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Medienschau November 2019

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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12. Dezember 2019 / Medien
Hospize in der Schweiz weisen pro Patient und Tag erhebliche Fehlbeträge aus, die sie durch Spendengelder decken müssen. Bei vielen Hospizen springen deshalb die Kirchen in die Bresche und sprechen finanzielle Unterstützung zu. Im Monat November beschäftigten sich die Medien wegen Allerheiligen häufig mit dem Thema Trauer. Während der Tod sich allmählich wieder mehr ins Bewusstsein drängt, sehen sich Trauernde oft gesellschaftlichen Erwartungen ausgesetzt, wie sie zu trauern haben.
Auf eine Krebsdiagnose folgt fast unweigerlich eine Chemotherapie. Kaum ein Arzt oder eine Ärztin, die nicht automatisch eine dahingehende Behandlungsempfehlung abgeben. Ein alternatives Angebot, also das Lindern lindern, statt belastende Therapien mit starken Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen, fehlt in den meisten Fällen. Häufig liegt es am Zeitdruck, schreibt die «NZZ» in einem Porträt über eine Patientin und zwei Patienten, die sich bewusst gegen eine Therapie entschieden hatten. Sie sei in solchen Dingen eine totale Realistin, da sie nicht geheilt werden könne, wolle sie ausser Medikamenten zur Schmerzlinderung keine Therapien, wird im Artikel Frau F. zitiert, die an Gebärmutterhalskrebs erkrankt ist. «An medizinische Prognosen glaube ich sowieso nicht.» ein anderer Patient, der an Bauchspeicheldrüsenkrebs leidet, brach die Therapie ab, obwohl der erste Chemo-Zyklus erfolgreich war: Die Tumore waren nicht mehr gewachsen. Doch die Nebenwirkungen waren so stark, dass er keine Lebensfreude mehr empfand. Andreas Weber, Palliativmediziner und Belegarzt am Spital Wetzikon begegnet immer wieder Patientinnen, die onkologische Therapien bewusst ablehnen. «Man sollte als Arzt mit den Leuten das Gespräch über ihr Behandlungsziel suchen.» Man müsse sie nach ihrem Behandlungsziel fragen, was ihnen wichtig sei im Leben und wie gerne sie in der jetzigen Situation lebten. Diese Entscheide müssten individuell und ohne Zeitdruck gefällt werden. Die meisten Ärzte arbeiteten jedoch anders, auch aufgrund ihrer Ausbildung. «Sie stellen eine Diagnose und geben automatisch Behandlungs- und Therapieempfehlungen ab, bevor das Ziel in einem ausführlichen Gespräch geklärt wurde.» Häufig fehlten auch verständliche Entscheidungshilfen, die man mit den Patienten besprechen könne. «Auch eine ehrliche Aufklärung über die Nebenwirkungen einer Therapie ist wichtig.» Zum Artikel gehört auch ein Interview mit dem Zürcher Palliativmediziner Roland Kunz. Dass Therapien abgebrochen würden, sei weitaus häufiger, als dass sich Patienten von Anfang an gegen Therapien entscheiden. Kunz führt dies darauf zurück, dass die Patienten in dieser schwierigen Situation froh seien, wenn jemand die Führungsrolle übernehme. Eine Möglichkeit, die Situation zu verbessern sieht er darin, wenn die Zusammenarbeit von Spezialärzten wie Onkologen und Chirurgen mit Palliativmedizinern institutionalisiert würde.

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Mit der Gründung des «Forums Palliative Care AR Hinterland» schliesst sich die letzte Lücke im Palliativnetz von Appenzell Ausserhoden. Darin finden sich Vertreterinnen und Vertretern von Spital, Ärzteschaft, Spitex, Pro Senectute, Heimen, Kirchen, Gemeinden und Kultur und sichern so eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das grosse Netz sei nötig, da jeder Fall anders sei und nicht jeder dieselben Leistungen benötige, erklärt die Leiterin des Palliativnetzes, Annekäthi Daberkow, gegenüber dem «St. Galler Tagblatt». Sie erlebe oft, dass das Wort «Palliative Care» gewisse Ängste auslöse, die jedoch unbegründet seien. «Die Inanspruchnahme von Palliativ-Care-Leistungen muss nicht bedeuten, dass der baldige Tod bevorsteht.»

««Es ist falsch, wenn Menschen, die in einem Hospiz bestens versorgt werden könnten, aus finanzielle Nöten Leistungen der Akutmedizin beziehen.» Hans Peter Stutz, Geschäftsleiter Hospize Schweiz

«Ohne Spenden können Hospize nicht überleben», schreibt die «NZZ». Damit sie finanziell besser gestellt werden können, ist eine Gesetzesänderung nötig. Derzeit gibt es 150 Hospizbetten, bald sollen es 250 sein. Auf 100'000 hingegen beläuft sich die Anzahl Betten in Schweizer Pflegeheimen. Aufgrund dieser Nischenfunktion sind die Hospize im Krankenversicherungsgesetz noch der Langzeitpflege zugeordnet. In Zukunft sollen sie klar definiert und eigenständig finanziert werden, wie etwa in Deutschland. In einem Hospiz ist der Betreuungsaufwand mit 1,2 Vollzeitstellen pro Bett doppelt so hoch wie in einem Pflegeheim. So fehlen den Hospizen pro Patient und Tag zwischen 300 und 500 Franken. Die jährlichen Verluste von mehreren 100'000 Franken müssen über Spendengelder ausgeglichen werden. Doch sind die Kosten mit 800 bis 1300 Franken pro Tag gegenüber einem Bett in der Palliativstation eines Akutspitals gut die Hälfte tiefer. Hospize würden faktisch die Palliativstationen und damit das gesamte Gesundheitssystem entlasten, erklärt Roland Buschor, Vorstandsmitglied von Hospize Schweiz und Leiter des 2018 gegründeten Hospizes St. Gallen. Rund 250 Franken pro Tag müssen die Patientinnen und Patienten in einem Hospiz selbst berappen. Das schrecke manche davon ab, ihre letzte Lebenszeit in einem Hospiz zu verbringen, erklärt Hospize-Schweiz-Geschäftsleiter Hans Peter Stutz. «Es ist aber falsch, wenn Menschen, die in einem Hospiz bestens versorgt werden könnten, aus finanziellen Nöten Leistungen der Akutmedizin beziehen.»

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Aus der Zentralschweiz gibt es zu diesem Thema Erfreuliches zu melden. Wenn am 6. Januar das Hospiz im Luzerner Stadtteil seine ersten Patienten aufnimmt, kann es dabei auf die finanzielle Unterstützung der Luzerner Kirchen zählen. Wie die «Luzerner Zeitung» schreibt, unterstützen die Kirchen das Hospiz bis 2022 mit jährlich rund 100'000 Franken. Mit den Beiträgen wird das Hospiz eine Theologin in einem Teilzeitpensum einstellen. Hans Peter Stutz, Geschäftsleiter des Hospizes, sagt gegenüber der Zeitung, die Unterstützung der Kirchen sei grossartig. Es sei auch ein Zeichen, dass die Kirchen die Hospizarbeit als Teil ihrer DNA erkennen, nämlich die seelsorgerische Unterstützung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Betroffenen religiös seien. Stutz streicht zudem heraus, dass eine fest angestellte Seelsorgerin in einem Hospiz schweizweit einmalig sei.

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Tatsächlich wollen die Kirchen sich auch in Zukunft für kranke Menschen einsetzen. «Das Engagement der Kirche für kranke Menschen ist nicht fakultativ, sondern grundsätzlich», erklärte François-Xavier Amherdt, Professor für Pastoraltheologie und Religionspädagogik an der Universität Freiburg, anlässlich einer Tagung der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz vor Theologen, Pflegende, Ärztinnen, Freiwillige und Seelsorgerinnen. Für die Begleitung der Kranken und ihrer Angehörigen sei die ganze Gemeinschaft verantwortlich, dazu brauche es jedoch heute vermehrt die Vernetzung von Seelsorgenden, Pflegeheimen und Freiwilligen, zitiert das Online-Portal kath.ch den Professor weiter. Netzwerkarbeit brauche Zeit und Ressourcen, erklärte auch Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care der Uni Zürich, in seinem Vortrag. Dies sei der kleinste gemeinsame Nenner, auf den es sich zu einigen gelte angesichts der immensen Veränderungen im Gesundheitswesen und der Gesellschaft, lautete der Tenor der Tagung.

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Die «Sonntagszeitung» enthüllte, dass deutsche Bestatter die Asche von Verstorbenen über den Schweizer Bergen verstreuen. Flugbestattungen, nennt der im Artikel porträtierte Bestatter seine Dienstleistungen. Alle paar Monate belädt er seine Cessna mit Urnen, die er dann über der Schweiz mittels Edelstahlrohr durch das Pilotenfenster schüttet. Falls die Hinterbliebenen das wünschen, filmt er das Prozedere, das gut eine Minute dauert pro Urne. Dadurch verteilt sich die Asche über mehrere Quadratkilometer. Seit fast 15 Jahren ist der Bayer im Geschäft. Wie der Artikel enthüllt, ist er nicht der einzige Bestatter, der Flugbestattungen anbietet. Die Schweiz sei liberaler, glaubt man offenbar in unserem Nachbarland, da hier kein Friedhofszwang herrscht wie in Deutschland und die Asche zu Hause aufbewahrt oder in der Natur verstreut werden darf. Das ist allerdings ein Irrtum. Solche Bestattungen seien gestützt auf die die eidgenössische Umweltschutzgesetzgebung ganz klar nicht erlaubt und damit illegal. Georg Thomann vom Amt für Natur und Umwelt Graubünden (ANU) wusste nichts von kommerziellen Anbietern wie Kramer. Er spricht gar von «illegaler Abfallentsorgung». Auch das im Umweltschutz geltende Vorsorgeprinzip werde verletzt. Emissionen, wozu auch die ausgeschüttete Asche gehöre, seien so weit wie möglich zu begrenzen. Noch vor etwas mehr als zehn Jahren hatte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) 2008 diese Praxis noch gutgeheissen und dies auch dem Bestatter so mitgeteilt, unter der Voraussetzung, man befinde sich über unbewohntem Gebiet und es werde nicht gleich die ganze Urne abgeworfen. Heute beurteilt das Bazl die Sachlage komplett anders. Das Verstreuen von Asche aus einem Flugzeug sei gesetzlich nicht geregelt und sei damit bewilligungspflichtig. Der entsprechende Bestatter muss nun mit einer Verwarnung oder gar einer Busse rechnen.

«Weil wir viel mit der See verbunden sind, war das die einzige Alternative. Sie wollte das gerne.» Witwer einer 78-Jährigen, die auf See bestattet wurde

Erlaubt ist in Deutschland hingegen die Form der Seebestattung. Und die Zahl derer, die auf See bestattet werden wollen steigt, obwohl diese Beisetzungsmöglichkeit noch eher neu ist. In einer Reportage beleuchtet «Deutschlandfunk» die Vor- und Nachteile einer Seebestattung. «Also, für mich ist das einfach: zur See, weg – und dann hat sich das! Ich brauche mich um kein Grab und um nichts kümmern. Ich weiss, wo sie ist. Ich habe zu Hause auch Seekarten. Und weil wir eben viel mit der See verbunden sind, war das die einzige Alternative. Sie wollte das gerne», sagt der Witwer der 78-Jährigen, deren Asche an diesem Tag zehn Meilen vor Büsum der Nordsee übergeben wurde. Die Anzahl Seebestattungen in Deutschland haben sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Rund 20'000 Beisetzungen in Nord- und Ostsee gab es 2017. Damit entfällt die Grabpflege. Gleichzeitig fehlt ein Ort an Land, an dem getrauert werden kann, kritisiert die Reportage. Nicht selten würden Trauernde deswegen leiden. «Trauer braucht in der Regel einen Ort. Und da ist ein Friedhof sehr geeignet», sagt Pastor Peter Scharfenberg, der als Seelsorger manchmal Seebestattungen begleitet. Dass ein Seefahrer eine Seebestattung wünsche, sei nachvollziehbar. Oft würden sich Menschen aber auch dafür entscheiden, die keinen Bezug dazu haben, einfach nur, um den Angehörigen die Grabpflege und die damit verbundenen Kosten zu ersparen.

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Die Stiftung Eternal Spirit der Basler Sterbehelferin Erika Preisig will sich im hinteren Leimental, in der 3000-Seelen-Gemeinde Hofstetten-Flüh niederlassen. Sie will dort in einer zum Verkauf stehenden Villa ein Bed & Breakfast mit Sterbe- und Ferienzimmer für Pflegebedürftige einrichten. Dazu ist eine Umnutzung nötig, wie die «Basler Zeitung» berichtet. Der Gemeinderat hat vorsorglich Einsprache gegen dieses Vorhaben erhoben. In der Gemeinderatssitzung sei es nicht um die Sterbehilfe an und für sich gegangen, zitiert der Bericht den Gemeindepräsidenten Felix Schenker. Sondern darum, einen Fuss ins Verfahren zu halten, damit die Gemeinde die Entwicklung mitsteuern könne. Es gehe beispielsweise um Verkehrsfragen. Ein Mittel, um das Verkehrsaufkommen zu beeinflussen, sei, die Anzahl Sterbebegleitungen pro Jahr zu limitieren. Preisig will den bisherigen Standort in Liestal verlassen, da ihr Bruder in derselben Liegenschaft eine weitere Sterbehilfeorganisation gegründet hat. Inzwischen haben auch weitere Einwohner von Hofstetten-Flüh Einsprache gegen Preisigs Projekt eingereicht.

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Palliative Care von A bis Z: Dazu hat die Plattform «Hallo München» die Palliativmedizinerin Claudia Bausewein befragt, die als eine der Pionierinnen der Palliativmedizin in Deutschland gilt. In ihrem ganz persönlichen ABC verrät die 54-Jährige, wie man die verbleibende Zeit angenehmer macht, welche letzten Wünsche sie haben und warum der Tod noch immer ein grosses Tabuthema ist. Unter dem Buchstaben Q etwa verrät sie, dass sie den Mythos, es gehe auf Palliativstationen nur um Sterben, Krebs und Schmerzen, für Quatsch hält. Manche kämen Jahre vor ihrem Tod bereits auf die Station, weil es in erster Linie um Symptomlinderung einer unheilbaren Krankheit gehe. Bei S wie Schicksal sagt Bausewein, dass es jedes Jahr Schicksale gebe, die sie berührten. «Mir schiessen auch mal die Tränen in die Augen. Das ist gut so, es zeigt mir, dass ich nicht abstumpfe.»

«Bei meinen Eltern habe ich gesagt: Das kann keiner besser als ich.» Gunter Hager, Bestatter

Trauer, Sterben und Tod spielten im November zu Allerheiligen eine grosse Rolle. Die «Badischen Neuesten Nachrichten» porträtierten einen Bestatter, der das Unternehmen von seinem Vater übernommen hat und an seinen Sohn weitergeben wird. Er sei einfach hineingewachsen, fasst Gunter Hager seinen Werdegang zusammen. Er finde es gut, dass Bestatter in Deutschland mittlerweile ein Lehrberuf sei, bei dem ein Meisterabschluss nötig sei. Doch eine Voraussetzung könne man nicht lernen: Einfühlungsvermögen müsse man mitbringen. Der 58-Jährige schreckt auch nicht davor zurück, wenn es bei den Verstorbenen um Freunde oder Verwandte geht. «Bei meinen Eltern habe ich gesagt: Das kann keiner besser als ich.» Der Tod gehöre zum Leben dazu.

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Tattoos statt Trauerkleidung: Immer häufiger tragen Trauernde ihren Schmerz direkt auf der Haut. Tattoos als Zeichen der Trauer habe es schon immer gegeben, erklärt Mark Benecke, Vorsitzender des Vereins pro Tattoo gegenüber dem Nachrichtenportal «ntv». «Weil die Zahl der Tätowierten in den vergangenen Jahren so stark angestiegen ist, gibt es auch mehr Trauer-Tattoos.» Einzig die Motive hätten sich geändert. Ein Herz mit Flatterband oder eine Kerze dienten kaum mehr als Motive, stattdessen wählten die Trauernden Daten, Initialen oder Namen. Auch Porträts lassen sich manche Trauernden stechen. Die Künstlerin Stefanie Oeft-Geffarth und die Journalistin und Trauerbegleiterin Katrin Hartig haben das Phänomen genauer unter die Lupe genommen und die Wanderausstellung «Trauertattoo» konzipiert, die seit drei Jahren in Deutschland gezeigt wird. Das Phänomen lässt sich gemäss Oeft-Geffarth in allen Altersgruppen und Schichten zu beobachten. «Das Tätowieren der eigenen Haut ist natürlich eine Möglichkeit, sich zu artikulieren.» Es sei interessant, dass sich auch Leute in der Trauer tätowieren liessen, die vorher gar nichts mit Tattoos zu tun hatten, bis zur expliziten Abneigung oder Ablehnung.» Benecke ergänzt: «Wenn man etwas Existenzielles erlebt hat, traut man sich einfach mehr.»
««Da habe ich gedacht, jetzt muss ich trauern und das auch noch richtig machen.» Anna Funk, Buchautorin

