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Medienschau Oktober 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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08. November 2022
Wie erleben Angehörige die Arbeit der Pflegenden in einem Hospiz? Wie begegnet man jungen Männern, die sich nicht mehr bewegen können? Und ist die Arbeit in einem mobilen Palliativdienst belastend oder eher bereichernd? Diese und andere Themen lesen Sie in unserer Medienschau vom Monat Oktober.
«Oh Gott, ist es schon so weit?» Eine Frage, die Ärztin Annett Ehrentraut oft hört, wenn jemand durch die Schiebetür kommt, welche die Palliativstation von der allgemeinmedizinischen Bettenstation im Kantonsspital Baden KSB trennt. «Dabei gehen zwei Drittel der Patientinnen und Patienten nach ihrem Aufenthalt auf der Palliativstation wieder nach Hause», sagt die Palliativmedizinerin im Gespräch mit der Regionalzeitung «Rundschau Süd». Natürlich trifft es Betroffene zutiefst, wenn sie mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert werden. Da ist Hadern. Da ist Angst. Es ist die Aufgabe der Palliativmediziner, den Schwerkranken Perspektiven zu geben. «Wir zeigen die Entwicklung der Krankheit und deren Behandlungsmöglichkeiten so auf, dass sie ihr Schicksal annehmen können», erklärt Annett Ehrentraut. Danach seien die meisten Patientinnen und Patienten nicht mehr so gefangen in ihrer Wut oder Angst.

Seit 2017 leitet die gebürtige Ostdeutsche die Palliativstation am KSB und war bis vor Kurzem Co-Präsidentin von palliative aargau. «Aus meiner Sicht gewinnen die Themen rund ums Sterben und den Tod in der Gesellschaft an Präsenz und Stellenwert», sagt die 47-Jährige. «Menschen besuchen Letzte-Hilfe-Kurse, informieren sich über die Fachliteratur oder schauen auf YouTube, was passiert, wenn ein Mensch stirbt.» Und trotzdem brauche es nach wie vor viel Einsatz, um die Thematik so zu verankern, dass der Tod zum normalen Leben dazugehöre. «Ich wünsche mir vor allem von politischer Seite ein stärkeres Bekenntnis. Etwa mehr Wertschätzung für die unzähligen Freiwilligen in der Palliative Care. Oder finanzielle Unterstützung, um beispielsweise eine mobile Palliative Care aufbauen zu können.» Auch würden Palliative-Care-Patienten und -Patientinnen, die nicht im Pensionsalter sind, durch alle Raster fallen. «Sie haben kein Anrecht auf Ergänzungsleistungen. Darum braucht es in solchen Fällen eine intensive Zusammenarbeit mit der Wohngemeinde, um Lösungen zu finden.»
«Jemandes Hände ersetzen, will gelernt sein.»

Auf nichts vorbereitet, aber auf alles gefasst: Journalistin Mona Vetsch wird in der TV-Serie «Mona mittendrin» ins kalte Wasser geworfen. Und kommt dabei immer wieder mal an den Anschlag. Auch in der Sendung vom 5. Oktober weiss sie nicht, wohin die Reise führen wird und in welchem Umfeld sie die kommenden drei Tage verbringen wird. Diesmal geht es nach Zürich, das Tram hält bei der Haltestelle «Balgrist». Drei junge Männer, die in der nahen Mathilde Escher Stiftung wohnen, holen sie ab. Alle drei können sich aufgrund ihrer Muskelerkrankung kaum mehr bewegen. Mona Vetsch wird sie in den nächsten 72 Stunden motorisch unterstützen.

