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Besuche auf Distanz werden möglich

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Viele Bewohnerinnen und Bewohner von Alters- und Pflegeeinrichtungen haben während des Kontaktverbots psychisch stark gelitten. Nun lässt der Kanton Zürich Besuche unter Auflagen wieder zu. (Bild: ©Satjawat - stock.adobe.com)

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30. April 2020 / Region
Ab dem 30. April lockert der Kanton Zürich das Besuchsverbot in den Alters- und Pflegeheimen, das seit Mitte März galt. Dabei müssen die Heime speziell ausgewiesene Besucherzonen einrichten, die die Einhaltung der Hygiene- und Distanzvorschriften ermöglichen. Ein neunseitiges Merkblatt unterstützt die Institutionen bei der Umsetzung. Umarmungen bleiben verboten. Und Covid-19-Patienten allein.
Sieben lange Wochen durften betagte Menschen in Alters- und Pflegeheimen keinen Besuch mehr empfangen. Am 13. März verhängte der Kanton Zürich ein völliges Kontaktverbot. Die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Institutionen mussten auf ihre Angehörigen und Freunde verzichten. Das führte zu bewegenden Szenen, etwa wenn Ehepartner, von denen einer in einer Pflegeeinrichtung lebt und der andere zu Hause, sich nur noch per Telefon beistehen durften. In manchen Fällen waren Menschen durch das Besuchsverbot auch zu einem einsamen Tod verurteilt. Nun lockert der Kanton das Kontaktverbot per 30. April und weist die Heime an, «unter Einhaltung von Hygiene- und Distanzvorschriften speziell ausgewiesene Besucherzonen einzurichten», wie es in einer Medienmitteilung der kantonalen Gesundheitsdirektion heisst.

Belastende Situationen in Heimen
Das Verbot sei angeordnet worden, um ältere Menschen vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus besser zu schützen, schreibt der Kanton in seiner Medienmitteilung zur Lockerung und unterlegt dies auch mit Zahlen. Rund 62 Prozent der Covid-19-Todesfälle im Kanton Zürich betreffen Bewohnende von Alters- und Pflegeheimen. Bis zum 29. April sind im Kanton Zürich 119 Menschen verstorben, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden. 74 davon lebten in einem Alters- oder Pflegeheim, 44 starben im Spital, eine Person zu Hause.

Ältere, vulnerable Personen müssten weiterhin besonders geschützt werden müssen, kommt die Gesundheitsdirektion zum Schluss. Die Situation in den Heimen sei für alle Betroffenen – Bewohner, Pflegepersonal und Angehörige – belastend. Doch weil sich die allgemeine Situation bei den Neuinfektionen verbessert, gibt es ab 30. April Lockerungen beim Besuchsverbot. In Zusammenarbeit mit einem Fachgremium, bestehend aus Vertretern der Gesundheitsdirektion, Gemeindepräsidentenverband, Curaviva, Senesuisse, Ärztinnen, Hygieneexpertinnen und der Kantonalen Führungsorganisation (KFO), hat die Gesundheitsdirektion ein neun Seiten umfassendes Merkblatt «Besuchsregelung in Alters- und Pflegeheimen» erarbeitet. Darin sind die Kriterien aufgelistet, wie die Heimleitung Besuche ermöglichen soll.




Zu schaffen sind sogenannte Besucherzonen, in die aussenstehende Personen gelangen können, ohne dass sie den Bewohnerbereich betreten müssen. Allein Markierungen auf dem Boden genügen dafür nicht. Es braucht physische Abtrennungen wie Stellwände oder Möbel, welche die Distanz von zwei Metern zwischen Besucher und Besuchtem gewährleisten. Der Kanton schlägt vor, dass aktuell ungenutzte Zonen wie etwa Eingangsbereiche oder Bistros zu Besucherzonen umgestaltet werden können. Bei schönem Wetter biete sich auch abgegrenzter Gartenbereich an. Zudem dienen diese markierten Zonen während der Besuchszeiten ausschliesslich dem Besuchszweck. Im Merkblatt ist zudem vermerkt, dass «Besuchszonen auch für Menschen mit Demenz, die auf einer geschützten Abteilung leben, zu definieren sind».
«Die Gesundheitsdirektion hat nicht einfach dem Druck nach Lockerungsmassnahmen nachgegeben, sondern aktiv nach guten Lösungen gesucht». Monika Obrist, Geschäftsführerin palliative zh+sh

Monika Obrist, Geschäftsleiterin von palliative zh+sh, begrüsst den Entscheid der Gesundheitsdirektion. «Ich freue mich, dass die Heimbewohnerinnen und -bewohner wieder in einem geschützten Rahmen Kontakt haben dürfen zu ihren Familien und Freunden.» Der Kanton habe seinen Entscheid, der zu Beginn der Pandemie als erste Sicherheitsmassnahme getroffen werden musste, nun nach Einbezug neuer Erkenntnisse und ethischer Abwägungen revidiert. Die Kontaktsperre habe vielen dieser Menschen psychisch stark zugesetzt. «Die Gesundheitsdirektion hat nicht einfach dem Druck nach Lockerungsmassnahmen nachgegeben, sondern aktiv nach guten Lösungen gesucht, obwohl die Umsetzung für die Heime einen grossen Mehraufwand bedeutet», erklärt Monika Obrist, die auch den Schweizerischen Dachverband palliative ch präsidiert.

Besuche nur nach Voranmeldung
Die ausgewiesenen Besuchszonen müssen mit den nötigen Hygienemassnahmen und Schutzmaterial ausgerüstet sein, sollen gleichzeitig aber auch die Privatsphäre gewährleisten. Dabei darf eine Person maximal zwei Besucher empfangen. Kinder unter zehn Jahren dürfen nur dann beim Besuch mit einem Erwachsenen dabei sein, wenn eine physische Abtrennung, wie etwa eine Plexiglasscheibe, vorhanden ist. Spontane Besuche sind auch weiterhin nicht möglich. Die Heime sind aufgefordert, Möglichkeiten zur Anmeldung zu schaffen und die Besucher jeweils zu empfangen und zu instruieren und auch wieder zu verabschieden. Auch die Bewohnenden werden zu den Besuchszonen und zurück auf ihre Zimmer begleitet. Und bei den Besuchen muss es beim blossen Blickkontakt und dem Gespräch bleiben, Umarmungen oder Händeschütteln bleiben verboten.




Über verschiedene Schutzzonen nachdenken?
Heimbewohnerinnen und -bewohner, die positiv auf Covid-19 getestet wurden und jene, die sich in Isolation oder Quarantäne befinden, dürfen auch unter diesen Sicherheitsvorkehrungen, wie sie der Kanton nun vorgibt, keine Besuche empfangen. Sie müssen also weiterhin in der sozialen Isolation bleiben. Friedhelm Hufen, Professor für öffentliches Recht aus Deutschland, plädiert in seinem Land dafür, über besondere Sicherheitszonen für besonders Schutzbedürftige und solche für weniger Schutzbedürftige oder auch für solche Menschen nachzudenken, die bereit seien, persönliche Risiken einzugehen, wenn sie dafür «elementare Freiheitsbedürfnisse» wahrnehmen könnten. Freiheitseinschränkungen seien nur gerechtfertigt, wenn sie dem Schutz anderer dienten, nicht aber um erwachsene Menschen sozusagen vor sich selbst zu schützen. Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehöre auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
palliative zh+sh, Gabriela Meissner