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Medienschau April 2022

Medienschau April 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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Die Medienschau von palliative zh+sh ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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05. Mai 2022
Das zu thematisieren, was uns tief drin beschäftigt, kann ein wichtiger Teil der Verarbeitung sein. Eine geliebte Person ist gestorben, der Vater sehr krank, die Betreuungsaufgabe zu schwer. Das Sprechen darüber kann helfen. Dies zeigt unter anderem unsere Medienschau vom April.
Eine geliebte Person verloren – und doch muss das Leben weitergehen. Der «Landbote» berichtete anfangs Monat über ein Treffen des Vereins Aurora, welcher schweizweit über 800 Mitglieder hat. Seit 25 Jahren ist Aurora die Kontaktstelle für Verwitwete mit minderjährigen Kindern. Jedes der 340 Aktivmitglieder hat den Partner oder die Partnerin durch Krankheit, Unfall, Suizid oder begleiteten Suizid verloren. So auch Marion Goede aus Freienstein, Mutter zweier Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren. Als sie letztes Jahr zum ersten Mal an einem Onlinetreffen des Vereins teilnahm, spürte sie sogleich: Sie ist nicht allein. Andere haben ähnliche Gefühle, haben Ähnliches erlebt. Obwohl sich Marion Goede in der schweren Zeit von ihren Freunden und der Familie getragen fühlte, hatte der Austausch mit ebenfalls Direktbetroffenen eine andere Dimension. Das Reden mit anderen über das Erlebte hilft. Über das Hoffen und Bangen, über schlechte Prognosen und das Warten auf neue Medikamente. Und zum Schluss der unendliche Schmerz und die Erkenntnis, dass die Krankheit doch über das Leben gesiegt hat. «Heute lebe ich bewusster», sagt Marion Goede. Zum Beispiel die Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringe. Das habe sie durch den Schicksalsschlag gelernt. «Man darf die Sachen nicht aufschieben.»
«Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung zur Sterbehilfe in Alters- und Pflegeheimen»
Es ist der Wunsch vieler, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, in den eigenen vier Wänden, in vertrauter Umgebung. Doch nicht immer lässt der Gesundheitszustand dies zu. Der Zürcher SP-Kantonsrat Hanspeter Göldi will nun, dass Sterbehilfe in allen Alters- und Pflegeheimen erlaubt wird. Seine parlamentarische Initiative fordert, dass Menschen, die ihren letzten Lebensabschnitt in einem Alters- oder Pflegeheim verbringen, Sterbehilfe in diesen Räumlichkeiten in Anspruch nehmen können. Im Gesundheitsgesetz soll deshalb eine einheitliche kantonale Regelung festgeschrieben werden, denn nur in städtischen Gesundheitszentren für das Alter sind bisher Sterbehilfeorganisationen zugelassen. Basis dafür bildet ein Stadtratsbeschluss vom Oktober 2000.
Aber was für die Stadt gilt, muss nicht für den Kanton gelten. Dort ist es nach wie vor den jeweiligen Heimleitungen überlassen, ob sie assistierte Suizide in ihren Räumen erlauben oder nicht. Gerade in ländlichen Gegenden und privaten Heimen haben Sterbehilfeorganisationen oft keinen Zutritt. Noch im September 2020 wurde die kantonale Initiative «Selbstbestimmung am Lebensende auch in Alters- und Pflegeheimen» vorläufig unterstützt. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit lehnt die Initiative jetzt jedoch ab. Es soll keine gesetzliche Verpflichtung zur Sterbehilfe in Alters- und Pflegeheimen geben. Heime und Gemeinden sollen selber entscheiden können, ob sie Sterbehilfe vor Ort dulden oder verweigern. Auch die Branchenverbände Senesuisse und Curaviva Zürich haben sich gegen eine gesetzliche Verpflichtung der Betriebe geäussert. Ein staatlicher Zwang würde zu einem grossen Konflikt führen, meinen die Verbände. So sei etwa bei vielen Menschen Sterbehilfe nicht mit dem Glauben vereinbar.

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Nach sechs Jahren Planung und Vorbereitung war es so weit: Ende April öffnete das Hospiz Solothurn seine Türen. Es ist die erste palliative Institution im Kanton. Mitten in Derendingen steht das ehemalige Pfarrhaus der Reformierten Kirchgemeinde Wasseramt, welches nun seiner neuen Bestimmung übergeben wurde (siehe auch unsere Medienschau vom Februar). Doch bevor die ersten Bewohnerinnen und Bewohner am 1. Mai ins Haus einzogen, durfte die Bevölkerung der Standortgemeinde Derendingen «ihr» Hospiz kennenlernen. Für die Patientinnen und Patienten sowie für deren Angehörige befinden sich auf drei Stockwerken lichtdurchflutete Räume. «Und es ist uns wichtig, dass man von jedem Bett den Blick ins Grüne hat, sagt Projektleiterin Lena Dick. Sowohl im Haus als auch im Garten gebe es genügend Möglichkeiten zum Austausch oder Rückzug. Auch für die jüngsten Besuch ist Platz: im obersten Stockwerk hat es ein Spielzimmer.
«Die Podcasts geben Gelegenheit, sich mit dem Thema Lebensende auseinanderzusetzen.»
Wie begegnen wir Menschen, die im Sterben liegen? In einer Podcast-Serie von kathbern unter dem Titel «Übergänge» sprechen Fachleute darüber, wie Menschen während der letzten Lebensetappe begleitet werden – von Palliative Care bis zu Krankensalbungen. Der Priester der katholischen Pfarrei Bruder Klaus in Bern sass schon an manchem Sterbebett. Nicolas Betticher wird als Seelsorger oft zu Menschen gerufen, die nur noch kurze Zeit zu leben haben. Für ihn ist das Sakrament der Krankensalbung nicht in erster Linie eine priesterliche Verrichtung, sondern ein heiliger Augenblick. Wenn er jemanden salbt, dann bete er auch für die anderen Anwesenden: Angehörige, Freunde oder auch das Pflegepersonal. «Denn der liebe Gott schenkt seine Kraft allen, auch jenen, die mit dem Kranken die Krankheit tragen.»
Unter dem Titel «Übergänge – Begegnungen und Gespräche übers Sterben» geht es um Themen rund um die letzte Lebenszeit. Ein Podcast stellt die Spitalseelsorge vor, ein anderer dreht sich um Palliative Care. «Endgültig Abschied zu nehmen, braucht Zeit.» Dies war für Barbara Petersen ein Grund, diese Serie zu gestalten. Die Fachmitarbeiterin Palliative Care bei der Katholischen Kirche Region Bern sagt: «Die Podcasts geben Gelegenheit, sich mit dem Thema Lebensende auseinanderzusetzen.» Die drei gut 20-minütigen Beiträge helfen beim Nachdenken über die Gestaltung der eigenen letzten Lebenszeit.

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Der freiberufliche Theologe Daniel Kallen begleitet Menschen an ihrem Lebensende. Nun hat der gebürtige Frutiger seine Begegnungen in einem Buch zusammengetragen. Zu diesem Anlass widmete ihm die «Berner Zeitung» eine Reportage, welche einen Eindruck dieser ganz speziellen Arbeit gibt. «Jede Begegnung ist ein Universum. Es gibt spannende, berührende, lustige, mitunter auch schwierige und herausfordernde Begegnungen in meinem Beruf», sagt der 59-jährige ehemalige Primarlehrer. «Bald spürte ich den Wunsch, Theologie zu studieren und mich intensiver mit den spirituellen Fragen des Menschseins zu beschäftigen.» Den Tod lernte der Theologe schon früh kennen. Als Kind verlor er seinen Vater, später weitere Familienmitglieder. «In meinem Leben war der Tod immer wieder gegenwärtig. Er wurde mir zu einem ständigen Begleiter.» Auch deshalb beschloss Daniel Kallen, sich in Seelsorge und palliativer Betreuung – der Sterbebegleitung – weiterzubilden. «Begleitung» sei zwar ein grosses Wort. Er könne die Menschen bis zur letzten Schwelle geleiten, «aber hinüber muss am Ende jeder für sich gehen
Während der Corona-Pandemie hatte Kallen plötzlich viel Zeit. Hochzeiten, Willkommensfeiern, Beisetzungen fanden nur sehr reduziert statt. In jenen Monaten ist sein Buch «Jeder Mensch stirbt nur einmal» entstanden. «Aus den Hunderten von Begegnungen, Notizen und Erinnerungen aus meinen Sterbebegleitungen ergaben sich all die Lebensgeschichten, nun zusammengefasst in Buchform.» Am Ende stünden für die Menschen nie die beruflichen Erfolge oder der materielle Reichtum im Zentrum. «Alles, was am Schluss bleibt, sind Beziehungen, Liebe, kleine und grosse Glücksmomente, die man im Leben in sich aufgesogen hat.» Vor allem die älteren Menschen, die ihr Leben gelebt haben, würden dem Tod in Ruhe entgegenblicken: «Sie strahlen eine Art Gelassenheit aus.» Der Tod trete in diesen Fällen als Erlöser auf und werde willkommen geheissen.

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Angehörige müssen häufig die Pflege einer erkrankten oder beeinträchtigten Person übernehmen. Diese Betreuungsaufgaben betreffen auch Kinder und Jugendliche. Diese Young Carers sind junge Menschen unter 18 Jahren, welche sich umfangreichen Pflege- oder Betreuungsaufgaben einer nahestehenden Person annehmen. Dies tun sie oft regelmässig und übernehmen somit ein hohes Mass an Verantwortung.
In der Schweiz nehmen 7,9 Prozent der Kinder und Jugendlichen von 10 bis 15 Jahren Betreuungs- und Pflegeaufgaben wahr, wie das Online-Portal alzheimer-punkt-ch in einem Bericht schreibt. Dies kann Auswirkungen auf ihre psychische und physische Gesundheit haben oder sich in den Leistungen in Schule und Lehre niederschlagen. Das internationale Forschungsprojekt ME-WE will die psychische Gesundheit der Jugendlichen in solchen Situationen verbessern. Doch die Rekrutierung von Teilnehmenden am Projekt zeigt sich als äusserst schwierig. Viele Young Carers sind sich ihrer Betreuungsrolle gar nicht bewusst. Ausserdem ist es ein sensibles Thema, und so wollen viele Adolescent Young Carers sich nicht öffentlich zeigen. Viele übernehmen schwierige Aufgaben, wollen aber nicht, dass ihr Umfeld etwas davon weiss.
Als Beispiel für das Leben eines Young Carers widmet sich ein zweiter Artikel des Magazins den Erfahrungen von Sofia Jüngling, welche mit ihrem demenziell veränderten Vater in einer WG wohnt. Obwohl sie auf so manches verzichten muss, bereut sie ihre Entscheidung nicht. Sie hätte sich aber besonders am Anfang mehr Unterstützung von aussen gewünscht – eine Art «Lotse», der sie begleitet hätte. Sofia wohnt mit ihrem Vater, ihrer besten Freundin und einem weiteren Mitbewohner in einer inklusiven Wohngemeinschaft. Ihr Papa ist früh an Multipler Sklerose erkrankt und hat sich demenziell verändert. Jetzt, in der Nähe seiner Tochter und in der jungen Gesellschaft, blüht er auf. Sofia ist froh darüber. «Aber das Leben in einer solchen Wohngemeinschaft ist nur für Menschen geeignet, die wissen, worauf sie sich einlassen.» Das Leben mit «Paps» sei bereichernd, bedeute aber sehr viel Arbeit und Kompromisse. Dann und wann tauche schon die Angst auf, etwas im Leben zu verpassen. Es ist ein Spagat zwischen Studium, Sozialleben und Pflege.


palliative zh+sh, Bettina Weissenbrunner