Kaum angekommen, wird Mona Vetsch beim Essen schon gebraucht. «Mache ich das richtig?» fragt sie, während sie das Schnitzel kleinschneidet und zum Mund führt. Jemandes Hände ersetzen, will gelernt sein. Helfen, aber nicht bevormunden. Mona Vetsch führt aus, was die jungen Männer selbst nicht mehr machen können. Es braucht beidseitiges Verständnis und Geduld. Als ihre «Bubble» bezeichnen die Bewohner die Mathilde Escher Stiftung, die zugleich ihr Daheim, Arbeits- oder Schulalltag und ihr soziales Leben ist. Und doch würden sie gerne mehr am Leben draussen teilnehmen, Teil davon sein. Hindernis dabei sei nicht nur der Rollstuhl, sondern das Vorurteil in den Köpfen der Gesellschaft, sagen sie. Sie arbeiten als Mediamatiker, sind als Queer-Aktivist oder Partyveranstalter unterwegs. Während Mona Vetsch hilft, auf Bitte hin Getränke hält und Knöpfe drückt, stellt sie fest: Trotz körperlicher Einschränkungen und stark verminderter Lebenserwartung, zeigen diese Jungs pure Lebenslust.

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Das Sterben findet in unserer Kultur versteckt statt, die Beschäftigung mit dem Tod erfolgt eher widerwillig. Lea Tanner wird als mobile Palliativpflegerin dagegen ständig mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. In einem Interview mit den «Schaffhauser Nachrichten» berichtet sie, weshalb sie sich für diese Tätigkeit entschieden hat und warum Palliative Care so wichtig ist.

Lea Tanner war 17 Jahre auf einer Intensivstation tätig, teils in leitender Position. Die Auseinandersetzung mit dem Tod war bereits dort alltäglich. Doch dann wollte die diplomierte Pflegefachfrau zurück in die Pflege, der Patientenkontakt fehlte ihr. Dieser ist heute als Fachfrau in der mobilen Palliativpflege viel intensiver, was ihr zusagt. Aber wie schafft sie es, die Balance zwischen Empathie und der Wahrung eines gewissen Abstandes zu finden? «Man muss akzeptieren, dass einen die Arbeit auch in der Freizeit begleitet», sagt die 43-Jährige, die auch Vorstandsmitglied bei der Regionalgruppe palliative-schaffhausen ist. Manchmal frage sie sich schon, wie es Herrn Müller gerade gehe und ob er wohl noch am Leben sei. Und manchmal wache sie mitten in der Nacht auf und schaue, ob das Telefon geklingelt habe. Anderseits dürfe man sich nicht von solchen Gedanken beherrschen lassen, ansonsten tue man sich und seinen Patienten keinen Gefallen.

Seit knapp fünf Jahren arbeitet Lea Tanner als Leiterin der Seop palliative der Krebsliga Schaffhausen. Kommt sie mit ihrer Arbeit manchmal auch an Grenzen? Es gebe so Ausnahmesituationen, sagt sie, und erinnert sich an einen Wochenenddienst, an dem gleich vier Patienten gestorben sind. «In so schneller Abfolge mit dem Schmerz der Angehörigen konfrontiert zu werden, war gelinde gesagt schwierig.

Das Interview gibt einen interessanten Einblick in den Alltag einer Fachfrau in der mobilen Palliativpflege. Es zeigt unter anderem auf, weshalb eine frühzeitige palliative Pflege sinnvoll ist, wie der Arbeitstag einer Palliativ-Pflegeperson aussieht und wie sich die dauernde Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens auswirkt.
«In den letzten Stunden sollte kein Mensch allein sein»

Für Monika Gantenbein und Ruth Herzog gehört das Sterben zum Leben. Sie engagieren sich im Forum Toggenburg des Vereins Palliative Ostschweiz und sind sich einig: «In den letzten Stunden sollte kein Mensch allein sein». Seit der Gründung von Palliative Ostschweiz und dem Forum Toggenburg habe sich viel verändert, sagt Monika Gantenbein Anfang Oktober gegenüber dem «Tagblatt». Dank zahlreicher Veranstaltungen und Gesprächsrunden sei die Bevölkerung offener für Gespräche zu den Themen Lebensende und Tod.

«Sterben ist kein Tabuthema mehr», fasst ihre Kollegin Ruth Herzog, ehemalige Pflegedienstleiterin des Spitals Wattwil, zusammen. Die beiden Frauen sind seit der Gründung von Palliative Ostschweiz im Palliative-Forum aktiv dabei. «Gerade im Bereich Hospiztätigkeit durften wir von Anfang an viel Wohlwollen und Wertschätzung spüren», sagt Monika Gantenbein. Aber es sei auch wichtig, dass Sterbende und deren Angehörige Unterstützung bekämen. Dies war stets das Ziel von Palliative Ostschweiz – etwa mit der 24-Stunden-Hotline, der Informationsstelle und zahlreichen Partnerorganisationen in der Region.
«In diesen Wänden herrscht ein anderer Geist»

Einen interessanten Beitrag des Kantonsspitals Aarau zum Thema Palliative Care findet man derzeit auf dem KSA-Kanal von YouTube. Im Gesprächsformat «Leben mit Krebs – im Dialog mit Betroffenen» stehen die Verantwortlichen des KSA im Dialog mit Patientinnen, Patienten und ihren Angehörigen. Diese erzählen ihre Krankheits- und Lebensgeschichten, berichten über ihre Hoffnungen und Ängste und den Umgang mit der Erkrankung. In der professionell moderierten Gesprächsrunde zum Thema Palliative Care spricht der Angehörige Fritz F. über die ausserordentliche Betreuung und Begleitung seiner unheilbar an Krebs erkrankten Frau auf der Palliativstation im Spital Zofingen. Nach einem kurzen Aufenthalt wurden der ganzen Familie nochmals zwei Jahre wertvolle Zeit und Lebensqualität ermöglicht. «Für mich hiess bis dahin Palliativstation gleich Endstation», sagt der Ehemann. Doch das änderte sich schnell. «In diesen Wänden herrscht ein anderer Geist», so beschreibt Fritz F. die Betreuung seiner Frau auf der Palliativstation. Im Dezember letzten Jahres wurde die Frau wieder in Zofingen hospitalisiert und starb kurz darauf. Von fachlicher Seite gibt in dieser Sendung Dr. med. Gaby Fuchs, Ärztliche Leiterin der Palliativstation im Spital Zofingen, in der Gesprächsrunde Einblick in ihren Alltag auf der Station.
«Es kann nicht sein, dass eine Geburt okay ist und das Sterben des Kindes zu viel kostet.

Der Verein «Mehr Leben» kämpft in Basel für ein Palliativ- und Hospizzentrum für Kinder. Auch in Zürich und Bern sind ähnliche Projekte aufgegleist. «Viele gehen davon aus, dass ein Kind gesund zur Welt kommt», sagt Sibylla Kämpf vom Vereinsvorstand «Mehr Leben». «Sie wollen es nicht wahrhaben, dass es Kinder mit lebenslimitierenden Erkrankungen und Einschränkungen gibt.» Sibylla Kämpf hat selbst eine Tochter, die in ihren ersten Lebensjahren auf intensive Betreuung angewiesen war. Mit dem Verein «Mehr Leben» setzt sie sich dafür ein, dass es in Basel künftig ein Hospizzentrum für Kinder gibt. Es soll kein reines Sterbehospiz werden, sondern ein Ort, wo Eltern ihre Kinder zur Entlastung hinbringen können. Es wäre das erste seiner Art in der Schweiz, obwohl 5000 Kinder eine lebenslimitierende Krankheit haben.

Im Spital ist der Pflegeaufwand für diese Kinder zu gross. «Es läuft zu viel im Spital-Alltag, auch wenn sich das Pflegepersonal Mühe gibt», stellt Daniela Rebmann, die selbst eine Tochter hat, die am Rett-Syndrom leidet. Das Mädchen kann nicht sprechen oder laufen und seine Hände nicht benutzen. Ausserdem wird es durch eine Magensonde ernährt. «Wir suchen immer Entlastungsmöglichkeiten», sagt die Mutter, die sich ebenfalls im Verein engagiert.

