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10'000 Kinder und Jugendliche mit Palliative-Care-Bedarf

10'000 Kinder und Jugendliche mit Palliative-Care-Bedarf

150 Kinder und Jugendliche werden am Universitätskinderspital Zürich palliativ betreut. Der Bedarf wäre weitaus grösser. (Symbolbild: adobe/stock)

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09. Dezember 2021 / Wissen
An der von palliative zh+sh veranstalteten Pall-Netz-Session vom 2. Dezember lag der Themenfokus ganz auf der Pädiatrischen Palliative Care. Die vier Referentinnen aus verschiedenen Disziplinen zeigten, wie Palliative Care für Säuglinge, Kinder und Jugendliche am Universitätskinderspital Zürich gelingt.
Die pädiatrische Palliative Care erhalte üblicherweise relativ wenig Aufmerksamkeit, sagte Palliativmedizinerin Eva Bergsträsser bei der Begrüssung. Umso mehr freute sich die Leiterin der Abteilung Palliative Care am «Kispi», dem Universitätskinderspital Zürich, dass die letzte Pall-Netz-Session in diesem Jahr eine der Lücken im Gebiet Palliative Care aufzeigte. Um die starke Interdisziplinarität aufzuzeigen hatte Bergsträsser als weitere Referentinnen Pflegeexpertin Maria Flury, Sozialarbeiterin Nora Tschudi und wissenschaftliche Mitarbeiterin Karin Zimmermann zur online stattfindenden Session am 2. Dezember mitgebracht.

Komplexe Situationen und breites Spektrum an Diagnosen
Dass die pädiatrische Palliative Care eine Art «Schattendasein» führt, ist kaum verständlich. Der Bedarf ist gross und nimmt stetig zu. So haben in der Schweiz etwa 10'000 Kinder und Jugendliche Bedarf an Palliative Care, auf den Kanton Zürich heruntergerechnet, sind dies etwa 1'800. Dennoch werden am Kinderspital lediglich 150 Kinder und Jugendliche pro Jahr palliativ betreut. Hinzu kommt, dass Kinder mit palliativem Betreuungsbedarf grundsätzlich komplexe Krankheitssituationen und ein breites Spektrum an Diagnosen – oft sehr seltene Erkrankungen – aufweisen. Die Krankheitsverläufe dauern von wenigen Stunden bei Neugeborenen bis hin zu Jahren mit Transition in den Erwachsenenbereich. Manche Erkrankungen werden bereits pränatal diagnostiziert.

Warum nur etwa ein Zehntel der Kinder und Jugendlichen mit Palliativbedarf auch wirklich Palliative Care erhalten, hat verschiedene Gründe. Insbesondere Neugeborene und Säuglinge machten zwar den grössten Anteil der Todesfälle aus, erhalten aber am wenigsten Palliative Care. Als Gründe nannte Eva Bergsträsser etwa das mangelhafte Wissen zahlreicher Fachleute im Gesundheitswesen, fehlende Fachpersonen in der pädiatrischen Palliative Care sowie die weiter ungelösten Finanzierungsfragen, die sich auch im Palliative-Care-Bereich für Erwachsene finden. Weiter spielen eine dürftige Datenlage sowie unbefriedigende respektive ungenügende Angebotsstrukturen eine grosse Rolle.
«Neben dem Kind spielen die Bedürfnisse der Familie – der Eltern und Geschwister – eine zentrale Rolle.» Eva Bergsträsser, Palliativmedizinerin

Ziel der pädiatrischen Palliative Care ist das Lindern von Leiden physischer, emotionaler, sozialer und praktischer Art und die Verbesserung und Erhaltung der Lebensqualität von Kind und Familie. Auch in Entscheidungsprozessen werden die Familien unterstützt durch Advance Care Planning. Ein weiterer Punkt ist die Koordination der Betreuung zwischen verschiedenen Orten, etwa jener zu Hause und einer heilpädagogischen Einrichtung. Dies immer nach den Bedürfnissen und Werten einer Familie und im Tempo, die für alle Beteiligten stimmt. Wie Palliativmedizinerin Eva Bergsträsser weiter ausführte, geht es dabei auch um die gesunden Anteile des Kindes, die gefördert werden möchten und müssen. «Neben dem Kind spielen die Bedürfnisse der Familie – der Eltern und Geschwister – eine zentrale Rolle.» Die Familien werden auch nach dem Versterben des Kindes begleitet.

Die Last von den Schultern nehmen
Ein krankes Kind beeinflusst verschiedene Aspekte des Alltags, etwa auch jenen der beruflichen Tätigkeit der Eltern, die beispielsweise finanziellen Mehrausgaben gegenüberstehen und gleichzeitig durch die Erkrankung des Kindes wegen einer Pensumreduktion Einbussen beim Lohn in Kauf nehmen müssen. Sozialarbeiterin Nora Tschudi zeigte auf, wie sie den Eltern den hohen administrativen Aufwand und Absprachen mit Ämtern, Arbeitgebenden und Versicherungen abnehmen kann und damit eine grosse Last von deren Schultern nehmen kann. Pflegeexpertin Maria Flury zeigte anhand eines eindrücklichen Beispiels, wie viel Kreativität gefordert ist, um pflegerischen Herausforderungen zu begegnen und wie wichtig klare Zuständigkeiten und eine hervorragende interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit. Karin Zimmermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am «Kispi» stellte zum Schluss die neue vielversprechende Studie SPhAERA vor (Specialised Paediatric Palliative Care: Assessing family, healthcare professionals an health system outcomes in a multi-site context of various care settings) Das übergeordnete Ziel der Studie ist es, Nutzen und Potenzial eines spezialisierten PPC-Programmes zu untersuchen und herauszufinden, ob und wie Patienten-, Familien- und Fachpersonen-bezogene Ergebnisse verbessert werden können. Auch ökonomische Effekte auf das Gesundheitssystem sowie auf die betroffenen Familien werden untersucht.

Lesen Sie hierzu auch unser Interview mit Pflegeberaterin Claudia Dobbert und Oberärztin Deborah Gubler vom Universitätskinderspital Zürich.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner