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St. Gallen will Hospizen unter die Arme greifen

St. Gallen will Hospizen unter die Arme greifen

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02. Mai 2017 / Politik
Die St. Galler Regierung will, dass Kanton und Gemeinden bei der Finanzierung von stationären Hospizplätzen mit anpacken und schlägt dafür zwei konkrete Massnahmen vor. Der Kantonsrat hat darüber noch zu entscheiden.
Im Kanton St. Gallen sind derzeit zwei stationäre Hospize am Entstehen: Das Hospiz im Werdenberg, das seinen Betrieb erst kürzlich aufgenommen hat, und das Hospiz St. Gallen, das aktuell noch in Planung ist. Die neu entstehenden Hospize können gemäss bisherigen Schätzungen mit ihren insgesamt zwölf Betten den bestehenden Bedarf an stationären Hospizplätzen im gesamten Kanton decken. Nicht gedeckt sind jedoch die Kosten, die auf die Einrichtungen zukommen. Deshalb sieht die St. Galler Regierung zwei Massnahmen vor: Erstens sollen jährliche Beiträge an hospizspezifische Betreuungs- und Vorhalteleistungen gezahlt werden und zweitens will die Regierung die Höchstansätze für Pflegeleistungen in Hospizeinrichtungen erhöhen.

Hospize können Kosten nicht alleine tragen

In der entsprechenden Botschaft schreibt die St. Galler Regierung, Hospizeinrichtungen könnten Pflegeleistungen wie die Betagten- und Pflegeheime nach KVG abrechnen. Im Gegensatz zum eher lokalen Einzugsgebiet solcher Heime müssten sich Hospizeinrichtungen jedoch weit mehr überregional orientieren. Die Anforderungen an die Organisation und an die Verfügbarkeit sowie Qualifikation der Mitarbeitenden seien zudem höher. Wie die Erfahrungen in bestehenden Hospizen in anderen Kantonen zeigten, «kann den Einrichtungen mittels Pflegefinanzierung keine vollumfängliche Finanzierung ermöglicht werden, womit die Einrichtungen auf erhebliche Spendenerträge angewiesen sind.» In der Botschaft rechnet die Regierung mit Kosten, die für die Träger der beiden Einrichtungen kaum zu tragen wären. Analog zu anderen Kantnonen müsse auch von St. Galler Hospizen erwartet werden, «dass sie einen Teil ihrer Kosten durch Erträge aus privater Mittelbeschaffung (Spenden u.a.) decken». Jedoch würden die voraussichtlich benötigten Beträge «das im Kanton St. Gallen mögliche Spendensubstrat» erheblich übersteigen.

«Um die privaten Initiativen und die weit fortgeschrittene Projektierung nicht zu gefährden», sei deshalb rasch ein erster Schritt vorzunehmen. An den nicht gedeckten Betreuungsleistungen solle sich der Kanton St. Gallen deshalb zu 25 Prozent beteiligen. Jährlich wären das bei geschätzten 3‘100 Aufenthaltstagen 300‘000 Franken. «Die Beiträge an die Vorhalte- und Betreuungsleistungen stehen nicht im Zusammenhang mit der Pflegefinanzierung und sind deshalb nicht durch die Gemeinden, sondern durch den Kanton zu leisten», schreibt der Regierungsrat.
Rund 40 Prozent der Pflegetätigkeiten in einem Hospiz können mit den bestehenden Systemen nicht abgebildet werden.

In einem zweiten Schritt will die Regierung die Pflegefinanzierungsbeiträge der Gemeinden erhöhen. Denn: «Gemäss Erfahrungen der bestehenden Hospizeinrichtungen aber auch nach Einschätzung der Anbieter von Bedarfsermittlungssystemen können rund 40 Prozent der Pflegetätigkeiten in einem Hospiz mit den bestehenden (…) Systemen nicht finanzierungs- bzw. einstufungsrelevant abgebildet werden.» Es handle sich dabei um vom Hospiz zu erbringende spezialisierte Vorhalteleistungen, also die Bereitstellung eines multiprofessionellen Umfeldes. Blieben die Höchstansätze für die Pflege unverändert, müssten also rund 40 Prozent der Aufwände ausserhalb der Pflegefinanzierung finanziert werden. «Das wäre für die Trägerschaften kaum verkraftbar, da dies die auch aufgrund der geringen Platzzahl schwierige wirtschaftliche Leistungserbringung noch zusätzlich erschweren würde.» Eine Erhöhung der Höchstansätze sei unabdingbar.

