palliative zh+sh

Sprunglinks/Accesskeys

Spotlight Region: Zeit für ausführliche Gespräche im Spital Bülach

Spotlight Region: Zeit für ausführliche Gespräche im Spital Bülach

Weitere Infos

Anke Hofmann ist Pflegeleiterin des neuen Kompetenzzentrums Palliative Care am Spital Bülach.

Portrait

Weitere Infos zum Thema

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

31. Mai 2012 / Region
Das Spital Bülach ist eines von sieben Spitälern im Kanton Zürich, das seit Beginn des Jahres einen Leistungsauftrag in Palliative Care hat. Kürzlich hat es ein Kompetenzzentrum Palliative Care eröffnet. Dessen Team gewährte palliative zh+sh einen ersten Einblick.

Der Mehrzweckraum D02 im Spital Bülach war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Eröffnung des Kompetenzzentrums Palliative Care am Spital im Zürcher Unterland Ende April zog Fachleute gleichermassen an wie die Bevölkerung. «Es wurden viele Fragen gestellt, so konnten wir sehen, was die Leute beschäftigt», sagt Dr. Mirko Thiene, Oberarzt in der neuen Palliativabteilung. Das Kompetenzzentrum verfügt über zehn Palliativbetten in Einzel- und Zweierzimmern. Die Nachfrage ist gross, die Betten sind bereits konstant besetzt. «Das Bewusstsein für die Betreuung und Begleitung sogenannt austherapierter Patienten wird im Haus immer grösser», sagt Anke Hofmann, die Pflegeleiterin des Kompetenzzentrums.

Ein 14-köpfiges Team arbeitet nun am Kompetenzzentrum Palliative Care. Es besteht aus Pflegefachpersonen und Ärzten mit abgeschlossener oder laufender spezialisierter Weiterbildung in Palliative Care bis zur Masterstufe. «An regelmässigen Besprechungen tauschen wir uns mit chirurgischen Kollegen, Schmerzspezialisten, onkologischen Belegärzten, Sozialarbeitenden und Spitex-Organisationen aus», sagt Thiene. Und Hofmann fügt an: «Es gibt einen regelmässigen Runden Tisch. Dieser und andere Instrumente zur interdisziplinären Zusammenarbeit wurden in einem Netzwerk aus verschiedenen Einrichtungen wie Spitexen, Langzeitorganisationen, Häusärzten oder Sozialdiensten erarbeitet.»

Die Abläufe am Kompetenzzentrum wirken schon kurz nach der Eröffnung gut eingespielt. Dies liegt wohl an der langen Vorgeschichte. Neben jahrelanger Strategiearbeit wurde auch viel in die Vernetzung investiert. Fachleute des Bereichs Palliative Care aus der Region Zürcher Unterland treffen sich vier Mal jährlich zu einem Austausch. «Dabei zeigt sich, dass wir alle mit ähnlichen Problemen und Widerständen zurecht kommen müssen, gleichzeitig freut man sich gemeinsam über Fortschritte», sagt Hofmann.

«Das Wichtigste ist ein gut informierter Patient»

Im Mittelpunkt der Bemühungen steht für Thiene, dass die Qualität der Patientenversorgung verbessert wird. Das beinhaltet seiner Ansicht nach vor allem, dass der Patient oder die Patientin immer genau über seine oder ihre aktuelle Situation im Bilde ist. Es liege an den Ärzten, regelmässige Standortbestimmungen zu machen, so Thiene. «Das bedeutet auch, dass man Fragen thematisiert, die nicht einfach sind.» Genau dies findet in klassischen Spitalabteilungen bisher zu wenig statt. Oft ist es bei solchen Themen mit einem einzigen Gespräch auch nicht getan. «Das braucht viel Zeit, das ist uns bewusst. Aber wir versuchen hier, diese Zeit aufzubringen. Denn es gibt nichts Wichtigeres als einen gut aufgeklärten und informierten Patienten.» Wenn man Wert lege auf Selbstbestimmung, dann gehöre es einfach dazu, dass die Betroffenen – also die Patienten und ihre Angehörigen – über die Erkrankung aufgeklärt seien. «Sie sollen sich auf keinen Fall allein gelassen fühlen», so Thiene.

Natürlich gibt es trotz allem auch immer wieder Situationen, in denen das Palliative-Care-Team mit seinen Massnahmen an Grenzen stösst, beispielsweise in der ethischen Entscheidungsfindung. «Gerade dann ist es wichtig, dass wir ausführliche Gespräche mit den Patienten und Bezugspersonen führen, um neue Wege zu finden», sagt Hofmann.

Einer ihrer Patienten beispielsweise leidet aufgrund seiner Lungenerkrankung COPD immer wieder an massiven Atemnot-Attacken. Das Palliative-Care-Team versucht mit ihm und seinen Angehörigen eine geeignete Lösung für diese belastende Situation zu finden. Die Attacken können kaum mehr reduziert werden und der Patient braucht in diesen Momenten eine intensive Eins-zu-eins-Betreuung. «Er macht sich nun Gedanken, wie lange er diese Situation noch aushalten will und überlegt sich auch, Exit einzuschalten», erzählt Hofmann. Es fand bereits ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten, seinen Angehörigen, Exit, dem Oberarzt und der Bezugspflegeperson des Patienten statt. «Dabei haben wir gemerkt, dass der Patient selber noch nicht recht weiss, was er tatsächlich will», sagt Hofmann. Nun prüft sie mit ihrem Team, ob sie ihn so sedieren können, dass er langsam einschlafen kann. Oder ob man für ihn eine bessere, intensive Betreuung in einer Langzeitinstitution suchen kann. «Bald werden wir die Situation mit den Beteiligten erneut ausführlich besprechen. Der Patient soll Zeit haben, sich zu entscheiden. Das Wichtigste bleibt die Selbstbestimmung.»

Stiftung unterstützt den Aufbau

Das Team des Kompetenzzentrums Palliative Care am Spital Bülach kümmert sich aber nicht nur vor Ort um seine Patienten. Die Spezialisten werden oft in andere Abteilungen gerufen, um dort die Patienten, Ärzte und Pflegenden zu beraten. Damit ist in jeder Abteilung eine Grundversorgung in Palliative Care gewährleistet. «Ich werde oft spontan angesprochen und den Patienten vorgestellt. Manchmal klären sich auf diese Weise Fragen tatsächlich auch auf unkomplizierte Weise zwischen Tür und Angel», sagt Thiene.

Das Kompetenzzentrum Palliative Care am Spital Bülach konnte derweil nur aus der Taufe gehoben werden, weil die Stiftung pro Spital Bülach die Weiterbildungskosten des Personals anfangs übernommen hat. Die Kosten der Infrastruktur und der Betreuung sind durch das Spital selber gedeckt. Wie es mit der Finanzierung nach der ersten Aufbauphase weiter geht, wird sich weisen. «Bis wir genau sagen können, wie hoch die Kosten für das Kompetenzzentrum sind, wird es noch eine Weile dauern. Es war uns wichtig, mit einer guten Ausgangslage starten zu können. Danach wird sich zeigen, wie wir uns weiterentwickeln, ob ein festes Team entsteht und wir die Fachleute halten können», sagt Hofmann.
Foto: Reto Klink, palliative zh+sh