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Medienschau Juli 2017

Medienschau Juli 2017

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Die Medienschau von palliative zh+sh gibt Einblick in die Berichterstattung zu Palliative Care und verwandten Themen der vergangenen zwei Monate. (Bild: palliative zh+sh)

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Weitere Infos zum Thema

Unter dem Titel «Medienschau» bietet palliative zh+sh regelmässig einen (unvollständigen) Überblick über die Berichterstattung in verschiedenen Medien zu Palliative Care und verwandten Themen.

Die Medienschau ist eine Momentaufnahme eines Ausschnittes der öffentlichen Diskussion zum Thema und bietet kurze Zusammenfassungen, zeigt Verknüpfungen auf und soll nicht zuletzt unterhalten und zur weiteren Lektüre der besprochenen Beiträge anregen. Wo vorhanden, werden die Links zu den Beiträgen deshalb in der rechten Spalte aufgelistet.

Dokumente zum Thema

Video zum Thema

04. August 2017 / Medien
Claudia Nielsen, die Stadtzürcher Gesundheitsvorsteherin, hat eine Gesprächsrunde zum Thema «selbstbestimmtes Sterben» organisiert. Teilnehmer_innen waren 50 Zürcherinnen und Zürcher im Pensionsalter. «Früher war Sterben Schicksal, heute können wir viel mitbestimmen, und damit kommt die Verantwortung», sagte Nielsen zur Eröffnung. Sorgen mache ihr vor allem der sogenannte Bilanzsuizid. «Menschen die sterben wollen, um niemandem zur Last zu fallen – auch finanziell», zitiert der «Tages-Anzeiger» die SP-Politikerin. Auch wenn Exit in den Stadtzürcher Alterseinrichtungen seit 1999 zugelassen ist, registrierte das Gesundheitsdepartement über all die Jahre keine steigenden Zahlen von assistiertem Suizid in seinen Institutionen. Selbstbestimmtes Sterben als solches sei aber trotzdem ein Thema. Viele Menschen wünschten sich zwar, eines Tages einfach nicht mehr aufzuwachen, sagte Gabriela Bieri, die ärztliche Direktorin der Zürcher Pflegezentren. Die Realität sehe aber anders aus: Zwei Drittel der Todesfälle sind erwartet, und in 60 Prozent dieser Fälle werde am Lebensende eine Entscheidung getroffen. Sollen lebensverlängernde Massnahmen weitergeführt werden? Bei solch schwierigen Fragen diskutieren Ärzte, Pflegende und Angehörige mit. Ihre Meinungen gehen auseinander. Dazwischen der Betroffene, der noch klar im Kopf ist, vielleicht aber auch verwirrt. Laut Rosann Waldvogel, Direktorin der Stadtzürcher Alterszentren, akzeptieren Angehörige den Sterbewillen oft nicht, auch wenn eine Patientenverfügung vorliegt. «Die direkten Nachkommen hängen stark an den Eltern, während die Enkel besser mit dem Sterben umgehen können.» Die Lösung, so waren sich viele Beteiligte des Werkstattgesprächs einig, ist eine Patientenverfügung, die regelmässig aktualisiert wird. Zudem solle man seinen Willen rechtzeitig kundtun und mit den Angehörigen darüber sprechen.


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Der Regionalsender «Tele Z» hat für seine Sommerserie «Ein Tag im Leben von» eine Palliativpflegefachfrau begleitet. Lea Furrer arbeitet bei Onko Plus und betreut schwer Kranke und sterbende Menschen zu Hause. Der 30-minütige Film bringt einem den Alltag des mobilen spezialisierten Palliative-Care-Teams, das im westlichen Teil des Kantons Zürich tätig ist, gut näher. Zentral in dieser Arbeit ist das Lindern von Schmerzen, um so die Lebensqualität von unheilbar kranken Menschen möglichst hoch zu halten. Zudem spielten auch Angst, Trauer und soziale Probleme eine zentrale Rolle, sagte Furrer. «Schliesslich sind immer auch eine Familie und ein Freundeskreis betroffen.» Es mache einen grossen Teil ihrer Arbeit aus, Angehörige zu befähigen, dass sie den Patienten in dieser schwierigen Situation zu Hause tragen könnten. Furrer erklärte, dass ihr Dienst eng mit den Gemeindespitexen zusammenarbeite und wie sich deren Aufgaben voneinander unterschieden. Im Beitrag wurden überraschende Fragen gestellt, zum Beispiel wie man mit einem todkranken Menschen umgehen soll. Furrers Antwort: «Ganz normal, übertriebenes Mitleid ist nicht nötig.» Der Journalist fragte auch, ob sie denn einem Patienten beim Verabschieden «einen schönen Tag» wünschen könne. «Ja klar kann ich das, sie haben auch noch schöne Tage.» Der Reporter ist offenbar begeistert von Furrers aufgestellten und lebensfrohen Art. Ihr Job habe sie insofern verändert, als sie ihr Leben bewusster lebe als früher, sagt sie selbst. «Ich weiss, wie glücklich ich über meine Gesundheit sein kann und darüber, mein Leben so gestalten zu können wie ich will.»

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«Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen hat dazu geführt, dass Patienten nach einer Behandlungsempfehlung zunehmend unsicher sind, ob der vorgeschlagene Weg wirklich in ihrem Interesse steht.»
Annina Hess-Cabalzar, Akademie Menschenmedizin

In der Stadt Zürich gibt es ein neues niederschwelliges Angebot für Menschen, die in medizinischen Fragen Rat suchen». Im «Café Med», das alle zwei Wochen im Café Chez Marion am Zähringerplatz stattfindet, können Patientinnen und Patienten sich in ungezwungener Atmosphäre von Fachleuten beraten lassen. «Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen hat dazu geführt, dass Patienten nach einer Behandlungsempfehlung zunehmend unsicher sind, ob der vorgeschlagene Weg wirklich in ihrem Interesse steht», sagt Annina Hess-Cabalzar, Psychotherapeutin und ehemaliges Leitungsmitglied des Spitals Affoltern, gegenüber dem Online-Branchenmagazin «Medinside». Sie ist Präsidentin der Akademie Menschenmedizin, die das Angebot ins Leben gerufen hat. Der Verein setzt sich für einen «patientenorientierten, vernetzten, nachhaltigen Therapie- und Heilungsansatz sowie die Integration der Geisteswissenschaften in die Angebotsstruktur des Gesundheitswesens» ein. Dahinter stehen namhafte Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen. Das Café Med soll neben Anlaufstelle für Patienten auch für Anliegen des medizinischen Personals offen stehen. Denn die Initiantinnen stellten auch bei ihnen eine zunehmende Verunsicherung fest. Auch sie sollen sich mit Sorgen und Fragen an die Expertenrunde wenden können. Das Team, bestehend aus Fachärztinnen und Psychologen, arbeitet ehrenamtlich und ist laut eigenen Angaben an keine wirtschaftlichen Interessen gebunden.

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Das «reformiert.» Aargau hat im Juli ein Interview mit der reformierten Spitalseelsorgerin Franziska Schär publiziert. Die 41-Jährige arbeitet im dreiköpfigen Seelsorgeteam des Kantonsspitals Aarau. Menschen, die schwer krank sind oder im Sterben liegen, kämen oft ins Nachdenken und hielten Rückschau auf ihr Leben, sagte sie. Manchmal würden sie über etwas Unverarbeitetes sprechen wollen oder aber auch über ihre Ängste vor dem Sterben, vor Schmerzen oder einem strafenden Gott. Viele entlaste bereits das Erzählen. Andere nützen die Gelegenheit, ihr etwas beichten zu können. «Als Pfarrer haben wir das berechtigte Image, dass man uns etwas anvertrauen kann. Ob der Patient die Geschichte auflösen will, überlassen wir ihm. Vielleicht will er nur mit uns beten und so versuchen, eine Belastung abzulegen.» Einerseits wird Schär von den Leuten gerufen, andererseits tritt sie in Form der «aufsuchenden Seelsorge» selbst auf die Patientinnen und Patienten zu. Zum Beispiel in der Neonatologie sei dies wichtig zu betonen. «Die Leute müssen wissen, dass ich einfach so komme und nicht, weil ich gehört habe, dass es dem Kind schlecht geht. Das würde Ängste auslösen, denn der Pfarrer wird unter anderem mit dem Tod in Verbindung gebracht.» Sie dränge den Menschen ihre Meinung darüber, was nach dem Tod kommt, nicht auf, sondern äussere sie nur, wenn sie danach gefragt werde. Sie selbst würde das Gehörte verarbeiten, indem sie mit ihren vier Kindern zusammen sei oder regelmässig Sport treibe. Einige Geschichten gingen ihr aber doch nahe, «generell Themen, die nahe am eigenen Leben sind».

