzierteres Bild und machte deutlich, dass es tatsächlich Fälle aktiver Sterbehilfe gibt, es sich dabei jedoch um Extremsituationen handelt, in denen die Absicht nicht das Herbeiführen des Todes ist. Allerdings, so Georg Bosshard von der Universität Zürich gegenüber dem Wissenschaftsmagazin, wurde bisher darüber schlicht nicht gesprochen.

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Die Sendung «Rendez-Vous» von Radio SRF4 News nahm sich dem Thema Umgang mit Sterben und Tod ebenfalls an – aus Anlass der Publikation von neu überarbeiteten Richtlinien der SAMW zu ebendiesem Thema. Die Richtlinien gingen wenige Tage vor der Publikation der NFP67-Ergebnisse in die Vernehmlassung. Um den Umgang von Ärztinnen und Ärzten mit Sterbenden zu veranschaulichen, brachte die das «Rendez-Vous» eine Reportage aus dem Palliativzentrum des Inselspitals Bern.
«Wenn man will, dann hat man auch Zeit, mit den Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen über das Sterben zu reden.»
Roland Kunz
Am Ende der Sendung war Palliativmediziner Roland Kunz im «Tagesgespräch» zu Gast. Die neuen SAMW-Richtlinien betonen insbesondere die Wichtigkeit von Gesprächen über das Lebensende zwischen Ärztin oder Arzt und Patient_in. Dazu sagte Kunz im Gespräch: «Ich glaube, je konkreter man über den Tod spricht, desto eher verliert er den Schrecken.» Das heisse auch, genau nachzufragen, wovor eine Person konkret Angst hat. Für alle Betroffenen könne es sehr entlastend sein, wenn man «dem Elefanten im Zimmer einen Namen gibt und nicht über ‘die Krankheit’ spricht, sondern über ‘den Krebs’, ‘das Sterben’, ‘den Tod’». Auf die Frage, wie diese Empfehlung in den neuen Richtlinien mit dem Alltag von Ärztinnen und Ärzten vereinbar sei, sagte Kunz: «Man muss Prioritäten setzen im Spitalalltag.» Wenn man wolle, dann habe man auch Zeit, mit den Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen über das Sterben zu reden. Thematisiert wurden im «Tagesgespräch» unter anderem auch weitere Aspekte der Gesprächsführung, die Entscheidungsfindung und die damit einhergehende grössere Eigenverantwortung von Patientinnen und Patienten, der Umgang mit Sterbewünschen und die Rolle der Politik.

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Die überarbeiteten Richtlinien der SAMW zum Umgang mit Sterben und Tod wurden von vielen weiteren Medien aufgenommen. So beispielsweise vom Tagesanzeiger. «Künftig werden die Ärzte weniger alleingelassen bei ihrer Entscheidung, ob sie suizidwillige Patienten unterstützen wollen: Die SAMW listet differenziert auf, in welchen Fällen sie ärztliche Suizidhilfe für vertretbar hält», schrieb die Zeitung. Mit diesen Anpassungen lockere die SAMW die Richtlinien bezüglich Sterbehilfe zum zweiten Mal nach 2004 «und befreit die Ärzte aus einem berufsethischen Dilemma».
«Künftig werden die Ärzte weniger alleingelassen bei ihrer Entscheidung, ob sie suizidwillige Patienten unterstützen wollen.»
Tagesanzeiger

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Einige Tage vor der Veröffentlichung der SAMW-Richtlinien, die sich jetzt in der Vernehmlassung befinden, brachte der Tagesanzeiger das Thema Suizidbeihilfe aus einem ganz anderen Blickwinkel zur Sprache. Der Bericht von Hannes Weber dokumentierte ein Gespräch über das Sterben zwischen ihm und fünf Bewohnenden des Zürcher Alterszentrums Laubegg (alles Mitglieder des Bewohnerrats). Es ist ein schönes Gespräch, dem man als Leser_in beiwohnen kann, und die Absicht der Redaktion, für einmal nicht «Ethiker oder Journalisten» zum Thema zu Wort kommen zu lassen, ist wichtig und ein guter Ansatz. Doch natürlich ist es schwierig, Menschen zu einem solchen Gespräch einzuladen, die sich nicht nur ernsthaft und intensiv über die Option der Suizidbeihilfe Gedanken gemacht haben, sondern diese Gedanken auch noch teilen und differenziert öffentlich darlegen mögen. Die Gesprächsteilnehmenden in diesem Beitrag reden ansatzweise über das Sterben, aber nicht vertieft über Suizidbeihilfe. Der Beitrag kommt darum eher wie ein Plauderstündchen daher denn wie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema; er liefert wenig Fundiertes, das die Diskussion um die Suizidbeihilfe weiterbringen könnte. Der Bericht wird dem Thema letztlich nicht gerecht. Lesenswert ist er gleichwohl für alle, die interessiert sind an kleinen Einblicken in das Leben von interessierten und engagierten Menschen in einem Alterszentrum.

