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Medienschau August 2021

Medienschau August 2021

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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Über die Medienschau

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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20. September 2021 / Medien
Das Sterben eines Menschen ist so individuell wie sein Leben. Beim Stöbern in den Medienbeiträgen zu Palliative Care und verwandten Themen im August, zeigt sich das mehr als deutlich. Und Palliative Care wird dabei immer wichtiger.
Palliative Care soll in der Schweiz allen Menschen offenstehen, unabhängig von finanziellen Möglichkeiten oder Wohnort. Das ist auch der erklärte politische Wille. Im Toggenburg gibt es seit nahezu zehn Jahren Palliative-Care-Angebote, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet (Artikel kostenpflichtig). Damals bündelten verschiedene Organisationen wie Spitex und Senioren- und Pflegeheime, aber auch Hausärztinnen und Hausärzte, Seelsorger, Sozialdienste sowie die Hospizgruppe die regionalen Angebote und vereinten ihre Kräfte in einem Forum. Sie entsprachen damit der Strategie des Bundes zum Thema Palliative Care, der die Gemeinden beauftragte, entsprechende Angebote zu schaffen. Im Toggenburg obliegt dieser Auftrag seither dem Forum. Finanziert wird dies durch einen jährlichen Beitrag der Kommunen sowie durch Spenden.

Insbesondere der persönliche Austausch innerhalb des Forums und die Weiterbildung hätten in den vergangenen eineinhalb Jahren wegen Corona nicht stattfinden können, sagt Monika Rutz, bis vor kurzem Leiterin eines Alters- und Pflegeheims und weiterhin beim Forum aktiv. Wichtig sei die Palliativarbeit aber dennoch geblieben, und sie betont, dass sich Palliative Care nicht nur an unheilbar erkrankte Menschen am Lebensende richte, sondern auch an deren Umfeld. Sie betont denn auch die Wichtigkeit der vorausschauenden Planung. «Es ist einfacher und bringt für alle Beteiligten mehr Ruhe, wenn gewisse Abmachungen frühzeitig getroffen werden.» Dazu wurden Handlungsempfehlungen erarbeitet, die bereits bei mehreren Heimen und bei der Spitex zur Anwendung kommen. Darin werde an alles gedacht und gebe für alle ein sicheres Gefühl. Sowohl für die Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen als auch für das Pflegepersonal.

Gemäss Monika Rutz wird dazu mit den palliativ betreuten Personen ein Dossier erstellt, das nicht nur medizinische und pflegerische Massnahmen, sondern auch psychologische, soziale und spirituelle Punkte festgehalten. Etwa, ob in der letzten Lebensphase besondere Musik oder der Besuch eines Seelsorgers gewünscht sei. Auch, welche Medikamente verabreicht werden müssen, um Schmerzen zu lindern, wird im Dossier notiert. Wenn die End-of-Life-Phase beginnt, kann sich das Pflegepersonal danach richten, ohne Fragen stellen oder Rezepte für die Medikamente besorgen zu müssen. Zwar seien diese Handlungsempfehlungen zu Beginn ungewohnt und mit einem gewissen Mehraufwand verbunden gewesen, sagt Monika Rutz. «Inzwischen sind wir aber überzeugt, dass diese einen unschätzbaren Wert aufweisen, der diesen Mehraufwand mehr als wettmacht.»


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Die Beihilfe zur Selbsttötung ist in der Schweiz ein durchorganisierter Prozess, stellt das Online-Magazin «higgs.ch» fest. Angehörige, Ärztinnen und Polizei hätten klar definierte Rollen. In der Debatte jedoch gehe es hauptsächlich um die Aspekte, welche die Urteilsfähigkeit der sterbewilligen Person an sich beträfen. Jene Menschen, die am geplanten Ableben beteiligt sind – Angehörige, Pflegepersonal, Begleitende, Apotheker, Staatsanwältinnen und weitere Beteiligte – bekämen weniger Aufmerksamkeit. Das Magazin nimmt die neuere Forschung unter die Lupe, denn die Zahl der assistierten Suizide in der Schweiz nimmt zu. Laut den neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik waren es im Jahr 2018 1176 oder 1,8 Prozent aller Todesfälle. Am stärksten betroffen ist dabei die Familie. «Jeder assistierte Suizid muss legitim und legal sein. Für die Legitimation braucht es die Unterstützung durch das Umfeld», wird Murielle Pott, Professorin an der Fachhochschule für Gesundheit des Kantons Waadt, im Artikel zitiert. Den Angehörigen falle eine besondere Rolle zu: Sie müssten der betroffenen Person helfen zu leben, damit sie sterben kann. Dies, weil aktive Sterbehilfe in der Schweiz verboten ist. Für einen assistierten Suizid muss die Person urteilsfähig und selbst in der Lage sein, die tödliche Substanz einzunehmen.