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Das lang ersehnte Hospiz St. Gallen kann Anfang 2018 endlich seinen Betrieb aufnehmen. Zwar noch nicht in der dafür vorgesehenen Villa St. Jacob. Das denkmalgeschützte Gebäude muss zuerst um zwanzig Meter verschoben werden. Grund dafür ist die Erweiterung des benachbarten Betagtenheims Josefshaus. Das Sterbehospiz startet vorerst in einem Provisorium. Der Verein «Freunde stationäres Hospiz St. Gallen» hat nach einer Übergangslösung gesucht und wurde in einem ehemaligen Kapuzinerhospiz fündig, direkt neben der Heiligkreuz-Kirche in St. Gallen. Im Hospiz sind sieben Betten geplant. Noch muss das Provisorium gering baulich angepasst werden, zum Beispiel mit einem Treppenlift. Pflegedienstleiterin Beata Winiger beginnt nun mit der Rekrutierung der Mitarbeitenden. Sie sagt gegenüber dem «St. Galler Tagblatt»: «Wir mussten lange warten, sind jetzt aber froh, dass unheilbar kranke Menschen endlich ein Zuhause zum Leben und Sterben erhalten.» Der Umzug in die Villa St. Jacob ist dann auf Mitte 2019 geplant. Falls sich die dortigen Verschiebe- oder Umbauarbeiten verzögern sollten, ist dies nicht weiter tragisch. Mit der zuständigen Kirchgemeinde konnte fürs Provisorium ein unbefristeter Mietvertrag abgeschlossen werden.

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Mit der Eröffnung des St. Galler Hospizes sei im Kanton der Bedarf an Einrichtungen in Palliative Care gedeckt, schreibt das «St. Galler Tagblatt» in einem weiteren Artikel. Hervorgehoben wird die Pionierrolle der Ostschweiz in der Palliativmedizin. Am Kantonsspital St. Gallen wurde 1989 die erste Palliativstation eröffnet. 2002 lancierte die Krebsliga St. Gallen-Appenzell den palliativen Brückendienst, ein spezialisierter ambulanter Palliativpflegedienst. 2003 wurde das Palliativnetzwerk Ostschweiz ins Leben gerufen mit dem Ziel, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und die Leistungsanbieter zu vernetzen. Das Netzwerk umfasst heute als palliative ostschweiz, einer Sektion der nationalen Fachorganisation palliative ch, die Kantone St. Gallen, Thurgau, beide Appenzell, Glarus sowie das Fürstentum Liechtenstein. Über kantonale Konzepte für Palliative Care verfügen bereits der Thurgau, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und seit neustem auch Appenzell Ausserrhoden. Karin Kaspers Elekes ist evangelische Spitalseelsorgerin in Münsterlingen und Präsidentin von palliative ostschweiz. Sie wünscht sich, «dass die Haltung die Palliative Care bedeutet, die Gesellschaft bewegen wird, sich insgesamt mehr auf eine Fürsorgekultur hin zu entwickeln».

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Die Solothurner Sektion von palliative ch, also palliative so, sei auch eine Vorreiterin in der Palliative Care, schreibt die «Solothurner Zeitung». Sie habe seit ihrer Gründung mehrere Instrumente entwickelt, die nun alle im neuen Projekt «Versorgungskette» zusammenfliessen. Dazu gehören neben dem Rundtischgespräch auch der Betreuungsplan. Ihr Kernstück – und wirklich neu – ist aber eine webbasierte Krankengeschichte, die von allen Beteiligten einsehbar ist. Denn rund um einen Palliativpatienten gruppiert sich ein interprofessionelles Team aus Hausarzt, Spitex und anderen Beteiligten. «Heute haben wir das Problem, dass jeder mit seiner eigenen Software arbeitet», sagt Hausarzt Christoph Cina.
«Wir müssen umdenken. Weg vom Konkurrenzdruck, hin zu den Bedürfnissen des einzelnen Menschen.»
Christoph Cina, Hausarzt und ex-Präsident palliative so

Cina hat den Verein palliative so bis vor Kurzen präsidiert. Die Nachteile seien offensichtlich: Lange Kommunikationswege, Doppelspurigkeiten, unterschiedliche Informationen – all dies führe zu unnötigen Hospitalisierungen. Derzeit würden erste Schulungen durchgeführt, um Pflegefachleuten, Hausärztinnen und Hausärzten den Umgang mit der Dokumentationsplattform zu lehren. Was letztlich aber über das Gelingen einer guten Versorgungskette in der Palliative Care entscheide seien keine technischen Details, keine Apps und Tablets, sondern die Menschlichkeit, so Cina. «Wir müssen umdenken. Weg vom Konkurrenzdruck, hin zu den Bedürfnissen des einzelnen Menschen.»

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Die «Luzerner Zeitung» porträtierte Suanne Imfeld, die im Juli in Pension gegangen ist. Die inzwischen 65-Jährige hat die Abteilung für spezialisierte Palliative Care im Viva Luzern Eichhof aufgebaut. Diese hat Platz für sieben Patient_innen, und eine Person bleibt durchschnittlich 13 Tage dort. Imfeld sagt der Zeitung, sie werde jedoch nicht ganz von der Bildfläche verschwinden, sondern weiterhin für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig sein. Denn die Sensibilisierung sei bei diesen Tabuthemen sehr wichtig. Imfeld war in ihrem Privatleben bereits mehrfach von einem Todesfall betroffen: Sie hat bereits als Jugendliche ihren Bruder verloren, später verlor sie ihre Mutter, ihr Kind und ihren Lebenspartner. Dennoch sei nach jedem Verlust irgendwann die Lebensfreude zu ihr zurückgekehrt. Erst als 50-Jährige kam die Pflegefachfrau zur Palliative Care. Befreundete Hausärzte hätten den Anstoss gegeben. Jetzt ist sie so zufrieden damit, wie das Team in «ihrer» Abteilung arbeitet, dass sie sich selbst vorstellen könnte auf dieser Palliativstation zu sterben.

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Der «Beobachter» erzählt in einer ergreifenden Geschichte von Familie B. und ihrem Sohn Uday. Der 14-Jährige ist heute schwer behindert, nachdem er vor mehr als acht Jahren an einer Gehirnentzündung erkrankte. Er ist pflegebedürftig, kann nicht mehr sprechen, die Eltern spritzen ihm die Nahrung in eine Magensonde. Multimedia-Journalist Fabian Biasio hat auf seiner Plattform www.letztereise.ch mehrere Geschichten zum Thema «Wenn der Tod zu Kindern kommt» veröffentlicht. Sie sind alle sensibel gemacht und sehenswert; Udays Geschichte ist eine von ihnen. Zusammen mit dem Beobachter-Artikel ergibt sich ein feinfühliges Porträt von Eltern, die sich aufopfernd um ihr krankes Kind kümmern. «Und nun, seit acht Jahren, pflegen sie ihn, Tag für Tag, mit dieser störrischen, immerwährenden Liebe, die Eltern für ihr Kind haben», heisst es zum Beispiel im Text.
«Wir versuchen mit Uday so viel Leben zu erwischen, wie es geht.»
René B., Vater eines schwerkranken Sohnes

