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«Bei einer Schliessung würde sehr viel verloren gehen»

«Bei einer Schliessung würde sehr viel verloren gehen»

Markus Minder, ärztlicher Leiter und Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin und Palliative Care. (zvg)

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31. März 2022
Mit der drohenden Schliessung des Spitals Affoltern ist auch die Zukunft des Kompetenzzentrums für Palliative Care ungewiss. Ein Gespräch zur Villa Sonnenberg mit Markus Minder, ärztlicher Leiter und Chefarzt des Zentrums für Altersmedizin und Palliative Care.
palliative zh+sh: Vor zwei Wochen hat die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich den Strukturbericht samt Spitalliste 2023 präsentiert. Das Akutspital Affoltern – und somit auch die Villa Sonnenberg – erhalten nur noch eine Leistungsvereinbarung bis Ende 2025. Hatten Sie eine Vorahnung?
Markus Minder: Nein. Überhaupt nicht! Von der Gesundheitsdirektion sind zuvor nie irgendwelche Zeichen in diese Richtung gekommen. Wir alle waren völlig erstaunt, es war ein Schock.

Wie war die Reaktion Ihres Teams?
Zuerst war eine Art Leere in uns. Wir waren wie gelähmt und irgendwie auch gekränkt. In der Villa Sonnenberg bieten wir eine sehr hohe Qualität. Wir haben über Jahre ein Netzwerk aufgebaut und unterstützen damit eine ganze Region. Nun hat man das Gefühl, dass diese Arbeit gar nicht geschätzt wird.

In der Öffentlichkeit ist die geplante Schliessung der Villa Sonnenberg schnell ein Thema geworden.
Ja, sehr schnell. Das war das Schöne in den letzten schwierigen zwei Wochen. Wir erlebten, wie von allen Seiten Hilfe kam und wie viel Engagement für den Erhalt der Villa gezeigt wurde. Gefreut hat mich, wie gross die Unterstützung aus dem Palliative-Netzwerk ist. Die Institutionen arbeiten ganz offensichtlich nicht gegeneinander, sondern miteinander. Auch palliative zh+sh liess sich sehr schnell verlauten, ebenfalls palliative.ch und Palliaviva. Beeindruckt hat mich zudem, dass die Landeskirchen gemeinsam aufgetreten sind und klar gemacht haben, dass die Kirche Palliative Care will und damit auch unser Kompetenzzentrum.

Sie hatten letzte Woche ein Gespräch mit der Zürcher Gesundheitsdirektion. Was hat dieses ergeben?
Das Gespräch war konstruktiv, ermutigend und offen. Es gab durchaus positive Zeichen und weitere Gespräche werden schon nächste Woche stattfinden. Der Austausch soll engmaschig sein.

Könnte eine Palliativstation überhaupt existieren ohne ein Akutspital? Sie brauchen doch dessen Infrastruktur.
Es geht theoretisch schon, dass Palliativstationen allein funktionieren. Dies sehen wir am Beispiel der Klinik Susenberg oder des Hospiz in Arlesheim. Aber dies wird in Affoltern hoffentlich nicht der Fall sein. Das Ambulatorium wird auf jeden Fall hierbleiben. Und dann haben wir ja hoffentlich auch noch das Zentrum für Altermedizin. Es heisst nicht, dass wenn es kein Basispaket mehr gäbe, alle Disziplinen aus Affoltern verschwinden würden. Das sind aber Fragen, die man genau anschauen muss und durchrechnen, was künftig möglich und nicht möglich ist. Ich bin sehr gespannt, was die Gespräche mit der GD ergeben. Und ich bin optimistisch, dass sie mit uns einen Weg finden wird, auf welchem wir in die Zukunft gehen können und der finanziell tragbar ist.

Das Spital Affoltern steht auch auf der Spitalliste des Kantons Zug.
In Zug selber gibt es kein Zentrum für Palliative Care. Wir sind auch die Palliativstation von Zug, und die Villa Sonnenberg spielt dort eine wichtige Rolle. Überhaupt sind 45% der Patientinnen und Patienten der Villa Sonnenberg ausserkantonal.

… und die Patientenzahlen steigen stetig.
Ja, sie steigen deutlich. Im Jahr 2012 hatten wir 185 Patienten, 2021 waren es 331. Im letzten Jahr hatten wir das Problem, dass die Warteliste immer länger wurde und wir teils Patienten nicht mehr aufnehmen konnten. Das ist nicht nur bei uns so, auch andere Palliativstationen sind voll. Und das wird die nächsten Jahre zunehmend der Fall sein.

Welche Rolle spielt die Villa Sonnenberg national?
Eine grosse. Es geht ja hier nicht nur um Patientenzahlen, es geht auch darum, welche Rolle unser Kompetenzzentrum im gesamten Netzwerk spielt. Da würde bei einer Schliessung sehr viel verloren gehen. Wir spielen die Rolle eines Katalysators. In der Zusammenarbeit mit[MM1] Spitex, dem mobilen spezialisierten Team von Palliaviva und anderen Organisationen schauen wir, dass die Versorgung zu Hause klappt. Die Zusammenarbeit wurde in den letzten Jahren mehr und mehr verbessert und intensiviert. Ein grosser Teil unserer Arbeit geht dahin, dass die Leute gar nicht ins Spital müssen, sondern zu Hause bleiben können[MM2]. So haben wir auch die Freiwilligenorganisation wabe Knonaueramt ins Leben gerufen, wo sich Begleiterinnen und Begleiter für Menschen in der letzten Lebensphase engagieren. Nicht zu vergessen ist unser Notfalldienst. Wir sind telefonisch immer erreichbar und nehmen bei Bedarf Patienten Tag und Nacht direkt in die Palliaitvstation auf, das heisst, wir versuchen die Patienten nicht über die Notfallstation aufzunehmen. Ebenfalls bieten wir für externe Pflegeheime einen Konsiliardienst an.

Auch bei der Weiterbildung ist die Palliativstation in Affoltern führend.
Wir haben schon einige Schwerpunktärzte bei uns ausgebildet, auch solche die jetzt im Triemli und im Stadtspital Waid arbeiten, in Uster und Uznach. Ebenso Pflegepersonal, das heute über die ganze Schweiz verteilt arbeitet. Wir machen sehr viel in Sachen Ausbildung. So haben wir auch Studentenkurse, Kurse für Pflegeheime und von anderen Institutionen kommen sie zu uns zum Hospitieren. Ich selbst unterrichte bei mehreren Ausbildungslehrgängen.

Das Villa Sonnenberg soll erhalten bleiben – da sind sich viele Leute einig. Was sind Ihre nächsten Schritte, damit dieses Ziel erreicht wird?
Wichtig ist, dass wir gemeinsam mit der Gesundheitsdirektion überlegen, welche anderen Möglichkeiten es gibt als die Schliessung. Die Villa ist etwas ganz Spezielles, sie hat eine einmalige Atmosphäre. Das bestätigen uns Patientinnen und Patienten genauso wie deren Angehörige.


palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner