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Medienschau November 2022

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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08. Dezember 2022 / Medien
Die Nachfrage nach palliativer Betreuung steigt. Dies stellen Seelsorger, Ärzte und Politiker fest. Bloss fehlt es an den entsprechenden Plätzen. Und so muss beispielsweise eine 28-jährige Frau für Jahre ins Pflegeheim. Dies und weitere Themen in unserer Medienschau vom Monat November.
Immer mehr Menschen, die unter einer schweren Krankheit leiden und dem Tod nahestehen, lassen sich palliativ betreuen. Dabei wird versucht, die Lebensqualität von Sterbenden zu verbessern. Daniel Burger, Beauftragter für Palliativ-Seelsorge der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und Vorstandsmitglied von palliative zh+sh, gab gegenüber kath.ch Auskunft über seine Tätigkeit. Zumeist gelinge es ihm vor allem durch intensives Zuhören, das Vertrauen des Patienten oder der Patientin zu gewinnen, erklärt er. Spannungen zu lösen. Lebensfragen zu klären. Über Schmerzen zu sprechen. «Schreie können dabei ebenso helfen wie Tränen.»

Seit Juni dieses Jahres arbeitet der frühere Spitalseelsorger als Beauftragter Palliative Care der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. Er leitet mit seiner reformierten Kollegin zusammen das 10-köpfige Team der ambulanten Palliativ-Seelsorge, welche die Hotline Palliative-Seelsorge betreibt. Daniel Burger weiss: Wer dem Tod durch eine schwere Krankheit nahesteht, ist nicht selten der Verzweiflung nahe. Menschen sehnen sich nach Verständnis, Zuspruch und spirituellem Rückhalt. Es gehe als Seelsorgerin oder Seelsorger in erster Linie darum, die Not der Menschen aufzufangen. Palliative Pflege und Seelsorge können schicksalserleichternd sein. Und der Zürcher Palliativ-Seelsorger erlebt auch beglückende Augenblicke bei seiner Arbeit. Wenn er Trost spenden kann. «Und wenn Menschen sterben, kann das sehr feierlich und schön wirken. Sehr berührend sein», sagt Daniel Burger. Sterben sei oft ein sehr intimer Moment. Etwas ganz Besonderes. «Jeder Mensch ist einzigartig – auch im Sterben.»
«Ich meinte, die Altenheime seien für Grosis gedacht»

«Tele Bärn» berichtet Ende November in einem berührenden Beitrag über Margrit Werner. Die heute 33-Jährige leidet an einer seltenen neurologischen Krankheit. Sie kann kaum mehr sprechen und sich nicht mehr bewegen. Sie benötigt dringend palliative Betreuung. Doch die Palliativbetten im Kanton Bern sind rar. Und wenn beispielsweise auf der Palliativstation im Inselspital kein Platz mehr frei ist, dann müssen unheilbar kranke Menschen ins Pflegeheim. So erging es Margrit Wenger. 28-jährig kam sie in ein Heim. «Ich meinte, die Altenheime sind für Grosis gedacht. Ich wusste nicht, dass es das gibt, und es macht mir Angst», flüstert sie ins Mikrophon des Journalisten. Sie habe das Gefühl, dass sie abgeschoben werde. Fast 30 Prozent der Patientinnen und Patienten auf der Palliativstation im Inselspital werden wegen fehlenden Plätzen nach einer gewissen Zeit in ein Pflegeheim verlegt. Für die Grundpflege seien die Pflegeheime gut ausgerüstet, nicht aber für Notfälle von Palliativpatienten, wie beispielsweise Schmerzen und Atemnot, sagt Steffen Eychmüller, Chefarzt Palliativzentrum Inselspital Bern, im Beitrag. Die Lösung wäre ein Hospiz, mit dem aber im Kanton Bern in nächster Zeit nicht zu rechnen ist. Und Margrit Wenger meint dazu: «Ich fände es wichtig, dass es ein Hospizangebot gäbe, wo man individuell auf Alter und Umstände eingeht für die letzten Lebensmonate oder -jahre.»

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Vor sechs Monaten wurde in Derendingen das erste Sterbehospiz im Kanton Solothurn eröffnet. Eine erste Bilanz fällt bei den Verantwortlichen positiv aus, wie ein Bericht der «Solothurner Zeitung» zeigt. Das Hospiz im ehemaligen reformierten Pfarrhaus mit seinen sechs Plätzen sei ein Ort, an dem man seinen Lebensweg in Ruhe beenden könne, sagte Heidi Zumbrunnen, Präsidentin des Vereins Sterbehospiz Solothurn. Sie zeigt sich erfreut darüber, dass der Zuwachs an Mitgliedern des Hospizvereins ständig ansteigt. Waren es noch im Jahr 2018 weniger als 100 Personen, so verzeichnet die Vereinigung heute 370 Mitglieder.

Das Sterbehospiz stelle eine Ergänzung zu Spitex, Pflege- und Altersheimen dar und anderen Institutionen, erklärte Geschäftsleiterin Christina Pitschen. Die Probleme der chronisch kranken und unheilbaren Menschen seien oft komplex. Ein spezialisiertes, multiprofessionelles Team kümmert sich um die Sterbenskranken. «Wir sind sehr gut gestartet», sagt Christina Pitschen, das Team sei motiviert, begeistert und mit Herzblut bei der Arbeit. Sehr dankbar ist man auch für die Freiwilligen, die im Garten, im Haus oder auch am Krankenbett mithelfen. Man hoffe, dass noch mehr dazukommen, um das Hospiz zu unterstützen. Zu den Finanzierungsmodalitäten erklärte die Geschäftsleiterin, der Aufwand pro Tag und Patient belaufe sich auf 835 Franken, wobei 419 davon vom Patienten, der Krankenkasse, der Palliative Care-Taxe und der öffentlichen Hand übernommen werden. Das Defizit von 416 Franken pro Tag und Patienten muss über Spenden finanziert werden.
«Wir brauchen in der Palliativversorgung eine Strategie des Sowohl-als-auch»

Die Schweiz bräuchte 850 Spitalbetten für spezialisierte Palliative Care, es bestehen aber nur 375. Auf diesen Missstand macht im November Renate Gurtner Vontobel von palliative.ch in einem Interview mit «Medinside» aufmerksam. «Die Menschen werden immer älter, die Komplexität nimmt zu, auch chronische Krankheiten nehmen zu. Für die Versorgung von instabilen, unheilbar kranken Menschen braucht es deshalb eine gute, flächendeckende Palliativversorgung.» Und für diese benötige es die Spitäler, aber auch weitere Institutionen. «Es gibt kein Entweder-oder. Wir brauchen in der Palliativversorgung eine Strategie des Sowohl-als-auch», sagt die Geschäftsführerin von palliative.ch. Gerade von Hospizen ist auf der politischen Bühne selten die Rede. National sind die Finanzierung und Positionierung der Hospize nicht geregelt. Die meisten sind auf Drittmittel- und Spendengelder angewiesen. «Das kann nicht sein», sagt Renate Gurtner Vontobel. Man müsste übergeordnet darüber nachdenken, welche Menschen in einem Hospiz betreut werden sollten. «Beispielsweise sterbenskranke Menschen unter 65. Diese gehören nicht in ein Pflegeheim mit einem Durchschnittsalter von 85 Jahren.
«Noch immer denken viele, Palliative Care sei Kerzchen anzünden und Händchen halten»

Palliative Care wird möglichst nahe bei den Menschen erbracht, die sie benötigen. Auf Einladung von Palliativ Luzern nahmen kürzlich Fachpersonen aus verschiedenen Regionen des Kantons an einem Vernetzungsanlass in Hochdorf teil und dachten über eine gelingende Zusammenarbeit nach. Der Palliative-Care-Pionier Dr. med. Roland Kunz hielt ein praxisorientiertes Inputreferat. Eine gute Palliative-Care-Versorgung umfasst für Roland Kunz mehrere Ebenen. Einerseits ist es eine Haltungsfrage: Es gelte zu akzeptieren, dass das Leben endlich und vergänglich ist. Andererseits ist eine hohe Fachkompetenz gefordert. «Noch immer denken viele, Palliative Care sei Kerzchen anzünden und Händchen halten», sagte Roland Kunz provokativ. «Da muss man klarmachen: Es braucht Fachkompetenz – von Symptomlinderung über Kommunikation oder Vorausplanung bis zur Angehörigenbetreuung.» Zudem fordert er fordere eine umfassende palliative Betreuung, keine einzelnen Spezialisten «sondern ein Versorgungskonzept mit einem interprofessionellen, vernetzten Behandlungsteam» . Für Roland Kunz ist ein gut koordiniertes Versorgungssystem für die betroffene Person zentral. «Ein funktionierendes Netzwerk vermittelt Sicherheit. Und Sicherheit ist ein wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität.» Doch wie arbeitet man in einem Netzwerk zusammen, das fünf, zehn oder noch mehr Berufsgruppen und freiwillige Helfende umfasst? Gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung der jeweiligen Fähigkeiten und ein regelmässiger Informationsaustausch seien unerlässlich. «Wir müssen viel mehr miteinander sprechen, auch wenn mir bewusst ist, dass das eine Ressourcenfrage ist.» Es handle sich jedoch um gut investierte Zeit, denn sie garantiere die bestmögliche Betreuung und verhindere unerwünschte Hospitalisationen.

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Für Martin Häne ist nicht eine maximale Lebensdauer erstrebenswert, sondern eine maximale Lebensqualität. Dies sagt der 65-jährige Pensionär im Gespräch mit der «Basler Zeitung». Als Krankenpfleger hat er erlebt, dass lebenserhaltende Massnahmen auch sinnlos sein können. Deshalb begann er vor über 30 Jahren, Menschen palliativ zu pflegen. Wenn also keine Hoffnung auf Heilung mehr besteht, wenn Medikamente und Operationen den Tod nur hinauszögern, der Preis dafür aber Schmerzen und Beeinträchtigungen sind, dann sieht Martin Häne die Palliation als den würdigeren Weg, den Menschen bis zum Ende zu begleiten.

Diese Überzeugung gründet in Erlebnissen aus den 70er-Jahren. Er sah, dass die Ärzte alles dafür taten, dass ein Patient nicht starb. So begleitete Martin Häne beispielsweise während vier Jahren einen Wachkomapatienten, sah dessen körperlichen und kognitiven Schäden, verabreichte Antibiotika und sog Schleim aus der Lunge ab. Auf Anordnung der Ärzte, die sich immun zeigten gegenüber seinen Vorschlägen, wie man den Patienten behandeln könnte. «Ich kam mir teils vor wie ein Folterknecht», sagt er heute. Als Häne 1990 zur Spitex wechselte, hat er angefangen, nach palliativen Grundsätzen zu pflegen. Und dies konnte er auch auf den weiteren Stationen seines Berufslebens machen. Zentrales Element in der Palliativbetreuung müsse die Schmerzlinderung sein, sagt er. «Schmerz- und Schlafmittel gehören zur Palliativmedizin dazu.» Schmerzen könnten aber physisch, psychisch, sozial oder spirituell begründet sein, weswegen man das ganze Verhalten eines Menschen studieren müsse. Und eines hält er entschieden fest: «Palliation heisst nicht, die Hände in den Schoss zu legen und nichts mehr zu tun.»
«Das Wichtigste sind Gespräche»

«Letzte Wünsche sind oft überraschend banal». Dies sagt der ehemalige Hausarzt Klaus Bally in einem Interview mit der «Basler Zeitung». Als Hausarzt kam er immer wieder mit dem Thema Tod in Berührung. «Ich habe Menschen mit ernsten fortschreitenden Erkrankungen an ihrem Lebensende und im Sterbeprozess betreut», sagt er. «Wie man mit dem nahenden Tod umgeht, ist sehr individuell.» Gewisse Leute könnten das Lebensende in bewundernswerter Art akzeptieren, andere wiederum würden sich gegen das Sterben auflehnen. Manchmal erlebe auch der gleiche Mensch Phasen des Nichtwahrhabenwollens, der Auflehnung und der Akzeptanz kurz hintereinander. Wie kann man sich denn gut auf das Sterben vorbereiten? «Das Wichtigste sind Gespräche», sagt der ehemalige Hausarzt. Gespräche mit nahestehenden Menschen, mit den betreuenden Gesundheitsfachpersonen und bei entsprechendem Wunsch mit einem Seelsorgenden. «Wertvoll ist eine möglichst aktuelle Patientenverfügung, in der Werte, Erwartungen und gewünschte oder auch nicht mehr gewünschte Behandlungen festgehalten sind.» Und welche Rolle die berühmten letzten Worte haben würden, fragt die Interviewerin. «Die meisten Menschen sprechen vor dem Tod keine letzten Worte», stellt Klaus Bally fest. Aber es gehöre zu einer guten Vorbereitung auf das Sterben, Menschen zu fragen, ob sie möglichst lange mit den Angehörigen kommunizieren wollen oder die letzten Lebenstage und -stunden einen Dämmerschlaf vorziehen. «Entsprechend kann die Medikation angepasst werden.»

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Das Hospiz für sterbende Menschen in Maienfeld wird nach seiner Pilotphase weitergeführt und kann seinen ordentlichen Betrieb am 1. Januar 2023 aufnehmen. Dies hat die Bündner Kantonsregierung Anfang November beschlossen. Gestützt auf das Krankenpflegegesetz sichert die Regierung dazu einen jährlichen Kantonsbeitrag von maximal 400 000 Franken zu.
Im Hospiz Graubünden können unheilbar kranke, sterbende Menschen begleitet ihre letzte Lebenszeit verbringen. Die Auslastung betrug in den Jahren 2019 bis 2021 im Durchschnitt 88 Prozent. 94 Menschen wurden gepflegt und palliativ begleitet. «Dies zeigt, dass der Bedarf für ein Hospiz im Kanton Graubünden ausgewiesen ist und eine wichtige Versorgungslücke geschlossen werden konnte», schreibt die Regierung.
palliative zh+sh / Bettina Weissenbrunner