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Medienschau Oktober 2019

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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08. November 2019 / Medien
Palliative Care im Strafvollzug soll ausgebaut werden. Damit beschäftigen sich derzeit die Kantone. Aber was gilt, wenn ein inhaftierter Mensch nach Sterbehilfe verlangt? Auch den Welthospiz- und Palliative-Care-Tag machten die Medien im Oktober häufig zum Thema. Manche Organisationen nutzten die Möglichkeit, auf Versorgungslücken aufmerksam zu machen. Oder auch, um aufzuzeigen, was Palliative Care alles leisten kann.
Vor zwei Jahren fand in der Schweiz der erste Kurs zu «Letzter Hilfe» statt. Inzwischen haben sich über 1'000 Personen in der ganzen Schweiz darin ausbilden lassen, was sie für ihre sterbenden Angehörigen, Freunde oder Nachbarn noch tun können. Das Interesse ist ungebrochen. Inzwischen hat die reformierte Kirche, die die Kurse in verschiedenen Kantonen koordiniert, weitere 100 Kursleitende ausgebildet. Der sechsstündige Kurs behandelt alles, was mit Sterben zu tun hat. Erlaubt sei, was der Person guttut, im Zweifelsfall mit den Sterbenden – falls überhaupt noch möglich – oder mit dem Fachpersonal darüber sprechen, lautet eine der wichtigsten Devisen der Kursleitenden . Denn: Ein richtig oder falsch gebe es nicht. Das grosse Interesse erklärt sich die Landeskirche unter anderem damit, dass da eine neue Generation dran sei, die hochbetagten Eltern hätten, und diese neue Generation sei es sich gewohnt, Wissen und Informationen selbst zu holen. Auch das «Migros Magazin war bei einem Kurs dabei. Es helfe nebst allem Wissen, wird Kursleiter und Seelsorger Matthias Fischer im Artikel zitiert, einfach da zu sein für den Menschen, ihn nicht allein zu lassen. Aber auch hier gelte es, wachsam zu bleiben – «sich selbst und dem sterbenden Menschen gegenüber». Sterben, so eine weitere Erkenntnis aus dem Kurs, sei heute wesentlich friedlicher als noch vor zehn Jahren, was vor allem mit Palliative Care zu tun habe.


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Jeder und jede wünscht sich einen angenehmen und sanften Tod. In letzter Zeit hiess es immer wieder, dass Sterbefasten einen solchen Tod ermögliche. Aber stimmt das wirklich? Eine Studie untersuchte diese Frage und wollte zudem wissen, wer sich für Sterbefasten entscheidet. Im Rahmen des Forschungsprogrammes «Forschung in der Palliative Care» befragte eine Forschendengruppe um André Fringer, Professor für Pflegewissenschaft an der der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, insgesamt 1672 Schweizer Hausärzte und leitende Pflegefachleute, von denen etwas mehr als ein Drittel bereits eine sterbefastende Person begleitet hatten. 87 Prozent dieser Personen waren älter als 70 Jahre. Mehr als zwei Drittel sind schwer krank, mehrheitlich haben sie Krebs, bei fast der Hälfte betrug die Lebenserwartung maximal vier Wochen. So gesehen war das Sterbefasten eine Abkürzung zum ohnehin nahen Tod. Schmerzen, geringe Lebensqualität, Erschöpfung, Verlust der Autonomie oder Einsamkeit wurden als häufigste Gründe genannt, um sich für Sterbefasten zu entscheiden. Insbesondere Einsamkeit war für 44 Prozent der Nichtschwererkrankten ein Grund, mit Sterbefasten zu beginnen, aber auch für knapp 40 Prozent der Krebskranken. Insgesamt beschreiben die begleitenden Fachpersonen den Tod durch Sterbefasten als würdevoll, dennoch zeigen sich auch dabei Symptome wie Übelkeit, Durst, Atemnot oder Panikattacken. Eine Sedierung wird beim Sterbefasten aber als kritisch erachtet. Es sei eine Gratwanderung, sagt Fringer im Artikel des «St. Galler Tagblatts» und bezeichnet es als «heikel, wenn eine Person nicht mehr die Möglichkeit habe, den Sterbeprozess zu reflektieren». Ob Sterbefasten tatsächlich eine sanfte Art zu sterben sei, könne man noch nicht sagen, man wisse noch viel zu wenig darüber.
«Freiwilliger Verzicht auf Essen und Trinken ist nicht als Suizid zu bewerten.» Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP)