Für eines ihrer Forschungsprojekte hat die Fachärztin für Palliativmedizin und Sterbeforschung Gespräche mit Menschen geführt, deren Angehörigen einen assistierten Suizid in Anspruch genommen haben. Pott kommt zum Schluss, dass der Prozess immer sehr schmerzhaft ist, dass aber alles versucht wird, damit diese letzte Lebensetappe friedlich verläuft. So würden Sterbewillige Angehörige meiden, die gegen die Idee des assistierten Suizids sind. Verhandelbar sei meistens lediglich der Zeitrahmen: Oft versuchen Angehörige, den Tod des geliebten Menschen ein paar Tage oder Wochen hinauszuzögern. Wenn das Umfeld mit der assistierten Selbsttötung gar nicht einverstanden ist, werde manchmal gedroht. «Eine Frau erzählte mir, dass ihr Mann ihr klarmachte: ‹Das Sturmgewehr steht bereit. Entweder du hilfst mir, oder ich erledige das selbst.›»

Manchmal findet der assistierte Suizid aber auch in Altersheimen oder im Spital statt. Weil in diesen Fällen auch eine Begleitperson der Sterbehilfeorganisation vor Ort anwesend, müssen alle Beteiligten zustimmen. Das sei nicht immer einfach, sagt Ralf Jox, Mitinhaber des Lehrstuhls für geriatrische Palliativmedizin am Universitätsspital Lausanne und Professor für Medizinethik an der Universität Lausanne. «In Spitälern versteht das medizinische Personal manchmal nicht, weshalb jemand möglichst bald sterben möchte.» Man sei in zeitlichen Abläufen gefangen, und der Rhythmus des Krankenhauses sei schlecht vereinbar mit der Dringlichkeit eines assistierten Suizids. Eine Umfrage bei mehreren Tausend Mitarbeitenden der Universitätsspitäler Lausanne und Genf unter Mitwirkung von Ralf Jox zeigt, dass die Ärzteschaft gegenüber der Sterbehilfe im Allgemeinen «etwas zurückhaltender» ist als andere Gesundheitsberufe. «Wenn ein Mensch sterben oder eine Krankheit nicht weiter bekämpfen will, empfinden dies viele Ärzte als Versagen.» Zudem würden sie die Verantwortung für den Prozess tragen und müssten auch sicherstellen, dass kein Druck von aussen ausgeübt werde.
Gleichwohl wird das Schweizer Modell der Sterbehilfe als Ganzes von allen Akteurinnen und Akteuren akzeptiert, kommt eine Studie von Marc-Antoine Berthod und Mitverfassenden zum Schluss. «Die am Prozess beteiligten Personen versuchen, ihre persönliche Meinung zurückzustellen, denn sie sind Teil einer Kette und haben Vertrauen ins gesamte System, auch wenn sie nicht alle Schritte kennen», so der Studienleiter.

«Töpfern hilft, während der Trauerphase zur Ruhe zu kommen. Töpfern stellt eineVerbindung zur Natur her. Töpfern erdet.» Fabienne Anderhub-Burri, Trauerbegleiterin

Über eine ganz andere Verbindung zwischen sterbenden Menschen und ihren Angehörigen berichtet der «Seetaler Bote» (Artikel nicht online erhältlich). Fabienne Anderhub-Burri, Teilzeitlandwirtin und Trauerbegleiterin töpfert mit ihnen Urnen. Die Besucherinnen und Besucher ihres Waldbruder-Werks sind Kinder oder Enkelkinder, die gerade Eltern oder Grosseltern verloren haben, Familien, die um ein Kind trauern, Kranke, die sich auf den Tod vorbereiten. Unter ihrer Anleitung versuchen sie, ihren persönlichen Umgang mit der Trauer zu finden. Aus einem Klumpen Ton formen sie eine Urne, für sich oder einen nahestehenden Menschen. «Das Arbeiten mit der Tonerde hat eine beruhigende und oftmals therapeutische Wirkung», sagt die 35-Jährige. «Stirbt ein Mitmensch, fühlen sich die Hinterbliebenen oft machtlos. Beim Töpfern können sie mit den eigenen Händen aus einem natürlichen Rohstoff etwas herstellen.» Töpfern helfe, während der Trauerphase zur Ruhe zu kommen, stelle eine Verbindung zur Natur her. «Töpfern erdet.»

Auch für Anderhub gab diese scheinbar heilsame Kraft der Erde den Ausschlag, das Handwerk zu lernen, in einer Zeit, als sie emotional «etwas unausgeglichen» war. Obwohl sie skeptisch war, weil die Kursausschreibung zu stark nach Esoterik klang. Doch in der Folge besuchte sie weitere gestalterische Kurse, machte einen Lehrgang in Palliative Care und liess sich zur Sterbebegleiterin weiterbilden. Auf ihrem Hof bringt sie nun Kunsthandwerk und Trauerbegleitung zusammen. Auch sogenannten «Seelenschmuck» fertigt Anderhub auf Anfrage aus Ton und der Asche von Verstorbenen. «Vor allem zu Beginn der Trauerphase haben viele das Bedürfnis, einen Teil des Verstorbenen in irgendeiner Form bei sich zu haben.» Ihrer Erfahrung nach ist der Umgang mit Tod und Trauer sehr individuell und verändert sich im Lauf der Zeit. Gemeinsam sei den Trauernden das Bedürfnis, dem Verstorbenen einen letzten Wunsch mitzugeben. Deshalb bestückt sie viele ihrer Urnen mit Anhängern, auf denen die Angehörigen einen letzten Gruss aufschreiben können.

Ihre Arbeit ist mit vielen, manchmal schwierigen Geschichten verbunden, die ihr manchmal auch den Schlaf rauben. Bei der Verarbeitung hilft ihr, darüber zu reden. Und das Wissen, dass der Tod auch eine andere Seite habe. «Sterben ist nicht immer traurig. Es kann auch eine Erleichterungsein», sagt Fabienne Anderhub. Letztlich gehe es darum zu akzeptieren, dass es im Leben einen Anfang und ein Ende gebe. Und im besten Fall ein langes Dazwischen, das man auskosten könne.

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«Zeitlupe», das Magazin von «Pro Senectute», begleitete den 91-jährigen Beat Aepli-Lehner während seines 12-tägigen Sterbefastens (Artikel kostenpflichtig). Letzte Nacht habe er im Traum gegessen ein feines Dessert gegessen, erzählt Aepli lächelnd am achten Tag seines Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit. Seine Stimme sei leise geworden, das Sprechen falle ihm schwerer, hält die Reporterin fest, doch der Blick sei wach und interessiert. Er sei zufrieden, es gehe ihm gut, sagt Beat Aepli. Ausruhen wolle er sich jetzt nicht. «Wenn ich die Augen schliesse, schlafe ich ein. Und ich möchte gern weiterreden.» Sein Leben bezeichnet er als reich, er habe viel erlebt. Nicht alles sei einfach gewesen, doch er habe alles überstanden. Seine Schmerzen seien kaum noch zu ertragen, er wolle weder ins Heim noch ins Spital, er wolle sterben. Exit wäre nicht sein Weg gewesen, diesen Gedanken verwarf Aepli bald wieder. «Aber aufs Essen und Trinken zu verzichten, fällt mir nicht schwer. Ich habe weder Hunger noch Durst.» Die Schmerzen gehen auf einen Unfall mit dem E-Bike von vor zwei Jahren zurück. Es folgten Hüftoperation, Reha, Rückschläge. Und eben die Schmerzen. Er musste diverse Medikamente nehmen. Als er in diesem Frühjahr über den Trottoirrand stürzte, war für Beat Aepli klar, dass die Zeit zum Sterben gekommen war. Er eröffnete seiner Frau Trudy den Entschluss und fragte sie, ob sie ihn dabei unterstütze. Sie habe gleich gewusst, dass sie ihren Mann bei seinem Entschluss nicht würde umstimmen können, erinnert sich Trudy Aepli. Sie versprach ihm ihre Unterstützung. Zum letzten Mittagessen bereitet Trudy Aepli das Lieblingsmenu ihres Mannes zu: Felchenfilets. Zum Ende der Mahlzeit stand Beat Aepli auf und verkündete, dass dies sein letztes Essen gewesen sei.

Noch am gleichen Nachmittag informierte er seine Kinder und seinen Hausarzt und Freund. Auch die Spitex wurde miteinbezogen. Für Iris Hofmann, Fachfrau Palliativpflege, eine neue Erfahrung, jemanden zu begleiten der sich bewusst für den Verzicht von Nahrung und Flüssigkeit aussprach. Sie las sich ins Thema ein und bereitete sich vor. Ihr Wissen und ihre langjährige Erfahrung hätten ihr geholfen, auch dieser Situation unvoreingenommen und offen zu begegnen. Sie merkte bald, dass sich ihre Aufgaben kaum von einer üblichen Palliativbegleitung unterscheiden. Dass die ganze Familie sachlich und rational über die bevorstehenden Tage redete, machte es für sie leichter, auf deren Bedürfnisse einzugehen. Es galt nur noch, alle Eventualitäten zu bedenken und zu besprechen: eine gute Schmerztherapie, mögliche Unruhe- und Verwirrtheitsphasen, Anordnungen aus der Patientenverfügung oder Grenzen der Betreuung zu Hause. Dank dieser Vorausplanung konnte Beat Aepli seine letzten Tage bewusst gestalten, nahm von Familie und Freunden Abschied, versöhnte sich mit einem befreundeten Paar, mit dem er sich überworfen hatte und erlebte, «zum Weinen schöne Begegnungen», wie er selbst sagte.

Vier Tage vor seinem Tod sagt er, er habe keine Angst, er denke, dass er in den Himmel aufgenommen werde. Wie es dort aussehe und ob er seine Liebsten wiedersehen werde, darüber habe er wenig nachgedacht. «Aber es kommt sicher gut.» An seinem letzten Tag schläft Beat Aepli viel, manchmal öffnet er die Augen, schaut seine Frau an, blickt aus dem Fenster. Kurz nach Mitternacht stirbt er, seine Frau ist bei ihm. Einen Monat später ist sich seine Familie einig, dass sie traurige und gleichzeitig erfüllte Tage hinter ihnen liegen. Und eine intensive, gemeinsame Erfahrung, die sie nicht mehr missen möchten.
«Viele Menschen wachsen im Sterbeprozess über sich hinaus. Sie werden dankbar für ihr Leben und nehmen den anstehenden Tod mit Gelassenheit an.» Maria Micheletto, Sterbebegleiterin

«Ich kehre gestärkt von meiner Arbeit zurück.» Das sagt Maria Micheletto in der «Luzerner Zeitung» (Artikel kostenpflichtig). In den Nächten begleitet die Schwyzerin schwer kranke und sterbende Menschen in ihren letzten Lebensstunden. Zudem leitet sie seit 16 Jahren den entsprechenden Begleitdienst. Warum genau diese Arbeit sie stärkt, erklärt sie so: «Viele Menschen wachsen im Sterbeprozess über sich hinaus. Sie werden dankbar für ihr Leben und nehmen den anstehenden Tod mit Gelassenheit an. Dies erfüllt mich mit gewaltigem Respekt und Ehrfurcht. Ich wünsche mir, dass ich später meinen eigenen Tod genauso gut annehmen kann.» Sterben sei vergleichbar mit einer Geburt, meint sie im Gespräch. Sie habe durch den Tod ihrer Grossmutter gelernt, dass Sterben ein Teil des Lebens sei. Auch während ihrer Arbeit als Pflegerin in einem Altersheim wurde Micheletto immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Dass sie sich im Begleitdienst engagiert, hat mit ihrem eigenen Lebensgefühl zu tun. «Ich hatte bis heute ein gutes und erfülltes Leben. Mit meiner Arbeit als Begleiterin von Sterbenden und Schwerkranken möchte ich etwas zurückgeben.»
Der Begleitdienst wird meist für die nächtliche Sitzwache in der terminalen Phase aufgeboten. Aufgabe sei es, einfach dazu sein, Nähe zu geben oder auch Distanz, Ruhe zu vermitteln und so die Angst vor dem Tod abzubauen. Kommunikation erfolgt weniger durch Sprache als vielmehr durch Blickkontakt, Zeichensprache, ein Lächeln oder Berührungen an Hand oder Arm. Wenn in diesen Nächten jemand gehe, sei dies sehr ergreifend. Der Tod sei ein grosses Geheimnis, ein heiliger Moment.


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In der Bildungsbeilage des «Tages Anzeigers» (Artikel nicht online erhältlich) erzählt Johanna Stadler über ihre Arbeit als fachliche Leiterin der Palliativstation im Kantonsspital Graubünden. «Unsere Patienten leiden an komplexen Problemen, die Symptomlast wie etwa Schmerzen ist nur eines, dazu kommen die psychischen, seelischen und sozialen Dimensionen», erklärt Stadler. Dazu arbeite man in der Palliative Care in interdisziplinären Fachteams zusammen, in denen man zunächst versuche, die physischen Symptome in den Griff zu kriegen oder zumindest zu lindern. Dadurch könnten sich die Patienten den wesentlichen Dingen widmen, wie etwa dem Abschied von ihrer Familie. In dieser letzten Lebensphase würden letzte Wünsche – meist kleine Dinge - besonders wichtig, beispielsweise den Hund noch einmal zu sehen, den Frühling oder die Geburt des Enkelkindes zu erleben. «Wir helfen den Menschen die Zeit, die ihnen verbleibt, besser zu leben. Das ist eine wunderbare Aufgabe und gibt mir grosse Berufszufriedenheit», sagt die 40-jährige Stadler.

Dass sie im Bereich Palliative Care ihre Berufung fand, war eher dem Zufall zu verdanken. Nach ihrer Ausbildung zur Pflegefachfrau HF in Deutschland leistete sie ein Jahr Freiwilligenarbeit in Afrika in einem Hospiz für Aids-Patienten. Zurück in ihrer Heimat bewarb sie sich bei einer neu eröffneten Palliativstation. Sie sei geprägt vom Bewusstsein, ein gutes Leben zu haben und etwas zurückgeben zu wollen. Man gebe in diesem Job sehr viel, erhalte aber auch viel zurück. Palliativpatienten seien für sie die besten Lehrmeister. Entsprechend lebe sie sehr intensiv, geniesse das Leben und habe gelernt, zufrieden zu sein. «Vor allem schiebe ich meine Träume nicht auf, bis ich sie nicht mehr verwirklichen kann.»

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Zuletzt sei an dieser Stelle wieder einmal auf eine mehr als hörenswerte Folge des Podcasts «Das letzte Stündchen». Elena Ibellos Gast in dieser achten Folge ist der 53-jährige Christian Ruch, seines Zeichens Historiker und Soziologe, Redaktor der Fachzeitschrift palliative ch, Ritualgestalter und vieles mehr. Ruch überlebte zwei Tumorerkrankungen in jungen Jahren und erlebte im gleichen Zeitraum den frühen Tod einer nahen Freundin an Brustkrebs. Das habe ihm ein besonderes Zeitbewusstsein gegeben. Er trage täglich die Gewissheit in sich, dass der Tod überall und sofort kommen könne. Dennoch sieht er sich nicht einfach als «Krebsüberlebender». Für seinen eigenen Tod wünscht er sich, wenn möglich, nicht durch Gewalt oder durch Ertrinken zu sterben. Das Gespräch der beiden ist heiter, nicht frei von Selbstironie, Ruchs Vorstellung von Jenseits («da geht es erst richtig los») und dem Erdenleben als eine Art Vorbereitung (ein «Chindsgi» für Grösseres oder ein «Boarding fürs Jenseits») sind spannend und regen zu eigenen Gedanken an. Unbedingt reinhören!
palliative zh+sh, Gabriela Meissner