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Medienschau Dezember 2020

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen des vergangenen Monats. (Bild: gme)

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Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden werden die Links zu den Beiträgen deshalb unter «Links zu den Beiträgen» aufgelistet.

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15. Januar 2021 / Medien
Es mag der Pandemie geschuldet sein, dass die Palliative Care auch im letzten Monat des Jahres 2020 mehr Platz in den Medien erhielt als früher. Sophie Pautex, Steffen Eychmüller, Andreas Weber, Jürg Streuli – sie alle sind Leuchttürme in der Palliative Care und konnten Themen einbringen, die wichtig sind, damit die breite Öffentlichkeit die Anliegen, aber auch den Nutzen der Palliative Care versteht. Wir haben die lesenswertesten Beiträge zusammengefasst.
Zehn Monate sind seit dem ersten Lockdown vergangen, die Pandemie hat uns fest im Griff. Einen bislang wenig beachteten Aspekt hat der «Beobachter» herausgegriffen. Über die Hälfte der Menschen, die in den letzten Monaten an Covid-19 gestorben sind, lebten in Alters- und Pflegeinstitutionen. Erwartbar, sind doch die meisten der Bewohnerinnen und Bewohner über 80, leiden an mehreren Erkrankungen und haben ein geschwächtes Immunsystem. Dass das Image dieser Heime darunter leidet, relativiert Markus Leser, Geschäftsleitungsmitglied von Curaviva. Es werde dann ein Imagekiller, wenn der Tod tabuisiert werde. Joël Quirino von den Pflegezentren der Stadt Zürich erklärt: «Die jetzige Situation hilft uns natürlich nicht – auch wenn in der Gesellschaft oft noch sehr alte Bilder von Alters- und Pflegeheimen vorherrschen.» Bereits spürbar ist eine andere Folge der Krise: Alte Menschen warten zu mit dem Eintritt in ein Heim. Vielerorts bleibt die Belegung «leicht unter den Erwartungen». Rund drei Prozent sank die Belegungsquote innerhalb eines Jahres. Dass Betagte den Eintritt in eine Pflegeeinrichtung hinauszögern, spüren insbesondere die Versorgungsketten ausserhalb der Heime: die betreuenden Angehörigen, die Spitex-Dienste, Nachbarschaftshilfe. Die Situation der betagten Person, die eigentlich nicht mehr allein leben kann, spitzt sich durch die Pandemie weiter zu. Viele würden immer mehr vereinsamen, was die die seelische und physische Gesundheit zusätzlich belaste. Wer nicht mehr aus dem Haus könne und keine Besuche erhalte, verkümmere. «Wenn der Heimeintritt hinaus­gezögert wird, überfordert das die meisten Betroffenen und ihre Angehörigen», so Markus Leser. Gleichwohl leben knapp drei Viertel der über 80-Jährigen in der Schweiz zu Hause. Eine Studie von Pro Senectute kommt zum Schluss, dass pro Jahr Kosten von bis zu 5,6 Milliarden Franken entstehen können, um diese Gruppe bedarfsgerecht betreuen und den Übertritt ins Heim hinauszögern zu können. Jetzt, in der Pandemie, dürften sie noch höher sein, so die Schätzung im Artikel.

«Primär leben diese Kinder. Es geht ihnen gut. Sie haben einfach einen speziell schweren Rucksack, den sie mit sich tragen müssen. Doch man weiss nie, wohin der Weg führt.» Jürg Streuli, Palliativmediziner

