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Spotlight Region: Die eigenen Erfahrungen nach aussen tragen

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Sie gehören zum insgesamt 24-köpfigen Team des neuen Kompetenzzentrums Palliative Care am UniversitätsSpital Zürich: Die Assistenzärztin Nicole Kubli, die stellvertretende Leiterin Dr. Dr. Kathrin Zaugg, der Leiter des Pflegedienstes Othmar Immoos und der ärztiche Leiter Dr. Stefan Obrist (v.l.).

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21. Februar 2012 / Region
Am Universitätsspital Zürich nahm das Kompetenzzentrum Palliative Care vor rund einem Monat die Arbeit auf. Ein Augenschein vor Ort.

«Wir funktionieren so interdisziplinär und individuell wie kaum eine andere Abteilung am Universitätsspital», sagt der Pflegefachmann Othmar Immoos. Er ist der Co-Leiter des neu eröffneten Kompetenzzentrums Palliative Care am Universitätsspital Zürich (USZ) und zuständig für die Pflege. Sein Teamkollege und Co-Leiter Dr. Stefan Obrist, der die ärztliche Leitung des Kompetenzzentrums inne hat, nickt und fügt an: «Trotz der umfangreichen Richtlinien und Raster, die in unserem grossen Spital vorgegeben sind, können wir uns ganz nach den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, die unsere Patienten sind.»

Seit Anfang Januar 2012 ist das Kompetenzzentrum Palliative Care am USZ in Betrieb und bereits nach einem Monat zum ersten Mal voll besetzt. Acht Palliativbetten sind es, die vorläufig in der neu gestalteten Abteilung Platz finden. Im Verlauf des Jahres sollen aus den acht Betten 13 bis 14 werden und bis 2015 ist ein Ausbau auf 20 geplant.

Patienten wie Angehörige wahrnehmen

«Der Aufbau eines geeigneten Teams für ein solches Kompetenzzentrum braucht viel Zeit», sagt Dr. Dr. Kathrin Zaugg, die Stellvertreterin von Obrist, die seit Jahren den Aufbau des Kompetenzzentrums vorangetrieben hat. «Wir konnten darum nicht von Beginn an mit den geplanten 20 Betten starten». Vorläufig arbeiten im Team zwei Oberärzte, zwei Assistenzärzte und 20 Pflegende, die auch die radio-onkologischen Patienten auf der Station mitbetreuen. Die Stellen, die zum weiteren Ausbau nötig sind, sind von der Spitalleitung bereits bewilligt.

«Das Universitätsspital betreut wie alle anderen Spitäler immer wieder unheilbar kranke und sterbende Patienten. Solange die Heilung das erklärte Ziel ist, braucht man eine genaue Diagnostik aus der, möglichst standardisiert, die erfolgversprechendste Therapie abgeleitet wird. Wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, steht das Lindern der Symptome und das Verbessern der Lebensqualität im Vordergrund. Die Lebensqualität lässt sich aber nie rein medizinisch definieren», sagt Obrist. Im Sinne der Palliative Care stehe dann nicht mehr die Diagnose im Vordergrund, sondern der betroffene Mensch, geprägt von seiner Weltanschauung, seinem Umfeld und seiner Lebensgeschichte. «Unsere Patienten brauchen keine Standardtherapien, je nach der persönlichen Situation ist eine andere Therapie angezeigt», so Obrist. Immoos ergänzt: «Bei uns werden die Angehörigen ebenso wahrgenommen wie die Patienten. Denn unser Ziel ist es, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und dafür sind alle Betroffenen aus ihrem Umfeld wichtig.»

Langjährige Vorarbeit

Die Idee zum Kompetenzzentrum Palliative Care ist indessen nicht neu. Zaugg hatte schon 1999 mit der damaligen Stationsleitung die Idee, im USZ eine Palliativstation zu eröffnen. «Im Januar 2000 konnten wir die ersten Betten der Radio-Onkologie für Palliativpatienten zur Verfügung stellen», erinnert sich Zaugg. Prof. Urs Martin Lütolf, Chefarzt Radio-Onkologie am USZ, setzte sich während einer rund fünfeinhalbjährigen Abwesenheit Zauggs kontinuierlich für einen Ausbau ein und 2006 machte man einen grossen Schritt vorwärts: Das Projekt für das heutige Kompetenzzentrum konnte gestartet werden. «Auftrieb gab uns sicher das Kantonale Konzept Palliative Care, welches damals lanciert worden war», sagt Zaugg. Aufgrund zahlreicher Sparmassnahmen und weiterer Stolpersteine verzögerte sich die Umsetzung dennoch immer wieder. «Der Aufbau brauchte auch deshalb viel Zeit, weil wir mit verschiedenen Stellen zusammen arbeiten mussten», so Zaugg.

Heute bringt diese langjährige Vorarbeit aber auch Vorteile. Zaugg sagt: «Bei den meisten involvierten Personen aus allen möglichen Disziplinen herrscht nun dasselbe Verständnis von Palliative Care und der Arbeit am Kompetenzzentrum». Bereits seit 2000 treffen sich diese Fachleute einmal wöchentlich zu einer interdisziplinären Sitzung und besprechen aktuelle Fälle, teilen Erfahrungen und arbeiten an der Weiterentwicklung der Palliative Care am USZ. Zum Teil sind es heute noch dieselben Personen wie vor zwölf Jahren. Dies bedeutet indes nicht, dass in allen Abteilungen und Kliniken des USZ die Philosophie der Palliative Care bekannt ist oder gar gelebt wird. «Wir möchten mittelfristig diese Haltung möglichst in das gesamte Spital hinaus tragen», sagt Obrist. Er ist sich bewusst, dass ein solcher Wandel nicht von heute auf morgen stattfinden kann. «Damit Palliative Care aber auch in Lehre und Forschung weitergebracht werden kann, braucht es ein echtes, fixes Zentrum, da kann man nicht einfach als ‚fliegende Truppe’ im Spital unterwegs sein.» Denn diese Lösung war zeitweise im Gespräch. «Wir wollen eine Basis haben, in der sich das interprofessionelle und interdisziplinäre Team im Alltag bewähren kann. Nur so können wir auch intensiv Erfahrungen sammeln und von da aus bieten wir die Beratung in anderen Abteilungen an», sagt Pflegeleiter Immoos.

Unterschiedliche Reaktionen

Das Kompetenzzentrum Palliative Care, das organisatorisch zum Bereich Innere Medizin-Onkologie gehört und innerhalb der Klinik für Radio-Onkologie als eigenständige Abteilung fungiert, wird am USZ bereits relativ breit wahrgenommen, wie die Leitung sagt. «In der Pflege streckt man die Fühler nach uns aus. Ich erhalte viele Anrufe aus anderen Abteilungen, Kollegen fragen mich, wie es läuft und ob wir uns persönlich vorstellen könnten. Es ist ein echtes Bedürfnis da», sagt Immoos. Auch von Ärzten kommen viele solche Rückmeldungen und Interessensbekundungen. Doch ist es da manchmal auch etwas komplizierter: «Unter Ärzten herrscht ein ausgeprägteres Konkurrenzdenken als unter Pflegenden. Es gibt solche, die denken, man wolle ihnen etwas weg nehmen und sich darum über unsere Eröffnung nicht so sehr freuen», sagt Zaugg. Doch die Nachfrage vonseiten der Patienten ist kaum zu bestreiten und die Rückmeldungen von Betroffenen fallen bisher positiv aus.
Bild: Reto Klink, palliative zh+sh