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In Zukunft werde es immer mehr Mediziner_innen geben, die über Palliative Care Bescheid wissen. Palliativmediziner Roland Kunz zeigt sich in einem Interview mit dem Magazin «Visit» von Pro Senctute zuversichtlich: «Die angehenden Mediziner sind heute kritisch genug, um zu sehen, dass es Palliative Care als Ergänzung zu den stets wachsenden neuen Behandlungsmöglichkeiten braucht.» Sein Kurs an der Uni Zürich sei immer schnell ausgebucht. Auch in diesem Beitrag wurde das Gespräch zwischen Ärztin und Patient über das Sterben thematisiert. «Meine Erfahrung ist, wenn man mit den Patienten spricht und ihnen die Wahrheit nicht verschweigt, so bedanken sie sich nachher häufig. Denn die Menschen realisieren ja oft selber, dass es ihnen schlechter geht, sie spüren das nahende Ende. Wenn der Arzt ihnen dann immer noch Honig um den Mund schmiert, hilft das niemandem, auch den Angehörigen nicht.» Häufig hätten die Patienten den Wunsch, mit ihren Angehörigen über das Ende zu sprechen.

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Die Fachzeitschrift von Curaviva widmete im November die gesamte Ausgabe dem Thema Sterben. Heute sei Sterben schon fast eine Kunst, schreibt die Redaktion im Editorial, und Fachleute seien sich einig: «Es lohnt sich, frühzeitig darüber nachzudenken.» Gerade «in der heutigen Zeit, in der die Medizin das Leben verlängern, aber nicht unbedingt verbessern kann», würden Fragen nach den eigenen Wünschen immer wichtiger. Im Heft geht es deshalb in einem Interview mit dem Forscher Heinz Rüegger über Entscheidungen am Lebensende. Thematisiert werden auch das Sterben im Pflegeheim oder im Hospiz sowie die neue Komödie von Rolf Lyssy «Die letzte Pointe».

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«Schon die Debatte über Sterbehilfe ist kompliziert. Beim Sterbefasten wird es noch schwieriger, weil es auf kleine Unterschiede ankommt.»
Aargauer Zeitung

Neben Entscheidungen am Lebensende oder Suizidbeihilfe wird immer öfter auch das «Sterbefasten» in den Medien thematisiert. Die Aargauer Zeitung (AZ) berichtete im November über die «umstrittene Methode» und schrieb: «Es gibt Befürworter, die diese natürliche Todesart propagieren. Doch es gibt auch Kritiker, die vor einer Romantisierung warnen. Schon die Debatte über Sterbehilfe ist kompliziert. Beim Sterbefasten wird es noch schwieriger, weil es auf kleine Unterschiede ankommt.» Laut Albert Wettstein hänge es mit dem Begriff zusammen, dass die Methode auf Ablehnung stosse. «Es klingt nach Sterbehilfe», sagte er gegenüber der AZ. Er rate Patienten, die auf Widerstand treffen, ihren Wunsch anders zu formulieren. Die Zeitung stellte dennoch fest, dass das Sterbefasten «mehr als ein Problem der Begrifflichkeiten» sei. «Während die Befürworter beklagen, dass falsche negative Vorstellungen damit verbunden seien, sagen die Kritiker, dass falsche positive Erwartungen geweckt würden.»

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Im Winterthurer «Landboten» äusserte sich Ingrid Wener, die Co-Präsidentin des Vereins Palliative Care Winterthur-Andelfingen im Hinblick auf eine Forumtheater-Veranstaltung (pallnetz.ch berichtete) über die Notwendigkeit, über das Sterben zu reden. «Palliative Pflege kann viel mehr bewirken, wenn sie frühzeitig miteinbezogen wird. So können wir Gespräche führen und Vertrauen aufbauen.» Die Lebensqualität stehe dabei im Vordergrund, häufig gehe aber auch eine Lebensverlängerung damit einher. Wener betonte, dass Palliative Care als Ergänzung zur kurativen Pflege wahrgenommen werden müsse, und nicht als Gegensatz.
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