«Achtung, es geht nicht ums Sterben.» Diesen Satz muss Jürg Streuli oft sagen, wenn wer mit Eltern von schwer erkrankten Kindern spricht. Seit eineinhalb Jahren ist er Leiter der Palliative Care für Kinder und Jugendliche am Ostschweizer Kinderspital. Jürg Streuli betreut schwerstkranke Kinder und ihre Familien bei ihnen zu Hause und am Telefon und ist rundum die Uhr für sie erreichbar. Ein Knochenjob, der an die Substanz geht und bei dem man sich abgrenzen muss? Keinesfalls, erklärt Streuli im Porträt mit dem «St. Galler Tagblatt» (Artikel kostenpflichtig). «Ich habe keinen Abstand. Das will ich auch gar nicht.» Seine eigenen Kinder seien oftmals involviert, wenn er im Auto mit Eltern telefoniere oder wenn er das Skiwochenende im Engadin mit Hausbesuchen verbinde. «Ich glaube, jedes schlimme Ereignis geht einem nah.» Man müsse versuchen zu verhindern, dass man selber leide. «Man muss immer noch in der Lage sein, die Familie in ihrem Leid zu unterstützen.» Streuli setzt den Fokus darauf, die wenigen Jahre mit Lebensfreude und schönen Erlebnissen zu füllen, statt um jeden Preis mehr Leben zu gewinnen. «Primär leben diese Kinder. Es geht ihnen gut. Sie haben einfach einen speziell schweren Rucksack, den sie mit sich tragen müssen. Doch man weiss nie, wohin der Weg führt.» Ihm geht es auch darum, schöne Erlebnisse zu ermöglichen, die erste Reise ans Meer, oder eben auch das letzte Weihnachtsfest.
Auch die Geschwister involviert der Palliativmediziner, der als Zwölfjähriger selbst an Krebs erkrankt war. Er erlebte damals am eigenen Leib, wie erkrankte Kinder von den Ärzten einbezogen wurden. Oder eben auch nicht. Den Geschwistern müsse man einfach zuhören, sagt Streuli. «Kinder haben die besten Fragen und auch das magische Denken, das wir Erwachsenen oft in der Pubertät verlieren.» Wo denn das «Leiterli» zum Himmel sei, um das Geschwister zu besuchen, erinnert er sich an eine Frage. «Das sind wunderschöne Fragen, die eine Weisheit offenbaren, die Kinder in sich tragen.»

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Rund 600 Patientinnen und Patienten betreut ein 15-köpfiges Team aus spezialisierten Pflegefachleuten und drei Ärzten im Zürcher Oberland jedes Jahr. Sie machen möglich, was sich die meisten Menschen wünschen: zu Hause zu sterben. Sie nehmen geplante Behandlungen vor, sind aber auch für Notfälle rund um die Uhr zu erreichen und können so oftmals Hospitalisationen verhindern. Zwar sei die Arbeit im mobilen Team stressig, aber auch sehr bereichernd, erklärt Pflegefachfrau Heidi Lüthi im Interview mit der Nachrichtensendung «Zehn vor zehn» und ergänzt: «Eines der grossen Ziele der Palliative Care und auch unseres Teams ist es, dass wir die Lebensqualität von schwer kranken Menschen möglichst hochhalten können.» Das gelinge am besten in der gewohnten und geliebten Umgebung. Im Filmbeitrag wird die an Leukämie erkrankte Barbara Stauber porträtiert. Sie wisse, dass die Medizin ihr nicht mehr helfen könne. Darum wolle sie die restliche Zeit zu Hause verbringen, umgeben von ihren Blumen und Bildern, in der Nähe ihrer Familie. Auch den Hund hat sie so bei sich, was im Spital unmöglich wäre.
Eine Befragung des Bundes zeigt, dass mehr als 70 Prozent der Bevölkerung zu Hause sterben möchte. Doch nur bei 30 Prozent ist dies möglich. In vielen Kantonen fehlen mobile Teams. Das soll eine Motion, die der Ständerat überwiesen hat, nun ändern. Der Zugang zur Palliative Care soll für jeden Menschen gewährleistet sein und auch die freie Entscheidung darüber, wo man sterben will. Doch auch hier ist die grösste Problematik die Finanzierung. Es scheitere am Geld, erklärt Andreas Weber erklärt, der die Palliative Care im Spital Wetzikon leitet und auch die Aufsicht über die mobilen Teams hat: «Rund ein Drittel der Kosten ist bei solchen Einsätzen von den normalen Tarifen nicht abgedeckt.» Insbesondere der Koordinationsaufwand, denn genauso unberechenbar wie die Krankheiten sei eben die Planung der Einsätze. Im Zürcher Oberland konnte das Problem durch einzeln ausgehandelte Leistungsverträge mit den Gemeinden gelöst werden, die die übrigen Kosten übernehmen. Letztlich spare man aber dadurch Geld, weil unnötige Hospitalisationen vermieden werden, sagt Weber. Allein die Anfahrt einer Ambulanz sei teurer.

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Eine erreichbare Palliative Care werde zunehmend wichtiger, sagt auch Elsi Meier, die neue Präsidentin von Palliativ Luzern im Interview mit «Zentralplus». Weil Hausärztinnen vielfach nicht mehr rund um die Uhr erreichbar seien, müssten sich die Patienten neu orientieren. «Gut» sterben zu können, sei eine Lebensaufgabe. Loslassen können sei sehr wichtig. Und reden. «Wenn die Patienten aber den Angehörigen von ihrer unheilbaren Krankheit erzählen, müssen sie sie oft trösten. Mütter, die ihren Kindern sagen müssen, dass sie nicht mehr gesund werden, wachsen nicht selten über sich hinaus, um sie zu schützen.» Doch sei eine solche Zeit nie nur traurig. Während des Sterbeprozesses könnten Betroffene wertvolle Erlebnisse zusammen geniessen. «Hier kommt gute Lebensqualität zum Tragen. Das Erfüllen eines besonderen Wunsches kann wichtig sein. Ich habe Kinder erlebt, die unbedingt noch einmal an die Fasnacht gehen oder das Weihnachtsfest vorziehen wollten, so Elsi Meier. Auch sie sieht, wie viele Menschen sich wünschen, zu Hause sterben zu können, macht aber auch geltend, dass geklärt werden müsse, ob die Angehörigen in der Lage seien, das zu schaffen und welche Unterstützung sie dabei benötigen. «Denn den Angehörigen fehlt oft die entsprechende Erfahrung und der professionelle Abstand.» Meier erwartet, dass sie vom Kanton bald einmal den Auftrag erhalten, einen spezialisierten mobilen Palliative-Care-Dienst aufzubauen. «Die Idee dahinter ist, Angehörige und Fachpersonen in komplexen Situationen zu beraten und zu unterstützen. Und zwar, damit möglichst viele Menschen bis zuletzt in ihrem vertrauten Umfeld leben und sterben können. Egal, wo im Kanton sie leben.»

«Leben sollen gerettet werden, nicht Lebensjahre.» Tanja Krones, Medizinethikerin

Ein Interview mit Medizinethikerin Tanja Krones im digitalen Magazin «Republik» rückte den Begriff «Stille Triage» in den Fokus. Die aktuelle Woche sei besonders schlimm gewesen, sagte Krones wenige Tage vor Weihnachten. Kurzfristig sei es so gewesen, dass kein freies Bett mehr vorhanden war. «Wir sind am Anschlag. Das Universitätsspital Zürich hat ein maximales Stressniveau erreicht.» Und dennoch habe sie den Eindruck, dass gerade Ärztinnen und Pflegefachkräfte, die sich um die Corona-Patienten kümmerten, alles geben würden. Man sei wie auf einem endlosen Marathon, und man könne Reserven mobilisieren in Krisensituationen. Aber: «Aber ein Ausnahmekraftakt kann nicht ewig andauern.» Im Verlauf des Interviews erklärt Krones die neuerliche Anpassung der Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, an denen sie als Mitglied der Nationalen Ethikkommission mitgearbeitet hat. Zunächst sei der Fokus zu sehr auf das Alter gelegt worden. Deshalb seien die Richtlinien in der Folge konkretisiert worden durch die in der Altersmedizin standardmässig angewandte sogenannte Gebrechlichkeitsskala, was allerdings die Behindertenverbände alarmiert habe, die sich sorgten, dass dieses Kriterium auch bei Menschen mit Behinderungen angewendet werde. «In der neuen Überarbeitung haben wir stärker präzisiert und verdeutlicht, dass allein die kurzfristige Prognose entscheidend ist.» Was bedeutet, dass die geschätzte verbleibende Lebenszeit nicht miteinbezogen wird, sondern lediglich die Vorgabe zählt, möglichst viele akut bedrohte Leben zu retten. «Leben sollen gerettet werden, nicht Lebensjahre.» Doch die leitende Ärztin am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte sowie Geschäftsführerin des Klinischen Ethikkomitees des Universitätsspitals Zürich stellte in ihrer täglichen Arbeit fest, dass es viele Patienten gar nicht mehr in die Spitäler schaffen, auch wenn sie sehr krank sind. Pflegeheime und Hausarztpraxen würden diese Patienten gar nicht erst überweisen, weil die Haltung vorherrsche, wenn jemand schon 85 sei, habe es keinen Sinn mehr, das Spitalsystem zu belasten. Diese «stille Triage» sei aber nur dann in Erwägung zu ziehen, wenn die Patientin selbst eine Einweisung nicht mehr wünsche und eine ausreichende Palliativversorgung gewährleistet sei. Krones vermutet, dass sie wohl viele Fälle gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. «So kann aber auch keine Beurteilung unsererseits erfolgen, und der Patient bekommt unter Umständen keine faire Chance.»

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Auch die «Basler Zeitung» räumte der Palliative Care einen Platz ein und publizierte ein Gespräch mit dem Palliativmediziner Steffen Eychmüller (Artikel kostenpflichtig). Er versuche, den sterbenden Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen, indem er darüber spreche. Wenn es um Corona gehe, hätten sofort alle die tragischen Bilder aus Italien im Kopf, aus Intensivstationen, die vielen Särge. Dadurch entstehe das Bild eines eigentlichen Todeskampfs. «Oft wird dabei aber vergessen, dass ein Grossteil der Menschen etwa im Pflegeheim bereits vorher schon sehr krank und schwach war.» Durch die Virusinfektion seien sie noch schwächer geworden, und das Leben ziehe sich ohne Kampf zurück, als würde man einen Lautstärkeregler langsam zurückdrehen. «Wichtig ist, dass die Menschen während des Sterbeprozesses nicht allein sind, sich sicher fühlen und ihre Liebsten in der Nähe haben. Sie müssen sich nicht vor Atemnot oder Schmerzen fürchten, weil wir ihnen Medikamente geben können», erklärt Eychmüller, leitender Arzt am Palliativzentrum im Berner Inselspital.
Dass die Medizin nicht immer retten könne, zeige die Pandemie sehr deutlich. «Weil die Virusinfektion so neu ist, akzeptieren Schwererkrankte es eher, dass es keine ursächliche Behandlung für sie gibt und die Krankheit vielleicht tödlich verläuft.» Ein Tumorkranker dagegen habe ständig die Zahlen im Kopf, zu wie viel Prozent eine Therapie anschlägt, und denke dann häufig, dass er auf alle Fälle bereits von den neusten Forschungserfolgen profitieren werde. Die Palliativstation sei keine Endstation, wie das viele dächten. Zwei Drittel der Patienten könnten die Station wieder verlassen und nach Hause oder in eine Pflegeumgebung gehen. Die Auseinandersetzung mit dem Lebensende empfänden manche sogar als eine Bereicherung. «Es gibt bei uns auch einige Lebenskünstler, die ein besonderes Gespür für die kleinen Dinge haben wie etwa einen Vogel auf dem Fensterbrett. Von ihnen können wir viel lernen, was alles Energie geben kann.»
«Sterbende werden aus ihrem Alltag herausgerissen, und ihr Tod wird im Krankenhaus versteckt.» Sophie Pautex, Palliativmedizinerin

Die Genfer Palliativärztin Sophie Pautex gehört seit November der Corona-Taskforce des Bundes an. Als erste Palliativmedizinerin. Sie leitet die Abteilung für Palliativmedizin am Universitätsspital Genf und fungiert als Leiterin der Arbeitsgruppe Forschung bei palliative ch. Der Tod werde im Spital versteckt, sagt sie im Porträt mit dem «Beobachter». Covid sei ein Augenöffner dafür, wie fremd der Tod unserer Gesellschaft geworden sei. «Sterbende werden aus ihrem Alltag herausgerissen, und ihr Tod wird im Krankenhaus versteckt.» Den Angehörigen sei es verwehrt, die Verantwortung wahrzunehmen. Noch mehr als sonst seien die Familien gezwungen, die Betreuung Sterbender an Ärztinnen und Pfleger zu delegieren und ihnen die Begleitung am Lebensende zusätzlich aufzubürden. In den Spitälern hätten sich viele Angestellte mit Covid angesteckt. «Ich glaube, es geht ihnen allen gut. Aber alle sind erschöpft», sagt auch Pautex. Und es fehle an Personal. Natürlich könne man Betten in Turnhallen aufstellen, aber woher das entsprechend geschulte Personal nehmen? Zur Taskforce kam sie dank eines Schreibens von palliative ch an Bundesrat Alain Berset. Ihre Aufgabe ist, «die beste palliative Versorgung für Patienten mit schwerer Covid-19-Erkrankung zu gewährleisten». Gut, dass mit Sophie Pautex endlich auch die Palliativmedizin vom Bund zur Pandemie gehört wird.