Uday und sein Bruder sind Waisenkonder und wurden adoptiert. Der Vater berichtet im Video-Interview wie schüchtern Uday war, als sie ihn in einem indischen Waisenhaus abholten. Und wie lebhaft er zu Hause spielte, damals, in der noch «sorglosen Zeit». Der Vater erzählt auch, wie Uday selbst seine Eltern immer wieder motiviert, weiterzumachen. «Wir versuchen mit Uday so viel Leben zu erwischen, wie es geht.» Biasio hat die Familie auch in die Ferien, in ein Kinderhospiz im Allgäu, begleitet. Dort können die Eltern auch einmal einen Abend zu zweit verbringen. Im Artikel geht es denn auch um die Frage, ob die Schweiz ebenfalls Hospize für sterbenskranke Kinder brauche. Initianten in Bern und Basel sammeln nämlich Geld für ähnliche Einrichtungen wie im Allgäu. Eva Bergsträsser, Palliativärztin am Kinderspital Zürich, glaubt jedoch nicht, dass in der Schweiz Kinderhospize fehlen. «Hospize sind sehr teuer und kommen nur wenigen kranken Kindern zugute.» Die beiden Schweizer Initiativen würden maximal 16 Kindern Platz bieten. Viel besser sei ein Netzwerk aus Fachkräften, wie sie selbst eines am Kinderspital Zürich leitet, sagt Bergsträsser. Aktuell kümmert sich ihr Team um 60 Kinder und ihre Familien. – Und Uday? Er werde sterben, das sagen die Eltern auch dem Bruder. «Es wird der Tag kommen», sagt der Vater im Video-Interview. «Wir müssen uns ein bisschen damit befassen. Wir versuchen aber, ganz im Alltag zu sein.»

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Die Sendung «Schweiz aktuell» von Schweizer Fernsehen SRF berichtete im Juli über das «Tabuthema Sterbefasten». Anlass ist eine Studie der Fachhochschule St. Gallen, die schweizweit Angestellte von Spitexorganisationen, Pflegeheimen, Hausärztinnen, Hausärzte und Angehörige über ihre Erfahrungen mit dem freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit befragt. Fachleute schätzen, dass zwei Prozent der Bevölkerung mit dieser Methode aus dem Leben scheiden, heisst es in der Sendung. Aber man kenne keine genauen Zahlen, weil nicht überall offen über dieses Thema kommuniziert werde. Weshalb verzichtet jemand freiwillig aufs Essen und Trinken? Dies kann körperliche Ursachen haben wie Müdigkeit, Erschöpfung oder ein unheilbares Leiden. Aber auch psychische Gründe wie eine als gering empfundene Lebensqualität, Sinnlosigkeit oder Lebensmüdigkeit können eine Rolle spielen. 30 Prozent derjenigen, die durch Sterbefasten sterben, sind eigentlich gesund, sehen aber keinen Sinn mehr im Leben. André Fringer, Professor für Pflegewissenschaft in St. Gallen, sagt: «Es dringt erst langsam ins Bewusstsein, dass dies eine Möglichkeit ist, sein Leben auf eine natürliche Art zu beenden, bevor man in eine Abhängigkeit oder eine Pflegbedürftigkeit rutscht. Das hat mit dem Modetrends Autonomie und Selbstgestaltungswillen zu tun.» Drei Viertel der befragten Spitexorganisationen haben keine moralischen Bedenken, wenn jemand durch Sterbefasten aus dem Leben treten will. Gleichzeitig hat das Fachpersonal aber noch keine grosse Erfahrung damit, solche Menschen zu begleiten. «Das ist eine grosse Konfrontation mit etwas Unbekanntem. Deshalb gibt es so wenige Begleitungen durch Profis», so Fringer.

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Viel zu diskutieren und zu schreiben hat diesen Monat das Thema «Methadon in der Krebsbehandlung» gegeben. Angestossen hatte die Diskussion ein ARD-Beitrag vom April, in dem Claudia Friesen, eine Molekularbiologin aus Ulm, von ihren Forschungserkenntnissen berichtete: Methadon solle Krebszellen zerstören. Onkologen winkten ab: Es gebe keine klinischen Studien, die diese Erkenntnisse stützten. Dieses angebliche Heilsversprechen verbreitete sich dennoch rasend schnell in den sozialen Medien – vor allem auch unter Betroffenen. Onkologen wurden offenbar überhäuft mit Patientenanfragen zum Thema Methadon. «Input», eine Hintergrundsendung von Schweizer Radio SRF 3, nahm das heisse Eisen ebenfalls auf.
«Wenn das Methadon den positiven Effekt hat, dass der Tumor zurückgeht, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen. Es ist wichtig, dass die Fachwelt nicht einfach abblockt.»
Daniel Büche, Palliativmediziner in St. Gallen

Zwar bestätigten Onkologen diesen Hype, zu einem Interview war jedoch niemand von ihnen bereit. An Friesen wurde die Kritik geäussert, sie verfolge eigene Interessen, da die Universität Ulm das Patent auf die Kombination von Methadon und Chemotherapie besitze. Der einzige Onkologe, der in der Radiosendung Stellung nahm, war Palliativmediziner Daniel Büche vom Kantonsspital St. Gallen. Er finde die Erkenntnisse von Friesen spannend, sagte er. Natürlich würde er aber auch keinem Patienten Methadon als Krebsmittel verschreiben. Möglich sei aber, das Schmerzmittel Morphin durch Methadon zu ersetzen. «Wenn es dann einen positiven Effekt hat, dass der Tumor zurückgeht, dann spricht aus meiner Sicht nichts dagegen.» Es sei wichtig, dass die Fachwelt nicht einfach abblocke. Büche hofft, dass seine Kollegen aus der Onkologie den Mut hätten, Friesens Erkenntnisse aufzunehmen und etwas Konstruktives daraus zu machen.

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Das amerikanische Online-Magazin «Huffington Post» schilderte in einem eindrücklichen Beispiel, wie Menschen, denen Palliative Care nützen würden, noch immer durch die Maschen des Netzes fallen. Jeannee Parker Martins Mutter ist 99 Jahre alt und lebt noch immer allein in ihrem Haus im mittleren Westen. Martin selbst lebt in Kalifornien. Die betagte Frau leidet seit sieben Jahren an einem langsam fortschreitenden Brustkrebs und an einer Gefässkrankheit. Obwohl ihr Gesundheitszustand ernst ist, gehen die Ärzte nicht davon aus, dass sie sich bereits in Todesnähe befindet. Deshalb deckt ihre Krankenversicherung keine Palliative Care. Dabei hätte eine Palliativpflegefachfrau, die regelmässig vorbeigeschaut hätte, die wunden Stellen an ihren Beinen entdeckt, die von ihrer Gefässerkrankung herrühren, ist die Tochter überzeugt. Mindestens drei Mal in vier Jahren habe die Mutter sich deswegen bereits intensiv ambulant in einem Spital behandeln lassen müssen. Eine palliative Betreuung hätte sie nicht nur vor der mühsamen Therapie bewahrt, sondern auch viel Geld gespart. Das Problem: Von Leistungen der Palliative Care profitieren in den USA meist nur Menschen, die sich im Spital oder einem Hospiz befinden. Zudem müssen sie im Gegenzug auf kurative Therapien verzichten. Die Krankenversicherungen decken zwar Schmerzmittel, aber keine Hausbesuche von Pflegenden, Sozialarbeitern oder Seelsorgenden ab. Oder die Deckung ist ungenügend. Nicht hilfreich sei ausserdem, dass die Definition, was Palliative Care ist, nicht einmal in der Fachwelt einheitlich ausfalle, sagt Judy Thomas, Geschäftsführerin der Coalition for Compassionate Care in Kalifornien. Zudem würden viele Patienten und sogar Ärzte den Begriff Palliative Care allein mit Sterben assoziieren und dem Aufgeben jeglicher Hoffnung auf Heilung. Aber es gibt auch in den USA Bestrebungen in die richtige Richtung; zum Beispiel eben dahingehend, dass nicht kurative gegen palliative Behandlungen ausgespielt werden. Der Artikel schliesst mit dem Beispiel der 99-jährigen Mutter. Deren Allgemeinzustand ist inzwischen so schlecht, dass sie seit Kurzem in den Genuss von «Hospice Care» kommt, das heisst eine Palliativpflegende kommt bei ihr zu Hause vorbei. «Seither sind ihre Wunden unter Kontrolle und sie musste nicht einmal ins Spital», so die Tochter.

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