Zum Sterbefasten beziehungsweise dem freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken (FVET) hat die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) ein Positionspapier veröffentlicht. Das Papier befasst sich ausschließlich mit der freiwilligen Entscheidung von Patienten mit lebensbedrohlichen oder lebenslimitierenden Erkrankungen, die so den Sterbeprozess einleiten wollen. Einige verzichten auf Nahrung, andere zusätzlich komplett auf Flüssigkeit, manche nehmen noch geringe Trinkmengen zu sich – auch über Art und Umfang des Verzichts entscheidet allein die Patientin oder der Patient. «Wenn ein schwerstkranker Mensch aus freiem Entschluss nicht mehr essen und trinken will, um sein Sterben zu beschleunigen, dann ist das zu respektieren.» wird Palliativmediziner und DGP-Präsident Lukas Radbruch auf der deutschen Plattform «medizin-aspekte.de» zitiert. FVET sei kein neues Phänomen und begegne insbesondere Begleitern in stationären Pflegeeinrichtungen häufig. Vor allem die Diskussion [in Deutschland] habe auch dazu geführt, dass um die Bewertung von FVET gerungen wurde. Das Positionspapier kommt zum Schluss, dass freiwilliger Verzicht auf Essen und Trinken nicht als Suizid zu bewerten sei. Wesentlich sei jedoch die Klärung, ob und in welchem Umfang weiterhin Essen und Trinken angeboten werden sollen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihren Entschluss jederzeit revidieren zu können.


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Ärzte sind bei Todesbescheinigungen oft unter Druck, insbesondere in Altersheimen stossen sie oft auf Widerstand, wie das Branchenportal «medinside» berichtet. Das Beispiel einer hochbetagten Frau, die sich bei einem Sturz das Bein gebrochen und der man keine weitere Operation zumuten wollte, sorgte bei Heimleitung und Angehörigen für grosse Kritik, als der Arzt bei der Frau nach ihrem Tod einen «nicht natürlichen Todesfall» konstatierte. Entsprechend wurde der Todesfall von Polizei untersucht. Dass Ärztinnen und Ärzten das Bescheinigen von Todesfällen in Heimen oft erschwert werde, bestätigt auch der Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Bern, Christian Jackowski. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sich Abläufe «fernab von den gesetzlichen Grundlagen eingespielt». Häufig würden leblos gefunden Heimbewohner sofort gewaschen und aufgebahrt, der Hausarzt werde erst später benachrichtigt. Weil den Ärzten oft die vorgeschriebene Leichenschau verunmöglicht werde, blieben auch beispielsweise Behandlungsfehler, Erstickungen oder absichtlich herbeigeführte Stürze unentdeckt.

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Das Glarnerland will in Sachen Sterbehospiz vorwärts machen. Während eines vierjährigen Pilotprojekts mit dem Alters- und Pflegeheim Salem in Ennenda will man Erfahrungen sammeln, bevor über eine definitive Einführung entschieden wird. Dazu sollen drei Hospizbetten angeboten werden. Dafür hat der Glarner Regierungsrat einen Kredit über 800'000 Franken beantragt, wie die «Südostschweiz» berichtet. Das Angebot während der Pilotphase umfasst drei Zimmer für Patientinnen und Patienten, Aufenthaltsräume mit Küche und ein Stationszimmer, alles durch einen separaten Eingang erschlossen. Erfahrungen würden zeigen, dass ein separater Hospiz-Eingang für die betroffenen Personen als wesentlicher Vorteil gesehen werde. Die schnelle Erreichbarkeit für die Besuche bei den schwer erkrankten Menschen trügen zur Entlastung der Angehörigen bei.
«Allumfassende Symptomkontrolle darf nicht als Wellnessangebot missverstanden werden.» Julia Maierhofer, Vizepräsidentin Verein Palliativ-Netz Liechtenstein.

Das Palliativ-Netz Liechtenstein nutzte den Welt-Hospiz- und Palliative-Care-Tag vom 12. Oktober dafür, auf die Versorgungslücken im Fürstentum aufmerksam zu machen. «Angesichts der grossen Unterschiede in den Bedürfnissen der Betroffenen, abhängig von Krankheit, Lebensphase und familiärem Umfeld, ist der Versuch, diesen gerecht zu werden, eine herausfordernde gesellschaftliche Anstrengung, der auch eine gesellschaftliche Willensbekundung vorausgehen muss», zitiert das «Liechtensteiner Vaterland» die Vizepräsidentin des Vereins Palliativ-Netz Liechtenstein, Julia Maierhofer. Viele dafür nötige Säulen würden noch fehlen, etwa eine Fachabteilung im Landesspital, ein ambulantes Angebot oder auch ein eigenes Sterbehospiz. Wo eine intensivmedizinische oder tumorspezifische Therapie medizinisch keinen Sinn mache, dürfe die allumfassende Symptomkontrolle nicht als Wellnessangebot missverstanden werden, so die Ärztin weiter. Zudem sei Palliative Care ressourcenschonend, da notfallmässige Spitalkontakte und lange stationäre Aufenthalte auf Akutstationen vermieden werden. Sie erhoffe sich einen öffentlichen Diskurs über dieses Thema.


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Auch wir von palliative zh+sh nutzten den Welt-Hospiz- und Palliative-Care-Tag für eine Medienkampagne. Gleich drei grosse regionale Zeitungen brachten auf unseren Anstoss hin Beiträge zu Palliative Care. Die «Zürichsee Zeitung» begleitete eine Pflegefachfrau von Palliaviva, einem ambulanten spezialisierten Palliative-Care-Dienst beim Besuch eines Patienten und stellte fest, wie wichtig Gespräche sind, um den Weg für mehr Lebensqualität zu ebnen. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Selbstbestimmung der Patienten gewinne dieser Aspekt der Gesundheitsversorgung immer mehr an Bedeutung. Aus der Palliative-Care-Abteilung des Kantonsspitals Winterthur berichtete «Der Landbote». Im Artikel wird eine Patientin mit der Lungenkrankheit COPD begleitet, die bewusstlos und in einem sehr schlechten Zustand in Spital gebracht wurde. Niemand auf der Palliative-Care-Abteilung, die dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen feiert, hätte erwartet, dass die Patientin sich so gut erholen würde, dass sie nun – dank eines guten Pflege- und Betreuungsnetzes - wieder nach Hause kann. Der «Zürcher Oberländer» sprach mit dem Lindauer Palliativmediziner Roland Kunz, Chefarzt für Aktutgeriatrie und Ärztlicher Leiter Zentrum für Palliative Care an den Stadtspitälern Waid und Triemli. Kunz erklärte im Gespräch, wo die Palliative Care auf Hindernisse trifft, wie junge Mediziner an das Thema herangehen und dass auch für ihn Sterbeprozesse keine Routine geworden sind. Palliative Care werde noch immer zu sehr unmittelbar mit Sterben verknüpft, bedauert Kunz. Man müsse versuchen, den Begriff neu zu prägen.
«Sterben hat nichts Romantisches, nichts Furchtbares, nichts Schreckliches», Susann Kohlschütter, Koordinatorin freiwillige Sterbebegleitung

Ebenfalls zum Welthospiz- und Palliative-Care-Tag thematisierte die «Hessische Niedersächsische Allgemeine» das Problem, Sterbebegleiter zu finden. Für Menschen, die nicht in irgendeiner Art mit dem Tod oder einer Sterbebegleitung im privaten Umfeld bereits zu tun hatten, sei es eine Hürde, zu entsprechenden Veranstaltungen zu gehen, sagt die dafür verantwortliche Koordinatorin in Kassel, Susann Kohlschütter. Viele hätten Angst vor einer Begleitung, weil ihnen dadurch auch die eigene Endlichkeit bewusst werde. «Indem sie sich damit beschäftigen, können sie die Angst davor verlieren», so Kohlschütter weiter. «Sterben hat nichts Romantisches, nichts Furchtbares, nichts Schreckliches». Zudem würden die Begleitenden auf ihre Arbeit intensiv vorbereitet. Sie gewinnt der Sterbebegleitung nicht nur traurige, sondern auch tolle Seiten ab, etwa durch die Lebensgeschichten, die man erfahre oder Freundschaften, die entstünden. Das Ehrenamt solle bunter werden, vielfältiger, wirbt ihr Verein. Weil die Hospizidee allen zugutekommen solle, müsse die Zusammensetzung der Ehrenamtlichen dies auch widerspiegeln.