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Ein neues Podcast-Format, in das es sich lohnt reinzuhören, ist «Das letzte Stündchen». Macherin des Podcasts ist Elena Ibello. Bis 2018 verantwortete sie die Kommunikation von palliative zh+sh und hatte sich bereits damals mit dem Thema «Reden übers Sterben» einen Namen gemacht. In der ersten Folge spricht sie mit Alva, die ihren Lebenspartner im Alter von 32 verloren hat. Matthias hatte Depressionen, nahm Medikamente, das wusste sie. Sie war an jenem Tag in St. Gallen, geplant war, das Wochenende gemeinsam im Bünderland zu verbringen. Doch dann kam alles anders. Alva erreichte ihn nicht mehr, alarmierte seine Eltern und die Schwester. Es dauerte bis klar war, dass Matthias nicht mehr lebte. Im Podcast erzählt Alva, wie sie als Lebenspartnerin ohne Konkubinatsvertrag erlebte, dass die Behörden nicht mit ihr kommunizierten, sie kaum etwas zu sagen hatte, als es um den Abschied vor ihrem Verlobten ging. Sie erhielt Schuldzuweisungen, aber kaum Hilfe. Und sie erzählt, wie sie sich davon befreite und sich ein eigenes Care-Team aufbaute. Das Gehörte macht Lust auf die weiteren Folgen.
«Mit ihrer Lehrtätigkeit und ihrem Lehrbuch trug Liliane Juchli nicht nur wesentlich zur Professionalisierung der Pflege bei, sondern reflektierte in diesem Zusammenhang auch die Frage, wie die spirituelle Dimension seitens der Pflege in einem säkular geprägten Umfeld berücksichtigt werden kann. Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Universität Zürich

Die Geschichte zum Schluss gehört Schwester Liliane Juchli, von der die Schweiz am letzten Tag im November Abschied nehmen musste. Anfang Dezember wurde sie von den Medien gewürdigt. «Sie ist in Bern im ‹Haus für Pflege› friedlich eingeschlafen», zitiert die Plattform kath.ch die Provinzoberin der Ingenbohler Schwestern, Tobia Rüttimann. Dies, nachdem sie sich wegen einer Infektion in medizinische Behandlung begeben und sich zusätzlich mit Covid-19 angesteckt hatte. «Liliane Juchli hat für die Pflege gelebt», sagt Schwester Tobia. «Sie wurde zur unermüdlichen Kämpferin für eine professionelle, ganzheitliche und menschenwürdige Pflege.» Als Pionierin der Spiritual Care», bezeichnet sie Lisa Palm, stellvertretende Leiterin der Zürcher Spitalseelsorge und Palliative-Care-Beauftragte. «Als junge Krankenpflegeschülerin wurde ich vor über 40 Jahren durch sie und ihr Krankenpflegebuch sensibilisiert für das ganzheitliche Menschenbild und für die spirituelle Begleitung.» Sie werde Schwester Liliane «als starke, eigenständige Kämpferin, Visionärin und Klosterfrau mit einem wunderbaren Humor» in Erinnerung behalten.
Gewürdigt wird Liliane Juchli auch von wissenschaftlicher Seite, etwa von Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Universität Zürich. Er habe sie zwar nur von ferne erlebt, als Referentin während des Theologiestudiums und auch später sei er ihr begegnet. Doch ihr Lehrbuch, «der Juchli», habe ihn seit der Spitalseelsorgeausbildung begleitet. Sie sei deshalb für die Spiritual Care wichtig gewesen, weil sie mit ihrer Lehrtätigkeit und ihrem Lehrbuch nicht nur wesentlich zur Professionalisierung der Pflege beigetragen, sondern in diesem Zusammenhang auch die Frage reflektiert habe, wie die spirituelle Dimension seitens der Pflege in einem säkular geprägten Umfeld berücksichtigt werden könne. Dabei habe sich die Professionalisierung der Pflege zweifellos durchgesetzt, das Anliegen einer spezifisch pflegefachlichen Spiritual Care hingegen in der Schweiz erst im Bereich der Palliative Care. «Und auch dort erst ansatzhaft.»
palliative zh+sh, Gabriela Meissner