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Spotlight Region: Ein Kompetenzzentrum für das linke Zürichseeufer

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Boris Müller-Hübenthal, ärztlicher Direktor Paracelsus-Spital Richterswil.

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12. Dezember 2011 / Region
Im Paracelsus-Spital in Richterswil entsteht ein neues Kompetenzzentrum für Palliative Care. Es wird ab 2012 zehn Palliativbetten anbieten und kann als klares Bekenntnis zur palliativen Grundhaltung verstanden werden.

«Palliative Care ist uns seit jeher ein grosses Anliegen und wir haben diesen Grundsatz hier am Paracelsus-Spital eigentlich schon immer verfolgt», sagt Boris Müller-Hübenthal, der ärztliche Direktor. Ab 2012 wird das Anliegen nun in einem neuen Angebot konkretisiert: Es entsteht ein Kompetenzzentrum für Palliative Care am Paracelsus-Spital.

Eigener Bereich mit Aufenthaltsraum und Küche

Zehn Palliativbetten sollen in einer separaten Abteilung Platz finden. Fast die Hälfte des zweiten Stockwerkes des Spitals am linken Seeufer wird umgestaltet und separat abgetrennt. «Der gesamte Bereich erhält einen ganz eigenen Charakter», sagt Müller-Hübenthal. Ein Holzboden soll gelegt werden und die Inneneinrichtung der Zimmer wird neu gestaltet, wobei auf eine warme, freundliche Ausstattung geachtet wird. Zudem entsteht ein Aufenthaltsraum, der ebenso wie der Gang farblich komplett neu gestaltet wird und es soll eine gemeinsame Küche geben, damit die Patienten und ihre Angehörigen wie zuhause Essen zubereiten können.

Betreut werden die Palliativpatienten von drei Ärzten des Paracelsus-Spitals, die bereits über eine Zusatzausbildung in Palliativmedizin und ebenso über langjährige Erfahrung in diesem Bereich verfügen. Zu ihnen gehört auch der ärztliche Direktor Müller-Hübenthal. Es arbeiten bereits Pflegefachpersonen mit spezieller Palliative Care Ausbildung im Spital. Weitere Pflegefachpersonen werden sich noch weiterbilden.

Neuer Leistungsauftrag

Nun ist man versucht zu fragen: Wenn am anthroposophischen Spital in Richterswil Palliative Care schon seit langem ein Anliegen ist und bereits viele ausgebildete Fachpersonen dort arbeiten, warum entsteht dann das Kompetenzzentrum erst jetzt? «Ich glaube, die Patienten erwarten das von uns, das hat auch etwas mit dem Zeitgeist zu tun», sagt Müller-Hübenthal und fügt an, man habe schon immer Palliativpatienten betreut. Dass das Kompetenzzentrum dennoch erst jetzt entsteht, hat freilich auch politische Gründe. Der Aufbau wird nicht zuletzt dank dem entsprechenden Leistungsauftrag des Kantons Zürich möglich. Mit der Neuordnung der Spitalliste erhielt das Paracelsus-Spital zusätzlich zum bereits bestehenden Leistungsauftrag für Schul- und Komplementärmedizin den Auftrag für Palliativmedizin. «Darüber freuen wir uns und nun wollen wir natürlich auch im Hinblick auf strukturelle Notwendigkeiten nachziehen. Dazu entsteht das neue Kompetenzzentrum», sagt Müller-Hübenthal. In der Region gibt es ausser dem Spital Affoltern mit seinem Kompetenzzentrum Palliative Care kaum spitalinterne Angebote. Vor allem in den angrenzenden Kantonen Schwyz und Zug fehlen Palliative-Care-Abteilungen weitgehend.

Die Mehrheit der Mitarbeiter am Paracelsus-Spital hat einen anthroposophischen Hintergrund. Krankheit wird hier nicht nur als Schicksal oder Zufall verstanden, sondern auch als Chance. Müller-Hübenthal sagt: «Krankheit ist immer auch eine Entwicklungsmöglichkeit, sowohl für die Betroffenen, als auch für ihr unmittelbares Umfeld.» Oft werde Krankheit als ein Übel gesehen, das unbedingt so schnell wie möglich beseitigt werden müsse. «Natürlich bemühen auch wir uns um die Heilung von Krankheiten, aber wir fragen die Menschen, die zu uns kommen, immer auch, wie sie selber dazu stehen.» Oft würden Patienten berichten, sie kämen plötzlich zu Einsichten, die sie vorher, ohne die Begegnung mit der Erkrankung, nicht in dieser Form gehabt hätten. «Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt», so Müller-Hübenthal, der vor dem Antritt seiner Stelle in Richterswil im vergangenen April bereits eine Palliativabteilung in Deutschland geleitet hat.

Ganzheitliches pflegerisches und kunsttherapeutisches Angebot

Wichtig ist für die Ärzte und Pflegenden des Paracelsus-Spitals auch das Verständnis von Heilung. Ganz besonders in der Palliativpflege. Müller-Hübenthal sieht Heilung nicht nur auf der körperlichen, sondern auf vielen verschiedenen Ebenen. «Unter Heilung kann auch verstanden werden, den Lebenssinn zu einem guten Abschluss zu bringen.», sagt er. Das könne heissen, dass man sich aussöhne unter zerstrittenen Angehörigen, dass man einen Menschen noch einmal treffe, dem man etwas zu sagen habe oder dass man noch einmal eine Reise antrete, die man sich wünsche. Die Ansicht, dass Heilung nicht nur etwas ist, das auf der rein materiell-physischen Ebene stattfindet, sondern im Seelischen oder Geistigen ebenso passieren kann und muss, das, so ist Müller-Hübenthal überzeugt, sei eine gute Vorbereitung für die letzte Lebensphase.

Das grosse Angebot an komplementärmedizinischen Behandlungen soll Eingang in das Kompetenzzentrum für Palliative Care finden. «Die Wickel, Einreibungen und Massagen, sowie die bekannte Misteltherapie, die wir anbieten, haben einen hohen Stellenwert», sagt Müller-Hübenthal. «Es sind eben Be-Handlungen, auch im Sinne von Hand anlegen. Wir sind hier nicht nur mit dem Rezeptblock unterwegs, sondern machen für unsere Patienten auch Einreibungen, Auflagen oder bestimmte rhythmische Massagen und Bäder.» All dies wird am Paracelsus-Spital schon seit vielen Jahren praktiziert.

Bekenntnis zu Palliative Care

Ebenfalls seit vielen Jahren lebt man hier eine Verabschiedungs- und Sterbekultur. Stirbt ein Patient, nimmt das Verabschiedungsritual viel Raum ein. Es wird meist als Feier gestaltet, die in einem separaten Andachtsraum stattfindet, in dem der oder die Verstorbene aufgebahrt wird. Bei der Ausgestaltung der Feier werden die Angehörigen miteinbezogen. «Für uns ist es selbstverständlich, dass wir jeden Menschen in seiner religiösen Einbindung respektieren», sagt Müller-Hübenthal. Wichtig sei immer, dass eine Verabschiedung authentisch ist.

«Die wichtige Kultur und Grundhaltung für Palliative Care wird bei uns schon gelebt. Wir wollen diese nun weiterentwickeln», so Müller-Hübentahl. Die Schaffung eines Kompetenzzentrums sieht er darum als klares Bekenntnis zur Palliative Care.
Bild: Reto Klink, palliative zh+sh