Für die betroffenen Eltern ist es unverständlich, dass es in der Schweiz noch kein Palliativ- und Hospizzentrum für Kinder gibt. Man werde vom Staat alleingelassen, sagt Daniela Rebmann. Denn Geld von Staat oder Kanton gibt es keines. Finanziert wird das Projekt von Spenden. Der Verein fordert Subventionen vom Staat. «Wir wollen ein Hospiz, das gleich verrechnet wird wie ein Geburtshaus», sagt Sibylla Kämpf. Das Leben und Sterben müsse bezahlt sein. «Es kann nicht sein, dass eine Geburt okay ist und das Sterben des Kindes zu viel kostet.»

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Palliative Care unterstütze Menschen, selbstbestimmt zu leben und selbstbestimmt zu sterben, sagt Georgette Jenelten, Leiterin des mobilen Palliativdienstes von Spitex Bern. Im Kanton Bern bestünden noch einige Lücken, hält sie im Interview mit der Redaktion von hauptstadt.be fest. «Es geht in der Palliative Care um Selbstermächtigung. Darum, die gesunden Anteile in der Krankheit zu erkennen und zu nutzen», sagt die Leiterin des Palliativdienstes. Chronisch krank zu sein bedeute, viele Verluste hinnehmen zu müssen. Wichtig sei aber zu sehen, was man noch könne. «Und darauf arbeiten wir hin.» Ob Palliative Care und Spitzenmedizin in einem Konkurrenzverhältnis stünden, möchte der Interviewer wissen. «Nein, im Gegenteil», sagt Georgette Jenelten. Das würde oft falsch verstanden. Für das Symptommanagement, zum Beispiel bei der Schmerzbekämpfung, sei die Spitzenmedizin sehr wichtig. «Palliative Care bedeutet nicht der vollständige Verzicht auf Therapien. Wenn etwa ein Lungentumor auf die Atemwege drückt, kann es gut sein, dass eine Radiotherapie den Tumor verkleinern kann – was dann die Lebensqualität erhöhen könnte.» Krankheiten könnten grausam sein, der Sterbeprozess extrem fordernd. Aber Selbstbestimmung könne man auch mit Pflege, Therapien und einer guten gesundheitlichen Vorausplanung erreichen.
«Gar nicht so traurig, eher lebendig»

Im Vorfeld zum Feiertag Allerheiligen beschäftigt sich die «Luzerner Zeitung» in einer Reportage mit dem Thema Sterben. Denn der November ist der «klassische» Sterbemonat, wie Pfarrer Andreas Haas und Schwester Mattia Fähndrich sagen. Sie beide sind im Vorstand des Vereins Hospiz Zug – Andreas Haas seit 23 Jahren für die Reformierten, Schwester Mattia seit acht Jahren für die Katholische Kirche. In diesem Jahr feiert der Verein Hospiz Zug sein 30-jähriges Bestehen. Bei diesem Hospizverein gehen Freiwillige zu sterbenden und unheilbar kranken Personen und bieten Unterstützung für die Angehörigen. Es hilft den Angehörigen sehr, dass jemand da ist und sie selbst Zeit haben, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen oder für sich etwas machen zu können. Und dann gebe es bei der Begleitung auch immer wieder heitere Momente, die man teilt. So erzählt der reformierte Pfarrer von einem Mann, welchen er gefragt habe, ob er für ihn beten dürfe. «Darauf sagte er: Ja, schaden tut es ja nicht.» Und Schwester Mattia berichtet von Angehörigen, welche feststellten, dass alles gar nicht so traurig sei – viel mehr lebendig. «Häufig kann etwas Verhärtetes geklärt werden und es kann so befreiend sein, dass es manchmal richtig heiter wird», sagt die Ordensschwester.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner