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Medienschau August 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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08. September 2022
Heftige Diskussion im Kanton Uri: Ist es die Aufgabe eines Spitals, Sterbende in den Tod zu begleiten? In Merligen schreiten die Pläne für ein Hospiz voran. Und ein Junge will Briefe für Verstorbene mit ins Jenseits nehmen. Diese und weitere Themen in unserer Medienschau vom August.
Im Kanton Uri finden kranke Menschen nur schwer professionelle Pflegeplätze für den letzten Lebensabschnitt, wie der «Bote der Urschweiz» berichtet. Gemäss den Erfahrungen eines Angehörigen, zeige sich, dass es viel zu wenig Betten gäbe für Palliative Care. Sein Vater ist durch einen bösartigen Hirntumor schwer pflegebedürftig geworden. Auf die Anfrage des Sohnes im Kantonsspital Uri hiess es, das Spital verfüge über keine Palliativplätze, das Urner Alters- und Pflegeheim hatte kein freies Bett. Schliesslich fanden der Sohn und seine Mutter Hilfe im Kantonsspital Schwyz. Solche Fälle haben den Mann dazu veranlasst, eine Online-Petition zu lancieren. Sie fordert die Schaffung von Palliative-Care-Betten am Kantonsspital Uri. «Der Petitionstext ist falsch», sagt jedoch KSU-Spitaldirektor Fortunat von Planta. Zwar habe das Spital keine Palliativstation, habe aber schon immer Betten für palliative Betreuung zur Verfügung gestellt. Und der Chefarzt ergänzt: «Wenn die Spitalbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist, dann ist es die Aufgabe nachgelagerten Institutionen, die entsprechenden Palliativleistungen zu erbringen.»

Der Artikel des «Bote der Urschweiz» warf hohe Wellen. Doch die Frage sei erlaubt: Ist es überhaupt die Aufgabe eines Spitals, sterbenskranke Menschen in den Tod zu begleiten? Darüber dachte im Nachzug die Redaktion von «Medinside» nach. «Palliative Care ist ein medizinischer Fachbereich wie andere auch und selbstverständlich (auch) eine Aufgabe des Spitals»,» schreibt Dorit Djelid, die stellvertretende Direktorin beim Spitalverband Hplus. Dies aber nur, wenn der Patient, die Patientin, «grundsätzlich spitalbedürftig» sei. Renate Gurtner Vontobel, Geschäftsführerin von palliative.ch meint dazu, die spezialisierte Palliativstation sei für Patientinnen und Patienten in «komplexen, instabilen Krankheitssituationen» sinnvoll. Das könne bei chronischen Krankheiten situativ der Fall sein oder aber am Ende des Lebens.

80 Prozent der Menschen möchten zuhause sterben und doch sterben die meisten im Spital oder in einem Pflegeheim. Das hat viele Gründe. «Einer davon besteht darin, dass die Finanzierung der ambulanten Palliativversorgung derzeit ungenügend bis gar nicht geregelt ist», erklärt Renate Gurtner Vontobel. Sie hofft, dass sich das mit der Umsetzung der von beiden Räten angenommenen Motion «Für eine angemessene Finanzierung der Palliative Care» ändern wird. Wie die Geschäftsführerin von palliative.ch weiter erklärt, ist in der Zentralschweiz die mobile spezialisierte Palliative Care an vielen Orten erst im Aufbau begriffen. Auch sie sei ungenügend finanziert, jedoch ein überaus wichtiges Angebot, um Spitex, Hausarztmedizin und vor allem auch Angehörige zu begleiten und zu entlasten.
Das Leben hier ist nur ein Spiel
«Lasst uns über den Tod reden», titelt Nau.ch Die Kolumnistin des Internetportals musste sich erst kürzlich mit dem Thema Tod auseinandersetzen. «Bisher war das für mich so ein Thema, das ich gerne verdrängt hatte. Ich schaute weg, wollte mich nicht damit beschäftigen.» Es habe bei ihr Unbehagen ausgelöst. Unwohlsein. Angst.
Doch irgendwann wird man wohl oder übel mit dem Tod konfrontiert. «Der Tod wird immer als etwas ganz Schlimmes bewertet. Auch ich verband ihn immer mit Schock, Angst, Trauer, Depression, dunkel, schwarz.» Warum eigentlich, fragt sich die Autorin. Die Menschheit forscht und erforscht alles, was nur geht. Jedes noch so kleine Lebewesen, jedes Pflänzchen, das gesamte Universum. Bloss auf die eine Frage hat niemand eine Antwort gefunden: Was passiert mit unserer Seele, wenn wir gestorben sind?

Die Kolumnistin schreibt ihre Gedanken in dieser Kolumne nieder. Sie spricht von Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben und von ihrer eigenen Überzeugung, dass wir «zurück nach Hause kehren werden. Da, wo wir herkommen. Das Leben hier ist nur ein Spiel».

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Das Sterben ist ein Teil des Lebens und es soll würdevoll geschehen. Nicht in jedem Fall geht das Sterben schnell. Manchmal ist es ein Prozess und manchmal benötigt es dafür spezielle Orte wie ein Hospiz. In Merligen ist eines in Planung, was Philemon Zwygart von der Stiftung pro Hopespiz freut. Die Pläne für das Hospiz sind weit fortgeschritten, auch dank der Gefab-Genossenschaft, bei welcher Zwygart Geschäftsführer ist und welche im Besitz des Pflegeheims Des Alpes ist. Denn dort soll auf einer rund 1000 Quadratmeter grossen Nachbarparzelle das Hospiz entstehen, welches unterirdisch mit dem Alters- und Pflegeheim verbunden ist, um Synergien bei den Dienstleistungen zu schaffen. Das spart Kosten. «Wir haben weitgehend das Geld zusammen, um zu starten», sagt Philemon Zwygart. Ein Investor ist vorhanden. Nun geht es darum, ein grosses Netzwerk von vielen Beteiligten wie auch Spendern aufzubauen. Häufig kommt das Geld für die Startphase gut zusammen. Für die nachhaltige Betriebsführung gehe es jedoch oft nicht ohne Spendengelder, so Zwygart. Zurzeit wartet er mit seinen Mitstreitern auf die Betriebsbewilligung. Zwygart hofft, dass das Hospiz in Merligen, das für Menschen aus dem ganzen Berner Oberland gedacht ist, der Startschuss für weitere Einrichtungen dieser Art ist.
«Der Tod kam nicht überraschend, vielmehr ist er eine Erlösung»
Im Rahmen der Sommerserie «Nachts im Säuliamt» besucht Journalistin Regula Zellweger das Kompetenzzentrum für Palliative Care, die Villa Sonnenberg in Affoltern. Für den «Anzeiger aus dem Bezirk Affoltern» berichtet sie von einer Nacht auf der Palliativstation. Während des Abendrapports kommt die Redaktorin in die Villa und wird freundlich vom Team empfangen. Sie wird Pflegefachfrau Sandra und Pflegeassistentin Jasmin in deren Nachtschicht begleiten. Am Rapport werden die wichtigsten Informationen von der Abendschicht weitergeleitet. Beim ersten Rundgang mit den Pflegefachfrauen bemerkt die Reporterin eine auf der Seite liegende Frau. Sie ist verstorben. Vor rund einer halben Stunde muss es geschehen sein, wie die Pflegefachfrau sagt. Jasmin tritt ans Bett, streichelt die Frau, Sandra öffnet leise das Fenster, dann verlassen sie vorerst das Zimmer. Noch sind ein paar Patienten wach. Sie werden nach Schmerzen gefragt, nach der allgemeinen Befindlichkeit, nach ihren Wünschen. Jemand bekommt ein Glas Orangensaft, eine Frau ist hungrig. Dann kehrt das Team wieder zur verstorbenen Frau zurück. Gemeinsam kleiden sie die beiden Pflegenden in Kleider, welche die Angehörigen zuvor ausgesucht haben. Der Tod kam nicht überraschend, vielmehr ist er eine Erlösung. Die alte Frau sieht wunderschön und friedlich aus, elektrische Kerzen leuchten, die Angehörigen werden am nächsten Tag kommen und Abschied nehmen. In den nächsten Stunden ist die Journalistin noch mit den Pflegenden unterwegs, sieht wie diese Medikamente bereitlegen, Material auffüllen und das Frühstück richten. Und draussen beginnt ein neuer Tag …

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Einen sehr lesenswerten Artikel hat die «Welt», die Website der deutschen Tageszeitung «Die Welt», im August veröffentlicht. Es wird darin berichtet, dass die meisten Deutschen eigentlich zu Hause sterben wollten. Doch stattdessen unterziehen sich viele am Lebensende medizinischer Eingriffe, die exzessiv und teuer sind und Ressourcen verbrauchen. Diese Entwicklung sei «völlig aus dem Ruder gelaufen», mahnen nun die Experten. «Wie die Menschen sterben, hat sich während der vorigen Generation radikal verändert.» Der Tod werde nicht mehr gewürdigt. Und dies gehe zu Lasten der Sterbenden, der Angehörigen und des medizinischen Systems. Der Tod und das Sterben haben sich in den vergangenen Jahren aus einem familiären, gemeinschaftlichen Umfeld in die Zuständigkeit der Medizin verlagert. Der Preis dafür? Nutzlose oder potenziell unangemessene Behandlung – und diese läuft nicht selten bis zu den letzten Stunden des Lebens, wie die Zeitung berichtet.

Umfragen zufolge wollen das aber die meisten Menschen nicht. 80 Prozent wünschen sich, im Kreise der Familie sterben zu dürfen. Die Realität? 20 Prozent der Deutschen sterben in ihrer Wohnung, rund 30 Prozent im Pflegeheim und jeder Zweite im Krankenhaus. Dies bestätigt der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin: «Viele Menschen werden zum Sterben ins Krankenhaus gebracht, ohne im Vorfeld mit den Betroffenen deren Wünsche und alle Möglichkeiten der ambulanten Versorgung zu besprechen», sagt Heiner Melching. «Wir haben als Gesellschaft den Umgang mit dem Sterben verlernt, auch durch die Möglichkeiten der modernen Medizin.»

Eine Intensivtherapie am Lebensende wird immer öfter in Anspruch genommen. Auffällig viele Menschen sterben auf Intensivstationen. Die Palliativversorgung in den deutschen Spitälern ist deutlich weniger ausgeprägt als in vergleichbaren Ländern. Und so droht gemäss Experten am Lebensende eine medizinische Überversorgung. Fazit der Fachleute: «Wir müssen den Tod wieder ins Leben holen.»
Es geht darum, alle Player zu vernetzen
Die Koordinationsstelle für Palliative Care im Kanton Solothurn nimmt ihren Betrieb auf. Das Angebot für die Behandlung, Pflege und Unterstützung von Menschen am Lebensende ist in Solothurn durchaus breit. Was man aber feststellt: Die strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine flächendeckende Vernetzung und Koordination der unterschiedlichen Akteure ist noch nicht gegeben. Doch bald ist so weit: Nächsten Monat nimmt die neue Koordinationsstelle ihre Arbeit auf. Ursprünglich hatte der Kanton den entsprechenden Leistungsauftrag der Solothurner Spitäler AG soH erteilt. Doch palliative.so hat als Unterakkordant nun das Steuer übernommen. Dem Verein geht es darum, alle Player miteinander zu vernetzen, wie Präsident Manuel Jungi gegenüber der «Solothurner Zeitung» sagt. Zu den Playern gehören etwa Hausärzte, Pflegeheime, Spitex-Organisationen, Gesundheitsligen wie auch die Seelsorge. Geleitet wird die Koordinationsstelle von Cornelia Mackuth-Wicki, ehemalige Geschäftsführerin der national tätigen Stiftung pro pallium, welche sich der Unterstützung von Familien mit unheilbar kranken Kindern verschrieben hat. Cornelia Mackuth-Wicki wird ihren Arbeitsplatz in der Geschäftsstelle des Spitexverbands in Solothurn einrichten, wo auch palliative.so untergebracht ist. Sie führt die Koordinationsstelle in einem 50-Prozent-Pensum. Finanziert wird die Stelle über das Globalbudget Gesundheitsversorgung, palliative.so erhält für das Mandat einen Beitrag von 150 000 Franken jährlich. «Einen wichtigen Raum wird auch die Öffentlichkeitsarbeit einnehmen; was will Palliative Care, was ist der Gewinn für die Bevölkerung», sagt Cornelia Mackuth-Wicki.

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Zürich will seine Demenzbetroffenen besser integrieren. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich und ihre Projektpartner haben die Stiftung «Plattform Mäander» ins Leben gerufen. Mit «Mäander» sollen Projekte und Massnahmen umgesetzt werden, um Menschen mit und ohne Demenz näher zusammenzubringen. Es geht also nicht um die Gesundheitsversorgung an sich, sondern es geht darum, dass Menschen mit und ohne Demenz zusammenleben und damit Menschen mit Demenz in der Gesellschaft integriert bleiben. Vorgesehen ist, dass Demente in Alltagstätigkeiten wie Sport machen, Bildung erweitern und Kultur geniessen eingebunden werden.

Das Projekt geht auf die Umsetzung der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 (NDS) im Kanton Zürich zurück. Den Initiantinnen und Initianten ging es dabei darum, Demenz als gesamtgesellschaftliches Problem über die reine Gesundheitsversorgung hinaus zu betrachten. Sie sind der Meinung, dass die Gesellschaft als Ganzes kompetenter im Umgang mit Demenz werden müsse, um eine selbstverständliche Einbindung der Betroffenen in das gesellschaftliche Leben zu ermöglichen. Das ist von grosser Bedeutung, weil sich die Zahl der Demenzbetroffenen bis 2040 voraussichtlich verdoppeln werde.
Der Regierungsrat unterstützt die Stiftung «Plattform Mäander». Auch der Kantonsrat stellte sich hinter das Vorhaben, indem er aus dem Lotteriefonds einstimmig einen Gründungsbeitrag von 1,5 Mio. Franken an die Stiftung genehmigte.
Ich weiss, dass ich bald ins Baumhaus ziehen muss
Einen berührenden Bericht lesen wir Ende August in der deutschen Zeitung «Bild am Sonntag». Mit elf Jahren wurde bei Milas aus Karlsruhe Knochenkrebs diagnostiziert. Trotz mehrerer Chemotherapien, Bestrahlungen und Transplantationen kam der Krebs immer wieder zurück. Ob der heutige 13-Jährige seinen Geburtstag im Oktober noch erleben kann, weiss niemand. Trotz dieses Schicksals sprudelt Milas nur so vor Ideen. Er nahm einen Song für seine Mama auf, «damit sie immer etwas zum Anhören hat, wenn ich nicht mehr da bin.» Und er nimmt Briefe von Personen entgegen, die sich von einem lieben Menschen nicht mehr verabschieden konnten. «Himmelspost» sozusagen. «Ich weiß, dass ich bald ins Baumhaus gehen muss», sagt Milas. So stellt er sich nämlich das Leben nach dem Tod vor. «Und ich weiß, dass noch viele andere im Baumhaus sein werden, auch Kinder. Da dachte ich, vielleicht haben Leute ihnen ja noch etwas zu sagen.“ Rund 60 Briefe hat Milas schon bekommen. Sie alle will er mitnehmen.

Den Absendern der Briefe verspricht er: «Ich werde alle Leute suchen. Ich kenne die Namen, habe zum Teil auch Fotos und weiss, wie sie waren. Wenn ich die Person finde, lese ich ihr die Nachricht vor. Dann werden alle so fröhlich sein und lächeln, weil sie wissen, dass sie nie vergessen wurden und dass keiner böse auf sie ist. Ich glaube, ich werde viele Freunde haben.»
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner