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Ein letztes Zuhause im Tösstal

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Sterne bestimmen das Design in der palliativen Wohngemeinschaft Pallistella im Tösstal. (Bilder:OnPac/gme)

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18. Oktober 2021 / Region
Eine palliative Wohngemeinschaft bietet seit dem Sommer schwerstkranken Menschen die Möglichkeit ihre letzte Zeit in einem kleinen Hospiz zu verbringen. In einer halbjährigen Pilotphase prüfen die beiden Initianten Corina und Herbie Günther, ob ihr Angebot im Tösstal auf genügend Interesse stösst.
Sterne begegnen einem auf Schritt und Tritt im Hospiz Pallistella. Holzgesägte Doppelsterne zieren die Fenstersimse, die Zimmer sind nach Sternenbildern benannt und im «Sunnestübli» hängen auf nachthimmelblau bemalten Leinwänden Sternchen mit den Initialen von Verstorbenen. Anfang Juli haben Corina und Herbie Günther das Hospiz mit fünf Betten – oder palliative Wohngemeinschaft, wie sie es nennen - im Tösstal eröffnet.

Schon früher ein Haus für Sterbende
Doch eigentlich muss man die Zeit um gut 120 Jahre zurückdrehen, wenn man die ganze Geschichte von Pallistella erzählen will. Damals war das Backsteinhaus mit den grünen Läden in Rämismühle, das mittlerweile zu Zell gehört, ein Bauernhof. Zwei Frauen, Babette Isler und Elise Gossweiler, schufen in diesem alten, baufälligen Bauernhaus einen Ort, wo erschöpfte, kranke und sterbende Menschen Ruhe, Erholung, Betreuung und Heilung erfahren konnten – ganz im Sinne des Hospiz-Gedankens. Als das Bauernhaus abgerissen werden musste, entstand an dieser Stelle das heutige Haus «Silo», in dem nun das Hospiz Pallistella integriert ist. Inzwischen gehört das Haus zum Ensemble des «Zentrums Rämismühle», das Pflegeheim, Seminarhaus, aber auch Gästehaus ist. Und nun also sitzt Corina Günther, Leiterin Pflege und Mitglied der Geschäftsleitung des spezialisierten ambulanten Palliative-Care-Dienstes OnPac, im gemütlichen Aufenthaltsraum von Pallistella und freut sich, dass der Urgedanke nun realisiert werden konnte.

Sie schaut in den sonnigen Garten, wo bald ein Wildblumengarten mit einem Platz für ein Outdoor-Pflegebett entstehen soll, und erzählt von ihrer Vision, die nun zu Pallistella geführt hat. «Wir pflegten eine 30-jährige Frau, die schwer an Krebs erkrankt war. Doch als sie am Ende nicht mehr zu Hause bleiben konnte und in ein Pflegeheim verlegt werden musste, war das sehr schwierig. Den beiden kleinen Kindern wurde der Zutritt verwehrt, weil sie zu laut seien.» Das sei ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. «Ich wollte einen Ort schaffen, in dem Menschen ihre letzte Lebenszeit verbringen können, die nicht in ein Pflegeheim möchten oder dort nicht hinpassen.» Ein erster Anlauf vor zweieinhalb Jahren in Wila scheiterte. Dann wandte sich Corina Günther an Markus Schaaf, EVP-Kantonsrat und Geschäftsleiter des Zentrums Rämismühle und stiess sofort auf offene Türen. Innert weniger Monate konnten Herbie und Corina Günther ihr Hospiz-Projekt realisieren.

Übernachtungsmöglichkeit für Angehörige
Die Idee dahinter: Pallistella agiert als Vermieter von Palliativ-Pflegezimmern, die medizinischen Leistungen werden bei OnPac eingekauft. «Wir gehen quasi zu den Patientinnen und Patienten nach Hause in ihr Zimmer», erklärt Corina Günther. Seit dem 10. Juli ist das Hospiz Pallistella nun in Betrieb und verfügt über einen Aufenthaltsraum, eine kleine Küche, in der auch Angehörige oder Gäste kochen können, und fünf Einzelzimmer, die einen Blick ins Grüne bieten und mit Pflegebett, Fernseher, Schreibtisch, einem Sessel, WLAN und Nasszelle eingerichtet sind. Wer möchte, kann eigene Möbelstücke mitbringen. Angehörige können auf einem Klappbett im Zimmer übernachten oder sich im Hotel des Zentrums Rämismühle einmieten. Das Essen kann aus dem nahen Bistro geholt oder dort gegessen werden. Die Gäste kommen aus dem ganzen Kanton und verbringen im Schnitt fünf Tage im Tösstaler Hospiz. Die ersten Betriebswochen haben gezeigt, dass die Zimmer doppelt hätten belegt werden können. Auch aus anderen Kantonen kommen regelmässig Anfragen. «Wenn wir durchschnittlich eine konstante Belegung von drei Zimmern haben, können wir mit einem kleinen Gewinn abschliessen.»

Palliative Wohngemeinschaften als Zukunftsmodell
Ihrem Hospiz-Projekt gewähren Corina und Herbie Günther eine halbjährige Pilotphase, um zu testen, ob das Konzept ankommt. So lange werden die Bewohnerinnen und Bewohner von ausgebildeten, spezialisierten Pflegefachpersonen betreut. Zugewiesen werden die Hospizgäste meist von Ärzten, Spitälern oder Spitexorganisationen. Es melden sich aber auch Angehörige direkt. Möglich sind auch kurze Aufenthalte, um die Familie zu Hause für ein paar Tage zu entlasten. Eine medizinisch-pflegerische 24 Stunden-Betreuung steht den Bewohnern des Pallistellas mit spezialisiertem Fachwissen zur Verfügung. Weiter arbeiten Seelsorgende, Palliativärztinnen und Fachpersonen für weitere Therapien für das Pallistella.

Für pflegerischen und medizinischen Leistungen braucht es eine ärztliche Verordnung, die dann mit der Krankenkasse abgerechnet werden können. Gleichwohl ist auch Pallistella auf Spenden angewiesen. «Nicht für die Löhne», stellt Corina Günther klar, «sondern für die Medizinaltechnik.» Obwohl das Hospiz noch einige behördliche Hürden nehmen muss und die Pilotphase noch läuft, haben die Initiatoren Zukunftspläne. Corina Günther kann sich eine Art Satellitenmodell vorstellen, weitere palliative Wohngemeinschaften, die für die medizinischen Leistungen auf ambulante spezialisierte Teams zurückgreifen können. «Es braucht solche Angebote wie das unsrige», sagt Corina Günther.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner