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Netzlounge: Wie ist Palliative Care in der Langzeitpflege zu leisten?

Netzlounge: Wie ist Palliative Care in der Langzeitpflege zu leisten?

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Andrea Ott berichtet über aktuelle Herausforderungen in der Langzeit-Palliative-Care. Sie ist Co-Leiterin Pflege und Betreuung des Kompetenzzentrums Zürcher Lighthouse. (Bild: palliative zh+sh, ei)

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Netzlounge

Die Netzlounge-Foren widmen sich dieses Jahr dem Thema Palliative Care in der Langzeitpflege. Fachleute diskutieren im Plenum unter anderem Fragen wie: Was wird in der Langzeitpflege «noch» gemacht, welche Techniken werden verwendet? Wie verlaufen Verlegungen von Akutstationen ins Pflegeheim oder Hospiz? Wie kann ein Pflegeteam der eigenen Gesundheit Sorge tragen? An jedem Anlass stellt sich eine Institution vor, greift die für sie relevanten Fragestellungen auf und stellt sie im Plenum zur Diskussion.

Nächster Termin: 12. Mai 2016, 16 Uhr. Die Pflegeexpertin Isabelle Weibel stellt das KZU Pflegezentrum Im Bächli vor.

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22. März 2016 / Region
Spenden sei Dank: Individuelle Betreuung in komplexen Situationen ist im Zürcher Lighthouse möglich. Das Lighthouse stand an der ersten diesjährigen Netzlounge von palliative zh+sh im Fokus. Die Veranstaltungsreihe widmet sich 2016 der Langzeit-Palliative-Care und stellt verschiedene Institutionen und ihre aktuellen Herausforderungen vor. Beim Auftakt am vergangenen Donnerstag zeigte sich rasch, was die Fachleute beschäftigt: Die Finanzierung, die Versorgungs-Schnittstellen und das gesellschaftliche Umfeld.

«Unsere Arbeit ist zuweilen hoch ökonomisiert; alles dreht sich am Ende ums Geld, um die Finanzierung. Das macht mich manchmal etwas hilflos», sagt Andrea Ott in der Diskussion an der Netzlounge-Veranstaltung von palliative zh+sh. Der Diskussion vorausgegangen war ein Referat von Ott, der Co-Leiterin Pflege und Betreuung des Kompetenzzentrums Zürcher Lighthouse. Das Publikum steuert im Plenum nach dem Referat schnell auf das Thema Finanzierung zu. Die Fachpersonen beschäftigt, wie komplex die Abrechnung für Leistungserbringer spezialisierter Palliative Care über die geltenden Systeme sind – und wie schwierig und aufwendig es ist, die Pflege als intensive Personalressource zu belegen. Abrechnungstechnisch sei das eigentlich gar nicht umsetzbar, so der Tenor in der Diskussion. Insbesondere der Übergang von der Akut- in die Langzeitpflege birgt grosse Herausforderungen, nicht zuletzt im Umgang mit den Betroffenen.

«Dieser Übergang ist etwas vom Allerschwierigsten in meiner Tätigkeit», sagt auch Stefan Obrist, Ärztlicher Leiter des Kompetenzzentrums Palliative Care am UniversitätsSpital Zürich USZ. «Insbesondere in Bezug auf die Kommunikation mit den Betroffenen», ergänzt er. Denn zur insgesamt schwierigen Situation kommt hinzu, dass der oder die Betroffene als Langzeitpatient_in viel mehr bezahlen muss als zuvor als Aktupatient_in. «Und dies, obwohl die rein medizinische Betreuung im Akutspital meist technikintensiver ist als jene im Langzeit-Setting. Wie soll das ein Patient verstehen?» Auch mit Nachfragen der Krankenkassen müsse man jederzeit rechnen. Das USZ verfügt über vier Palliativ-Akutbetten im Zürcher Lighthouse. Für weitere zwölf Personen bietet das Lighthouse spezialisierte Palliative-Care-Langzeitpflege an. Das Hospiz ist gerade dabei, das Abrechnungssystem zu ändern in der Hoffnung, die neue Variante bilde eher die Bedürfnisse und Interventionen in der Langzeit-Palliative-Care ab. Die Dokumentation bleibt derweil komplex und alle vorhandenen Systeme sind grundsätzlich stark auf Kuration oder lange Aufenthalte ausgelegt. Eine Diskussionsteilnehmerin im Publikum stellt fest: «Je mehr Leistungen wir im Bereich Palliative Care erbringen, desto weniger können wir abrechnen.»

«Wir brauchen diese Million»

In ihrer Präsentation stellte Andrea Ott das Zürcher Lighthouse als Institution vor. Das Hospiz und Kompetenzzentrum finanziert sich zu einem erheblichen Teil über eine Stiftung, die jährlich rund eine Million Franken Spenden sammelt. «Und diese Million brauchen wir», so Ott. Nur dank der Stiftungsgelder ist des dem Lighthouse-Team möglich, Menschen in komplexen palliativen Situationen gut zu betreuen und individuell auf sie einzugehen. Ein Pflegetag im Lighthouse kostet 802 Franken. Davon übernimmt die Stiftung 324 Franken, der oder die Bewohner_in bezahlt 478 Franken pro Tag. Den Auftrag des Zürcher Lighthouse beschreibt Ott als die Betreuung und Behandlung von Menschen, die eine komplexe palliative (Langzeit-)Betreuung benötigen. Ihre Lebensqualität soll vor allem durch Symptomkontrolle und psychosoziale Stabilisierung verbessert werden. Dazu braucht es ein interdisziplinäres Team, zu dem neben Pflege, Sozialdienst, Ärzten, Psychologinnen, Seelsorger, Physiotherapeutinnen, Kunsttherapeuten und anderen auch die Mitarbeitenden der Hotellerie oder der Verwaltung gehören.

In den letzten Jahren, sagte Ott, sterben immer mehr Menschen pro Jahr im Lighthouse. Das sei eine Folge einer an sich erfreulichen Entwicklung. «Immer mehr Betroffene bleiben trotz schwerer Krankheit sehr lange zuhause. – Und manche treten dann für die allerletzte Phase noch ins Hospiz ein», erklärte Ott. «Das ist oft gut für die Betroffenen. Aber unserem Team bereitet das zusehends Mühe, weil es immer schneller geht.» So könnten die Mitarbeitenden kaum mehr Beziehungen zu den Bewohnenden aufbauen. Das entspreche immer weniger dem ursprünglichen Hospizgedanken, mit dem sich viele Pflegende im Lighthouse identifizieren.

Steigende Ansprüche

Als weitere aktuelle Herausforderung sieht Andrea Ott die gesellschaftliche Tendenz zur Individualisierung. «Nach einem marktgesellschaftlichen Muster lässt sich mittlerweile alles wählen, denn Lebensqualität ist subjektiv», sagte die Co- Leiterin Pflege. Mit dieser Entwicklung steigen auch die Ansprüche der Bewohnenden und ihrer Angehörigen an das Hospiz. Zu dieser Anspruchshaltung trage wohl auch die Tatsache bei, dass die Bewohnenden pro Pflegetag in der Langzeitpflege einen beträchtlichen Betrag aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. Ähnliche Tendenzen stellen auch Vertreter_innen anderer Langzeit-Institutionen fest. Es stelle sich überdies die Frage, was man in einem solchen Setting anbieten könne und anbieten solle – und was eben nicht, findet Ott. «Wir werden immer mehr zum spezialisierten Kompetenzzentrum und die Tendenz zu schnellen und komplexen Aufnahmen steigt.» Im Lighthouse-Team finden regelmässig intensive Gespräche über die Identität des Hospizes statt. Damit die Mitarbeitenden trotz der steigenden Ansprüche in ihrer Arbeit gesund bleiben, wurde kürzlich ein internes Projekt lanciert.

Und ein weiteres Projekt tönte Ott zum Ende ihrer Präsentation an: die «Vision Wäldli». Ein Haus für Palliative Care mit Spitexanbindung soll entstehen. Unter einem Dach will das Lighthouse eine Palliativstation, Hospizbetten, ein Tageszentrum und eine Arztpraxis vereinen. In rund zwei Jahren soll es soweit sein.

Beim Apéro nach der Netzlounge-Diskussion über die aktuellen Herausforderungen in der Langzeit-Palliative-Care wird diese Vision gerne aufgenommen. Aber auch die Gespräche über die Finanzierung spezialisierter Palliative Care im Langzeitbereich gehen weiter. Palliative zh+sh führt sie über die Netzlounge hinaus mit der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich, dem Verband Curaviva und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK weiter.
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