palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Medienschau September 2019

Medienschau September 2019

Weitere Infos

Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: palliative zh+sh, ei)

Portrait

Weitere Infos zum Thema

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

11. Oktober 2019 / Medien
Warum gibt es bei der freiwilligen Sterbebegleitung so wenige Männer, die sich engagieren? Warum wird Trauernden in der Gesellschaft kaum noch Zeit eingeräumt? Und ist der Tod am Ende tatsächlich eine gute Sache? Unsere Rückschau auf die Medien im September gibt Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen, gewährt einen Einblick in ein Hospiz und streicht immer wieder heraus, wie Leiden durch Palliative Care gelindert werden können.
Erst eröffnet und schon zu klein: Zwei Betten bewilligte der Schaffhauser Kantonsrat im Rahmen des Palliative-Care-Konzepts für das Sterbehospiz. Bereits vor der Eröffnung gab es acht Anmeldungen. Man habe langsam anfangen wollen, erklärte der zuständige Regierungsrat Walter Vogelsanger im Gespräch mit dem «Schaffhauser Fernsehen». Falls sich zeige, dass der Bedarf grösser sei, könne man die Diskussion im Parlament wieder aufnehmen. Für die dreijährige Pilotphase ebenfalls lanciert wurde ein Konsiliardienst um eine spezialisierte Palliativkompetenz im Kantonsspital aufzubauen, ein ambulanter mobiler Palliativ-Care-Dienst durch die Onkologiepflege (Seop) der Krebsliga Schaffhausen sowie eine Koordinationsstelle des Vereins palliative Schaffhausen für Dialog und Koordination. Insgesamt gehe es um eine Professionalisierung und Verbesserung des Angebots im Kanton Schaffhausen, so Regierungsrat Vogelsanger.

***

Demenzbetroffene leiden nicht nur an ihrer Krankheit, sondern auch daran, wie ihr Umfeld mit ihnen umgeht. Zu diesem Schluss kommt der im September erschienene World Alzheimer Report 2019. Dazu wurden knapp 70'000 Personen aus 155 Ländern befragt. Fast 70 Prozent der Betroffenen machen die Erfahrung, dass ihre Meinung nicht länger ernst genommen wird. 38 Prozent werden aufgrund ihres Gebrechens gemieden, 47 Prozent deswegen sogar verspottet. Auch in der Schweiz ist die Diskriminierung von Demenzbetroffenen allgegenwärtig, wie der «Blick» in einem Artikel schreibt. Nicht nur im privaten Umfeld. Auch Ärztinnen und Ärzte oder Pflegefachkräfte würden beispielsweise mit einem Familienmitglied über die Diagnose sprechen, statt direkt mit dem Betroffenen. In einem anderen Beispiel verschwieg das Pflegepersonal einer Patientin den Tod ihres Bruders. Schätzungsweise nur die Hälfte der Demenzerkrankten hat eine fachärztliche Diagnose. Diese jedoch wäre zentral, um diese Probleme anzugehen. «Wenn dem Umfeld klar ist, dass es sich nicht um böse Absichten, sondern um eine Krankheit handelt, steigt das Verständnis für die Situation», zitiert der Artikel den Chefarzt der Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie der UPD in Bern, Stefan Klöppel

***

80 Prozent der verwitweten Menschen in der Schweiz sind weiblich. In Zahlen sind das 320'000 Frauen, die ihren Partner verloren haben. Witwen seien eine Art Mahnmal, sagt Cornelia Cazis in der «Sonntagszeitung». «Sie sind die Verkörperung dessen, was einem Paar im schlimmsten Fall passieren kann, nämlich, dass der eine Partner stirbt.» Die langjährige SRF-Journalistin hat dies vor etwas mehr als einem Jahr am eigenen Leib erfahren. Nach dem Tod ihres Mannes wollte sie wissen, wie es ist, weiterzuleben, wenn es einen innerlich fast zerreisst. Aus Mangel an Angeboten schrieb sie selbst ein Buch mit dem Titel «Weiterleben, weitergehen, weiterlieben – Wegweisendes für Witwen». Obwohl die Männer in Sachen Lebenserwartung aufholen, ist die Witwenschaft noch immer vor allem ein weibliches Schicksal. Wohl deshalb gehe die Gesellschaft davon aus, dass Frauen «irgendwie klarkommen mit dem Verlust». Deshalb frage ein paar Monate danach oft niemand mehr nach, wie es geht, plötzlich so allein. Auf das Dasein als Witwe könne man sich zwar nicht vorbereiten. Die 67-Jährige hält die Eigenständigkeit und auch eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit jedoch für das Wichtigste überhaupt, um nach dem Tod des Partners wieder Fuss fass zu können. «Wenn man sich stets nur als ‹Wir› verstanden hat und der Partner stirbt: Wer ist man dann? Was bleibt da noch?»
«Die Trauer ist der Preis für die Liebe.» Hansjörg Znoy, Professor für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin

Um Trauer und die dafür nötige Zeit geht es auch in einem Interview mit dem an der Universität Bern tätigen Psychologen Hansjörg Znoy in «Geo kompakt». Denn: «Die Trauer ist der Preis für die Liebe». In keinem Gefühl zeige sich deutlicher, wie wichtig ein Verstorbener war. Die Trauer um einen geliebten Menschen dauert in der Regel mehrere Jahre. Die Gesellschaft gesteht einem Trauernden aber meist nur drei bis sechs Monate zu. Zwar würde es inzwischen akzeptiert, dass jemand sein Leben lang trauere, doch gebe es Psychotherapeuten, die bei manchen Betroffenen schon nach wenigen Monaten eine «anhaltende Trauer» diagnostizierten, die behandelt werden müsse. Darunter versteht man, eine pathologische Entwicklung, die oft mit Angstzuständen, Panikattacken und Depressionen verbunden ist. Man vernachlässigt sein soziales Umfeld, kann dem Beruf nicht mehr nachgehen und vereinsamt. Znoy ist der Ansicht, dass dies häufig bei Hinterbliebenen auftrete, die eine komplizierte Beziehung zum Verstorbenen hatten. Man könne nicht loslassen, weil die Beziehung schwierig gewesen sei. Die meisten Menschen benötigten jedoch keine professionelle Trauerbegleitung, denn Trauer sei ein geteilter Zustand: Wenn jemand den Vater verliere, dann verliere auch die Schwester ihren Vater, die Mutter ihren Mann. Es gebe immer ein Netz von Trauernden, in das man das Trauergefühl sozial einbetten könne. «Es hilft einem ungemein, festzustellen, dass andere genau so leiden wie man selbst.»

***

«Stellen Sie sich vor, Sie sind weg, es gibt Sie nicht mehr. Sie sind tot. Für wen ist das eigentlich schlimm? Für Sie selber oder für alle, die noch weiterleben?» Mit diesen Fragen startet die Reportage aus einem deutschen Hospiz. Der Mediziner und Moderator Eckhart von Hirschhausen verbringt zwei Tage im Hospiz, streicht Bananenbrot, das sich eine Bewohnerin zum Frühstück wünscht, spricht mit einer Frau, deren Mann in der Nacht verstorben ist. befragt Fachkräfte, Angehörigen und Betroffene und stellt fest: «Hier ist der Tod bereits angenommen.» Die feinfühligen Sequenzen aus dem Hospiz wechseln sich ab mit Passagen, in denen zwei Reporter «den Tod unter die Leute bringen» . Sie stellen sich mit einem Sarg auf die Strasse und lassen Passanten probeliegen, helfen einem Bestatter bei der Arbeit und stehen mit einem Pflegebett, einem Palliativmediziner und einer Pflegefachfrau in einer Fussgängerpassage und geben Tipps, wie man als Angehörigen Leiden von sterbenden Menschen lindern kann. Es wirkt tröstend, wenn Palliativärztin Bettina Classen erzählt, dass viele der im Hospiz verstorbenen Menschen ein Lächeln im Gesicht hätten. Sie glaube, dass der Tod am Ende eine gute Sache sei. Von Hirschhausens Fazit zum Schluss: «Die Menschen, die täglich mit dem Tod zu tun haben, fürchten ihn am wenigsten. Vielleicht haben sie ja recht.»

***

«Warum», fragt die «Osnabrücker Zeitung», «arbeiten in der Trauerbegleitung vorwiegend Frauen?» Ein Phänomen, das sich auch in der Schweiz zeigt. Fakt sei, so heisst es im Artikel, dass das Geschlechterverhältnis der Hilfesuchenden weitaus ausgeglichener sei, als noch vor Jahren, als fast ausschliesslich Frauen Hilfsangebote in Anspruch genommen hatten. So manch männlicher Trauernde wünsche sich einen gleichgeschlechtlichen Begleiter, doch die seien Mangelware. Der im Artikel porträtierte Trauerbegleiter erlebte dies am eigenen Leib, als er vor einigen Jahren in der Situation war, einen Verlust verarbeiten zu müsssen. Männer trauerten anders, als Frauen, sagt er, aber keineswegs weniger. Und er ist überzeugt, dass sich Männer anders öffnen würden, wenn keine Frau dabei sei. Männer brauchten eher Bewegung, die Erfahrung mit dem Körper, um etwas zu verarbeiten, während Frauen eher «wortbetont» seien, kommt Trauerreferent und Franziskaner Pater Franz Richardt zum Schluss. Tatsächlich engagieren sich Männer ehrenamtlich eher für rationale Themen, etwa im Sportverein. Doch scheint sich die klassische Rollenverteilung immer mehr aufzuweichen, heisst es zum Schluss des Artikels. Was eine erfreuliche Entwicklung wäre.
«Es ist wichtig, dass die Sterbenden wissen, dass ihr Wille zählt, nicht meiner.» Karl Frass, Sterbebegleiter

Einer dieser Männer ist der 70-jährige Karl Frass, der als ehrenamtlicher Sterbebegleiter beim Christophorus Hospiz in München arbeitet. Er sei in seinem Leben immer «so glücklich» gewesen, nichts habe ihm gefehlt, nun wolle er etwas zurückgeben. Im Interview erzählt er von seiner Tätigkeit, wie sie «zwischen Lachen und Schweigen» abläuft und wann er an seine Grenzen kommt. Oft biete er seine Hand zum Halten an, aber er sei nie aufdringlich und drücke nie zu, damit die Sterbenden sie jederzeit zurückziehen könnten. « Es ist wichtig, dass sie wissen, dass ihr Wille zählt, nicht meiner.» Er habe die Erfahrung gemacht, dass sich kurz vor dem Tod niemand mehr verstellen könne, am Ende zähle nur noch die Wahrheit. In den letzten Minuten sage er oft Sätze wie, «Ich bleibe bei dir, keine Sorge» oder «Schlafe ein, wenn du möchtest, ich gehe nicht weg». Denn viele Sterbende hätten Angst davor, dass sie die letzten Meter allein gehen müssten.


***

Im «Schwarzwälder Boten» kommen zwei Frauen zu Wort, die ehrenamtlich tätig sind. Roswitha Grieshaber und Manuela Borzakoglu berichten von ihren Erfahrungen als ehrenamtliche Sterbebegleiterinnen in einem Alten- und Pflegeheim. Jeder Mensch sterbe anders, das Sterben entspreche dem jeweiligen Leben. «Das arme Bauernweible, dass bescheiden und für andere da war, stirbt still und leise», erzählt Borzakoglu. Einen eigentlichen Todeskampf habe sie noch nie erlebt. Am grössten sei nicht die Angst vor dem Tod, sondern vor dem Sterben und den Schmerzen. Die Palliative Care sei sehr wichtig, um die Symptome zu kontrollieren und durch Medikation ein schmerzfreies Sterben zu ermöglichen. Die Gruppe der Freiwilligen trifft sich einmal wöchentlich, um die Begleitungen zu reflektieren und sich auszutauschen. Die beiden Begleiterinnen stellen fest, dass der Tod noch immer ein Tabuthema ist. Man müsse darüber reden, denn es könne immer passieren.

«Palliativstation verbinden viele mit einer Endstation: Wenn ich da einmal hingehe, verlasse ich die nie wieder.» Phlipp von Trott, Palliativmediziner.

Auf einer Palliativstation geht es in erster Linie darum, die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten bestmöglich zu gewährleisten. Dazu braucht es manchmal mehr als ärztliche Qualitäten. Doch die Hürde vor rechtzeitiger Palliativversorgung ist zu hoch. Zu diesem Schluss kommt Palliativmediziner Philipp von Trott vom Berliner Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe in einem Artikel auf der Onlineplattform «t-online.de». Viele würden Palliativstation mit einer Endstation verbinden, was dazu führe, dass Patienten sich viel zu spät an Palliativstation oder spezialisierte Ärzte wendeten. So würden mehr Leute im Krankenhaus sterben, als es sein sollten.

***

Sind Drittklässler zu jung für belastende Themen wie Sterben, Trauer, Tod und Vergänglichkeit? Das Projekt «Hospiz macht Schule», über das die «Braunschweiger Zeitung» berichtet, zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Auch Kinder begegnen diesen Themen und sind oft zu wenig gewappnet. Grund sei, dass sie sich im Familienkreis nicht zu fragen trauten, erklärt die Koordinatorin des Projekts. Durch das Projekt würden Kinder ermutigt, mit ihren Eltern beispielsweise über die schwere Erkrankung der Oma zu sprechen. Am Ende der Projektwoche wurden Eltern und Grosseltern zur Präsentation eingeladen. Mit Vorträgen, Bildern und Plakaten zeigten die Schülerinnen und Schüler, wie man sich gegenseitig trösten kann, was ein Bestatter macht, was einem gut tut, wenn ein Familienmitglied lebensbedrohlich erkrankt ist. Graue und weissen Wolken, die von der Decke hingen, symbolisierten, Freude und Leid, Ballons, denen die Luft ausgegangen war, die Vergänglichkeit. Das Projekt «Hospiz macht Schule» wird übrigens nur durchgeführt, wenn alle Eltern ihr Einverständnis geben.
«Selbstmord ist ein soziologisches Problem und bedeutet immer ein Versagen von Gesellschaft und Kultur.» Andreas Kruse, Leiter des Gerontologischen Instituts der Universität Heidelberg

Anfang September lud die Evangelische Landeskirche Thurgau zur Vernissage ihres Buchs «Den Weg zu Ende gehen». Darin bezieht sie Stellung zu einem Thema mit Brisanz: Sterbehilfe. Gedacht sei es als Orientierungshilfe, zitieren die «Untersee Nachrichten» den Kirchenratspräsidenten Wilfried Bührer. Die epochalen Veränderungen sollen sich nicht schleichend einnisten, die Sterbehilfe-Debatte nicht unwidersprochen der mächtigen Sterbe-Lobby überlassen werden. Niemals dürfe ein gesellschaftlicher Erwartungsdruck zum Sterbeentscheid führen. In seinem Festvortrag beleuchtete Professor Andreas Kruse, Leiter des Gerontologischen Instituts der Universität Heidelberg, Mitglied des deutschen Ethikrates und Träger des Schweizer Palliative-Care Preises 2016, den Suizidwunsch und die Motive im Hintergrund bei unheilbarer Krankheit, Gebrechlichkeit oder Angst vor Demenzerkrankung. Verletzlichkeit sei ein Merkmal menschlicher Existenz. Kruse warf die Frage auf, inwieweit die Gesellschaft bereit sei, sich auf diese Vulnerabilität einzulassen und die Chance ergreife, daraus auch für sich selbst zu lernen. «Selbstmord ist ein soziologisches Problem und bedeutet immer ein Versagen von Gesellschaft und Kultur», spitzte Kruse seine Aussagen zu. Dabei hob er den hohen Wert und die anspruchsvollen Anforderungen an die palliative Begleitung hervor: Der fachliche und persönliche Einbezug aller individuell abgestimmten Möglichkeiten habe zum Ziel, dass sich der Mensch am Ende des Lebens - von Schmerz und Angst befreit - ganz auf sein eigenes Sterben konzentrieren könne.


***

«Niemand muss verrecken», sagt auch der deutsche Palliativmediziner Thomas Sitte gegenüber dem «Christlichen Medienmagazin pro». Er warnt vor einer Liberalisierung der organisierten Sterbehilfe, wie sie in Deutschland heftig diskutiert wird. So gut wie jedes Leid könne gelindert werden. Wer für die Suizidbeihilfe werbe, spiele mit der Angst der Menschen. Nur leider fehle in manchen Krankenhäusern das Handwerkszeug dafür und auch das Wissen. Das gelte auch in der Bevölkerung: «Über die Möglichkeiten der Palliativmedizin klärt niemand auf. Wenn alle wüssten, was wir echten Experten wissen, bräuchte es keine Debatte um Sterbehilfe.» Zudem seien Suizide bei Palliativpatienten extrem selten. Doch die Realität sei, dass ein grosser Anteil der 900'000 Menschen, die jährlich in Deutschland sterben, massiv litten. Sitte macht die Sterbehilfelobby dafür verantwortlich, dass Ärzte in Sorge sind, nicht vorsichtig genug zu sein und sich der Sterbehilfe strafbar zu machen. Das aktuelle Urteil des Bundesgerichtshofs zeige aber, dass beim Sterben viel mehr Zulassen erlaubt sei. Der Gründungsstifter der Deutschen Palliativstiftung rät Patienten und Angehörigen, sich an jemanden zu wenden, der sich auskenne. So seien etwa die Teams der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung gut informiert, während in Krankenhäusern der Zugang zu einer angemessenen Behandlung tendenziell schwieriger sei als zu Hause, weil da so viele verschiedene Fachpersonen beteiligt seien.

***

In Würde sterben, aber wie?, fragt sich auch der Sender «MDR Sachsen-Anhalt» in einer Serie über Sterbehilfe. Rund 60 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, ihrem Leben mit tödlichen Medikamenten ein Ende zu setzen, oder setzen zu lassen. Dies ergab eine repräsentative Umfrage, die der Sender in Auftrag gegeben hatte. Knapp 35 Prozent möchten dabei selbst über ein solches Mittel verfügen, während 6,8 Prozent nur Beruhigungsmittel kurz vor dem Tod erhalten möchten. Je nach Religionszugehörigkeit der Befragten zeigen sich grosse Unterschiede. Gut 70 Prozent der Konfessionslosen sind offen dafür, tödliche Medikamente zu bekommen oder über sie zu verfügen. Bei den Protestanten befürworten dies 50 Prozent, bei den Katholiken gut 44 Prozent. In einem anderen Serienteil wird eine Betroffene porträtiert. Bei Simone Pareigis wurde Krebs im Endstadium diagnostiziert. Die Ärzte gaben ihr eine Überlebenschance von zehn Prozent. Trotzdem war für Pareigis Sterbehilfe kein Thema. 16 Jahre später leitet sie eine Selbsthilfegruppe für Krebskranke. Dort werde auch über Sterbehilfe gesprochen, sagt sie. Jeder solle das letzte Wort über seinen Körper haben.


***

In Italien hat das Verfassungsgericht Sterbehilfe in eng beschränkten Fällen für straffrei erklärt. Beihilfe zum Suizid sei nicht strafbar, falls ein Kranker die Entscheidung frei getroffen habe und unter einer unheilbaren Krankheit leide, die für ihn unerträgliche Leiden bedeute, zitiert die «NZZ» eine Mitteilung des italienischen Gerichtes. Hintergrund des Urteils ist der Fall des Mailänder Diskjockeys Fabio Antoniano, der nach einem Unfall unter einer Tetraplegie litt und sein Leben im Februar 2017 in einer Schweizer Spezialklinik beendete. Der italienische Sterbehilfe-Aktivist Marco Cappato, der Antoniano in die Schweiz begleitet hatte, zeigte sich nach seiner Rückkehr selbst an und löste damit das Strafverfahren aus. In seinem Entscheid forderte das höchste Gericht das Parlament zu einer genaueren gesetzlichen Regelung auf. Kritik am Urteil kam umgehend von der italienischen Bischofskonferenz. Auch die konservative Vereinigung «Scienza & Vita» kritisierte den Entscheid. Der Gerichtshof habe «den italienischen Radikalen» nachgegeben. Die Süddeutsche Zeitung, die ebenfalls über das Urteil berichtete, schreibt, dass bereits 4000 Ärzte angekündigt hätten, sich zu weigern, die Verfügung des Gerichtes zu befolgen. Das Südtiroler Nachrichtenportal «Die Tageszeitung» interviewte dazu Mina Welby, die seit langem für die Legalisierung der Sterbehilfe in Italien kämpft. Ihr Mann, der seit seiner Jugend an Muskelschwund litt und zuletzt gelähmt war, musste vor 13 Jahren in die Schweiz reisen, um zu sterben. Sie beurteilt den Entscheid als grossen Erfolg. Sterbehilfe müsse für Menschen zugelassen werden, die am Ende ihres Lebens extrem leiden. Auch um Verzweiflungssuizide zu verhindern.
www.sueddeutsche.de/politik/italien-die-letzte-frage-den-richtern-ueberlassen-1.4620546Achtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
www.tageszeitung.it/2019/09/29/wir-wollten-gemeinsam-sterben/Achtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster


***

In den Niederlanden wird der umstrittene Fall von Tötung auf Verlangen bei einer demenzkranken Frau an das höchste Gericht weitergezogen. Eine Ärztin war vor wenigen Wochen vom Vorwurf des Mordes freigesprochen worden. Sie hatte 2016 bei einer schwer demenzkranken Frau aktive Sterbehilfe geleistet. Die 74-jährige Patientin hatte eine Patientenverfügung abgegeben und ihren Todeswunsch während mehrerer Jahre immer wieder bekräftigt. Zum Zeitpunkt der Sterbehilfe war sie allerdings nicht mehr ansprechbar und hatte Signale gezeigt, dass sie leben wollte. Wie die deutsche «Ärztezeitung» schreibt, will die niederländische Staatsanwaltschaft nun beim Obersten Gericht Klarheit in einigen Rechtsfragen erreichen. In erster Linie soll geklärt werden, wie mit Patienten umgegangen werden soll, die ihren Willen nicht mehr äussern können. Am Freispruch für die Ärztin soll sich aber nichts mehr ändern.
www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/recht/article/997235/sterbehilfe-toetung-verlangen-hoechstes-gericht-angerufen.htmlAchtung Link öffnet sich in einem neuen Fenster
palliative zh+sh, Gabriela Meissner