Die Kostenbeteiligung der betroffenen Personen, die im Hospiz betreut würden, und der Krankenversicherung sind fixiert. «Damit ist diese Erhöhung von Höchstansätzen ausschliesslich durch die Restfinanzierungsanteile der Gemeinden zu tragen», schreibt die Kantonsregierung. Sie schlägt vor, gestützt auf zahlreiche Erfahrungen die Höchstansätze für Pflegeleistungen für zugelassene Hospizeinrichtungen für sämtliche Pflegestufen um rund 40 Prozent des derzeit gültigen Höchstansatzes der Pflegestufe 8 zu erhöhen – also um 66 Franken. Die Gemeinden müssten voraussichtlich mit jährlichen Zusatzkosten von insgesamt rund 205‘000 Franken rechnen, meint die Regierung. Die Zahlen basieren auf Schätzungen. Die Beiträge sollen wie üblich nach dem Herkunftsprinzip belastet werden. Es zahlt also die Gemeinde, in der die im Hospiz betreute Person wohnhaft ist.

Nicht alle stehen hinter dem Finanzierungskonzept

Trotz dieser Erhöhung der Beteiligung durch die Gemeinden an der Betreuung im Hospiz müssten betroffene Personen für den Aufenthalt in einem St. Galler Hospiz für Pflege, Betreuung und Pension pro Tag weiterhin mit etwas über 200 Franken rechnen. Und auch die Hospize selber könnten – sollte der St. Galler Kantonsrat auf den Beschluss eintreten – auch mit der zusätzlichen Unterstützung von Kanton und Gemeinden auf das Spendensammeln nicht verzichten.

In der Vernehmlassung des Entwurfs zeigte sich, dass die Mehrheit der Parteien, die eingeladen worden waren, Stellung zu nehmen, die grundsätzliche Ausrichtung der Vorlage begrüssten. Die Vereinigung St. Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten (VSGP) jedoch lehnt das Finanzierungskonzept grundsätzlich ab. Sie sieht den Kanton in der Finanzierungspflicht und will keine Beteiligung der Gemeinden.

Nationale Lösung erwünscht

Palliative ostschweiz, die örtliche Regionalsektion von palliative ch, zeigte sich erfreut darüber, dass der Kanton den Handlungsbedarf erkannt hat und gab in der Vernehmlassung insbesondere zu bedenken, dass gleichzeitig auf nationaler Ebene dringend eine Anpassung der Pflegefinanzierung auf die Bedürfnisse stationärer Hospize anzustreben sei. «Dass die Pflege eines Hospizpatienten vorwiegend über die höchste Pflegestufe gemäss Pflegefinanzierung verrechnet werden muss, ist unbestritten. Die Erfahrung aus anderen Hospizeinrichtungen zeigt jedoch, dass dieses Entgelt die effektiven Pflegekosten in der Regel nicht zu decken vermag», schrieb palliative ostschweiz in ihrer Stellungnahme in der Vernehmlassung. Hier müsse «auf nationaler Ebene eine Regelung für stationäre Hospize ausgearbeitet werden.» Denn der Kostenanteil, der von den Betroffenen selbst finanziert werden müsse, könne dazu führen, dass «jemand trotz nachgewiesener Notwendigkeit diese Einrichtung nicht nutzen kann, weil die Berechtigung für den Bezug von Beiträgen aus IV oder AHV mittels EL nicht gegeben ist». palliative ostschweiz wies zudem darauf hin, dass neben den stationären Hospizen auch ambulante Hospizdienste Mühe haben, sich zu finanzieren.
Freiwilligenarbeit ist nicht «zum Nulltarif» zu haben.

Zu den in der Botschaft des Regierungsrats erwähnten Möglichkeiten der Hospize, ihre Betriebskosten zu beeinflussen, schreibt palliative ostschweiz, es sei wichtig zu wissen, dass Freiwilligenarbeit nicht «zum Nulltarif» erhältlich sei. «Zu meinen, dass die Kosten weiter gesenkt werden könnten, wenn der Anteil der Freiwilligenarbeit erhöht würde, ist unseres Erachtens eine Hoffnung, die sich nicht erfüllen kann.»
palliative zh+sh, ei / palliative ostschweiz / Kt. St. Gallen