palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Neue medizin-ethische Richtlinien zur Evaluation der Urteilsfähigkeit

Neue medizin-ethische Richtlinien zur Evaluation der Urteilsfähigkeit

Weitere Infos

Portrait

Weitere Infos zum Thema

Video zum Thema

18. Dezember 2018 / Wissen
Eine Grundvoraussetzung, damit Patientinnen und Patienten in eine medizinische Behandlung einwilligen können, ist die Urteilsfähigkeit. Gesundheitsfachpersonen fühlen sich jedoch oft unsicher, wenn sie die Urteilsfähigkeit abklären müssen, hat doch die Entscheidung, ob jemand urteilsfähig ist oder nicht, weitreichende Auswirkungen. Als Hilfestellung für die Praxis hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) medizin-ethische Richtlinien erarbeitet und kürzlich veröffentlicht.
Massgebend für den Entscheidungsprozess über eine medizinische Behandlung ist das Vorhandensein der Urteilsfähigkeit oder deren Fehlen. Grundsätzlich wird von Urteilsfähigkeit ausgegangen. Bestehen jedoch begründete Zweifel, muss eine Evaluation durchgeführt werden. Eine von der Zentralen Ethikkommission der SAMW begleitete Studie hatte gezeigt, dass Ärztinnen und Ärzte grosse Unsicherheiten bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit haben.

Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Studie hat die SAMW medizin-ethische Richtlinien zum Thema Urteilsfähigkeit ausgearbeitet. Die Richtlinien «Urteilsfähigkeit in der medizinischen Praxis» bieten Orientierung für alle Gesundheitsfachpersonen, die in solche Evaluationen involviert sind, schreibt die SAMW in ihrer Mitteilung. Die Richtlinien halten die Grundsätze fest, die bei der Abklärung der Urteilsfähigkeit zu beachten sind und umschreiben das Vorgehen zur Evaluation im Allgemeinen und in einzelnen Handlungsfeldern wie zum Beispiel Hausarztmedizin, Notfall- und Intensivmedizin oder Palliative Care im Speziellen.

Das Echo auf die öffentliche Vernehmlassung des Richtlinienentwurfs war in zahlreichen Stellungnahmen positiv, so die SAMW weiter. In zwei Antworten wurden die Richtlinien grundsätzlich abgelehnt und vier blieben ohne Gesamtbewertung. Aufgrund der teilweise sehr ausführlichen Rückmeldungen hat die verantwortliche Subkommission Präzisierungen vorgenommen und ein zusätzliches Subkapitel zur Evaluation der Urteilsfähigkeit bei Menschen mit geistiger Behinderung ergänzt. Der Senat der SAMW hat die definitive Fassung der neuen Richtlinien Ende November 2018 verabschiedet. Diese liegen nun vor.

U-Doc-Formular zur Evaluation und Dokumentation

Zusätzlich zu den neuen Richtlinien steht zur Evaluation und Dokumentation der Urteilsfähigkeit ein sogenanntes «U-Doc» zur Verfügung. In der Erarbeitung und Umsetzung dieses U-Docs wurde die Kritik eines kognitivistischen Zugangs vieler gebräuchlicher Instrumente berücksichtigt. Statt eines Instruments zur Messung der für die Urteilsfähigkeit relevanten Fähigkeiten, stellt das U-Doc einen Kriterienkatalog für die Begründung der Zuschreibung von Urteilsunfähigkeit zur Verfügung. Das U-Doc ist ein Formular, welches flexibel eingesetzt werden kann, als Gedankenstütze, als Entscheidungshilfe aber auch als Diskussions- und/oder Dokumentationsvorlage. Der Anlass für die Evaluation und deren Ergebnis seien jeweils festzuhalten, schreibt die SAMW. Neben kognitiven Faktoren werden auch emotionale Faktoren und Werthaltungen berücksichtigt. Während leichtere Einschränkungen in einem der Teilbereiche allenfalls durch Fähigkeiten in anderen Bereichen kompensiert werden können, ist dies beim Vorliegen schwerer Beeinträchtigungen nicht mehr der Fall. Durch das Ausfüllen des U-Docs soll eine selbstkritische Reflexion des Beurteilenden mit Blick auf eigene Werthaltungen und mögliche Interessenkonflikte angeregt werden.
SAMW, palliative zh+sh, cbu