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Moralisch unter Druck

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Abschiedsrituale alleine oder im Team helfen, dass einzelne Pflegende nicht unter moralischem Stress geraten (Bild: sa).

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23. Februar 2018 / Politik
Das Pflegepersonal, das Menschen am Lebensende begleitet, kann moralischem Stress ausgesetzt sein. Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer SBK hat Richtlinien erarbeitet, um diesen zu reduzieren.
Unsere Gesellschaft altert massiv, und die hochaltrigen Menschen leiden zunehmend an komplexen Krankheitsbildern oder an mehreren Krankheiten gleichzeitig. Dazu kommt, dass die Patientenautonomie dieser Tage gross geschrieben wird. Diese Tatsachen verändern auch den Pflegeberuf. Er ist vor zahlreiche ethische Herausforderungen gestellt. Viele Berufsleute machen zudem die Erfahrung, dass Menschen, deren Gesundheit und Autonomie stark beeinträchtigt sind, sich an Sterbehilfeorganisationen wenden.

Der neu herausgegeben Leitfaden befasst sich nicht direkt mit dem assistierten Suizid. Dazu hat der SBK bereits den «ethischen Standpunkt 1» herausgegeben und darin festgehalten, dass die Beihilfe zur Selbsttötung «nicht Teil des pflegerischen Auftrags ist». Die «Ethischen Standpunkte 5» nun gehen dem moralischen Stress auf den Grund, den Pflegende erleben können, wenn sie Menschen am Lebensende begleiten. «Pflegen bedeutet, einen Menschen zu begleiten und seinen Willen und seine Werte zu respektieren.» Eine Patientin begründet ihren Wunsch, ihr Leben zu verkürzen, damit, dass sie keine Last für ihre Angehörigen und die Gesellschaft sein wolle. Das fordert die Pflegefachpersonen ethisch und moralisch besonders heraus.

Allein mit belastenden Gefühlen

Zu moralischem Stress («moral distress») können zum Beispiel folgende Situationen führen: Wenn die Pflegefachperson ihre Gefühle nicht teilen, nicht darüber sprechen kann, zum Beispiel weil es in ihrer Institution keine Kultur des Austauschens gibt. Wenn moralischer Stress intern gar nicht als Problem anerkannt wird oder kritische Fälle nicht diskutiert werden. Wenn Rahmenbedingungen nicht erlauben, die Leiden der Patienten zu lindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Wenn Rituale fehlen, um von einer verstorbenen Person Abschied zu nehmen. Wenn die Rollen und Kompetenzen im interprofessionellen Team nicht geklärt sind. Wenn der Wille der Patientin im Behandlungsplan nicht genügend berücksichtigt wird.

Das Grundlagenpapier des SBK listet nun Empfehlungen auf, wie solche Situationen vermieden werden können. Unterschieden wird nach vier Ebenen (Fachperson, Team, Organisation, Gesundheitssystem). Auf der Ebene der Pflegenden hilft zum Beispiel:
  • eine Pflegeplanung, die sich an den Wünschen des Patienten orientiert (und die Einschränkungen, zum Beispiel der Organisation, berücksichtigt)
  • das Angebot, den Sterbeprozess im Sinne der Palliative Care erleichtern zu können
  • offener Umgang mit kritischen Punkten und Fragen
  • Weiterbildungen in Palliativpflege und die Teilnahme an Teamsupervisionen
  • ethische Fallbesprechungen
  • Teilnahme an Ritualen

Während der Arbeitszeit an eine Beerdigung

Dem Team wird empfohlen, Schulungen und Supervisionen anzubieten, Fallbesprechungen durchzuführen, Abschiedsrituale einzuführen oder mit strukturierten Modellen der Entscheidungsfindung zu arbeiten.

Eine Organisation soll laut SBK dementsprechend Weiterbildungen in Palliative Care fördern, offen über begleiteten Suizid sprechen, diesen als Entscheid einer mündigen Person respektieren, Advance Care Planning und Fachberatung anbieten, dem Personal ermöglichen, Patienten während der Arbeitszeit bei einem assistierten Suizid zu begleiten, auch während der Arbeitszeit eine Beerdigung zu besuchen sowie Nachbesprechungen anzubieten.

Ausreichende Finanzierung gefordert

Auf der Ebene Gesundheitssystem plädiert der SBK erstens dafür, dass die gesetzliche Grundversicherung eine umfassende Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen finanziell abdeckt. Zweitens soll Palliative Care weiter entwickelt und die Begleitung am Lebensende zu Hause oder in einer Institution auch ausreichend finanziert werden. Drittens müssen genügend Fachpersonen Zugang zur Weiterbildung und Spezialisierung in Palliative Care haben. Viertens soll Palliativpflege ins Spiel kommen, sobald die Diagnose einer unheilbaren Krankheit feststeht.

Diese Richtlinien wurden aufgrund der Resultate von Workshops am SBK-Kongress, von Forschungsliteratur, und dem Gespräch mit Experten aus Praxis, Management, Forschung und Bildung erarbeitet.
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