«Trauer ist wie Kinderkriegen, man kann es sich nicht vorstellen, bis es soweit ist», sagt die Autorin und Moderatorin Anna Funk im Interview mit dem Nachrichtenportal «n-tv». Als ihre Mutter starb, war sie 35 – und merkte, dass es selbst in der Trauer jede Menge gesellschaftlicher Erwartungshaltungen gibt. Eine gewisse Ungeduld beispielweise, dass man über den Todesfall hinwegkommen müsse. Oder auch eine konkrete Erwartung, wie viel Zeit man mit den Sachen des Verstorbenen oder auf dem Friedhof verbringen, wie viele Tränen man weinen muss. Sie erhielt auch den Rat, «richtig» zu trauern», sonst könne die Trauer sie krank machen. «Da habe ich gedacht, jetzt muss ich trauern und das auch noch richtig machen.» Ihre Überforderung, ihre Gefühle, aber auch das, war ihr in der Trauer half, hat sie in ihrem Buch «Mama ist tot. Und jetzt?» festgehalten. Sie fand nach und nach heraus, was ihr guttat. Immer wieder habe sie aber auch versucht, die Dankbarkeit überwiegen zu lassen.

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Gibt es kindgerechte Antworten auf Fragen nach dem Tod? Wie erklärt man Kindern, was passiert, wenn die Grosseltern sterben? Das Projekt «Hospiz macht Schule» lädt Schulen zu Projektwochen ein und will Sterben und Tod enttabuisieren. Die «Neue Westfälische» besuchte eine solche Projektwoche, während der Drittklässler beispielsweise unter dem Titel «Werden und Vergehen» beobachten, wie Leben entsteht und sich verändert. Die Schüler beschäftigten sich dem Traurig sein und was ihnen dabei guttut. Auch ein Bestatter besuchte die Projektwoche und gab Einblick in seine Arbeit. Es gehe nicht darum, jemanden zu bekehren, wenn es um Sterben oder Tod gehe, sagt die Hospizkreiskoordinatorin Barbara Mengel, es gehe darum die Kinder in diesen Themen sprachfähig zu machen. In der Schweiz steht ein solches Projekt noch in den Anfängen. Wir bleiben dran.

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Krebs auf Instagram, geteilte Trauer auf Facebook: Immer mehr Menschen machen ihre Schicksale öffentlich. Auch das Elternpaar Anne und Uli Neustadt. Ihr Sohn Josef kommt nach einem Geburtsunfall mit schweren Hirnschäden und einer geringen Lebenserwartung zur Welt. Josef lebte 22 Monate. Die Vielzahl an Behandlungsunterlagen – jeder Tag wurde dokumentiert – regte die Eltern an, sein Leben zu rekonstruieren. Jeden Tag veröffentlichen sie einen Blogartikel im Internet – in Echtzeit, jeder Artikel erschien am jeweiligen Datum, der dem Behandlungstag vor ein paar Jahren entsprach. An Josefs Todestag waren über 11'000 Nutzer auf der Website, wie das Ehepaar Neustadt dem Radiosender «BR 24» erzählt. Für sie sei das Internet-Tagebuch der richtige Weg im Umgang mit dem Tod ihres Sohnes gewesen. Die vielen Nachrichten der Nutzer, manchmal auch nur Emojis als Zeichen der Anteilnahme hätten etwas sehr Tröstendes gehabt. «Wir haben uns gefühlt, nochmal mehr getragen zu werden.»
palliative zh+sh, Gabriela Meissner