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Trauer war im Oktober ein vielbeschriebenes Thema. Das «Friday Magazine» wollte von Trauerbegleiterin Barbara Lehner wissen, wie sich Trauer anfühlt und ob man beispielsweise bei einem schwerkranken Angehörigen auch «vortrauern» könne. Sie mache einen geschlechtsspezifischen Unterschied beim Trauern aus. Frauen falle es aufgrund ihrer Sozialisation leichter, über ihre Gefühle zu sprechen. Für Männer hingegen bedeute Schmerz verwundet zu sein, Trauer passe nicht zum Rollenbild vieler Männer. Es brauche oft mehr Mut, sich zu öffnen und zu erfahren, dass Trauern innerlich entlasten könne. Auch der «Tages Anzeiger» nahm sich im Hinblick auf Allerheiligen des Themas Trauer an und berichtete über den «Trauerautomaten» (Artikel kostenpflichtig). Die von Lea Hofer im Rahmen ihrer Bachelorarbeit während ihres Studiums in Style and Design an der ZHDK umgestaltete Selecta-Maschine steht seit zwei Jahren beim Eingang des Zürcher Friedhofs Sihlfeld. Ihre Absicht: Der Trauer im öffentlichen Raum wieder mehr Zeit und Platz geben, war Hofers Grundgedanke hinter der Arbeit, die sie vor zwei Jahren entwickelte. Im Angebot sind Vergissmeinnicht-Samen, Musikdosen, Wunderkerzen oder Seifenblasen. Mit der Maschine übe sie auch Kritik am Alltag, der Gesellschaft, sagt Hofer. Wir hätten uns an die permanente Verfügbarkeit der Dinge gewöhnt. Rund um die Uhr hätten solche Automaten für fast jedes Bedürfnis etwas vorrätig, sogar Schwangerschaftstests. Nur der Bereich rund um den Tod werde ausgeklammert. Ende November läuft der Vertrag mit dem Bestattungsamt aus. Möglich, dass der Trauerautomat dann an einem anderen Platz aufgestellt wird. Hofer würde einen Platz in der Innenstadt sehr begrüssen.

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«Viele Ärztinnen und Ärzte fassen den Tod geradezu als persönliche Beleidigung auf.» Matthias Gockel, Palliativmediziner
«Wir sollten lernen, über den Tod zu sprechen», sagt Palliativmediziner Matthias Gockel im Interview mit «Deutschlandfunk Kultur». Ansonsten würden wir anderen die Entscheidung überlassen, wie wir sterben. In seinem neuen Buch «Sterben. Warum wir einen neuen Umgang mit dem Tod brauchen» schreibt Gockel, dass viele Ärztinnen und Ärzte den Tod geradezu als persönliche Beleidigung auffassten: «Weil sie gut darin, Leben zu retten, halten sie es manchmal kaum aus, wenn ihnen das nicht gelingt.» Stelle der Arzt eine weitere Therapie in Aussicht, sei das Gespräch meist schnell beendet und der Patient dankbar, die Behandlung gehe weiter. Ein offenes Gespräch über den Ernst einer Erkrankung erfordere Mut, sich existenziellen Fragen zu stellen. Und benötige Zeit, die sich in den Honoraren nicht niederschlage. Hoffnung rechne sich.


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Kann man den Verlust des eigenen Kindes überwinden?, fragte die deutsche «TAZ» und interviewte dazu die Kinderhospizdienstleiterin Beate Danlowski. «Die Eltern leben irgendwie weiter, auch mit dem verstorbenen Kind», sagt die 60-jährige Sozialpädagogin mit Zusatzausbildung in Palliative Care. Manche hätten auch fünf Jahre später das Kinderzimmer noch nicht ausgeräumt, bei anderen dauere es Jahre, bis sie wieder fähig seien, Fotos anzusehen. «Es bleibt immer eine Lücke, immer eine Wunde». Danlowski vermeidet es, jemanden als sterbenskrank zu bezeichnen, viel eher spricht sie von lebensbegrenzenden Krankheiten. Die Diagnose sei erst einmal ein Schock, das System gerate völlig aus dem Takt, vor allem für die Geschwister sei dies schwer auszuhalten. Der Hospizdienst versuche, die Eltern, das Kind und die Geschwisterkinder kennenzulernen und die jeweiligen Bedürfnisse zu erfahren. Danach entscheide das Team, wie es die Familie unterstützen könne. Über ihre Arbeit sagt die Kinderhospizdienstleiterin, dass es oft sehr schwer und traurig sei. «Es tut mir weh, wenn ich sehe, ein Kind hat jetzt wieder stärkere Schmerzen.» Doch sie habe lernen müssen, damit umzugehen und mitzufühlen, aber nicht mitzuleiden.


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Im «Göttinger Tageblatt» beschreibt eine Mutter, wie sie nach dem Tod ihrer sechsjährigen Tochter Hilfe bei einer Trauerbegleiterin fand. «Sie hat sich voll auf mich eingelassen, sich ganz auf mich konzentriert. Es ging nur um mich, wie ich es schaffe, weiterzuleben, wie ich es schaffe, damit umzugehen», beschreibt sie ihre Erfahrungen. Die Gespräche mit ihrer Trauerbegleiterin hätten ihr einen Weg nach vorne geebnet. Eine wirkliche Stütze zu sein, sei ihre Motivation, sagt denn auch die Trauerbegleiterin, die selber ein Kind verloren hat. Das Dasein und Mitaushalten sei ganz wichtig, weil sich viele aus dem nahen Umfeld zurückziehen würden oder emotional selbst betroffen seien. Das bestätigt auch die Mutter. Ihr Freundeskreis habe sich komplett geändert, es gebe wirklich wenige Menschen, die sie noch immer begleiten würden. Doch es sei einfach, Trauernden zur Seite zu stehen. Einfach zuhören, auch wenn sich die Themen wiederholten, auch mitfühlendes Nachfragen helfe. Sie selbst habe ihren Freunden «bestimmt 100 Mal dasselbe erzählt. Damit ihre Tochter weiterlebe und nicht vergessen werde.


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Sterbehilfe ist weiterhin ein Dauerthema. Im Kanton Solothurn können Altersheime seit gut einem Jahr selber entscheiden, ob sie Sterbehilfeorganisationen Zutritt gewähren wollen. Wie die «Solothurner Zeitung» schreibt (Artikel kostenpflichtig), haben sich knapp die Hälfte der Institutionen dafür ausgesprochen, hängen dies jedoch nicht an die grosse Glocke. Eines der Heime, das Sterbehilfe zulässt, hat dafür seine Mitarbeitenden befragt. Das Ergebnis sei deutlich ausgefallen. Ein wichtiges Argument dafür sei die Selbstbestimmung, wird der Präsident des Heims im Artikel zitiert. Wenn sich die Bewohner für Sterbehilfe entscheiden würden, tue er das so oder so. Die Menschen sollten dort sterben können, wo sie zuletzt gelebt hätten. Das gehöre zu ihrer Würde.


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Bereits Anfang September hat in der Schweiz eine neue Freitod-Organisation unbemerkt von der Öffentlichkeit ihre Arbeit aufgenommen. In einem Sterbezimmer in Liestal hat der Verein vier Patienten aus dem Ausland das tödliche Mittel zur Verfügung gestellt. Wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet, ist die «Pegasos Swiss Association» die erste Freitod-Organisation in der Schweiz, die das «Rega-Modell» anwendet: Eine Mitgliedschaft ist für die Inanspruchnahme ihrer Dienstleistung nicht nötig, es genügt, Gönner zu sein. Präsident des Vereins ist Ruedi Habegger, Bruder der Basler Ärztin und Sterbehelferin Erika Preisig. Deren Sterbehilfeorganisation «Eternal Spirit» habe sich nicht in die von Habegger gewünschte Richtung entwickelt. Preisig verordnete einen Mitgliederstopp und erteilte vielen Sterbewilligen eine Absage. Offenbar ohne Wissen seiner Schwester baute Habegger mit Gleichgesinnten eine neue Organisation auf und mietete sich in der gleichen Liegenschaft ein, in der auch Preisig ihr Sterbezimmer betreibt. Diese sucht nun eine neue Liegenschaft, da sie der Gemeinde Liestal versprochen habe, in Liestal kein zweites Dignitas aufzubauen und nicht mehr als 80 Freitodbegleitungen pro Jahr durchzuführen.
«Die Möglichkeiten zu Palliative Care im Strafvollzug sollten ausgebaut werden.» Grundlagenpapier der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD)

Dürfen inhaftierte Personen in der Schweiz Sterbehilfe beantragen? Ja, empfiehlt das Grundlagenpapier einer Expertengruppe, das derzeit von den Kantonen diskutiert wird. Das Papier ruft in Erinnerung, dass inhaftierte Menschen dieselben Rechte und Pflichten haben wie Menschen in Freiheit. Entsprechend sei auch der Sterbewunsch eines urteilsfähigen Inhaftierten zu beachten. Für die Beurteilung eines Gesuchs sollen die gleichen Richtlinien gelten wie für Menschen in Freiheit, schreibt die «Aargauer Zeitung. Bevor auf eine Sterbehilfeorganisation im Strafvollzug zurückgegriffen werde, müsse allerdings gründlich geprüft werden, «ob sich das Leiden der sterbewilligen Person nicht beispielsweise durch angepasste Unterbringungsbedingungen, somatische oder psychotherapeutische Behandlungen oder palliative Massnahmen so weit mindern lässt, dass der oder die Betroffene von seinem/ihrem Sterbewunsch absieht», so die Experten. Die Vernehmlassung dauert bis Anfang des kommenden Jahres. Auch die «NZZ» nimmt das Thema auf und schreibt, dass der Justizvollzug auf sterbende Gefangene, insbesondere in Bezug auf die Sterbehilfe, schlecht vorbereitet sei. In diesem Bereich würden sich besondere heikle Fragen stellen – etwa ob der Zweck von Strafen unterlaufen wird, wenn sich Gefangene ihnen durch Suizid entziehen können, solange sie ihre Strafe noch nicht verbüsst haben. Sterbehilfe dürfe nur das letzte Mittel sein, zitiert der Artikel das Grundlagenpapier. Bei Schwerstkranken müssten ein Haftunterbruch oder alternative Formen des Strafvollzugs geprüft, zudem sollten die Möglichkeiten zu Palliative Care im Vollzug ausgebaut werden.

Die Links zu den einzelnen Artikeln sind oben neben dem Bild unter «Links zum Thema» zu finden. Da dort die Anzahl Links limitiert ist, sind hier noch weitere Artikel aufgeführt:

www.hna.de/kassel/welthospiztag-sterbebegleiter-zu-finden-ist-ein-problem-13108230.htmlAchtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
Welthospiztag: Susann Kohlschütter über das Problem, Sterbebegleiter zu finden. Hessische Niedersächsische Allgemeine, 12.10.2019

www.tagblatt.ch/schweiz/der-neue-weg-in-den-tod-eine-weitere-freitod-organisation-ist-entstanden-ld.1157510Achtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
Einfacher sterben: Eine neue Freitod-Organisation ist entstanden. St. Galler Tagblatt, 4.10.2019

www.solothurnerzeitung.ch/solothurn/kanton-solothurn/frage-zur-sterbehilfe-in-alters-und-pflegeheime-ist-umstritten-135889538Achtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
Knapp die Hälfte aller Altersheime im Kanton erlaubt Sterbehilfe. Solothurner Zeitung, 29.10.2019 (Artikel kostenpflichtig)

www.aargauerzeitung.ch/schweiz/sterbehilfe-soll-auch-im-gefaengnis-moeglich-sein-nach-den-gleichen-richtlinien-wie-bei-nicht-inhaftierten-135799382Achtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
Sterbehilfe soll auch im Gefängnis möglich sein – nach den gleichen Richtlinien wie bei nicht Inhaftierten. Aargauer Zeitung 14.10.2019

www.nzz.ch/schweiz/kantone-pruefen-sterbehilfe-im-gefaengnis-ld.1515526Achtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
Wenn Verbrecher sterben wollen. NZZ, 18.10.2019

palliative zh+sh, Gabriela Meissner