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Palliativstation am Stadtspital Waid eröffnet

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(Bilder: palliative zh+sh, Elena Ibello / palliative ch, Christian Ruch)

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04. Mai 2018
Das neue Zentrum für Palliative Care am Zürcher Stadtspital Waid öffnet am 14. Mai 2018. Schon gestern, am 3. Mai, wurde es mit einem festlichen Symposium und um die 160 Fachpersonen und Interessierten eingeweiht.
Die neu gestaltete Station ist hell und freundlich – und heute herrscht hier eine festliche, umtriebige Stimmung. Das «echte» Leben wird aber erst in ein paar Tagen einziehen, obwohl schon erste Patientinnen und Patienten angemeldet sind. Ein grosser Teil der Besucherinnen und Besucher des Eröffnungssymposiums für das neue Zentrum für Palliative Care am Stadtspital Waid zählt zum Palliative-Care-Netzwerk aus der Stadt Zürich und der Region. Roland Kunz, Leiter der neuen Station, sagt am Symposium: «Palliative Care lebt vom Engagement der einzelnen Menschen. Alle Papiere und Strategien, die in den letzten Jahren erarbeitet wurden und noch werden, reichen nicht.» Die Palliative-Care-Station am Stadtspital Waid solle eingebunden sein in ein Netzwerk, das Palliative Care erst ermögliche. «Und ich freue mich, dass die meisten heutigen Referate von Partnern aus diesem Netzwerk gehalten werden.»
«Palliative Care lebt vom Engagement der einzelnen Menschen.»
Roland Kunz

Aina Zehnder, Oberärztin Palliative Care am Stadtspital Triemli, erzählt vom Konsiliardienst, den sie mit ihrem Team im Triemli betreibt und spricht über die Rolle der Spitäler in der Palliative Care. «Das Spital ist für viele Betroffene ein Zufluchtsort in einer akuten Krise, der 24 Stunden zur Verfügung steht. Er gibt den Patienten Sicherheit.» Sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit der Station im Spital Waid. Auch Barbara Steiner, Leiterin der Fachstelle Palliative Care bei der Spitex Stadt Zürich, zeigt sich überzeugt, dass ein Spital – gerade mit einer spezialisierten Palliative-Care-Abteilung – in vielen Situationen für Betroffene eine Art Anker sein kann. Obwohl die meisten Menschen gerne bis zum Tod zuhause bleiben möchten und Steiner mit ihrem Team bemüht ist, dies zu ermöglichen.



Ihre Fachstelle habe viel zu tun mit der Koordination der verschiedenen Dienste, die Patienten und Angehörige in der Palliative Care benötigen, immer in enger Zusammenarbeit mit der örtlichen Spitex. Für die Fachstelle sei es zudem sehr wichtig, dass die Hausärzte immer erreichbar seien und es werde sehr geschätzt, wenn sie Hausbesuche machen. «Die Zusammenarbeit mit den Hausärzten ist für uns enorm wichtig. Wenn ein Hausarzt nicht daran glaubt, dass ein Patient oder eine Patientin zuhause bleiben kann, dann können wir schon fast nichts mehr ausrichten – auch wenn wir sicher sind, dass es mit der richtigen Begleitung möglich wäre.»
«Wenn ein Hausarzt nicht daran glaubt, dass ein Patient oder eine Patientin zuhause bleiben kann, dann können wir schon fast nichts mehr ausrichten.»
Barbara Steiner

Der Hausarzt Adrian Glarner, der mit der Fachstelle der Spitex öfter zusammenarbeitet, sagt, finanziell seien Hausbesuche zwar ein Fiasko. Der Tag eines Hausarztes sei dermassen durchgetaktet, dass eine Begleitung von Palliativpatienten eigentlich kaum Platz habe. Aber es gehöre für ihn zu seiner Aufgabe, seine Patienten über ein ganzes Leben zu begleiten. Pro Jahr habe er zwar «nur» vier bis sechs Palliativpatienten, aber mit denen habe er meist sehr lange Beziehungen. Entscheidend sei für ihn, dass die Betreuung in palliativen Situationen interprofessionell, gemeinsam mit verschiedenen Diensten und auch den Angehörigen erfolge. Der «Runde Tisch» ist für ihn dabei ein unverzichtbares Instrument. «Palliative Care zwingt uns, wegzukommen von dem verrückten hierarchischen Denksystem, das den Arzt als ‘Herrgott’ sieht», sagt Glarner. Er ist wie Barbara Steiner sehr froh, dass es eine weitere Palliativstation in der Stadt geben wird:




Auch Regula Bucher vom Züricher Lighthouse ist als Gast am Eröffnungssymposium im Stadtspital Waid und sie ist überzeugt, dass das Palliative-Care-Angebot eines Akutspitals in gewissen Situationen wichtig ist.



Dass es alles andere als einfach ist, ein solches Angebot angemessen zu finanzieren, wird am Symposium nicht verschwiegen. Schon Spitaldirektor Lukas S. Furler hat ganz zu Beginn in seiner Begrüssung die Frage vorweggenommen: Warum ein Zentrum für Palliative Care in Zeiten von DRG? Wieso eröffnet ein Spital eine solche Station, wo sich längst gezeigt hat, dass das geltende Abrechnungssystem für Palliative-Care-Leistungen ungeeignet ist und zu defizitären Abteilungen führt? «Unsere Verpflichtung gegenüber den Patienten ist ganzheitlich», sagt Furler. Der medizinische Fortschritt sei gross und er gehe weiter. «Vermutlich werden die Phasen unheilbarer, schwerer Krankheit weiter zunehmen und Palliative Care wird an Bedeutung weiter gewinnen.» Furler fügt an: «Trotzdem werden wir natürlich die Kosten dieser neuen Station mit Argusaugen betrachten – und weiterhin mit Geldgebern feilschen, damit Palliative Care letztlich finanziert werden kann.»
«Das DRG-System ist komplett auf "cure" ausgerichtet und überhaupt nicht auf "care".»
Steffen Eychmüller

Steffen Eychmüller, Roland Kunz’ Kollege in Bern am Inselspital, knüpft später am Finanzierungssystem mit Fallpauschalen an, das komplett auf «Heilung», auf «cure», ausgerichtet sei und überhaupt nicht auf «care». Entsprechend habe die Betreuung am Lebensende keinen Platz im Gesundheitssystem. «Bei uns auf der Palliative-Care-Station legen wir den Fokus auf die unverwechselbare Geschichte jedes einzelnen Menschen. Wir sind neugierig auf diese Geschichten und wir versuchen herauszufinden, wer das ist, den wir hier betreuen.» So könne man Ressourcen aktivieren, die nicht an einen funktionierenden Körper gebunden seien. Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Universität Zürich, findet es unerlässlich, dass Spiritualität im Umgang mit Palliativpatientinnen und -patienten zumindest zum Thema gemacht wird. Er findet, das Personal in einem Spital solle und könne in gewissem Umfang Spiritual Care leisten. Diese sei eine «Wahrnehmungs- und Kommunikationskunst».



Eychmüller sieht verschiedene «Tsunamis» auf unsere Gesellschaft zurollen, darunter die Babyboomer am Lebensende. Er sagt, der Anspruch von uns allen sei der einer fast allmächtigen Hightech-Medizin. Die Realität aber sei schlicht chronische Krankheit. «Der Ökonomisierung des gesamten Lebens müssen wir Paroli bieten», so Eychmüller. Und wir sollten über einige Fragen dringend eine gesellschaftliche Diskussion führen. «Wieviel ist uns das Lebensende wert? Wofür geben wir Geld aus? Wer profitiert vom Wirtschaftswachstum?» Und: «Wir sollten in den Gemeinden, in den Schulen, in der Öffentlichkeit über das Sterben reden.»
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